OGH 5Ob42/17p

OGH5Ob42/17p4.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Meinrad P*, vertreten durch Dr. Thomas Wiesinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B* Gesellschaft mbH, *, vertreten durch Winkler Reich‑Rohrwig Illedits Wieger Rechtsanwälte Partnerschaft in Wien, wegen 188.709,34 EUR sA über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Dezember 2016, GZ 2 R 96/16a‑28, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 3. Mai 2016, GZ 24 Cg 63/14v‑23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E118130

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückabwicklung des Kaufvertrags vom 22. 8. 2011 betreffend die Eigentumswohnung in * W*, N*gasse * aus dem Titel der Gewährleistung und der arglistigen Irreführung, Rückzahlung des Kaufpreises von 180.000 EUR und Ersatz von Nebenkosten von 8.709,35 EUR.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Klage statt und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1.1. Eine Leistung ist dann mangelhaft im Sinn des § 922 ABGB, wenn sie qualitativ oder quantitativ hinter dem Geschuldeten, das heißt dem Vertragsinhalt, zurückbleibt (RIS‑Justiz RS0018547). Der geschuldete Vertragsinhalt wird durch die gewöhnlich vorausgesetzten oder die zugesicherten Eigenschaften bestimmt. Ob eine Eigenschaft als zugesichert anzusehen ist, hängt nicht davon ab, was der Erklärende wollte, sondern davon, was der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben aus der Erklärung des Vertragspartners erschließen durfte. Seine berechtigte Erwartung ist an der Verkehrsauffassung zu messen (RIS‑Justiz RS0114333).

1.2. In dem zu 7 Ob 156/16s (= immolex 2017/9 [Prader] = wobl 2017/10 [Mutz]) entschiedenen Fall sprach der Oberste Gerichtshof aus, aus der Beschreibung des Vertragsgegenstands als „unsaniert“ und aus der eigenen Kenntnis des Klägers dort vom Zustand der Wohnung habe dieser nach der Verkehrsauffassung nicht erwarten dürfen, dass die Elektroinstallationen aus dem Jahr 1945 auch im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im Jahr 2012 dem Stand der Technik entsprechen. Allerdings seien Mängel und Alterserscheinungen, die nach Bauart und Alter einer Wohnung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten seien, vom Käufer hinzunehmen.

2.1. Hier ging das Berufungsgericht davon aus, die Wohnung sei aufgrund der mit dem nachhaltigen Schimmelbefall „notorisch verbundenen Gesundheits-gefährdung“ nicht zu Wohnzwecken geeignet. Die Schimmelbildung könne nach den Feststellungen nur durch „vorsorgliches und kluges Bewohnen“ und „kluges und problembewusstes“ Lüften beseitigt werden. Es sei aber unzumutbar, die Raumtemperatur durch Beheizung der Wohnung selbst im Sommer vorsorglich so warm zu halten, dass es nicht zu einem Absinken der Oberflächentemperatur der Wände und des Bodens auf eine Temperatur komme, die niedriger als die Außentemperatur ist. Die Auffassung, der Wohnung fehle eine gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft, ist aber jedenfalls vertretbar.

2.2. Die Beklagte wirft dem Berufungsgericht vor, es sei mit seiner Beurteilung betreffend die Gesundheitsgefährdung durch den Schimmelbefall von erstgerichtlichen Feststellungen abgewichen.

2.3.1. Betreffend Nachhaltigkeit des Schimmelbefalls hat das Berufungsgericht die erstgerichtlichen Feststellungen lediglich ausgelegt. Die Auslegung der Urteilsfeststellungen im Einzelfall ist aber regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0118891), wenn es sich nicht ausnahmsweise um eine unvertretbare Fehlbeurteilung handelt (RIS‑Justiz RS0118891 [T5]). Eine solche liegt hier nicht vor.

2.3.2. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen entstand der Schimmel in der Wohnung aufgrund ihrer Lage durch das Phänomen des Sommerkondensats, das dann auftritt, wenn im Sommer sehr warme Luft von außen hereinkommt und an den innen kälteren Wänden kondensiert. Die Feststellung, auf Dauer sei der Schimmel in dieser Wohnung nur durch besonders vorsorgliches und kluges Bewohnen zu verhindern, was bedeute, dass die Wohnung so weit zu beheizen sei, dass die Wandoberflächen wärmer sind als bei der Besichtigung durch den Sachverständigen, interpretierte das Berufungsgericht vertretbar im Sinn eines nachhaltigen Schimmelbefalls der Wohnung immer dann, wenn sie im Sommer nicht vorsorglich beheizt wird.

2.4.1. Ausdrückliche Feststellungen zur behaupteten Gesundheitsgefährdung durch den Schimmelbefall traf das Erstgericht tatsächlich nicht; das Berufungsgericht hielt die Gesundheitsgefährdung für notorisch. Ob darin eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens begründet sein könnte (vgl RIS‑Justiz RS0040219 [T2, T3]), auf die die Beklagte in ihrer Rechtsrüge offenbar hinaus will, kann dahingestellt bleiben, weil es hier auf die Gesundheitsgefährdung durch den Schimmelbefall bei der Beurteilung der Wohnung als mangelhaft nicht mehr ankommt.

2.5.1. Ein Kaufgegenstand muss der Natur des Geschäfts und der geschlossenen Verabredung entsprechend benützt und verwendet werden können (9 Ob 50/10h). Nach der maßgeblichen Verkehrsauffassung muss eine zum Zweck des Wohnens verkaufte Wohnung mangels – hier nicht festgestellter - abweichender Vereinbarungen grundsätzlich bei Zugrundelegung eines allgemein üblichen Wohnverhaltens bewohnbar sein, ohne dadurch bereits nachhaltigen Schimmelbefall gewärtigen zu müssen. Ein Lüften der Wohnung gerade an heißen und schwülen Tagen vermeiden zu müssen und die Raumtemperatur im Sommer durch Beheizen so warm zu halten, dass es nicht zu einem Absinken der Oberflächentemperatur der Wände und des Bodens auf eine Temperatur niedriger als Außentemperatur kommt, ist nach der jedenfalls vertretbaren Auffassung des Berufungsgerichts als unzumutbar anzusehen. Bei Zugrundelegung eines üblichen Wohnverhaltens ist hier eine nachhaltige und ausgedehnte Schimmelbildung somit nicht zu vermeiden.

2.5.2. Der Kauf der Wohnung als „unsaniert“ (allerdings um einen Kaufpreis von 180.000 EUR!) rechtfertigt es hier nicht, im Sinn der Entscheidung 7 Ob 156/16s davon auszugehen, der Kläger müsse mit nachhaltiger Schimmelbildung in der Wohnung auch bei „üblichem“ Bewohnen rechnen; im Gegensatz zu dem dort entschiedenen Fall war dem Kläger nach den Feststellungen die Schimmelbildung hier vor dem Kauf nicht bekannt.

2.6. An einem Mangel der verkauften Wohnung ist daher unabhängig davon nicht zu zweifeln, ob die durch übliches Bewohnen entstehende Schimmelbelastung tatsächlich gesundheitsgefährdendes Ausmaß erreicht.

3. Auf eine Unmöglichkeit der Verbesserung des Mangels kommt es nicht an, weil die Beklagte eine Verbesserung durch sie selbst ablehnte. Die Unzumutbarkeit der Verbesserung für den Kläger ergibt sich schon aus diesem Umstand (§ 932 Abs 4 ABGB; vgl auch RIS-Justiz RS0122927).

4. Bei der Prüfung, ob ein die Wandlung ausschließender geringfügiger Mangel im Sinn des § 932 Abs 4 ABGB vorliegt, ist eine auf den konkreten Vertrag und die Umstände des Einzelfalls bezogene objektive Abwägung der Interessen der Vertragspartner vorzunehmen (RIS‑Justiz RS0119978). Die Beurteilung der Geringfügigkeit eines Mangels stellt in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS‑Justiz RS0119978 [T7]). Eine erhebliche Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtx macht die Beklagte insoweit gar nicht geltend. Nachhaltigen Schimmelbefall einer Wohnung nicht mehr als bloß geringfügigen Mangel zu werten, ist jedenfalls vertretbar.

5. Dass der Gewährleistungsverzicht des Klägers nach § 9 Abs 1 KSchG dem Erfolg des Klagebegehrens nicht entgegensteht, zieht die Beklagte ebensowenig in Zweifel wie das Recht des Klägers im Sinn des § 933a Abs 1 ABGB Ersatz von Mangelfolgeschäden im Zusammenhang mit Vertragserrichtung, Verbücherung und Eintragung im Grundbuch sowie Maklergebühr zu verlangen.

6. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

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