OGH 5Ob54/10t

OGH5Ob54/10t31.8.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft EZ ***** GB *****, vertreten durch Kreuzberger-Stranimaier-Köstner Rechtsanwälte und Strafverteidiger OG in Bischofshofen, gegen die beklagte Partei Maria-Theresia R*****, vertreten durch Mag. Erich Frenner, Rechtsanwalt in Saalfelden, wegen 775,32 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 29. Jänner 2010, GZ 53 R 327/09h-21, mit dem aus Anlass der Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Saalfelden vom 17. September 2009, GZ 2 C 159/09s-16, und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Ob der Liegenschaft EZ ***** GB ***** ist grundbücherlich Wohnungseigentum begründet. Die Klägerin ist die Eigentümergemeinschaft und die Beklagte ist Mit- und Wohnungseigentümerin dieser Liegenschaft. Zugunsten der Beklagten ist sub B-LNR 5 Miteigentum an 64/996-Anteilen verbunden mit Wohnungseigentum an W 1 sowie sub B-LNR 6 Miteigentum an 66/996-Anteilen verbunden mit Wohnungseigentum an W 2 einverleibt.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von rückständigen Betriebskosten und laufenden Akonti.

Die Beklagte wandte - soweit hier wesentlich - mangelnde Aktivlegitimation der Klägerin mit der Begründung ein, die Parifizierung sei gesetzwidrig und nichtig, weil ein notwendig allgemeiner Teil, nämlich der Zugang zum Heizraum, einem Wohnungseigentumsobjekt zugeordnet worden sei.

Das Erstgericht bejahte die Aktivlegitimation der Klägerin, erachtete die Klagsforderung an Kapital in voller Höhe als zu Recht bestehend, eine von der Beklagten eingewandte Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und verpflichtete folglich die Beklagte zur Zahlung von 775,32 EUR sA. Die Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.

Das Berufungsgericht hob aus Anlass der Berufung der Beklagten das Urteil des Erstgerichts sowie das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Der Zugang zum Heizraum sei notwendig allgemeiner Teil der Liegenschaft, an dem Wohnungseigentum nicht begründet werden könne. Der vorliegende Verstoß gegen § 1 Abs 4 WEG 1975 (nunmehr § 3 Abs 3 iVm § 2 Abs 4 WEG 2002) führe zur Nichtigkeit der vertraglichen Widmung, der Nutzwertfestsetzung und der darauf aufbauenden bücherlichen Eintragungen. Die Eigentümer seien in einem solchen Fall nicht Wohnungseigentümer, sondern (nur) schlichte Miteigentümer der Liegenschaft, wonach dann auch eine Eigentümergemeinschaft nicht bestehen könne und eine Klagsführung durch diese ausgeschlossen sei. Damit fehle der Klägerin nicht die Sachlegitimation, sondern die Parteifähigkeit. Eine Sanierung dieses Mangels durch Berichtigung der Parteibezeichnung auf die einzelnen Miteigentümer scheide hier deshalb aus, weil die Klägerin trotz der von der Beklagten schon vor dem Erstgericht eingewandten Nichtigkeit der Parifizierung eine Berichtigung der Parteibezeichnung nicht beantragt, sondern auf ihrem Rechtsstandpunkt beharrt habe. Dass der von der Beklagten erhobene Einwand der mangelnden Aktivlegitimation rechtlich letztlich als Einwand der mangelnden Parteifähigkeit zu qualifizieren gewesen sei, ändere daran nichts.

Gegen diesen Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Rekurs der Klägerin, mit dem diese die Berichtigung der Parteibezeichnung auf die einzelnen Miteigentümer beantragt und in der Sache einen Aufhebungsantrag stellt.

Die Beklagte erstattete eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag, dem Rekurs der Klägerin keine Folge zu geben und diesen als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof als Rekursgericht hat nicht zur Frage Stellung zu nehmen, ob hier die Ansicht des Berufungsgerichts von der Gesamtnichtigkeit der Wohnungseigentumsbegründung infolge eines Parifzierungsfehlers zutrifft.

Die Klägerin macht nämlich in ihrem Rekurs - allein - geltend, das Berufungsgericht habe sie mit dessen Rechtsansicht von der mangelnden Parteifähigkeit entgegen § 182a ZPO überrascht. Die Berichtigung der Parteibezeichnung dürfe ihr nicht verwehrt werden, weil vor dem Erstgericht lediglich die Frage der Aktivlegitimation angesprochen worden sei.

Der Rekurs ist im Sinn seines Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Für den Fall, dass das Berufungsgericht unter Nichtigerklärung des erstinstanzlichen Verfahrens und des Urteils die Klage zurückweist, ist sein Beschluss nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO jedenfalls, also unabhängig vom Streitwert und vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage, anfechtbar (RIS-Justiz RS0043886), sofern sich das Berufungsgericht erstmals mit dem zur Klagszurückweisung führenden Nichtigkeitsgrund auseinandergesetzt hat (RIS-Justiz RS0043861; 5 Ob 275/08i). Dies trifft im vorliegenden Fall zu, hat doch das Erstgericht die vom Berufungsgericht als fehlend erachtete Parteifähigkeit der Klägerin in seiner Entscheidung offenbar weder bezweifelt noch releviert.

2. Der hier von der Beklagten in erster Instanz erhobene Einwand der mangelnden Aktivlegitimation betrifft die materielle Berechtigung des erhobenen Anspruchs (vgl RIS-Justiz RS0035170), die Parteifähigkeit dagegen eine Prozessvoraussetzung (vgl RIS-Justiz RS0110705; RS0035043; Fucik in Rechberger, ZPO3 Vor § 1 Rz 2). Die fehlende Aktivlegitimation führt zur Abweisung des Sachantrags, die fehlende Parteifähigkeit dagegen zu dessen Zurückweisung. Das Vorbringen der Parteien in erster Instanz und die Entscheidung des Erstgerichts belegen, dass alle Beteiligten die Konsequenzen einer gegebenenfalls gesetzwidrigen Parifizierung rechtlich gerade nicht im Sinn der Beurteilung des Berufungsgerichts eingeschätzt haben. Dementsprechend ist eine zielführende Erörterung dieser Problematik und der Möglichkeit eines Antrags auf Berichtigung der Parteibezeichnung vor dem Erstgericht unterblieben. Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen erstmals den von ihm als gegeben erachteten Nichtigkeitsgrund aufgreift und folglich die vom Erstgericht und den Parteien offenbar als möglich erachtete Sachentscheidung ablehnt, dann liegt darin eine die Klägerin überraschende Entscheidung. Der Klägerin darf deshalb ein Sanierungsversuch in Form eines Antrags auf Berichtigung der Parteibezeichnung nicht abgeschnitten werden (vgl 5 Ob 165/03f = MietSlg LV/34).

3. Die Ansicht der Beklagten, der Relevierung einer Überraschungsentscheidung stünde hier die Beschränkung der Rechtsmittelgründe durch § 501 ZPO entgegen, ist unzutreffend (vgl [implicite] 8 Ob 138/08i = JBl 2009, 790), geht es doch hier nicht um einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens, sondern um die Frage, ob das Berufungsgericht ohne Sanierungsversuch einen Nichtigkeitgrund wahrnehmen durfte.

Im fortgesetzten Verfahren wird das Berufungsgericht daher über den Antrag der Klägerin auf Berichtigung der Parteibezeichnung zu entscheiden und sich sodann erneut mit der Berufung der Beklagten auseinanderzusetzen haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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