Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Pflegschaftssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung
Die Ehe der Eltern der minderjährigen Edith wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 2. 9. 1994 geschieden. Mit der Obsorge für das Kind ist die Mutter allein betraut, der Vater ist seit 1. 9. 1994 auf Grund der anlässlich der Scheidung geschlossenen Unterhaltsvereinbarung zur Leistung monatlicher Unterhaltsbeiträge von S 5.925,-- verpflichtet.
Am 18. 7. 2001 (ON 18), konkretisiert am 15. 10. 2001 (ON 29), beantragte die Mutter in Vertretung des Kindes, die väterlichen Unterhaltsbeiträge mit Wirksamkeit ab 1. 8. 1998 auf S 8.000,-- und ab 1. 9. 2001 auf S 9.500,-- zu erhöhen. Das Kind besuche die dritte Klasse eines BRG und weise alterstypische Bedürfnisse auf. Das Einkommen des Vaters habe sich erhöht, mit den beantragten Unterhaltsbeiträgen nehme das Kind an den ausgezeichneten Lebensverhältnisses des Vaters angemessen teil.
Der Vater begehrte die Abweisung dieses Unterhaltserhöhungsantrages. Die begehrten Beträge seien für die Zeit vor dem 15. 10. 2001 verjährt. Ihn träfen Unterhaltspflichten für seine nunmehrige Ehefrau und seine beiden Kinder. Die Transferleistungen seien zu seiner steuerlichen Entlastung auf die Unterhaltsansprüche von Edith anzurechnen.
Das Erstgericht erhöhte die väterlichen Unterhaltsbeiträge antragsgemäß für die Zeit von 1. 8. 1998 bis 31. 8. 2001 auf EUR 581,38 und ab 1. 9. 2001 auf EUR 690,39. Für das Jahr 1998 stellte das Erstgericht monatliche Nettoeinkünfte von S 81.807,12, für das Jahr 1999 von S 78.739,-- und für das Jahr 2000 von S 79.235,-- fest. Unter Zugrundelegung dieser Einkünfte sah das Erstgericht die beantragten Beträge als in der Leistungsfähigkeit des Vaters gedeckt an. Die Beträge überschritten auch das Zweieinhalbfache des jeweils von der Rechtsprechung bei der Unterhaltsbemessung zugrundegelegten Regelbedarfsatzes nicht, sodass dem Antrag stattzugeben sei. Die vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. 6. 2001, B 1285/00, geforderte teleologische Reduktion des § 12a FLAG scheitere an dessen klarem und unmissverständlichem Wortlaut.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Es bezweifelte (nach umfangreichen Darlegungen), ob das System des - im Gesetz nirgends verankerten - Unterhaltsstopps angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung noch aufrecht erhalten werden könne. Die (nach der Prozentsatzmethode ermittelten) Unterhaltsbeiträge lägen nach Vornahme der vom Verfassungsgerichtshof für notwendig gehaltenen steuerlichen Entlastung weiterhin (teilweise erheblich) über der sogenannten "Luxusgrenze", demgemäß auch weit über den vom Erstgericht festgesetzten monatlichen Unterhaltsbeiträgen. Die ausschließlich mit Bezug auf die Leistungsfähigkeit zu ermittelnde steuerliche Entlastung werde mehr als aufgewogen durch den Umstand, dass infolge des ausschließlich in der Bedarfsseite begründeten Unterhaltsstopps die prozentuell ermittelten Unterhaltsbeiträge, selbst unter Berücksichtigung der herbeizuführenden steuerlichen Entlastung, ohnedies bei weitem nicht ausgeschöpft würden. Für eine zusätzliche steuerliche Entlastung der im Wege des Unterhaltsstopps ermittelten Unterhaltsbeiträge bestehe daher kein Anlass.
Bereits die schriftliche Eingabe der Mutter in ON 18 lasse ihr Begehren so hinreichend deutlich erkennen (insbesondere dass eine Unterhaltserhöhung rückwirkend auf die letzten drei Jahre geltend gemacht werde), dass sehr wohl von einer die Verjährung unterbrechenden gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche der Unterhaltsberechtigten mit diesem Schreiben ausgegangen werden könne und müsse.
Da das Rekursgericht von den ersten bekannt gewordenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zur Problematik der steuerlichen Entlastung im Falle des Unterhaltsstopps abweiche, sei auszusprechen gewesen, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Antrag auf Unterhaltserhöhung abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Minderjährige hat zum Revisionsrekurs keine Stellungnahme abgegeben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.
Der Rechtsmittelwerber macht im Wesentlichen geltend, nach der jüngsten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes habe die auf Grund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes gebotene steuerliche Entlastung des Unterhaltspflichtigen auch dann stattzufinden, wenn sich der festgesetzte Unterhalt ausschließlich am sogenannten "Unterhaltsstopp" orientiere. Da der von der Antragstellerin am 15. 7. 2001 eingebrachte Schriftsatz kein prozessordnungsgemäß erstattetes Vorbringen und keinen Antrag enthalten habe und ein solcher erst am 15. 10. 2001 gestellt worden sei, seien Unterhaltsbeträge für die Zeit vor dem 15. 10. 1998 jedenfalls verjährt.
Hiezu wurde erwogen:
Vorweg wird zur Verjährungsfrage auf die zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichtes verwiesen. An die Bestimmtheit eines Antrages sind in einem außerstreitigen Verfahren keine allzu strengen Anforderungen zu stellen (vgl etwa zum wohnrechtlichen Außerstreitverfahren RIS-Justiz RS0070562). Bereits dem Schriftsatz vom 15. 7. 2001, ON 18, konnte aber entnommen werden, dass eine Unterhaltserhöhung beantragt wird und dass eine Nachforderung rückwirkend auf die letzten drei Jahre beabsichtigt ist. Damit war das Verfahrensziel - auch für die Verjährungsunterbrechung - ausreichend konkret umschrieben.
Mit der Frage, wie nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 19. 6. 2002, G 7/02 ua, die Bemessung des Unterhaltes von Kindern getrennt lebender Eltern erfolgen muss, hat sich der Oberste Gerichtshof bereits mehrmals auseinandergesetzt (RIS-Justiz RS0117015, RS0117016, RS0117023, RS0117082, RS0117084).
Der Oberste Gerichtshof hat auch schon - unter Ablehnung von Gitschthaler, Familienbeihilfe und deren Anrechnung auf Kindesunterhaltsansprüche, JBl 2003, 9, 16; ausgesprochen, dass der Geldunterhaltspflichtige auch dann darauf Anspruch hat, durch entsprechende Berücksichtigung der Transferzahlungen steuerlich entlastet zu werden, wenn die Prozentkomponente auf Grund des Unterhaltsstopps bei überdurchschnittlichen Einkommen nicht voll ausgeschöpft wird (2 Ob 37/02h; 4 Ob 52/02d; RIS-Justiz RS0117017).
Der Unterhaltsstopp wurde im vorliegenden Fall beim 2,5-fachen des Regelbedarfes angenommen, wie dies einer verbreiteten Übung entspricht (vgl die Nachweise bei Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 254/2). Allerdings stellt dieses Vielfache keine absolute Obergrenze dar (2 Ob 37/02h; 2 Ob 5/03d; 7 Ob 193/02m; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 254/3; Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 140 Rz 5d). Es gibt also keinen allgemeinen, für jeden Fall geltenden Unterhaltsstopp etwa beim 2-fachen, 2,5-fachen oder 3-fachen des Regelbedarfes. Die konkrete Ausmittlung hängt vielmehr immer von den Umständen des Einzelfalles ab (5 Ob 526/94; 2 Ob 76/99m; 2 Ob 5/03d). Maßgebend ist hiebei die Verhinderung einer pädagogisch schädlichen Überalimentierung (5 Ob 526/94; 2 Ob 37/02h; 2 Ob 5/03d). Ab welcher Betragshöhe eine solche im vorliegenden Fall zu befürchten wäre, kann anhand der vorinstanzlichen Feststellungen aber nicht verlässlich beurteilt werden. Jede (deutliche) Abweichung vom Ergebnis der Prozentsatzmethode bedarf einer besonderen Rechtfertigung (5 Ob 526/94; 2 Ob 5/03d). Einer Begründung bedarf dann aber auch die Setzung des Unterhaltsstopps im jeweiligen Einzelfall; die bloße Angabe eines bestimmten Vielfachen des Regelbedarfs als starre Rechengröße genügt hingegen nicht.
Die Umstände, aus denen sich im vorliegenden Fall in Anbetracht der gesamten Lebensverhältnisse des Kindes eine pädagogisch schädliche Überalimentierung ergeben könnte, werden daher zunächst mit den Beteiligten zu erörtern sein.
Die Pflegschaftssache war somit unter Aufhebung der vorinstanzlichen Beschlüsse an das Erstgericht zurückzuverweisen.
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