OGH 5Ob302/02a

OGH5Ob302/02a21.1.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Gottfried C***** , vertreten durch Robert Knoll, Sekretär der Mietervereinigung Österreichs, Erdbergstraße 22, 1030 Wien, wider den Antragsgegner Manfredi R*****, vertreten durch Dr. Alfred Strobl, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 46 Abs 2 MRG infolge des Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13. August 2002, GZ 41 R 41/02m-12, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 11. Jänner 2002, GZ 41 Msch 39/01v-7, teilweise als nichtig behoben und teilweise bestätigt wurde, nachstehenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Liegenschaft ***** steht im Alleineigentum des Antragsgegners. Der Antragsteller ist im Frühjahr 2000 nach dem Tod seiner Mutter in deren seit 1. 10. 1947 bestehende Hauptmietrechte an der in diesem Haus befindlichen 64,8 m2 großen Wohnung top Nr. 9 gemäß § 14 MRG eingetreten. Die Wohnung verfügte zu diesem Zeitpunkt über die Ausstattungsmerkmale der Kategorie C.

Am 15. 5. 2000 wurde dem Antragsteller erstmals für Juni 2000 gemäß § 46 Abs 2 MRG ein wertgesicherter Netto-Hauptmietzins in Höhe von S 34,50 pro m2 vorgeschrieben.

Außer Streit steht zwischen den Parteien, dass der sich aus § 16 Abs 2 bis 6 MRG ergebende Netto-Hauptmietzins für die Wohnung des Antragstellers unter Berücksichtigung eines Lagezuschlags seit Juni 2000 nicht weniger beträgt, als der dem Antragsteller vorgeschriebene Betrag. Weiters steht außer Streit, dass der sich aus § 16 Abs 2 bis 6 MRG ergebende zulässige Netto-Hauptmietzins für die Wohnung seit Juni 2000 ohne Berücksichtigung eines Lagezuschlags bei 50 % des jeweils geltenden Richtwerts pro m2 für die Normwohnung in Wien liegt, und somit im Juni 2000 bei S 27,90 pro m2.

Unbestritten ist, dass der Antragsgegner bei Vorschreibung des nach § 46 Abs 2 MRG erhöhten Hauptmietzinses weder auf einen "Lagezuschlag" hingewiesen hat noch die dafür maßgeblichen Umstände bekanntgegeben hat.

Erstmals im Zuge des Schlichtungsstellenverfahrens (Schriftsatz vom 18. 5. 2001) berief sich der Antragsgegner auf seine Berechtigung, einen "Lagezuschlag" zu verlangen. Dem Antragsteller gegenüber gab er erstmals mit Schreiben vom 2. 7. 2001 (Schli-Akt S 22) die für den Lagezuschlag maßgeblichen Umstände bekannt.

Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag begehrte der Antragsteller eine Überprüfung der Zulässigkeit der Mietzinsvorschreibung zum 1. Juni 2000. Eine Ausdehnung des Sachantrags erfolgte vor der Schlichtungsstelle nicht.

Ausgehend von dem oben wiedergegebenen Sachverhalt stellte das

Erstgericht fest, dass der gesetzlich zulässige Mietzins des

Antragstellers per 1. 6. 2000 S 27,90 (= EUR 2,03) pro m2 betrage und

durch die Vorschreibung von S 2.235,60 (= EUR 162,47) das gesetzliche

Zinsausmaß monatlich um je S 427,68 (= EUR 31,08) überschritten

worden sei.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, § 46 Abs 2 MRG verweise zwar unter anderem auch auf § 16 Abs 4 MRG, mangels Zustandekommens eines Mietvertrags sei die Regelung über den Lagezuschlag nicht anzuwenden. § 46 treffe nur Sonderregelungen über die Mietzinsbildung nach § 16 Abs 2 bis 6 MRG, die als Berechnungsmethode im Eintrittsfall heranzuziehen seien. Ein Lagezuschlag sei daher bei einer Mietzinsbildung im Eintrittsfall nach § 46 Abs 2 MRG nicht zulässig.

Einem dagegen erhobenen Rekurs des Antragsgegners gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge (- der aus Anlass des Rekurses vom Rekursgericht als nichtig behobene erstgerichtliche Sachbeschlussteil ist nicht mehr verfahrensgegenständlich -). Es lehnte die dargestellte Rechtsansicht des Erstgerichtes ebenso wie die Auffassung des Antragsgegners ab, nach welcher ein Lagezuschlag jederzeit unabhängig von der Einhaltung der Formvoraussetzungen des § 16 Abs 4 zweiter Halbsatz MRG zulässig sei. Nach ständiger Rechtsprechung sei die Bestimmung des § 16 Abs 4 MRG eine Schutzbestimmung zu Gunsten des Mieters, die als zwingend angesehen werden müsse. Sie solle dem Mieter die Überprüfbarkeit der Berechtigung eines solchen Zuschlags ermöglichen (WoBl 1999/44; WoBl 2000/49). Wenn der Gesetzgeber den Mieter bei Abschluss eines Mietvertrags für derart schutzwürdig halte, erschiene es gleichheitswidrig, dem Eintretenden im Fall eines Anhebungsbegehrens des Vermieters geringeren Rechtsschutz zu gewähren. In § 46 Abs 2 MRG sei uneingeschränkt auf § 16 Abs 2 bis 6, daher auch auf § 16 Abs 4 MRG, verwiesen. Daher sei auch ein Lagezuschlag grundsätzlich zulässig. Im Fall der vorliegenden "unechten" Lücke erfordere die mit Hilfe der Interpretationsregeln zu ermittelnde ratio legis in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz die Erstreckung der Rechtsfolgenanordnung einer gesetzlichen Norm auf den gesetzlich nicht unmittelbar geregelten Fall. Für den vorliegenden Fall der Mietzinsanhebung bedeute das, dass ein Lagezuschlag nach § 46 Abs 2 MRG nur dann zulässig sei, wenn dem Eintretenden die für den Lagezuschlag maßgeblichen Umstände in Schriftform spätestens mit dem Anhebungsbegehren nach § 46b MRG bekanntgegeben wurden. Eine solche Lösung weise für den Eintretenden die gleichen Warn- und Schutzfunktionen auf, wie für einen Hauptmieter bei Abschluss eines Mietvertrags. Umgekehrt habe auch jeder Vermieter bei einem Eintrittsfall ab 1. 3. 1994 die Möglichkeit, im Fall der Mietzinsanhebung - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - auch einen Lagezuschlag zu verlangen. Der Antragsgegner habe diese Voraussetzung nicht erfüllt, weil er bei seinem Anhebungsbegehren (Mietzinsvorschreibung für Juni 2000) die erörterten Formerfordernisse nicht eingehalten habe. Eine spätere Bekanntgabe, nämlich erst am 2. 7. 2001, könne diesen Mangel nicht mehr heilen, weil auch im gesetzlichen Grundtatbestand des § 16 Abs 4 MRG die Möglichkeit der Bekanntgabe befristet sei ("bis spätestens"). Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 1 ZPO zulässig sei, weil zur maßgeblichen Frage der Einhaltung der in § 16 Abs 4 MRG vorgesehenen Voraussetzungen für einen Lagezuschlag im Fall einer Mietzinsanhebung nach § 46 Abs 2 MRG keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners, mit dem Antrag auf Abänderung des Sachbeschlusses im Sinne einer Abweisung des verfahrenseinleitenden Antrags. Der Antragsteller beantragte, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht bezeichneten Gründen zulässig. Er ist jedoch nicht berechtigt.

Mit § 46 MRG idF des 3. WÄG hat der Gesetzgeber im Fall des Mietrechtseintritts nicht privilegierter Personen (§ 46 Abs 2 MRG) die Mietzinsbildung nach den Bestimmungen des § 16 Abs 2 bis 6 MRG unter Setzung von ziffernmäßigen Höchstgrenzen angeordnet. Damit ist zweifellos - weil nicht ausgenommen - auch die Regelung des § 16 Abs 4 MRG über den Lagezuschlag anzuwenden, dies innerhalb der gesetzten Höchstgrenzen.

Eine Regelung, wie im Fall des Mietrechtseintritts der zwingenden Vorschrift über die Bekanntgabe der für den Lagezuschlag maßgeblichen Umstände entsprochen werden könnte, fehlt aber sowohl in § 46 Abs 2 MRG als auch in § 46b MRG ("Erfordernisse eines Anhebungsbegehrens"), weshalb es sich um eine "logische" oder "echte" Lücke handelt. Das schließt aber das Vorliegen einer "teleologischen" oder "unechten" Lücke, bei der der Gesetzeszweck in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz die Erstreckung der Rechtsfolgenanordnung einer gesetzlichen Norm auf den gesetzlich nicht unmittelbar geregelten Fall fordert, nicht aus (RIS-Justiz RS0008841; 9 ObA 605/93 = DRdA 1994, 244 [Schwarz]; zuletzt 5 Ob 273/01k).

Zutreffend hat das Rekursgericht den Zweck der Vorschrift, wie er nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung gesehen wird, dargestellt und die Rechtsfolgenanordnung der geregelten Norm auf den gesetzlich nicht unmittelbar geregelten Fall erstreckt.

Nun ist zwar § 46b MRG nach ständiger Rechtsprechung nur eine

Vorschrift über die Fälligstellung eines mit dem Mietrechtseintritt

entstehenden Anspruchs, das Anhebungsbegehren ist insoweit nicht

konstitutiv für den Anspruch (5 Ob 124/02z). Innerhalb der

Verjährungsgrenzen kann der erhöhte Hauptmietzins auch rückwirkend

infolge eines Anhebungsbegehrens gefordert werden. Aus dem in § 46b

MRG verwendeten Begriff "sein Anhebungsbegehren" ist aber abzuleiten,

dass der Gesetzgeber nur ein einziges Anhebungsbegehren im Auge hatte

(vgl auch T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht

Rz 4 zu § 46b MRG), wenn nicht ein Fall schrittweiser Anhebung nach §

46a Abs 2 bis 4 MRG vorliegt. Im Anhebungsbegehren liegt ein den

Mietvertrag änderndes Gestaltungsrecht des Vermieters (vgl WoBl

1996/6). Durch die Ausübung dieses Rechtes wird jedenfalls die Höhe

des begehrten Mietzinses festgesetzt.

Damit ist es zutreffend, die in § 16 Abs 4 MRG geforderte schriftliche Bekanntgabe der für den Lagezuschlag maßgeblichen Umstände mit dem Zeitpunkt des Anhebungsbegehrens zu befristen, weil dieser Zeitpunkt am ehesten dem Zeitpunkt des Zustandekommens des Mietvertrages vergleichbar ist. Eine spätere Bekanntgabe ist da wie dort nicht mehr hinreichend.

Weil das Anhebungsbegehren des Vermieters die für den Lagezuschlag maßgeblichen Umstände nicht enthielt (im vorliegenden Fall nicht einmal einen Hinweis darauf, dass im begehrten Hauptmietzins ein Lagezuschlag enthalten war), erweist sich der Revisionsrekurs als nicht berechtigt.

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