OGH 5Ob94/17k

OGH5Ob94/17k27.6.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Thomas Feldbacher, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch die Dr. Borns Rechtsanwalts GmbH & Co KG, Gänserndorf, wegen 44.906,56 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. März 2017, GZ 60 R 8/17g‑26, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 13. Dezember 2016, GZ 9 C 230/15m‑22, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0050OB00094.17K.0627.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Die klagende Partei begehrte das vertraglich vereinbarte Entgelt für die Überlassung von Arbeitskräften an die beklagte Partei zur Erbringung von Arbeitsleistungen aus dem Fachgebiet der Wasser‑ und Heizungsinstallationen, mit deren Herstellung die beklagte Partei beauftragt worden war.

Unter Geltendmachung einer Gegenforderung wendete die beklagte Partei im Wesentlichen ein, die von der klagenden Partei überlassenen Arbeitskräfte hätten nicht die vertraglich vereinbarte Qualifikation aufgewiesen. Für Mängel habe die klagende Partei entsprechend ihrer (die der beklagten Partei) AVB einzustehen, die dem Vertrag zugrunde gelegen seien.

Die Vorinstanzen stellten das Klagebegehren – mit Ausnahme eines Betrags von 1,50 EUR – als zu Recht bestehend, die Gegenforderung hingegen als nicht zu Recht bestehend fest und verurteilten die beklagte Partei zur Zahlung. Zwischen den Parteien sei ein Arbeitskräfteüberlassungsvertrag zustandegekommen, sodass die klagende Partei mangels abweichender Vereinbarung eine durchschnittliche berufliche oder fachliche Qualifikation der überlassenen Dienstnehmer geschuldet habe. Sämtliche von der klagenden Partei überlassene Mitarbeiter sowie Helfer hätten über die geschuldete Qualifikation verfügt. Das Berufungsgericht ergänzte, dass der Vertrag zwar unter Zugrundelegung der AVB der beklagten Partei zustandegekommen sei; diese seien jedoch für einen Werkvertrag konzipiert und fänden daher lediglich insoweit Anwendung, als sie mit einem Arbeitskräfte-überlassungsvertrag vereinbar seien.

In ihrer außerordentlichen Revision macht die beklagte Partei im Wesentlichen geltend, dass die gemäß § 4 Abs 2 AÜG für die Qualifikation als Arbeitskräfteüberlassung erforderlichen Kriterien nicht festgestellt seien, sodass von einem Werkvertrag auszugehen sei. Damit zielt sie auf die inhaltliche Anwendbarkeit ihrer AVB ab, die unter anderem eine Haftung des Auftragnehmers für alle von seinen Gehilfen verursachten Schäden, wenn er sich vom Verschulden nicht frei beweisen könne, bzw für Mängel festschreiben, wenn er nicht beweise, dass der Mangel, dessen Urheber nicht feststellbar sei, weder auf ihn noch auf seine Erfüllungsgehilfen zurückzuführen sei.

Rechtliche Beurteilung

Damit spricht die Revisionswerberin keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO an:

1.1 Nach § 3 Abs 1 AÜG ist unter Überlassung von Arbeitskräften die Zurverfügungstellung von Dienstnehmern zur Arbeitsleistung an Dritte zu verstehen. Charakteristisch dafür ist, dass die Arbeitskraft ihre Arbeitsleistung nicht im Betrieb ihres Arbeitgebers (Überlassers), sondern in Unterordnung unter dessen Weisungsbefugnis im Betrieb des Beschäftigers erbringt. Die Bestimmung des § 4 AÜG konkretisiert diese Definition ( Brodil / Dullinger , Zur Abgrenzung von Werkvertrag und Arbeitskräfteüberlassung, ZAS 2017/2, 4 [5]) und enthält in Abs 2 eine beispielsweise Aufzählung jener Fälle, in denen jedenfalls Arbeitskräfteüberlassung vorliegt, auch wenn die Arbeitskräfte ihre Arbeitsleistung im Betrieb des Werkbestellers in Erfüllung von Werkverträgen erbringen.

1.2 Das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz dient dem Arbeitnehmerschutz (§ 2 Abs 1 Z 1 AÜG) und regelt primär die Rechtsbeziehungen des Arbeitnehmers. § 4 Abs 2 AÜG bildet daher grundsätzlich keine Grundlage zu einer Qualifikation des Vertragsverhältnisses zwischen Dienstleistungserbringer und Dienstleistungsempfänger/ Beschäftiger (Brodil/Dulllinger aaO 7). Diese Regelung stellt zum Schutz der Arbeitnehmer vielmehr klar, dass auch bei Arbeitsleistung in Erfüllung eines Werkvertrags dem wahren wirtschaftlichen Gehalt nach Arbeitskräfteüberlassung gegeben sein kann (vgl Schindler in

Neumayr/Reissner, ZellKomm² § 4 AÜG Rz 3), ohne dass damit Aussagen zur schuldrechtliche Verbindung zwischen dem Dienstgeber der eingesetzten Arbeitskraft und dessen Auftraggeber getroffen würden. Aus dem Fehlen von Feststellungen zu den Merkmalen des § 4 Abs 2 AÜG lassen sich entgegen der Ansicht der Revisionswerberin daher auch keine Rückschlüsse auf die zivilrechtliche Einordnung eines solchen Rechtsverhältnisses ableiten. Nichts anderes ergibt sich bereits aus der in der Revision zitierten Entscheidung 8 ObA 7/14h, wenn darin zur Beurteilung gemäß § 4 Abs 2 AÜG festgehalten wird, dass diese unabhängig davon erfolge, ob die Vereinbarung zwischen dem Dienstgeber und seinem Auftraggeber als Werkvertrag einzustufen sei.

2. Die obligatorische Beziehung zwischen Überlasser und Beschäftiger beruht auf dem Überlassungsvertrag (Dienstverschaffungsvertrag; RIS‑Justiz RS0050620). Nach den Feststellungen hat die beklagte die klagende Partei zur Erstellung eines Anbots über die Zurverfügungstellung von Arbeitskräften aufgefordert und das in weiterer Folge an sie gerichtete Anbot (von der klagenden Partei unwidersprochen – modifiziert) angenommen. Der Gegenstand des Dienstverschaffungsvertrags erschöpft sich in der Zurverfügungstellung arbeitsbereiter Dienstnehmer, umfasst aber nicht auch die Verpflichtung zur Erbringung bestimmter Dienstleistungen mit Hilfe der Leihdienstnehmer oder zur Herbeiführung eines bestimmten Leistungserfolgs (vgl 8 ObA 73/03y SZ 2004/141; 9 ObA 80/04m SZ 2005/52; 3 Ob 145/10k; Krejci in Rummel, ABGB³ § 1151 Rz 131). Anhaltspunkte, dass die klagende Partei über die Dienstverschaffung hinaus vertraglich einen bestimmten Erfolg (vgl dazu näher

Rebhahn in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.03 § 1151 Rz 106 ff) geschuldet hätte, fehlen. Soweit die beklagte Partei in ihrer Revision dessen ungeachtet von der Vereinbarung eines Arbeitserfolgs ausgeht, entfernt sie sich daher vom festgestellten Sachverhalt, sodass ihre Rechtsrüge insoweit nicht gesetzeskonform ausgeführt ist (vgl RIS‑Justiz RS0043312; RS0043603).

3. Bereits die Vorinstanzen haben zutreffend darauf verwiesen, dass der Dienstverschaffungspflichtige beim Arbeitskräfteüberlassungsvertrag nur für die durchschnittliche fachliche Qualifikation und die Arbeitsbereitschaft der überlassenen Arbeitskräfte einzustehen hat; sein Entgeltanspruch ist demgegenüber vom Arbeitsergebnis unabhängig (RIS‑Justiz RS0021302; RS0021287). Die überlassenen Arbeitskräfte sind nach ganz einhelliger Rechtsprechung auch nicht Erfüllungsgehilfen des Verleihers (RIS‑Justiz RS0021287). Dieser übernimmt auch keine Haftung für den vom überlassenen Dienstnehmer im Betrieb des Beschäftigers zugefügten Schaden (RIS‑Justiz RS0085655; Krejci in Rummel aaO Rz 131 mwN).

4. Ausgehend von diesen Grundsätzen begründet es auch kein im Einzelfall aufzugreifendes unvertretbares Auslegungsergebnis (vgl dazu RIS‑Justiz RS0042936 ua), wenn das Berufungsgericht zum Ergebnis gelangte, dass die von den Parteien letztlich dem Vertragsverhältnis zugrunde gelegten – auf einen Werkvertrag (konkret über die Errichtung eines Bauwerks bzw von Teilen eines solchen) zugeschnittenen – AVB der beklagten Partei für das konkrete Vertragsverhältnis nur so weit Geltung hätten, als sie mit der vereinbarten Hauptleistung (der Arbeitnehmerüberlassung) in Einklang gebracht werden können. Soweit die beklagte Partei dem mit der Argumentation entgegen tritt, der Überlasser bediene sich zur Erfüllung seiner Pflichten aus dem Arbeitsüberlassungsvertrag der eigenen Arbeitskräfte als Gehilfen, und damit erneut auf die Qualifikation als Werkvertrag abzielt, um damit die Geltung der Regelungen in ihren AVB über die Gehilfenhaftung zu begründen, ignoriert sie, dass sich die Hauptleistungspflicht in Zurverfügungstellung arbeitsbereiter Dienstnehmer erschöpfte (siehe oben) und diese vertragskonform erbracht wurde. In dem sie Feststellungen zu den Regelungen über die Gehilfenhaftung in ihren AVB vermisst, weil diese zur Qualifikation als Werkvertrag mit den von ihr gewünschten Folgen geführt hätten, geht sie offenbar davon aus, die zivilrechtliche Einordnung der vertraglichen Hauptleistung richte sich nach den von ihr formulierten Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Ein solches Auslegungsergebnis kann aber weder mit der Regel des § 914 ABGB noch mit der von der beklagten Partei zitierten Rechtssatzkette (RIS‑Justiz RS0021302) begründet werden. Auch insoweit vermag die beklagte Partei daher keine Unvertretbarkeit der Beurteilung durch das Berufungsgericht aufzuzeigen.

5. Einer weitere Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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