OGH 5Ob57/09g

OGH5Ob57/09g12.5.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Roch und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragstellerin Dr. Gertrud E*****, vertreten durch Dr. Erich Kafka und Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Gudrun S*****, 2. Gudrun P*****, 3. Franz P*****, beide *****, 4. Annemarie M*****, 5. Kurt M*****, beide *****, 6. Gabriele A*****, 7. Mag. Rainer L*****, 8. Mag. Robert N*****, 9. Franz P*****, 10. Eleonore P*****, 11. Sandra L*****, 12. Mag. Richard J*****, 13. Boguslaw S*****, 14. Dr. Tomasz P*****, 15. Tai Young H*****, 16. Mag. Andreas G*****, beide *****, Antragsgegner zu 8. und 16. vertreten durch Dr. Eva Maria Hausmann, Rechtsanwältin in Wien, wegen §§ 24 Abs 6, 52 Abs 1 Z 4 WEG 2002, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegner zu 8. und 16., gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 21. Oktober 2008, GZ 41 R 153/08s-16, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG, § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung

Das Erstgericht hat mit seinem Sachbeschluss den vom 16. 8. bis 30. 8. 2007 gefassten Umlaufbeschluss, mit welchem die bisherige Verwalterin gekündigt, eine neue Verwalterin bestellt und der bisherigen Verwalterin untersagt wurde, Reparaturen und Sanierungsmaßnahmen ohne Zustimmung der Mehrheit der Miteigentümer in Auftrag zu geben, für rechtsunwirksam erkannt. Dieser Entscheidung lag in tatsächlicher Hinsicht zugrunde, dass der den Antrag nach §§ 24 Abs 6, 52 Abs 1 Z 4 WEG 2002 stellenden Antragstellerin der Entwurf des Umlaufbeschlusses an eine im Grundbuch und auch im Herold-Telefonbuch aufgeschienene Adresse, nicht aber an die Anschrift des Wohnungseigentumsobjekts und auch nicht an die (ua) dem Antragsgegner zu 8., welcher die Abwicklung des Beschlussfassungsverfahrens betreute, bekannt gewesene, tatsächliche Wohnanschrift zugestellt worden war. Das Erstgericht war rechtlich der Ansicht, als Maßstab für die Ermöglichung der gebotenen Äußerungsmöglichkeit sei § 24 Abs 5 WEG 2002 heranzuziehen. Demnach habe die Verständigung an die Anschrift des Wohnungseigentumsobjekts oder an eine andere vom Wohnungseigentümer bekannt gegebene inländische Zustellanschrift zu erfolgen. Dem sei hier der Antragstellerin gegenüber nicht entsprochen worden.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Für die Möglichkeit der Beteiligung im Umlaufbeschlussverfahren müsse die Verständigung der Wohnungseigentümer entsprechend den sich aus §§ 25 Abs 2, 24 Abs 5 WEG 2002 ergebenden Grundsätzen erfolgen. Ein Hausanschlag des Beschlussentwurfs allein genüge daher nicht; die Verständigung müsse an die Anschrift des Wohnungseigentumsobjekts oder eine vom betreffenden Wohnungseigentümer bekannt gegebene andere inländische Zustellanschrift erfolgen. Die Verwendung einer anderen Adresse, möge diese auch in einem öffentlichen Buch genannt sein, reiche nicht (als Bekanntgabe einer abweichenden Zustellanschrift). Eine besondere Nachforschungspflicht - wie die Rekurswerber meinten - werden damit gerade nicht statuiert, könne doch die Verständigung des Wohnungseigentümers an die Adresse des Wohnungseigentumsobjekts erfolgen, und für die Ermittlung einer abweichenden Zustellanschrift genüge eine Anfrage an den Verwalter, welcher auch dann zur Bekanntgabe verpflichtet sei, wenn die Beschlussfassung auf die Auflösung des Verwaltungsvertrags abziele.

Das Rekursgericht sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 10.000 EUR und der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig.

In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs machen die Antragsgegner zu 8. und 16. geltend,

das Rekursgericht habe die erhebliche Rechtsfrage, ob für den einzelnen Wohnungseigentümer die Möglichkeit der Beteiligung am Umlaufbeschlussverfahren „durch Anschlag eines Beschlussentwurfs im Hause und durch Übersendung an eine von ihm verwendete öffentliche Anschrift" ausreichend gewahrt sei, unrichtig und entgegen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gelöst;

„zur Frage, wie ein von Wohnungseigentümern ohne Verwalterbeteiligung initiierter Umlaufbeschluss zu übersenden (sei), wenn der anfechtende Wohnungseigentümer den übrigen Wohnungseigentümern keine Zustellanschrift bekanntgegeben hat, keine höchstgerichtliche Judikatur (vorliege)".

Rechtliche Beurteilung

Eine erhebliche Rechtsfrage zeigen die Revisionsrekurswerber mit diesen Ausführungen nicht auf:

1. Vorauszuschicken ist, dass die Revisionsrekurswerber zwar die Rechtsfrage, ob allein der Anschlag eines Beschlussentwurfs im Hause ausreiche, um dem einzelnen Wohnungseigentümer die Möglichkeit der Beteiligung im Umlaufbeschlussverfahren zu gewährleisten, für rechtserheblich halten; der verneinenden Rechtsansicht des Rekursgerichts setzen die Revisionsrekurswerber aber keine substanziellen, einer inhaltlichen Auseinandersetzung zugänglichen Argumente entgegen. Auch gegen den Rechtsstandpunkt des Rekursgerichts, wonach die Verständigung von der Beschlussfassung den Anforderungen der §§ 25 Abs 2, 24 Abs 5 WEG 2002 zu entsprechen habe, tragen die Revisionsrekurswerber keine Gründe vor; vielmehr setzen sie sich selbst mit dem Normzweck des § 24 Abs 5 WEG 2002 auseinander. Von diesen selbstständigen und inhaltlich unbekämpften Teilen der rechtlichen Beurteilung des Rekursgerichts ist daher folgend auszugehen:

2. Ein - auch hier initiierter - schriftlicher Umlaufbeschluss kommt nach ständiger Rechtsprechung erst dann rechtswirksam zustande, wenn auch dem letzten Mit- und Wohnungseigentümer die Gelegenheit zur Äußerung geboten wurde (RIS-Justiz RS0108769 [T1 und T3]). Steht nicht fest, dass alle Wohnungseigentümer Gelegenheit zur Äußerung hatten, kann nicht von einem rechtswirksamen Zustandekommen des Umlaufbeschlusses ausgegangen werden (5 Ob 27/08v = wobl 2008/101, 296 [Call] = immolex 2008/119, 279). Diese allgemein zu Umlaufbeschlüssen entwickelten Rechtsgrundsätze gelten auch für den - hier vorliegenden - Fall einer Beschlussfassung über die Auflösung des Verwaltungsvertrags (vgl 5 Ob 18/07v = immolex 2008/5, 17; 5 Ob 93/08z = immolex 2009/46, 118 [Maier-Hülle]; 5 Ob 100/08d = wobl 2008/131, 363 [Call] = immolex 2008/106, 248 [Prader]).

3. Nach inzwischen ebenfalls bereits gefestigter Rechtsprechung (zum Wohnungseigentumsgesetz 2002) ist die Verständigung eines Wohnungseigentümers zur Stimmabgabe bei einem Umlaufbeschluss an die Anschrift des Wohnungseigentumsobjekts vorzunehmen, sofern der Wohnungseigentümer nicht eine andere inländische Anschrift bekannt gegeben hat (RIS-Justiz RS0108768; 5 Ob 93/08z = immolex 2009/46, 118 [Maier-Hülle]; 5 Ob 164/07i = immolex 2008/81, 186 = wobl 2008/72, 223 [Call]).

4. Die Revisionsrekurswerber berufen sich auf 5 Ob 249/03h und die (ua) dort vertretene Ansicht des erkennenden Senats, dass für eine ausreichende Verständigung von einer Beschlussfassung nicht unbedingt deren (effektiver) Zugang beim Wohnungseigentümer erforderlich sei (ebenso [ua] 5 Ob 249/03h = MietSlg 55.524 = immolex 2005/7, 24; 5 Ob 164/07i = immolex 2008/81, 186 = wobl 2008/72, 223 [Call]; 5 Ob 93/08z = immolex 2009/46, 118 [Maier-Hülle]); dies setzt allerdings, woran es hier aber gerade fehlt, die Übersendung der Verständigung an die gesetzlich vorgesehene Anschrift voraus (so auch ausdrücklich 5 Ob 249/03h = MietSlg 55.524 = immolex 2005/7, 24).

Die von den Revisionsrekurswerbern ebenfalls bezogene Entscheidung 5 Ob 196/05t (= MietSlg 58.431), in der die Verständigung des - schlichten - Miteigentümers unter einer ZMA-Auskunft für sachgerecht erkannt wurde, ist deshalb nicht einschlägig, weil ja der - schlichte - Miteigentümer, wie in besagter Entscheidung hervorgehoben, gerade über kein „Wohnungseigentumsobjekt" verfügt, an welches zugestellt werden könnte.

Dass hier eine Situation vorgelegen hätte, in der eine gesetzmäßige Verständigung der Antragstellerin deshalb nicht möglich gewesen wäre, weil der Verwalter die Bekanntgabe ihrer Anschrift verweigert habe, steht schon in tatsächlicher Hinsicht nicht fest, sodass eine neuerliche Auseinandersetzung mit den in 5 Ob 196/05t (= MietSlg 58.431) behandelten Rechtsfragen nicht erforderlich ist.

Die Revisionsrekurswerber zeigen damit insgesamt keine Gründe auf, die die unterbliebene Verständigung der Antragstellerin unter einer anderen Anschrift als jener ihres Wohnungseigentumsobjekts rechtfertigen könnten. Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG (iVm § 37 Abs 3 MRG, § 52 Abs 2 WEG 2002) unzulässig und zurückzuweisen.

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