OGH 5Ob34/06w

OGH5Ob34/06w7.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bettina H*****, vertreten durch Dr. Franz Kampenhuber, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei S***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 13.198,28 Euro s.A., über den Rekurs gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 28. November 2005, GZ 1 R 111/05g-22, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 9. März 2005, GZ 12 Cg 115/04s-16, aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 812,52 Euro (darin 135,42 Euro Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Rekursbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Gatte der Klägerin verunglückte am 8. Jänner 2004 im von der Beklagten betriebenen Schigebiet tödlich. Die Unfallstelle befindet sich im Einmündungsbereich der flachen, rot markierten Abfahrt 1a mit der spitzwinkelig heranführenden, mit durchschnittlich 55 % abfallenden und schwarz markierten Abfahrt 1. Talwärts gesehen links schließt im Einmündungsbereich an die Piste ein mit Felsen, Geröll und Fichten durchsetzter Abhang an, vor dem die Beklagte über eine Länge von 25 Metern auf insgesamt sieben Stützen ein Fangnetz angebracht hat. Die Stützen bestehen aus verzinkten Formrohren, die mit 10 cm dicken Prallschutzmatten umgeben und in einem Abstand von 3,5 m im Boden fest verankert sind. Die Stützen verlaufen vom Boden weg zunächst 1 Meter senkrecht nach oben, springen aber dann durch eine Doppelknick noch hinten und am oberen Ende wieder nach vor. Zwischen der unteren Knickstelle und dem oberen Ende der Stütze ist das Fangnetz gespannt. Diese Konstruktion hat den Vorteil, dass das Fangnetz einen Aufprall an die tragende Stütze abfängt, also verhindert oder jedenfalls stark mildert. Dieser Konstruktionsvorteil kam aber am Unfallstag deshalb nicht zum Tragen, weil sich die Stützen mit ihrer ersten Knickstelle und damit auch der untere Rand des Fangnetzes 50 bis 60 cm über dem präparierten Pistenniveau befanden. Der Gatte der Klägerin kam auf der Abfahrt 1 zu Sturz, rutschte 29 m auf der Piste weiter und prallte dann gegen die vierte Stütze.

Die Klägerin begehrte den Ersatz näher bezeichneter, aus dem Unfalltod ihres Gatten resultierender Vermögensschäden mit der wesentlichen Behauptung, dieser habe die tödlichen Verletzungen durch den Anprall gegen die nicht ordnungsgemäß abgesicherte Stütze des Fangnetzes erlitten.

Die Beklagte wandte - soweit hier wesentlich - ein, die Stützen des Fangnetzes seien mit handelsüblichen Prallschutzmatten ordnungsgemäß abgesichert gewesen. Das Alleinverschulden treffe den Verunglückten, welcher mit überhöhter Geschwindigkeit und unkontrolliert abgefahren sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der wesentlichen Begründung ab, dass die Beklagte die Stützen ummantelt und damit adäquat abgesichert habe. Die Tatsache, dass das Netz erst ca 60 cm über der präparierten Piste gespannt gewesen sei, sei für die eingetretenen Folgen nicht kausal gewesen, da der Verunglückte nicht unter dem Netz durchgerutscht sei. Hätte man das Netz an geraden Trägern befestigt, wäre der Anstoß kein anderer gewesen. Das Berufungsgericht teilte die Ansicht des Erstgerichts, die Beklagte habe ihren Verkehrssicherungspflichten zur Gänze entsprochen, nicht und hob das klageabweisende Ersturteil zur näheren Klärung des Unfallhergangs und der Schadenshöhe auf; es erwog rechtlich, dass der Beklagten die Errichtung eines 50 bis 60 cm hohen Schneewalls bis zum unteren Rand des Fangnetzes zumutbar gewesen wäre, wodurch nicht nur die Lücke zwischen Piste und Fangnetz geschlossen, sondern auch der Anprall an den Steher verhindert oder zumindest wesentlich gemildert worden wäre. Die Annahme des Erstgerichts, der Freiraum unter dem Fangnetz sei nicht unfallkausal gewesen, weil der Verunglückte nicht unter diesem durchgerutscht sei, entspreche insoweit nicht dem Akteninhalt, als sich die Unfallendlage des Verunglückten nach vorliegenden Lichtbildern hinter und unterhalb des Fangnetzes befunden habe. Dass der Anstoß gegen einen geraden Träger nicht anders gewesen wäre, sei weder untersucht noch vorgebracht worden und daher nicht anzunehmen.

Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil - abgesehen von der Vermeidung eines allenfalls überflüssigen Verfahrensaufwands - zu den zumutbaren Sicherungsmaßnahmen bei der vorliegenden Konstruktionsart eines Fangnetzes noch keine höchstgerichtliche Judikatur vorliege. Gegen den Beschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, die Berufungsentscheidung aufzuheben und das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen, also das erstinstanzliche Urteil wieder herzustellen; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin erstattete eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen, in eventu diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist - entgegen dem, den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 Satz 2 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts - mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

1. Vorauszuschicken ist, dass die von der Beklagten behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens nicht vorliegen. Die Beklagte macht insoweit geltend, das Erstgericht habe in seiner rechtlichen Beurteilung festgestellt, der Umstand, dass das Netz erst ca 60 cm über der präparierten Piste gespannt gewesen sei, sei für die eingetretenen Unfallfolgen nicht kausal gewesen, weil der Verunglückte nicht unter dem Netz durchgerutscht sei und hätte man das Netz an geraden Trägern befestigt, wäre der Anstoß kein anderer gewesen. Von diesen erstgerichtlichen Feststellungen sei das Berufungsgericht im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung - unzulässig ohne Beweiswiederholung - abgegangen.

Beide Vorinstanzen sind übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Gatte der Beklagten gegen die vierte Stütze des Fangnetzes geprallt ist und nur deren Absicherung war entscheidungswesentlicher Beurteilungsgegenstand; auf die vom Berufungsgericht im Zusammenhang mit dem Abstand zwischen Piste und Fangnetz erläuterte Unfallendlage des Verunglückten hinter der Absicherung kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Zur Auseinandersetzung mit den - hypothetischen - Unfallfolgen bei Verwendung gerader Steher sah das Berufungsgericht schon deshalb keinen Anlass, weil es dazu an erstinstanzlichem Prozessvorbringen fehlte. Ein entscheidungswesentliches Abgehen von den erstinstanzlichen Feststellungen durch das Berufungsgericht ist demnach nicht erfolgt.

2. Zur Sicherungspflicht des Pistenhalters existiert bereits eine umfangreiche Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0023233; RS0023237; RS0023255; RS0023271; RS0023417; RS0023469; RS0023842). Ob der Pistensicherungspflicht Genüge getan wurde, hängt dabei von den besonderen Umständen jedes einzelnen Falls ab. Eine für alle Eventualitäten gültige Regel, ob eine bestimmte Absicherungsmaßnahme ausreichend ist, lässt sich nicht aufstellen (RIS-Justiz RS0109002). Gerade die hier vorzunehmende, vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Beurteilung gebotener Sicherungsmaßnahmen im Zusammenhang mit ganz spezifischen Konstruktionsdetails von Stützen eines Fangnetzes schließt wegen der geradezu typischen Einzelfallbezogenheit dieser Frage eine richtungweisende Beurteilung des Obersten Gerichtshofs aus.

3. Die Beklagte zeigt in ihrem Rekurs ebenfalls keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf; sie behauptet im Wesentlichen, der Oberste Gerichtshof habe es bislang immer für ausreichend erachtet, wenn Steher von Netzkonstruktionen durch Polsterung oder Ummantelung abgesichert würden, während die vom Berufungsgericht zusätzlich geforderte Anhäufung eines Schneewalls mit der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht in Einklang stehe. Die Beklagte hat auf Grund der örtlichen Verhältnisse im Bereich der Unfallstelle die Errichtung eines Fangnetzes für erforderlich erachtet, was nach den erstgerichtlichen Feststellungen auch insofern zweckmäßig war, als es bei der - wegen der Steilheit der Abfahrt 1 nicht auszuschließenden - Möglichkeit des Sturzes eines Schifahrers über den Pistenrand hinaus mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Anprall gegen einen der dahinter befindlichen Bäume käme. Der Oberste Gerichtshof hat in ähnlichen Fällen schon mehrfach ausgesprochen, dass die Anbringung eines Fangnetzes an ungesicherten Stehern eine neuerliche Gefahrenquelle für stürzende Skifahrer heraufbeschwört und die Kollision mit einem solchen massiven Widerstand zu erheblichen Verletzungen führen kann (1 Ob 401/97w; 2 Ob 501/93 = SZ 66/16 ZVR 1993/161, 359, Pichler = EvBl 1994/1, 24; 1 Ob 533/91), weshalb eine Polsterung oder Ummantelung solcher Steher geboten erscheint (vgl 4 Ob 1585/95; 1 Ob 401/97w; 1 Ob 533/91); eine Entscheidung, wonach diese Art der Absicherung eines Fangnetzes - wie es die Beklagte meint - „immer für ausreichend" anzusehen sei, vermag sie in ihrem Rekurs nicht nachzuweisen. Vielmehr hat der Oberste Gerichtshof (dort im Zusammenhang mit der Gefahr des Durchrutschens eines gestürzten Schifahrers unter einem Sicherheitsnetz) auch schon einen zu großen Abstand zwischen diesem und der Schneedecke als haftungsbegründend erkannt (vgl 7 Ob 577/88 = ZVR 1989/132, 224; 6 Ob 661/94 mwN; 10 Ob 170/00y).

Im vorliegenden Fall zeichnen sich die von der Beklagten verwendeten Stützen gerade dadurch aus, dass das Fangnetz dann, wenn sich der untere Knick der Steher auf Pistenniveau befindet, einen Aufprall gegen die das Netz tragenden Stützen verhindert oder jedenfalls stark mildert. Wenn das Berufungsgericht dann das Anlegen eines Schneewalls bis zu diesem ersten Knick der Stützen verlangte, dann stellt dies nichts anderes als die einzelfallsbezogene Forderung dar, das konstruktionsbedingt geradezu vorgezeichnete Sicherheitspotenzial des Fangnetzes auch tatsächlich auszunützen und nicht zu verschenken. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts hält sich damit gerade im Rahmen des Grundsatzes höchstgerichtlicher Judikatur, wonach die Pistensicherung mit zumutbarem und adäquatem Mitteleinsatz zu erfolgen hat (vgl RIS-Justiz RS0023237).

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO ist der Rekurs der Beklagten unzulässig und zurückzuweisen. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen, weshalb ihr gemäß §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO die Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen sind.

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