European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00004.19B.0425.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1 Der Wert des Gegenstands, über den das Berufungsgericht zu entscheiden hatte, übersteigt 30.000 EUR. Damit kann nur eine außerordentliche Revision erhoben werden (§ 505 Abs 4 ZPO).
1.2 Der vom Kläger fälschlicherweise gestellte und an das Berufungsgericht gerichtete Antrag auf Abänderung des Ausspruchs über die Zulässigkeit der Revision, verbunden mit der ordentlichen Revision, ist in eine außerordentliche Revision nach § 505 Abs 4 ZPO umzudeuten (RIS-Justiz RS0123405). Darin werden jedoch keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO angesprochen:
2.1 Der Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls und wirft daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage auf (RS0026529). Sie soll den Patienten in die Lage versetzen, die Tragweite seiner Erklärung zu überschauen (RS0026413). Aufzuklären ist nicht nur über allfällige alternative Behandlungsmethoden, sondern vor allem auch über die Art und Schwere sowie die möglichen Gefahren und die schädlichen Folgen einer Behandlung (RS0038176 [T1]; vgl auch RS0026499). Die ärztliche Aufklärung hat so rechtzeitig zu erfolgen, dass dem Patienten eine angemessene Überlegungsfrist bleibt, um das Für und Wider der
beabsichtigten medizinischen Maßnahme abzuwägen (RS0118651 [T2]).
2.2 Der Kläger räumt selbst ein, dass die Dauer einer angemessenen Überlegungsfrist von den Umständen des Einzelfalls abhängt (RS0118651 [T1], RS0026529 [T22]), und erkennt damit, dass Fragen in diesem Zusammenhang im Allgemeinen nicht die in § 502 Abs 1 ZPO geforderte Qualität erreichen. Er vertritt – zusammengefasst – den Standpunkt, es habe sich um einen nicht unmittelbar indizierten „Wahleingriff“, verbunden mit einem erheblichen Mortalitätsrisiko, gehandelt, zu dem alternativ eine medikamentöse Behandlung bestanden habe, weswegen ihm eine längere Überlegungsfrist einzuräumen gewesen wäre.
2.3 Er hat seine Einwilligung am Vortag der Operation unmittelbar nach einem ärztlichen Aufklärungsgespräch erteilt. Dabei wurde der Kläger über die Gefahren einer Beibehaltung der (bis zu diesem Zeitpunkt fehlgeschlagenen) medikamentösen Behandlung im Vergleich zu jenen eines operativen Eingriffs belehrt. Dass ihm bis zur Durchführung der Operation die Möglichkeit offen stand, seine durch Unterfertigung des Aufklärungsbogens abgegebene Erklärung zu revidieren, wie das Berufungsgericht darlegte (vgl dazu Kletečka-Pulker in Aigner/Kletečka/Kletečka-Pulker/Memmer, Handbuch Medizinrecht Kap. I.1.15.2.1), stellt er gar nicht in Frage. Daher mag es zwar zutreffen, wie er geltend macht, dass es grundsätzlich auch lege artis gewesen wäre, die konservative Behandlung – allenfalls mit einem anderen Antibiotikum als bisher – weiterzuführen. Berücksichtigt man aber, dass der Kläger bereits seit gut sechs Tagen erfolglos medikamentös behandelt worden war, hatte er die Risiken einer Operation dagegen abzuwägen, dass eine Weiterführung der konservativen Behandlung das Risiko eines (endgültigen) Therapieversagens in sich barg und bei Zunahme der Beschwerden nur noch die Möglichkeit einer Notoperation mit entsprechend deutlich höheren Gefahren gegeben gewesen wäre. Bei dieser Sachlage ist die Auffassung des Berufungsgerichts, dass dem Kläger für diese Wahlentscheidung bis zur Vornahme der Operation ausreichend Zeit zur Verfügung stand, keineswegs korrekturbedürftig.
2.4 Ob ein Verzicht auf eine weitere Überlegungsfrist wirksam sein kann, wie der Kläger unter Berufung auf den von ihm unterfertigten Aufklärungsbogen und den Schlussfolgerungen des Berufungsgerichts geltend macht, ist für den vorliegenden Fall nur von theoretischer Bedeutung (vgl
RS0002495). Die Frage, ob das Berufungsgericht dazu ohne Beweisergänzung auf vom Erstgericht nicht (ausdrücklich) festgestellte Passagen aus dem Aufklärungsbogen zurückgreifen durfte, entbehrt damit jeder Relevanz.
3. Unklar bleibt, was der Kläger meint, wenn er geltend macht, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, ob zur Klärung der Frage des Vorliegens gleichwertiger Behandlungsmethoden ein medizinischer oder juristischer Maßstab anzusetzen sei. Das Berufungsgericht habe diese Frage in unvertretbarer Weise als eine solche der rechtlichen Beurteilung angesehen. Damit verkennt er die Ausführungen des Berufungsgerichts, das in seiner rechtlichen Beurteilung lediglich auf den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt verwiesen hat, wonach die Operation vom 10. 6. 2015 sowie eine Weiterführung der konservativen Behandlung – allenfalls mit einem anderen Antibiotikum – aus medizinischer Sicht gleichwertige Alternativen waren. Welche medizinischen Maßnahmen im konkreten Fall erforderlich bzw zweckmäßig gewesen wären, ist nach der Rechtsprechung eine nicht revisible Tatfrage (RS0026418 [T3]), sodass der Kläger in unzulässiger Weise von den Tatsachenfeststellungen abweicht, wenn er die Meinung vertritt, ein operativer Eingriff sei lediglich die zweite Wahl gewesen. Der (Rechts‑)Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Entscheidung für eine der beiden Methoden in einem solchen Fall lege artis (und damit nicht rechtswidrig) sei, tritt er zu Recht nicht entgegen.
4. Der Kläger wurde nach den Tatsachenfeststellungen umfangreich über die Risiken einer Operation bzw Weiterführung der konservativen Behandlung aufgeklärt. Welche Aspekte unaufgeklärt geblieben seien und der Rechtswirksamkeit seiner Einwilligung entgegengestanden haben sollen, legt er auch in Ausführung seines Rechtsmittels nicht dar. Mit der bloßen Wiedergabe von Rechtssätzen kann er aber keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung aufzeigen.
5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)