Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Antragsgegnerin hat die Barauslagen ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Antragsgegnerin ist Fruchtnießerin der Liegenschaft Haus in der Boltzmanngasse 12 im 9.Wiener Gemeindebezirk. Die Antragsteller mieteten mit Vertrag vom 7.November 1973 die ihnen als reparaturbedürftig angebotene Wohnung Nr. 11 in diesem Hause zu einem wertgesicherten Hauptmietzins von 2.000 S monatlich mit der Bestimmung, daß sie nur zu Atelier- und Wohnzwecken verwendet werden darf. Den Mietern wurde die Bewilligung erteilt, das Atelier nach dem vorgelegten Plan vom 30.Juli 1973 auf ihre Kosten auszubauen, und die Verpflichtung auferlegt, in die Wohnung eine Gasetagenheizung einzubauen. Die geplante Umwidmung des Ateliers in eine Wohnung und die Einbeziehung eines Teiles des angrenzenden Dachraumes zur Schaffung zusätzlicher Wohnräume wurde mit Bescheid der Baubehörde vom 25.Jänner 1974 bewilligt. Noch vor Abschluß des Mietvertrages besichtigten die Mieter den Mietgegenstand, der zum Teil aus Wohnräumlichkeiten und zum Teil aus Dachboden bestand. Das in der Wohnung befindliche WC war desolat: es wies zwar eine Muschel auf, es war jedoch keine Wasserspülung vorhanden und die Wasserzuleitung bestand aus einem alten unbrauchbaren Bleirohr. Im Vorraum befand sich eine sogenannte "Bassena", deren Wasserzuleitung jedoch nur tropfte, da der erforderliche Wasserdruck nicht vorhanden war; der Wasserablauf funktionierte nicht. Heizung war in der Wohnung nicht vorhanden. Ein Badezimmer fehlte. Die Gaszuleitung führte vom Gang ins Vorzimmer zu jener Stelle, an der früher offensichtlich der Gaszähler montiert war. Die Stromleitung führte über den Mauerputz, geerdete Steckdosen waren nicht vorhanden. In dem Raum rechts von der Eingangstür war ein Gasrechaud installiert, sonstige Einrichtungen einer Küche fehlten dort. Die dort vorhandene Bleirohrleitung stand nicht unter Druck. Der Eckraum der Wohnung war mit einem Brettelboden ausgestattet.
Das Haus befindet sich in der Schutzzone von Wien. Es ist nicht feststellbar, daß die Vermieterin erhebliche Eigenmittel für die Erhaltung des Hauses aufgebracht hat.
Das Erstgericht wies den Antrag der Mieter auf Feststellung, daß die Vermieterin durch die Vorschreibung eines monatlichen Hauptmietzinses von 2.000 S (wertgesichert) für die bezeichnete Wohnung den antragstellenden Mietern gegenüber das gesetzlich zulässige Zinsausmaß unter Berücksichtigung eines Mehrbetrages von 50 % überschritten haben, ab. Die Mieter hatten geltend gemacht, daß sich die Wohnung im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages in unbrauchbarem Zustand befunden habe.
Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Erstgericht im wesentlichen an:
§ 16 Abs 1 MRG sei auf die vermietete Wohnung nicht anwendbar, denn sie sei weder ausschließlich zu Geschäftszwecken vermietet worden noch habe die Vermieterin sie ausgebaut. Die Wohnung sei zwar nicht brauchbar gewesen, doch hätte nicht festgestellt werden können, daß die Mieter der Vermieterin die Mängel angezeigt hätten. Demnach sei von einer Wohnung der Ausstattungskategorie C auszugehen und der vereinbarte Hauptmietzins übersteige nicht den gemäß § 44 Abs 2 (§ 16 Abs 2 Z 3) MRG für die Wohnung mit 165 m 2 Nutzfläche zulässigen Hauptmietzins.
Das Gericht zweiter Instanz änderte in Stattgebung des Rekurses der antragstellenden Mieter den erstinstanzlichen Sachbeschluß ab und sprach aus, daß die Antragsgegnerin als Vermieterin gegenüber den Antragstellern als Mieter der bezeichneten Wohnung durch die Vorschreibung eines monatlichen Hauptmietzinses von 2.000 S das zulässige Zinsausmaß seit 1.April 1982 insoweit überschritten hätten, als der monatliche Hauptmietzins 1.361,25 S und ab 1.Februar 1984 1.509,75 S übersteigt.
Im wesentlichen begründete das Rekursgericht seine Entscheidung folgendermaßen:
Zur Zeit des Abschlusses des Mietvertrages sei sowohl den Mietern als auch der Vermieterin die Unbrauchbarkeit der Wohnung bekannt gewesen. Voraussetzung für die Unterstellung einer Wohnung in eine der in § 16 Abs 2 Z 1 bis 3 MRG genannten Ausstattungskategorien sei nicht nur das Vorliegen der dort geforderten Ausstattungsmerkmale, sondern auch die Brauchbarkeit der Wohnung; lediglich für die Einordnung einer Wohnung in die Kategorie D (§ 16 Abs 2 Z 4 MRG) werde dieses Kriterium nicht verlangt. In brauchbarem Zustand befinde sich eine Wohnung dann, wenn sie an sich zum sofortigen Bewohnen geeignet sei, also keine gröberen, die Benützung behindernden Mängel aufweise. Die mangelnde Brauchbarkeit einer Wohnung an sich könne nicht durch ein zusätzliches Ausstattungsmerkmal aufgewogen werden. Sonst könne gemäß § 16 Abs 3 MRG wohl das Fehlen eines Ausstattungsmerkmales - ausgenommen eine Badegelegenheit - durch ein oder mehrere Ausstattungsmerkmale einer höheren Ausstattungskategorie aufgewogen werden. Der Brauchbarkeit der Wohnung sei vom Gesetz ein anderer Stellenwert eingeräumt worden. Gemäß § 16 Abs 2 Z 4 MRG sei eine Wohnung nur dann in die Kategorie D einzuordnen, wenn sie über keine Wasserentnahmestelle oder über kein Klosett verfüge oder eine dieser Einrichtungen nicht brauchbar sei und/oder auch innerhalb einer angemessenen Frist nach Mängelanzeige durch den Mieter vom Vermieter nicht brauchbar gemacht worden sei. Durch diese Formulierung sei die Bedeutung dieser beiden Ausstattungsmerkmale unterstrichen und die Unbrauchbarkeit auch nur einer dieser beiden Ausstattungsgegenstände der Unbrauchbarkeit der Wohnung an sich gleichgestellt worden (Fenyves, ImmZ 1983, 181). Um der drohenden Einstufung in die Kategorie D zu entgehen, sei für den Vermieter die Möglichkeit geschaffen worden, daß er die unbrauchbaren Gegenstände innerhalb einer angemessenen Frist nach Anzeige durch den Mieter brauchbar macht. Die bloße Kenntnis des Vermieters vom Mangel reiche zur Auslösung der gesetzlich festgelegten Folge nicht aus, wenn ihm nicht durch die Bemängelungsanzeige der Wille des Mieters zur Kenntnis gebracht werde, im Verzugsfall die daraus entspringende Dauerrechtsfolge in Anspruch zu nehmen. Die Mängelrüge des Mieters sei daher auch dann erforderlich, wenn der Vermieter von den Mängeln Kenntnis gehabt haben sollte. Anders stelle sich der Fall jedoch dar, wenn beide Vertragspartner bei Errichtung des Mietvertrages von der mangelnden Eignung der Wohnung zum sofortigen Bezug ausgegangen seien und der Vermieter dem Mieter auch noch den Ausbau der Wohnung auf dessen Kosten bewillige. In einem solchen Fall könne abgeleitet werden, daß der Mieter auf Grund des Vertrages gar nicht die Behebung der Mängel hätte verlangen können, sodaß die fehlende Mängelanzeige gar keinen Einfluß auf die vom Vermieter zu bewerkstelligende Brauchbarkeit hätte haben können. Vielmehr habe er es endgültig dem Mieter überlassen, die Brauchbarkeit der Wohnung hindernde Mängel selbst zu beseitigen. Die Mieter hätten deshalb hier mit Recht die Herabsetzung des Hauptmietzinses auf das eineinhalbfache nach § 16 Abs 2 Z 4 MRG zulässigen Hauptmietzinses verlangt; dabei sei jedoch auf die gemäß § 16 Abs 4 MRG seit 1.Februar 1984 wirksame Dynamisierung Rücksicht zu nehmen.
Die Vermieterin bekämpft diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz mit Revisionsrekurs wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache. Sie beantragt, in Abänderung der angefochtenen Entscheidung das Begehren der antragstellenden Mieter abzuweisen; hilfsweise stellt sie den Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache in die erste Instanz.
Die antragstellenden Mieter begehren, diesem Rechtsmittel der Vermieterin nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Vermieterin ist nicht berechtigt. Bei der Anwendung des § 44 Abs 2 MRG ist von der Fiktion auszugehen, daß § 16 MRG bereits im Zeitpunkt der Mietzinsvereinbarung in Geltung stand (Würth-Zingher, MRG 2 , 200 Anm. 10 zu § 44; MietSlg 36.551; 2 Ob 644/85; 5 Ob 129/86). Die Anzeigepflicht des Mieters nach § 16 Abs 2 Z 4 letzter Halbsatz MRG, die in ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auch in den Fällen des § 44 Abs 2 und 3 MRG bejaht wird
(MietSlg 36.551; 5 Ob 19/85; 2 Ob 644/85; 5 Ob 63/85; 5 Ob 129/86 u. a.), kommt jedoch, wie dieses Gericht in Zustimmung zu der Entscheidung MietSlg 36.333 zu 5 Ob 14/85, 5 Ob 39/85 und 5 Ob 129/86 ausgesprochen hat, nicht in Betracht, wenn die kategoriebestimmenden Ausstattungselemente überhaupt fehlen und die Instandsetzung der Wohnung vertraglich dem Mieter überantwortet wurde. Das Fehlen der für die Einordnung der Wohnung in die Kategorie B (§ 16 Abs 2 Z 2 MRG) erforderlichen Ausstattungsmerkmale zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages, wie es von den Vorinstanzen übereinstimmend festgestellt wurde, wird von der Vermieterin nicht in Frage gestellt. Nach der oben dargelegten Rechtsansicht entfiel demnach hier eine Mängelanzeige der Mieter gemäß § 16 Abs 2 Z 4 letzter Halbsatz MRG. Mit Recht hat deshalb das Gericht zweiter Instanz das Vorliegen der Voraussetzungen des § 16 Abs 1 Z 4 (§ 16 Abs 2 Z 2) MRG verneint und dem Ermäßigungsbegehren der Mieter gemäß § 44 Abs 2 Z 1 und Abs 3 MRG auf das eineinhalbfache des nach § 16 Abs 2 Z 4 MRG zulässigen Hauptmietzinses stattgegeben. Auf die Ausführungen der Vermieterin zum Rechtskomplex der Gewährleistung des Vermieters im allgemeinen kann nicht eingegangen werden, weil die spezielle Gewährleistungsregel des § 16 Abs 2 Z 4 MRG in Abweichung von den Rechtsfolgeregelungen des ABGB spezielle Auswirkungen auf die Höhe des zulässigen Hauptmietzinses als Rechtsfolge festlegt, die nach der Anordnung des § 44 Abs 2 und 3 MRG auch für sogenannte Altmietverträge, also rückwirkend, zur Anwendung kommen muß. Verfassungsrechtliche Bedenken in Hinblick auf den Gleichheitssatz hat der Oberste Gerichtshof zu dieser Regelung nicht.
Der Kostenausspruch beruht auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG iVm den §§ 40 und 50 ZPO.
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