OGH 5Ob83/15i

OGH5Ob83/15i19.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in den verbundenen wohnrechtlichen Außerstreitsachen der Antragsteller 1. D*****, 2. DI M*****, 3. Mag. E*****, sämtliche vertreten durch Dr. Andreas Ladstätter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Dr. D*****, 2. Mag. M*****, beide vertreten durch Dr. Daniel Charim, Mag. Wolfgang Steiner, Mag. Anton Hofstetter, Rechtsanwälte in Wien, unter Beiziehung sämtlicher Mieter des Hauses *****, wegen Durchführung von Erhaltungsarbeiten (§§ 3, 37 Abs 1 Z 3 MRG), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegner gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. Jänner 2015, GZ 40 R 276/14f‑18, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00083.15I.0619.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 1 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

 

Begründung:

Die Antragsgegner sind Eigentümer der Liegenschaft mit dem Haus *****. Die Antragsteller sind Hauptmieter von Wohnungen in diesem Haus. Im Jahr 1959 bildeten die seinerzeitigen Mieter - mit Zustimmung des damaligen Liegenschaftseigentümers - zum Zwecke der Instandsetzung des durch Kriegseinwirkung unbrauchbar gewordenen Aufzugs des Hauses eine so bezeichnete Liftgemeinschaft. Nach der dieser Liftgemeinschaft zu Grunde liegenden Vereinbarung hatten deren Angehörige die Kosten der Wiederinstandsetzung des Liftes nach einem bestimmt vereinbarten Verteilungsschlüssel selbst zu tragen. Die Angehörigen der Liftgemeinschaft bekundeten darin auch ihre Kenntnis, dass die Kosten der Instandhaltung und des Betriebs eines Liftes nach dem Gesetz [damals § 5 MG; vgl 5 Ob 220/11f] von den den Lift benützenden Mietern zu tragen seien. Sie beschlossen den Einbau eines Automaten zum Münzeinwurf und dass aus diesem Erlös die jeweils anfallenden Instandhaltungskosten und Serviceleistungen beglichen werden sollten. Die künftigen von der Hausinhabung erstatteten Betriebskosten (Stromkosten) des Liftes sollten nach einem bestimmt vereinbarten Verteilungsschlüssel auf die Angehörigen der Liftgemeinschaft überwälzt werden. Mit 1. 1. 2013 wurde der Aufzug außer Betrieb genommen.

Die Antragsteller beantragen, den Antragsgegnern aufzutragen, binnen vier Wochen die sach- und fachgerechte Sanierung der Aufzugsanlage in diesem Haus durchzuführen und den Betrieb dieser Anlage wiederherzustellen. Der von den Antragsgegnern eigenmächtig still gelegte Aufzug stelle eine Gemeinschaftsanlage gemäß § 24 MRG dar. Angesichts des dynamischen Erhaltungsbegriffs nach § 3 MRG seien die Antragsgegner verpflichtet, die erforderlichen Erhaltungsarbeiten durchzuführen und den Betrieb der Aufzugsanlage wiederherzustellen.

Die Antragsgegner wandten ein, dass die Aufzugsanlage keine Gemeinschaftsanlage gemäß § 24 MRG sei. Der Aufzug sei gemäß der Vereinbarung im Jahr 1959 auf Kosten und Rechnung der Angehörigen der Liftgemeinschaft wieder instandgesetzt und betrieben worden. Der Liftgemeinschaft habe nicht nur die Entscheidung über die Durchführung von Liftreparaturen und die Aufteilung der Liftkosten zugestanden, die Hauseigentümer hätten den Angehörigen der Liftgemeinschaft auch das Recht zugestanden, Dritten das Recht zur Benützung des Aufzugs einzuräumen oder diese von deren Benützung auszuschließen. Angesichts dieser Umstände sei von einer Sondernutzung des Aufzugs durch die Mitglieder der Liftgemeinschaft und nicht von einer Gemeinschaftsanlage auszugehen. Die mit der Vereinbarung im Jahr 1959 gegründete Liftgemeinschaft sei auch nach wie vor aufrecht. Jene Mieter, denen nach 1959 Mietrechte eingeräumt worden seien, seien der Liftgemeinschaft mit Zustimmung ihrer Mitglieder schlüssig beigetreten und hätten an sämtlichen Maßnahmen und Entscheidungen der Liftgemeinschaft mitgewirkt. Die Verwaltung des Liftes sei zwar seit dem Jahr 1978 durch die Hausverwalterin, dies aber im Namen und für Rechnung der Mitglieder der Liftgemeinschaft erfolgt. Der Umstand, dass der Vermieter weiteren Mietern das Recht zur Nutzung des Liftes eingeräumt habe, ändere nichts an der rechtlichen Qualifikation der Liftanlage. Keinem der Mieter des Hauses stehe es rechtlich frei, den Aufzug bloß gegen Beteiligung an den Kosten des Betriebs zu benützen. Sämtliche Mieter, denen die Nutzung des Aufzugs eingeräumt (gewesen) sei, seien dazu verpflichtet (gewesen), nicht nur die Kosten des Betriebs des Aufzugs, sondern auch die Kosten seiner Instandhaltung zu tragen.

Das Erstgericht trug den Antragsgegnern die sach- und fachgerechte Sanierung der Aufzugsanlage und die Wiederherstellung des Betriebs dieser Anlage binnen sechs Monaten auf. Es handle sich bei der instand zu setzenden Aufzugsanlage um eine Gemeinschaftsanlage im Sinne des § 24 Abs 1 MRG. Die bloße Neuerrichtung des Aufzugs durch eine Gruppe von Mietern im Jahr 1959 schließe das Vorliegen einer Gemeinschaftsanlage nicht aus. Bis zur Einstellung des Liftbetriebs im Jänner 2013 sei der Aufzug von allen Mietern des Hauses, die den Aufzug faktisch nutzen konnten, genutzt worden; es sei also auch jenen Mietern, welche sich nicht an der Neuerrichtung beteiligt hatten, ein Liftschlüssel ausgefolgt worden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegner nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und erklärte den Revisionsrekurs nicht für zulässig. Aus dem Umstand, dass Mieter des Hauses im Jahre 1959 mit Zustimmung der Rechtsvorgänger der Antragsgegner eine als Liftgemeinschaft bezeichnete Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum Zwecke der Instandsetzung des durch Kriegseinwirkung außer Betrieb gesetzten Liftes gegründet, die Wiederinstandsetzung des Liftes finanziert und in Auftrag gegeben hätten, sei nicht abzuleiten, dass dieser Lift keine Gemeinschaftsanlage darstelle. Eine nicht notwendigerweise allen Mietern des Hauses dienen könnende Anlage, wie etwa eine Aufzugsanlage, verliere ihre Eigenschaft als Gemeinschaftsanlage nur dann, wenn sie der Liegenschaftseigentümer einem Mieter oder mehreren Mietern zur alleinigen Benützung und allfälligen Untervermietung vermiete (Maschinenmiete). Der Vermieter müsse sich seines Rechts begeben, diesen Gegenstand zur Mitbenützung weiterhin zu vermieten. Die im Jahr 1959 getroffene ausdrückliche Vereinbarung zur Bildung der Instandsetzungsgemeinschaft enthalte keine Vereinbarung mit der damaligen Liegenschaftseigentümerin, insbesondere keine Vereinbarung der späteren ausschließlichen Nutzung. Die bloße Zustimmung der Vermieterin zur Instandsetzung des Aufzugs durch einen Teil der Mieter habe ihr oder ihren Rechtsnachfolgern weder das Recht genommen, den wieder funktionstüchtigen Aufzug selbst zu benützen, noch die Möglichkeit, die Aufzugsbenützung neuen Mietern (derselben oder neu geschaffener Wohnungen) einzuräumen. Sämtliche Mieter, denen nach den Vorstellungen der Antragsgegner der Aufzug zur gemeinsamen und ausschließlichen Nutzung vermietet worden sein solle, seien nicht mehr Mieter. Eine Vereinbarung mit ihnen oder ihren Erben über das weitere Schicksal der behaupteten Nutzergemeinschaft gebe es nicht. Im Rekurs würden die Antragsgegner eine entsprechende Sondernutzungsvereinbarung zwischen dem Vermieter und den Gesellschaftern der Wiedererrichtungsgesellschaft zwar nunmehr auch aus späteren wechselseitigen Schreiben ableiten. Im Verfahren vor dem Erstgericht hätten sie sich jedoch nie auf eine solche schlüssige Vereinbarung berufen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegner wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag diese dahingehend abzuändern, dass das Begehren der Antragsgegner abgewiesen werde. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Gemäß § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Eine solche Frage zeigt der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegner nicht auf. Mit der als erheblich bezeichneten Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen ein Personenaufzug (nicht) als Gemeinschaftsanlage im Sinne der §§ 3 Abs 2 Z 324 Abs 1 MRG zu qualifizieren ist, hat sich der Oberste Gerichtshof nämlich bereits wiederholt auseinandergesetzt. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts hält sich im Rahmen der durch diese Rechtsprechung vorgegebenen Leitlinien.

1. Gemeinschaftsanlagen sind grundsätzlich Anlagen, die schon aufgrund ihrer Art der gemeinsamen Benützung der Bewohner des Hauses, wenn schon nicht aller, dann einer einheitlichen Gruppe, zu dienen bestimmt sind. Eine derartige Anlage stellt nur dann keine Gemeinschaftsanlage im Sinne der §§ 3 Abs 2 Z 324 Abs 1 MRG dar, wenn einzelnen Mietern das Recht eingeräumt wurde, die Benützung der Anlage durch andere Mieter von der Zahlung eines über die Beteiligung an den Kosten des Betriebs hinausgehenden Entgelts abhängig zu machen oder andere überhaupt von der Benützung auszuschließen (RIS‑Justiz RS0070297 [insbesondere T3] = 5 Ob 122/01d, 5 Ob 269/03z, 5 Ob 284/04g). Eine Gemeinschaftsanlage darf in diesem Sinne weder in die Sondernutzung einzelner Mieter fallen, von deren Benützung andere Mieter ausgeschlossen sind, noch darf der Gebrauch aufgrund von Sondervereinbarungen nur bestimmten Mietern zustehen (RIS‑Justiz RS0069988, insbesondere 5 Ob 172/03k).

2. Die Existenz einer sogenannten „Aufzugs- oder Liftgemeinschaft“ steht der Annahme des Bestehens einer Gemeinschaftsanlage entgegen (RIS‑Justiz RS0097525 [T2]). Eine solche entsteht aber nur durch die Vereinbarung, dass nur bestimmten Mietern, die sich in der Regel an den Errichtungskosten beteiligt haben, die Sondernutzung am Aufzug zusteht und weiteren Mietern nur zu bestimmten Bedingungen ein Benützungsrecht eingeräumt werden darf (RIS‑Justiz RS0101592 [T6], RS0097525 [T4]). Es kommt dabei also nur darauf an, ob nach der zugrundeliegenden Sondernutzungsvereinbarung der Vermieter oder nur die zur Sondernutzung berechtigten Mieter berechtigt sind, Anderen die Benützung unter gewissen Voraussetzungen einzuräumen (RIS‑Justiz RS0097525 [T3]). Wurde zwischen dem Vermieter und einem Teil der Mieter in diesem Sinn vereinbart, dass zur Benützung der Liftanlage nur die an dieser Vereinbarung beteiligten und mit den Errichtungskosten belasteten Mieter berechtigt sind, so fehlt der Liftanlage wegen der vertraglichen Sondernutzung bloß eines Teils der Mieter der Charakter einer Gemeinschaftsanlage im Sinne des § 24 Abs 1 MRG (RIS‑Justiz RS0101592 [T1]).

3. Ein derartiges Sondernutzungsrecht wurde den Angehörigen der im Jahr 1959 gebildeten Liftgemeinschaft nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen nicht eingeräumt. Die ihr zu Grunde liegende Vereinbarung enthält keine Regelung über die zukünftige Nutzung des Liftes und/oder die Vergabe von entsprechenden Nutzungsrechten. In den wenigen Fällen der Neuvermietung wurde den jeweiligen Mietern das Recht zur Liftbenützung vom jeweiligen Vermieter eingeräumt, jedenfalls die Antragsgegner benützten den Lift auch selbst. Auch für das konkludente Zustandekommen einer entsprechenden Vereinbarung bieten das Vorbringen der Antragsgegner und die maßgeblichen Feststellungen keine Grundlage. In ihrem Revisionsrekurs bestreiten die Antragsgegner jedoch die alleinige Maßgeblichkeit dieses Kriteriums und berufen sich auf die ständige Rechtsprechung, wonach das Wesen einer Gemeinschaftsanlage darin liegt, dass es jedem Mieter rechtlich (= vereinbarungsgemäß) freisteht, sie gegen Beteiligung an den Kosten des Betriebs zu benützen (RIS‑Justiz RS0069987; RS0101592 [T4]). Da alle zur Nutzung berechtigten Mieter hier vereinbarungsgemäß verpflichtet (gewesen) seien, nicht nur die Betriebskosten sondern auch die Instandhaltungskosten zu tragen, fehle diese Voraussetzung. (Schon) aus diesem Grund sei der Aufzug nicht als Gemeinschaftsanlage im Sinne des § 3 Abs 2 Z 3 MRG zu qualifizieren.

4. Entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerber steht dieser das Wesen einer Gemeinschaftsanlage allgemein und aus einem anderen Blickwinkel heraus beschreibende Rechtssatz in keinem Widerspruch zur aufgezeigten Rechtsprechung zu den Aufzugs- oder Liftgemeinschaften. Das Kriterium, dass es jedem Mieter rechtlich freistehen muss, sie ‑ gegen Beteiligung an den Kosten des Betriebs ‑ zu benützen (RIS‑Justiz RS0069987), normiert die grundsätzliche Schädlichkeit einer Sondernutzung für die Annahme einer Gemeinschaftsanlage. Unter welchen Voraussetzungen aber im Zusammenhang mit einem Personenaufzug und der Pflicht zu seiner Erhaltung von einer solchen Sondernutzung auszugehen ist, konkretisiert die dargestellte Rechtsprechung, wonach für die Beurteilung einer Aufzugsanlage als Gemeinschaftsanlage oder als Anlage in Sondernutzung Einzelner die getroffene Vereinbarung maßgeblich ist. Mieter, die der Bestandgeber von der Nutzung ausgeschlossen hat, sind zwar von den entsprechenden Betriebskosten auszunehmen; allein dadurch entsteht aber ebenso wenig eine Sondernutzungsvereinbarung mit den übrigen Mietern (vgl 5 Ob 87/08t), wie durch die Verknüpfung der Benützung mit einem zusätzlichen Entgelt, etwa in Form der (rechtswirksamen) Überwälzung des anteiligen Erhaltungsaufwands. Das von den Antragsgegnern gewünschte Ergebnis, dass diesfalls die Erhaltungspflicht vom Vermieter automatisch auf alle nutzungsberechtigten Mieter überwälzt würde, tritt dadurch nicht ein. Eine solche Liftgemeinschaft entsteht nur durch die Vereinbarung, dass nur bestimmten Mietern die Sondernutzung am Aufzug zusteht und der Vermieter weiteren Mietern ein Benützungsrecht gar nicht oder nur zu bestimmten Bedingungen einräumen darf (5 Ob 87/08t).

5. Bestand keine solche der Annahme einer Gemeinschaftsanlage entgegenstehende Liftgemeinschaft, stellen sich die im Revisionsrekurs aufgeworfenen Fragen im Zusammenhang mit der Fortsetzung einer Liftgemeinschaft trotz Mieterwechsels, insbesondere im Fall des Eintritts eines nahen Angehörigen in die Mietrechte nach § 14 MRG, erst gar nicht.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegner war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.

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