Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG, § 52 Abs 2 WEG 2002 iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Text
Begründung
Das Erstgericht hat mit seinem Sachbeschluss den Antrag, einen näher bezeichneten (aus zwei Teilen bestehenden) Beschluss der Eigentümergemeinschaft für unwirksam zu erklären, abgewiesen (zum Sachverhalt vgl die in dieser außerstreitigen Wohnrechtssache ergangene Vorentscheidung 5 Ob 164/07i = wobl 2008/72 [zust Call] = MietSlg LIX/24 = immolex 2008/81).
Das Rekursgericht hat mit dem nunmehr angefochtenen Sachbeschluss (ua) ausgesprochen, dass der zweite Teilbeschluss (Übertragung der Verwaltung) unwirksam sei. Dabei erachtete das Rekursgericht die Stimmen zweier Wohnungseigentumspartner für unwirksam, die sich bei der schriftlichen Stimmabgabe durch einen Rechtsanwalt hatten vertreten lassen, der sich dabei seinerseits (nur) auf die erteilte Vollmacht berufen hatte. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zu lösen gewesen sei.
Gegen den bezeichneten Teil des zweitinstanzlichen Sachbeschlusses richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des 7. und 31. Antragsgegners wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem sinngemäßen Begehren auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses.
Die Rechtsmittelwerber machen als erhebliche, vom Obersten Gerichtshof bislang nicht beantwortete und nach ihrer Ansicht zu bejahende Rechtsfrage geltend, ob im Rahmen der Willensbildung der Eigentümergemeinschaft die Berufung eines Rechtsanwalts auf die ihm erteilte Vollmacht gemäß § 8 RAO zur Stimmrechtsausübung ausreicht. Die Rechtsmittelwerber führen dazu aus, dass sich § 24 Abs 2 WEG 2002 weitgehend an § 13b WEG 1975 orientiere und der Oberste Gerichtshof bereits in 5 Ob 214/02k ausgesprochen habe, die Vertretungsmacht in der Eigentümerversammlung sei analog zu § 114 Abs 3 und 4 AktG (gemeint offenbar: idF BGBl I 2005/120) geregelt. Entsprechend dazu vorliegender Judikatur und Lehre müsse daher auch § 24 Abs 2 WEG 2002 teleologisch dahin reduziert werden, dass bei einem Einschreiten von Rechtsanwälten oder Notaren als Bevollmächtigte die Berufung auf die erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis ersetze. Schließlich habe der Gesetzgeber die Einschränkung der Formfreiheit für die Vollmacht in verschiedenen Bereichen, nämlich im Gesellschaftsrecht (§§ 16, 114 Abs 3 AktG [gemeint offenbar: idF BGBl I 2005/120]) und im Verfahrensrecht (§§ 30, 557 Abs 2 ZPO; §§ 78, 180 Abs 2 EO; §§ 31, 77 GBG; § 10 AVG; § 83 BAO) wieder durchbrochen, was auch hier für den Anwendungsbereich des § 24 Abs 2 WEG 2002 gelten müsse (Schiemer in Schiemer/Jabornegg/Strasser³, § 114 AktG Rz 15).
Rechtliche Beurteilung
Mit diesen Ausführungen zeigen die Rechtsmittelwerber keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG auf:
1. § 24 Abs 2 WEG 2002 in der zum Zeitpunkt des verfahrensgegenständlichen Umlaufbeschlusses maßgeblichen Fassung (vor der WRN 2009, BGBl I 2009/25), hat folgenden Wortlaut:
„Die Wohnungseigentümer können ihr Äußerungs- und Stimmrecht entweder persönlich oder durch einen Vertreter ausüben. Weist der für den Wohnungseigentümer Einschreitende seine Vertretungsbefugnis nicht durch eine darauf gerichtete, höchstens drei Jahre alte, schriftliche Vollmacht nach, so ist sein Handeln nur wirksam, wenn es vom Wohnungseigentümer nachträglich binnen 14 Tagen schriftlich genehmigt wird.“
Schon der Wortlaut dieser Regelung ist insoweit völlig eindeutig, als darin das von den Rechtsmittelwerbern gewünschte Ergebnis einer wirksamen Berufung von Rechtsanwälten oder Notaren bloß auf eine erteilte Vollmacht (ohne schriftlichen Vollmachtsnachweis) in keiner Weise angelegt ist. Wiewohl die von den Rechtsmittelwerbern im vorliegenden Zusammenhang in Anspruch genommenen Bestimmungen der §§ 30 Abs 2 ZPO, § 8 Abs 1 RAO schon lange dem geltenden Rechtsbestand angehören und § 24 Abs 2 WEG 2002 auch jüngst mit der WRN 2009 novelliert wurde, hat der Gesetzgeber bislang offenbar keinen Anlass gesehen, die Möglichkeit der Berufung auf eine erteilte Vollmacht durch Rechtsanwälte oder Notare im Rahmen des § 24 Abs 2 WEG 2002 gesetzlich (ausdrücklich) vorzusehen. Besteht eine solcherart eindeutige Gesetzeslage, dann liegt auch dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn dazu noch keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vorhanden ist (RIS-Justiz RS0042656).
2. Die von den Rechtsmittelwerbern reklamierte teleologische Reduktion stellt bei zu weit geratenen gesetzlichen Tatbeständen das Gegenstück zur Analogie dar. Sie verschafft der ratio legis gegen einen überschießend weiten Gesetzeswortlaut Durchsetzung, indem sich die (letztlich den Gesetzeswortlaut korrigierende) Auslegung am Gesetzeszweck orientiert (RIS-Justiz RS0008979 [T10]; RS0106113). Dies setzt den Nachweis voraus, dass eine umschreibbare Fallgruppe von den Grundwertungen oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht getroffen wird und dass sie sich von den „eigentlich gemeinten“ Fallgruppen so weit unterscheidet, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre (vgl RIS-Justiz RS0008979 [T13]). Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor:
Die § 30 Abs 2 ZPO, § 8 Abs 1 RAO haben verfahrensrechtlichen Charakter (vgl Tades/Hoffmann 8, § 8 RAO Anm 3a) und dienen spezifisch nur dem erleichterten Einschreiten von beruflichen Parteienvertretern vor Gerichten und Behörden (vgl RIS-Justiz RS0123209; Zib in Fasching/Konecny 2 § 30 ZPO Rz 1 ff). Genau dieser Normzweck gebietet die Unterscheidung zwischen verfahrensrechtlichem Einschreiten und materiellrechtlichen Verfügungen, wie dies auch im Grundbuchverfahren bei der Differenzierung zwischen § 77 GBG und § 31 Abs 6 GBG typisch ist (vgl RIS-Justiz RS0035804). Es besteht unter diesem Gesichtspunkt keine Grundlage dafür, § 24 Abs 2 WEG 2002 teleologisch zu reduzieren, um die § 30 Abs 2 ZPO, § 8 Abs 1 RAO unbegründet extensiv über ihren verfahrensrechtlichen Anwendungsbereich hinaus einzusetzen. Dies gilt im vorliegenden Kontext umso mehr, als § 24 Abs 2 WEG 2002 für die Vertretungsbefugnis des Einschreitenden einerseits eine spezifische Qualität der (schriftlichen) Vollmacht verlangt (höchstens drei Jahre alte Gattungsvollmacht) und andererseits ausdrücklich eine nachträgliche Sanierungsmöglichkeit regelt (vgl dazu auch Illedits/Illedits-Lohr, Wohnungseigentum4, Rz 540).
3. Die Ansicht der Rechtsmittelwerber, dass bei Anwendung der Vollmachtsregelungen des - vermeintlich analogiefähigen - § 114 AktG die Berufung eines Rechtsanwalts auf die ihm erteilte Vollmacht genüge, ist mit dem insoweit eindeutigen Wortlaut dieser - erst kürzlich novellierten (AktRÄG 2009, BGBl I 2009/71) - gesetzlichen Regelung nicht vereinbar. Judikatur, die für die Ansicht der Rechtsmittelwerber sprechen könnte, vermögen diese nicht nachzuweisen und auch in der aktuellen Kommentarliteratur finden sich keine die Rechtsansicht der Rechtsmittelwerber stützende Hinweise (vgl S. Bydlinski/Potyka in Jabornegg/Strasser, AktG II5 § 114 Rz 1 ff; Schmidt in Doralt/Nowotny/Kalss, § 114 AktG Rz 36 ff; Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht [2008] Rz 3/628 ff).
Mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs unzulässig und daher zurückzuweisen.
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