OGH 5Ob47/75

OGH5Ob47/758.4.1975

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Sobalik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel, Dr. Marold, Dr. Samsegger und Dr. Griehsler als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma M* Gesellschaft mbH., *, vertreten durch Dr. Viktor A. Straberger, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei V* S*, Landwirt, *, vertreten durch Dr. Hans Paternioner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 86.050,– s. A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 15. 1. 1975, GZ. 9 R 165/74‑17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 12. 8. 1974, GZ. 20 Cg 77/74‑12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0050OB0047.75.0408.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 3.224,40 (einschließlich S 194,40 Umsatzsteuer und S 600,– Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von S 86.050,– samt 10 % Zinsen seit 30. 11. 1973. Sie behauptete, der Beklagte habe bei ihr über den Vermittler R* einen gebrauchten Mähdrescher der Marke John Deere, Type 630, um den Preis von S 340.000,–gekauft und vereinbarungsgemäß zur Bezahlung eines Teilbetrages des Kaufpreises bei der Bank für Oberösterreich und Salzburg einen Kredit in der Höhe von S 240.000,– aufgenommen, für dessen Zurückzahlung, die in drei Jahresraten von je S 80.000,–, beginnend mit 1. 10. 1973 erfolgen sollte, sie, die Klägerin, die Haftung als Bürgin und Zahlerin übernommen habe; zufolge Zahlungsverzuges des Beklagten gegenüber der Bank für Oberösterreich und Salzburg mit der am 1. 10. 1973 fällig gewesenen Rate von S 80.000,– habe die Klägerin diesen Betrag sowie weitere S 6.050,– für Bankspesen und Zinsen an die genannte Bank bezahlt.

Der Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und eingewendet, daß er den Mähdrescher nicht von der Klägerin, sondern von G* R* zum Preis von S 150.000,– gekauft habe. Weil R* der Klägerin aus dem Kauf des Mähdreschers noch etwas schuldete, sei die Klägerin daran interessiert gewesen, daß er, der Beklagte, bei der Bank für Oberösterreich und Salzburg einen Kredit aufnehme, der ihr zur Abdeckung der Schuld R*s zufließen sollte. Durch die Barzahlung des Kaufpreises für den Mähdrescher an den Verkäufer R* sei die Kreditaufnahme jedoch hinfällig geworden. Richtig sei, daß die Klägerin von der Bank für Oberösterreich und Salzburg den Betrag von S 240.000,– erhalten und für dessen Zurückzahlung die Haftung als Bürgin und Zahlerin übernommen habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren Folge und stellte im Wesentlichen den nachstehenden Sachverhalt fest:

Der Beklagte bestellte am 7. 1. 1972 bei der Klägerin einen Mähdrescher, Type John Deere, Baujahr 1971. Die Klägerin nahm diese Bestellung mit der Auftragsbestätigung vom 11. 1. 1972 an. Am 2. 3. 1972 bewilligte die Bank für Oberösterreich und Salzburg dem Beklagten auf Grund seines Antrages vom 11. 1. 1972 einen Kredit in der Höhe von S 240.000,–, für dessen Zurückzahlung die Klägerin die Haftung als Bürgin und Zahlerin übernahm. Die Bank für Oberösterreich und Salzburg überwies den dem Beklagten eingeräumten Kreditbetrag in der Höhe von S 240.000,– auf das Konto der Klägerin. Der Beklagte hat die am 1. 10. 1973 fällig gewordene erste Zurückzahlungsrate in der Höhe von S 80.000,– nicht an die Kreditgeberin bezahlt. Am 29. 11. 1973 bezahlte die Klägerin als Bürgin diesen Betrag zuzüglich weiterer S 6.050,– an Zinsen und Spesen an die Bank für Oberösterreich und Salzburg. Die Klägerin hat bei dieser Bank ein Konto und muß (für ihr jeweiliges Debet) 10 % Zinsen bezahlen. Seit 30. 11. 1973 bezahlt die Klägerin für den Betrag von S 86.050,– an die genannte Bank 10 % Zinsen.

Rechtlich folgerte das Erstgericht aus diesem Sachverhalt, daß der Beklagte seiner Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises für den bei der Klägerin gekauften Mähdrescher nicht nachgekommen sei.

Der Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Es verwarf die Mängelrüge des Beklagten, die darauf gegründet worden war, daß das Erstgericht nicht von Amts wegen die ihm bekannten Akten AZ 20 Cg 53/74 über den dort anhängigen Rechtsstreit, in dem G* R* den Beklagten auf Zahlung von S 50.000,– geklagt hat, beigeschafft und die Ergebnisse dieses Prozeßverfahrens bei der Beweiswürdigung berücksichtigt habe. Das Berufungsgericht sprach die Ansicht aus, daß die amtswegige Verwertung von Zeugenaussagen, die in einem anderen Verfahren abgelegt wurden, einen schwerwiegenden Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz darstellt, und übernahm die Sachverhaltsfeststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich. Rechtlich vermochte das Gericht zweiter Instanz dem Erstgericht nur vom Ergebnis her zu folgen: maßgeblich sei allein die Tatsache, daß der Beklagte die am 1. 10. 1973 fällig gewesene Rate von S 80.000,– des von ihm bei der Bank für Oberösterreich und Salzburg aufgenommenen Kredites in der Gesamthöhe von S 240.000, nicht bezahlt und die für seine Schuld als Bürgin und Zahlerin haftende Klägerin am 29. 11. 1973 diesen Betrag samt Zinsen und Spesen geleistet hat; die zahlende Bürgin könne gemäß § 1358 ABGB. am Hauptschuldner Regreß nehmen.

In seiner Revision gegen dieses Urteil behauptet der Beklagte Mängel des Berufungsverfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht; er beantragt, die Urteile der Untergerichte dahin abzuändern, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen wird, und begehrt hilfsweise, die Urteile der Unterinstanzen aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erst- oder Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin begehrt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Als Verfahrensmangel rügt der Revisionswerber zunächst, daß das Berufungsgericht nicht das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und diesem aufgetragen hat, die Akten 20 Cg 53/74 des Erstgerichtes (Rechtsstreit G* R* gegen den Beklagten) beizuschaffen, bzw. daß das Berufungsgericht nicht selbst diese Akten beischaffte und bei seiner Entscheidung berücksichtigte.

Der Revisionswerber übersieht dabei, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz nicht mehr nach § 503 Z. 2 ZPO. im Revisionsverfahren aufgegriffen werden können, wenn sie vom Berufungsgericht nicht als Verfahrensmängel anerkannt worden waren (SZ 22/106; RZ 1967, 105; EvBl 1969/263; JBl 1972, 569 u.v.a., zuletzt 5 Ob 173/74 und 5 Ob 52/75). Da das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gekommen ist, die Unterlassung der Beischaffung des Aktes 20 Cg 53/74 des Erstgerichtes und der Verwertung seines Inhaltes stelle keinen Verfahrensmangel dar, hat sich der Oberste Gerichtshof nicht mehr mit diesem angeblichen Verfahrensmangel zu befassen.

Als weiteren Verfahrensmangel rügt der Revisionswerber, daß sich das Berufungsgericht nicht mit der Tatsache auseinandersetzte, daß das Erstgericht keinen Beschluß über die Zulässigkeit der Klageänderung faßte, obwohl sich der Beklagte gegen deren Zulässigkeit ausgesprochen hatte: die Klägerin hatte ihre Klage ursprünglich darauf gegründet, daß ihr der Beklagte den Kaufpreis für gelieferte Ware schulde, sie hat jedoch in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 22. 2. 1974 (S. 15) als Klagegrund den Regreßanspruch geltend gemacht, den sie für ihre Zahlung als Kreditbürgin an die Bank für Oberösterreich und Salzburg behauptete.

Dem Revisionswerber ist beizustimmen, daß aus dem von ihm aufgezeigten Grunde das Verfahren erster Instanz mangelhaft war, weil das Erstgericht trotz des Erledigungsanspruches des Beklagten über die Zulässigkeit der Klageänderung nicht abgesprochen hat. Der Beklagte hat jedoch diesen Verfahrensmangel in der Berufung nicht gerügt, sodaß es ihm nun verwehrt ist, ihn noch im Revisionsverfahren aufzugreifen (vgl. 1 Ob 108/72).

In Ausführung seiner Rechtsrüge entfernt sich der Revisionswerber von den Sachverhaltsfeststellungen der Untergerichte, wenn er behauptet, nur mit G* R* in Rechtsbeziehungen getreten zu sein, nicht aber mit der Klägerin und mit der Bank für Oberösterreich und Salzburg, Geht man von den allein maßgeblichen Tatsachenfeststellungen der Unterinstanzen aus, dann hat die Klägerin in Erfüllung ihrer Haftungsverpflichtung als Bürgin und Zahlerin für die Schuld des Beklagten den in der Klage geltend gemachten Betrag an die Gläubigerin Bank für Oberösterreich und Salzburg bezahlt, sodaß ihr jedenfalls nach § 1358 ABGB. der Rückgriffsanspruch gegen den Beklagten als Schuldner zusteht.

Die rechtliche Beurteilung der Streitsache durch das Berufungsgericht ist deshalb frei von Fehlern, sodaß der Revision des Beklagten auch aus diesem Grunde kein Erfolg zukommen kann.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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