OGH 5Ob462/58

OGH5Ob462/5813.5.1959

SZ 32/64

Normen

ABGB §§287 ff
ABGB §1455
AußStrG §9
GBG §22
GBG §122
Grundbuchsvorschrift §203
ABGB §§287 ff
ABGB §1455
AußStrG §9
GBG §22
GBG §122
Grundbuchsvorschrift §203

 

Spruch:

Eigentumserwerb an öffentlichem Gut durch Ersitzung ist möglich. Solange aber im Grundbuch der Vormann des Ersitzungseigentümers nicht eingetragen ist, kann auch dessen Eigentumsrecht nicht einverleibt werden.

Legitimation der Gebietskörperschaft zum Rekurs gegen den Einverleibungsbeschluß des Grundbuchsgerichtes.

Entscheidung vom 13. Mai 1959, 5 Ob 462/58.

I. Instanz: Bezirksgericht Horn; II. Instanz: Kreisgericht Krems.

Text

Zum Gutsbestand der EZ. 520 KG. T. gehört das Grundstück 193/4 Wiese. Im B-Blatt der Grundbuchseinlage ist nur die Eigenschaft der Liegenschaft als öffentliches Gut ersichtlich gemacht. Nunmehr beantragt Hilda K. auf Grund der von der Finanzprokuratur namens der Republik Österreich ausgestellten Aufsandungserklärung vom 8. Mai 1958, in der festgehalten ist, daß Hilda K. das Grundstück außerbücherlich ersessen habe, und der Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes H. vom 9. Juli 1956 die lastenfreie Abschreibung des Grundstückes 193/4 vom Gutsbestand der EZ. 520 KG. T., die Eröffnung einer neuen Einlage - Zahl 528 - und die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes in dieser.

Das Erstgericht bewilligte das Grundbuchsgesuch.

Das Rekursgericht wies den Antrag der Hilda K. infolge Rekurses der Gemeinde T., deren Rekurslegitimation es unter Hinweis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ZBl. 1934 Nr. 387 bejahte, mit der Begründung ab, daß zur aufrechten Erledigung des Gesuches die Beibringung einer Urkunde über die Aufhebung der Widmung des Grundstückes zum Gemeingebrauch durch Gemeinderatsbeschluß erforderlich sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Antragstellerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Unterscheidung zwischen öffentlichem Gut (= Staatsgut) und Gemeindegut in den §§ 286 bis 288 ABGB. ist veraltet (s. Ehrenzweig 2. Aufl. I/2 S. 6). Es ist daher mit dem Hinweis nichts gewonnen, daß sich auch das Allgemeine Grundbuchsanlegungsgesetz (s. § 1 Abs. 2) und die Grundbuchsvorschrift (s. § 8 Abs. 2) dieser Begriffsbestimmung des ABGB. bedienen. Nach herrschender Lehre (s. Ehrenzweig a. a. O.; Adamovich, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsrechts, 5. Aufl. II S. 90) sind öffentliches Gut alle Sachen, die dem Gemeingebrauch gewidmet sind. Sofern sich weder aus dem Grundbuch noch aus dem Gesetz ergibt, daß ein Grundstück als öffentliches Gut im Eigentum einer bestimmten Gebietskörperschaft steht, ist Eigentum der Republik Österreich, des Landes oder der Gemeinde möglich, in deren Gebiet sich das Grundstück befindet (s. Ehrenzweig a. a. O., ferner Adamovich a. a. O.). In diesem Fall ist jeder Gebietskörperschaft gemäß § 9 AußStrG. das Rekursrecht gegen Beschlüsse des Grundbuchsgerichtes zuzubilligen, wenn durch die bewilligte Eintragung das Eigentum am Grundstück berührt wird (s. SZ. XXVII 30, SZ. XX 35 u. a.). Die Rekurslegitimation der Gemeinde T. ist also zu bejahen.

Da das Eigentum am öffentlichen Gut ein Privatrecht ist (Klang 2. Aufl. II 4), steht es den Gebietskörperschaften frei, mit Privatrechtsgeschäft über das in ihrem Eigentum stehende öffentliche Gut zu verfügen (s. § 290 ABGB.). Es ist daher auch Eigentumserwerb durch Ersitzung möglich. Dem Gesuch um Einverleibung des Eigentums des Ersitzungsbesitzers ist eine Urkunde über die Anerkennung des Ersitzungseigentums seitens des früheren Eigentümers des öffentlichen Gutes oder ein gegen die Gebietskörperschaft ergangenes Urteil anzuschließen (§§ 31 ff. GBG. 1955). Der sonst bei rechtsgeschäftlichen Verfügungen der Gebietskörperschaft erforderliche Verwaltungsakt über die Aufhebung des Gemeingebrauches ist nicht beizubringen, weil der Ersitzungsbesitzer unmittelbar und ohne Eintragung in die öffentlichen Bücher Eigentum erwirbt, sein Recht also von dem des Vormannes unabhängig ist (Ehrenzweig a. a. O. S. 231; Klang a. a. O. VI 661). Die Einverleibung des Ersitzungseigentümers ist nur notwendig, um die Wirkungen des Vertrauensgrundsatzes auszuschließen (Klang a. a. O. II 356). Dennoch konnte der Beschluß des Erstgerichtes nicht wiederhergestellt werden.

Im Grundbuch ist nur die Eigenschaft der Liegenschaft als öffentliches Gut ersichtlich gemacht, nicht aber der Eigentümer eingetragen. Die Eintragung des Eigentümers des öffentlichen Gutes über seinen Antrag ist auch nach Eröffnung des Grundbuches möglich (§ 203 GV.). Das ist bisher nicht geschehen. Solange im Grundbuch der Vormann der Ersitzungseigentümerin nicht aufscheint, kann auch das Eigentumsrecht der Antragstellerin nicht einverleibt werden (§ 13 GBG. 1955). Die Bestimmung des § 22 GBG. 1955 macht bloß die Eintragung mehrerer Eigentumsübergänge überflüssig, setzt aber voraus, daß bereits ein Eigentümer im Grundbuch einverleibt ist.

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