OGH 5Ob3/99y

OGH5Ob3/99y26.1.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Harald S*****, 2. Jadwiga S*****, beide vertreten durch Dr. Peter Schobel, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagten Parteien, 1. Kurt K*****, 2. Friedrich G*****, dieser vertreten durch Dr. Walter Anzböck und Dr. Joachim Brait, Rechtsanwälte in Tulln, wegen S 75.391,31 sA, infolge Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgericht vom 20. August 1998, GZ 36 R 71/98d-17, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Hainfeld vom 1. April 1998, GZ 1 C 372/97s-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen, soweit sie das erste Schadensereignis (Spätherbst 1996) betrifft.

Im übrigen (Schadensereignis vom 17. 2. 1997) wird der Revision nicht Folge gegeben.

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 6.695,04 (darin S 1.115,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind je Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** mit einem darauf befindlichen Haus mit Garten und Einfriedung. Der Zweitbeklagte ist Eigentümer des hangaufwärts über dieser Liegenschaft liegenden Waldgrundstücks. Er beauftragte den Erstbeklagten am 10. 9. 1996 mit der Durchführung von Schlägerungsarbeiten auf seinem Grundstück. Der Erstbeklagte war dem Zweitbeklagten als Schlägerungsunternehmer bekannt, nach seiner Gewerbeberechtigung erkundigte sich der Zweitbeklagte nicht. Der Erstbeklagte sollte sofort mit den Schlägerungsarbeiten beginnen und spätestens zu Weihnachten 1996 fertig sein. Der Zweitbeklagte setzte aber keine Maßnahmen, den Erstbeklagten dazu zu zwingen,bei schlechterer Witterung Holz zu schlägern. Die Schlägerungsarbeiten waren "angemeldet", der Bezirksförster schrieb allerdings keine Vorsichtsmaßnahmen vor. Der Erstbeklagte legte dessenungeachtet als Vorsichtsmaßnahme entlang des Bringungsweges lange Bäume, trotzdem entkam ihm im Spätherbst 1996 ein "Dürrling", der bergabwärts auf die Liegenschaft der Kläger rutschte, die Thujenhecke durchschlug und nach ca 14 m Rutschen über die Wiese zum Stillstand kam. Ein zweiter derartiger Vorfall ereignete sich am 17. 2. 1997, wieder rutschte ein Baumstamm von der Liegenschaft des Zweitbeklagten zu Tal, traf auf die Garagenmauer der Kläger, schlug dort ein Loch und richtete Schaden an. Der Erstbeklagte verständigte hievon jeweils die Kläger und auch den Zweitbeklagten; er erklärte, es handle sich um eine Versicherungssache.

Der gegen den Erstbeklagten erlassene Zahlungsbefehl über den Klagsbetrag wurde rechtskräftig.

Die Kläger begehren auch vom Zweitbeklagten Ersatz ihrer Schäden von S 75.391,31 sA (hievon S 20.610 aus dem ersten Schadensfall, der Rest aus dem zweiten) mit der Begründung, der Zweitbeklagte hafte als Grundstückseigentümer aufgrund des verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruchs. Darüber hinaus treffe ihn ein Verschulden, weil er sich für die Holzschlägerungen nicht eines befugten Gewerbsmanns bedient habe; am 12. 6. 1989 sei dem Erstbeklagten die Gewerbeberechtigung für Lohnholzschlägerung entzogen worden. Über das Vorliegen einer Gewerbeberechtigung habe sich der Zweitbeklagte vor Auftragsvergabe nicht informiert. Im übrigen habe der Zweitbeklagte entgegen den Bedenken des Erstbeklagten wegen des schlechten Wetters auf Durchführung der Schlägerung bestanden.

Der Zweitbeklagte wendete ein, daß ihm die behaupteten Schadensereignisse vor dem Mahnschreiben des Klagevertreters vom 30. 4. 1997 nicht bekannt geworden seien. Die Ersatzansprüche seien jedenfalls überhöht. Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gegenüber dem Zweitbeklagten komme mangels der Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 364a ABGB nicht in Betracht; eine Bewilligung für Holzschlägerungsarbeiten nach dem Forstgesetz stelle keine behördliche Genehmigung im Sinne dieser Gesetzesstelle dar. Ein Verschulden des Beklagten werde bestritten, allfällige Schäden seien vom Erstbeklagten ganz allein zu verantworten. Der Zweitbeklagte habe keine Möglichkeit einer Einflußnahme auf den Schlägerungsvorgang gehabt. Eine analoge Anwendung des § 1319 ABGB scheide ebenso aus wie die Haftung des Waldeigentümers nach § 176 Abs 3 ForstG; den Waldeigentümer treffe kein grobes Verschulden. Jedenfalls könne vom Zweitbeklagten nicht verlangt werden, sich vor der Auftragsvergabe bei der Bezirkshauptmannschaft nach Gewerbeberechtigungen des Erstbeklagten zu erkundigen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging hiebei im wesentlichen vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt aus und vertrat rechtlich die Auffassung, der Zweitbeklagte habe keine Handlungen gesetzt, die ihn schadenersatzpflichtig machen würden. Eine nachbarrechtliche Haftung verneinte es mit der Begründung, das Eindringen fester Körper größeren Umfangs stelle keine Immission im Sinne des § 364 Abs 2 ABGB dar, auch eine behördlich genehmigte Anlage im Sinn des § 364a ABGB sei hier nicht anzunehmen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger Folge, änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß das Klagebegehren als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannt wurde und verwies die Rechtssache in Ansehung der Höhe an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß ein ordentliches Rechtsmittel zulässig sei, und führte folgendes aus:

Auszugehen sei zunächst davon, daß die Kläger als Grundstückseigentümer das Eindringen von gefällten Holzstämmen nicht dulden müssen, und zwar unabhängig davon, ob dies das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreite oder die ortsübliche Benützung des Grundstücks wesentlich beeinträchtige oder nicht. Gefällte Baumstämme seien nämlich feste Körper gröberen Umfangs, deren Eindringen immer eine unmittelbare Einwirkung darstelle, die durch § 364 Abs 2 ABGB nicht gedeckt und ohne jede Einschränkung unzulässig sei. Die Kläger machten aber nicht einen Unterlassungsanspruch im Sinn des § 364 Abs 2 ABGB, sondern einen Ausgleichsanspruch geltend. Nach nunmehr herrschender Rechtsprechung sei ein solcher verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch nur dann gerechtfertigt, wenn eine Analogie zu § 364a ABGB am Platz sei; dies insbesondere dann, wenn die Abwehr des Eingriffs zwar an sich zulässig bleibe, jedoch infolge der mit der behördlichen Genehmigung zunächst verbundenen Annahme der Gesetzmäßigkeit und Gefahrlosigkeit der bewilligten Maßnahmen praktisch erschwert oder unmöglich gemacht werde. Nur die Frage nach der analogen Anwendbarkeit der Bestimmung des § 364a ABGB könne sich im vorliegenden Fall tatsächlich stellen; eine unmittelbare Anwendbarkeit scheide deshalb aus, weil das Abrutschen der geschlägerten Holzstämme auf das Grundstück der Kläger weder auf eine Bergwerksanlage noch eine behördlich genehmigte Anlage im Sinne dieser Gesetzesstelle zurückzuführen gewesen sei. Die direkte Anwendung des § 364a ABGB würde nämlich voraussetzen, daß für die Erteilung der Genehmigung zur Errichtung der Anlage die Durchführung eines Verfahrens vorgesehen gewesen sei, in dem die Interessen der Nachbarn allgemein und nicht nur nach bestimmten Gesichtspunkten zu berücksichtigen waren, so etwa eine Betriebsanlagengenehmigung im Sinne des § 74 GewO.

Davon könne im vorliegenden Fall aber nicht gesprochen werden. Das Erstgericht habe zwar festgestellt, daß die Schlägerungsarbeiten (offenbar bei der Forstbehörde) angemeldet gewesen seien, der Bezirksförster jedoch keine Vorsichtsmaßnahmen vorgeschrieben habe. Es dürfte sich - wenn nicht überhaupt eine freie Fällung im Sinn des § 86 ForstG vorgelegen sei, die der Forstbehörde nur zu melden sei - vemutlich um die Einholung einer Fällungsbewilligung im Sinn des 88 ForstG gehandelt haben, die nur nach ausschließlich forstrechtlichen Kriterien zu erteilen sei und lediglich die forstrechtliche Zulässigkeit der Fällung bescheinige. Selbst einer solchen Fällungsbewilligung gehe aber kein Verfahren voraus, in dem die Forstbehörde - vergleichbar dem Betriebsanlagenverfahren nach der Gewerbeordnung - allgemein zur Interessenwahrung auch der Nachbarn verpflichtet wäre; schon aus diesem Grund scheide eine direkte Anwendung des § 364a ABGB aus, ohne daß es präziserer Feststellungen hiezu bedürfte, worum es sich bei der vom Erstgericht festgestellten "Meldung" an die Behörde tatsächlich gehandelt habe.

Zu Recht würden die Berufungswerber aber die Auffassung vertreten, im vorliegenden Fall seien die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 364a ABGB gegeben. Zunächst könne wohl aus den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichts, der Bezirksförster habe keine Vorsichtsmaßnahmen vorgeschrieben, ein von der Rechtsprechung geforderter Anschein der Rechtmäßigkeit und Gefahrlosigkeit der Schlägerungsarbeiten sehr wohl abgeleitet werden. Dazu komme noch, daß die neueste Rechtsprechung nun in weiterer Rechtsfortentwicklung ganz generell die Auffassung vertrete, daß eine Analogie zu § 364a ABGB immer schon dann gerechtfertigt sei, wenn dem Geschädigten ein Abwehrrecht genommen sei, das ihm nach dem Inhalt des Eigentumsrechtes an sich zugestanden wäre. Eine derartige Gefahrenlage werde nun insbesondere auch dann angenommen, wenn durch die auf ein einmaliges Ereignis zurückzuführende Einleitung von Schadstoffen jede Unterlassungsklage zu spät käme, sodaß sich der von dieser Einwirkung Betroffene in einer Situation wie derjenige befinde, dem aus anderen Gründen (etwa aufgrund der behördlichen Genehmigung der Anlage) die Unterlassungsklage verwehrt sei. Aus diesem Grunde habe der Oberste Gerichshof etwa die Beeinträchtigung des Grundwassers des Nachbarn selbst durch ordnungsgemäße landwirtschaftliche Düngung zur Grundlage eines Augleichsanspruches im Sinn des § 364a ABGB gemacht. Gehe man von diesen Überlegungen aus, müßten die Analogievoraussetzungen auch für den konkreten Fall bejaht werden. Die Schlägerungsmaßnahmen seien angemeldet gewesen, Sicherungsmaßnahmen nicht vorgeschrieben worden, die Kläger als Nachbarn seien von den Schlägerungsarbeiten offenbar gar nicht verständigt worden. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, hätten die Arbeiten aufgrund des Umstands, daß die Forstbehörde Sicherungsvorkehrungen nicht für notwendig gehalten habe, für die Kläger den Anschein der Rechtmäßigkeit und Gefahrlosigkeit gehabt, der erst durch das erste Schadensereignis im Spätherbst 1996 widerlegt worden sei. Faktisch sei den Klägern daher die Unterlassungsklage nicht zur Verfügung gestanden. Dem Grunde nach sei daher ein Ausgleichsanspruch der Kläger anzuerkennen.

Die Haftungsbestimmung des § 176 Abs 3 ForstG stehe dem nicht entgegen, weil sie nur eine Haftungseinschränkung des Waldeigentümers bzw seiner bei der Waldbewirtschaftung mitwirkenden Leute für allgemeine Schadenersatzansprüche nach Zivilrecht beabsichtige; wogegen der hier bejahte nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch aber als Ersatz für den Entzug des Unterlassungsanspruches nach § 364 Abs 2 ABGB anzusehen sei und daher eher einem Entschädigungsanspruch aus Anlaß einer Enteignung nahekomme. Auch in der Entscheidung SZ 58/195 (betreffend Übergreifen eines zur Vernichtung von Pflanzenresten auf einem Waldgrundstück angelegten Feuers auf das Nachbargrundstück) habe der Oberste Gerichtshof zunächst die Voraussetzungen für einen nachbarrechtlichen Augleichsanspruch analog § 364a ABGB geprüft (und verneint) und erst im Anschluß daran das Verhalten des Waldeigentümers bzw seiner Leute an den Kriterien des § 176 Abs 3 ForstG gemessen. Das Berufungsgericht vertrete daher die Auffassung, daß die Haftungseinschränkung des § 176 Abs 3 ForstG nicht so weit gehe, auch einen allfälligen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 364a ABGB auf den Fall des Vorsatzes bzw der groben Fahrlässigkeit des Waldeigentümers oder seiner Leute bei Waldbewirtschaftungsarbeiten einzuschränken.

Der Höhe nach bedürften die klägerischen Ansprüche allerdings noch mehrerer Beweisaufnahmen und präziserer Feststellungen, sodaß in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung ein Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs zu fällen gewesen sei.

Die ordentliche Revision sei gemäß § 502 Abs 1 ZPO deshalb zuzulassen, weil zur Frage eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs aus Waldbewirtschaftungsmaßnahmen nur die Entscheidung SZ 58/195 vorliege, der das Berufungsgericht allerdings im Hinblick auf die mittlerweile erfolgte Weiterentwicklung der Haftungsjudikatur im Nachbarrecht hinsichtlich der Analogievoraussetzungen nicht gefolgt sei.

Gegen dieses Zwischenurteil richtet sich die Revision des Zweitbeklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im klagsabweisenden Sinne abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Kläger beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist hinsichtlich des ersten Schadensfalles unzulässig, weil der Entscheidungsgegenstand von S 20.610 den Betrag von S 52.000 nicht übersteigt (§ 502 Abs 2 ZPO) und eine Zusammenrechnung der in der Klage geltend gemachten Ansprüche aus den beiden Schadensfällen gemäß § 55 JN nicht stattfindet. Es handelt sich um zwei ähnliche, tatsächlich aber voneinander unabhängige - im Abstand von mehreren Monaten getrennt verursachte - Ereignisse; die Ansprüche können auch rechtlich unabhängig voneinander bestehen (vgl Mayr in Rechberger § 55 JN Rz 2 mwN). Daß sie rechtlich gleich begründet wurden, heißt - ebenso wie etwa bei zwei ähnlichen, aber gesonderten Verkehrsunfällen zwischen denselben Unfallsbeteiligten - noch nicht, daß sie einen gemeinsamen Rechtsgrund hätten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision war daher insoweit zurückzuweisen.

Im übrigen ist die Revision aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, eine unmittelbare Anwendung des § 374a ABGB scheide aus; eine analoge Anwendung sei nicht vorzunehmen, weil ein Anschein der Gefahrlosigkeit durch die forstrechtliche Kontrolle von Waldbewirtschaftungsmaßnahmen für die Kläger nicht erzeugt worden sei; jedenfalls für den zweiten Schadensfall wäre eine Unterlassungsklage nicht zu spät gekommen und könne der Ausgleichsanspruch nicht auf die Gefahrenlage eines einmaligen Ereignisses gegründet werden; grob körperliche Einwirkungen unterlägen keinesfalls dem Haftungsregime des § 364a ABGB; der Anwendung dieser Vorschrift stehe auch § 176 Abs 3 ForstG entgegen.

Hiezu wurde erwogen:

Die unmittelbare Anwendbarkeit des § 364a ABGB wurde schon von den Vorinstanzen zutreffend verneint. Ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch wird - neben einem hier nicht zu beurteilenden Unterlassungsanspruch - von der Rechtsprechung in Fällen des § 364 Abs 2 ABGB aber auch dann zugebilligt, wenn sich aus der Interessenlage ausreichende Anhaltspunkte für eine Analogie zu § 364a ABGB ergeben. Dies wurde in Fällen von baubehördlich bewilligten Bauvorhaben angenommen, bei denen infolge des mit einer behördlichen Genehmigung zunächst verbundenen Anscheins der Gesetzmäßigkeit und Gefahrlosigkeit der bewilligten Maßnahmen die Abwehr praktisch erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht wird. Aber auch bei ohne behördliche Genehmigung durchgeführten Arbeiten wurde in analoger Anwendung des § 364a ABGB ein verschuldensunabhängiger Augleichsanspruch des Geschädigten bejaht, wenn der Schaden bereits eingetreten gewesen ist, ehe der von dieser Einwirkung Betroffene die Möglichkeit zur Ausübung des Untersagungsrechts faktisch nützen konnte, sodaß er sich in einer Situation wie derjenige befunden hat, dem aus anderen Gründen die Unterlassungsklage verwehrt gewesen ist (1 Ob 620/94 = SZ 68/101 mwN; 5 Ob 444/97y = RdU 1998, 148/121 [Kerschner]). Darüber hinaus wurde eine Haftung nach § 364a ABGB auch dann angenommen, wenn eine Anlage eine besondere Gefahrensituation schafft und allfällige Schadensfolgen für den Betreiber objektiv kalkulierbar sind (1 Ob 39/90 = SZ 64/3 mwN; vgl zur Analogiefrage auch RIS-Justiz RS0010550, RS0010668 sowie die Nachweise bei Oberhammer in Schwimann2 § 364a ABGB Rz 5).

Vereinzelt wurden die Analogiegrenzen zwar auch enger gezogen (6 Ob 2323/96b = JBl 1997, 521 = RdU 1998, 41/91 [Kerschner]). Daß damit eine Judikaturwende erfolgt wäre (vgl Kerschner, RdU 1998, 14 und 42), ist aber zu bezweifeln, weil in 6 Ob 2323/96b die weitergehende Rechtsprechung nicht näher erörtert oder gar ausdrücklich abgelehnt wurde.

Die Haltung der Lehre zur herrschenden Rechtsprechung ist uneinheitlich (vgl die Übersicht bei Gimpel-Hinteregger, Grundfragen der Umwelthaftung 318 ff). Es scheint sich zwar die Ansicht durchzusetzen, daß § 364a ABGB nicht bloß eine Eingriffs-, sondern auch eine Gefährdungshaftung enthält (Jabornegg, GA 9. ÖJT 74 ff; Gimpel-Hinteregger aaO 320 f; Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 6/13). Jüngst hat aber Kerschner, Kausalitätshaftung im Nachbarrecht? RdU 1998, 10, die Rechtsprechung neuerlich als zu weit gehend kritisiert und sich gegen eine konturlose Ausdehnung der nachbarlichen Ausgleichshaftung ausgesprochen; er verlangt als unverzichtbare Analogiebasis eine öffentlich-rechtliche Genehmigung, die Sicherheitsvertrauen erweckt. Demgegenüber hat etwa Gimpel-Hinteregger (aaO 322) der Rechtsprechung zugebilligt, Bedeutung und Reichweite des § 364a ABGB ganz richtig erfaßt zu haben. Auch sie hält eine analoge Anwendung der Haftung nach § 364a ABGB auf nicht behördlich genehmigte Anlagen für möglich. Dies sei gerechtfertigt, wenn ein Immissionsschaden auftritt und einerseits der geschädigte Nachbar der Schadensgefahr ausgeliefert war und andererseits für den Haftpflichtigen der Eintritt des Schadens ein kalkuliertes Risiko darstellt, das er zu seinem Nutzen eingegangen ist (vgl hiezu schon Rummel, Erfolgshaftung im Nachbarrecht? JBl 1967, 120, 126).

Der erkennende Senat pflichtet dem bei und hält an der herrschenden Rechtsprechung fest. In der Tat wäre es nicht einzusehen, warum der Betriebsunternehmer bei Einholung notwendiger behördlicher Genehmigungen nach § 364a ABGB haften soll, während er, wenn er ohne Bewilligungen wirtschaftet, nur bei Vorliegen von Verschulden für den entstandenen Schaden aufzukommen braucht (Gimpel-Hinteregger aaO 322). Es ist daher in den Fällen fehlender behördlicher Genehmigung eine Regelungslücke anzunehmen, die durch analoge Heranziehung der im § 364a ABGB (auch) enthaltenen Gefährdungshaftung geschlossen werden kann. Bei Beachtung der oben genannten Kriterien ist eine ausreichende Abgrenzung von einer reinen Erfolgshaftung möglich und eine uferlose Haftungsausweitung nicht zu befürchten. Die betriebstypischen Gefahren müssen hier allerdings nach Art oder Ausmaß nicht jenen entsprechen, die anderen Gefähdungshaftungsgesetzen zugrundeliegen (Gimpel-Hinteregger aaO 321; aM wohl Jabornegg aaO 76).

Im vorliegenden Fall ist dem Rechtsmittelwerber zunächst zuzugeben, daß zumindest im zweiten Schadensfall ein Anschein der Rechtmäßigkeit und Gefahrlosigkeit - den das Berufungsgericht daraus abgeleitet hat, daß die Schlägerungsmaßnahmen angemeldet waren (offenbar gemäß § 86 Abs 2 ForstG), der Bezirksförster aber keine Vorsichtsmaßnahmen vorschrieb - nicht bestand, weil er auch nach Meinung des Berufungsgerichts durch das erste Schadensereignis widerlegt wurde. Wegen dieses ersten Vorfalls kann für den zweiten auch nicht von einem einmaligen Ereignis gesprochen werden, dem durch eine Unterlassungsklage nicht rechtzeitig begegnet werden konnte (vgl 1 Ob 19/93 = SZ 66/147 = RdU 1994, 70/9 [Kerschner]). Eine analoge Heranziehung des § 364a ABGB ist hier aber gerechtfertigt, weil durch die vom Zweitbeklagten zu seinem Nutzen in Auftrag gegebenen winterlichen Schlägerungsarbeiten auf einem Hanggrundstück eine besondere Gefahrensituation geschaffen wurde und die Schäden infolge des nicht untypischen Abrutschens von Baumstämmen für den Zweitbeklagten ein objektiv kalkulierbares Risiko darstellten.

Daß die Kläger nicht sogleich nach dem ersten Schadensereignis eine Unterlassungsklage eingebracht haben, mindert ihren Anspruch nicht, weil ihnen diese Unterlassung nicht vorgeworfen werden kann (vgl Gimpel-Hinteregger aaO 321): Der erste Schaden war nur gering, eine Versicherungsleistung wurde ihnen in Aussicht gestellt. Auch aus dem Umstand, daß es sich hier um grob körperliche Immissionen handelte, ist für den Rechtsmittelwerber nichts zu gewinnen. Die oben angeführten Anspruchsvoraussetzungen können auch dann gegeben sein (vgl Rummel, JBl 1967, 125). Die in 4 Ob 579/95 = SZ 68/208 enthaltene Aussage, § 364a ABGB erfasse grob körperliche Einwirkungen nicht, ist nur in bezug auf den dort geltend gemachten Unterlassungsanspruch zu verstehen (vgl auch Spielbüchler in Rummel2 § 364a ABGB Rz 2).

Was nun das Haftungsprivileg des Waldeigentümers gemäß § 176 Abs 3 ForstG anlangt, so steht dieses der Annahme einer nachbarrechtlichen Gefährdungshaftung nicht entgegen, weil es Ersatzansprüche nach allgemeinem Schadenersatzrecht betrifft; auch die Gefährdungshaftung nach EKHG bleibt hievon ausdrücklich unberührt. Schon das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, daß auch in SZ 58/195 ein nachbarrechtlicher Anspruch analog § 364a ABGB nicht schon unter Hinweis auf den ebenfalls erörterten § 176 Abs 3 ForstG abgetan, sondern einer gesonderten Prüfung (wenn auch damals noch - anders als in der jüngeren Rechtsprechung - unter Bedachtnahme auf das Fehlen eines behördlichen Bewilligungsverfahrens) unterzogen wurde.

Das Berufungsgericht hat die Rechtsfrage somit im Ergebnis richtig gelöst, weshalb der Revision ein Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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