OGH 5Ob27/22i

OGH5Ob27/22i27.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in den verbundenen wohnrechtlichen Außerstreitsachen der Antragsteller 1. P* C*, 2. G* K*, beide vertreten durch Mag. Ronald Geppl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin H* reg. GenmbH, *, vertreten durch Mag. Wolfgang Prammer, Mag. Martin Nepraunik, LL.M., Dr. Leonhard Göbel, Dr. Franz Reinthaler, Rechtsanwälte in Wien, wegen § 22 Abs 1 Z 6a WGG iVm § 15d WGG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. Dezember 2021, GZ 38 R 273/21k‑57, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00027.22I.0927.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 22 Abs 4 WGG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Antragsteller begehrten –mit zwei gesonderten, in einem erheblichen zeitlichen Abstand eingebrachten Anträgen – die Feststellung der offenkundigen Unangemessenheit der den Antragstellern von der Antragsgegnerin gemäß den §§ 15b ff WGG für die nachträgliche Übertragung des Wohnungseigentums an den von ihnen gemieteten Objekten (Wohnung und Kfz‑Abstellplatz) jeweils angebotenen Fixpreise und die Festsetzung der Preise durch das Gericht.

[2] Das Erstgericht wies beide Anträge ab. Die Abweisung des auf die Wohnung bezogenen Antrags begründete das Erstgericht damit, dass der angebotene Fixpreis nach den Feststellungen den ortsüblichen Preis für freifinanzierte gleichartige Objekte nicht übersteige und daher nicht offenkundig unangemessen sei. Der Antrag auf Überprüfung des Preises für den Kfz-Abstellplatz sei erst zwei Jahre nach der Annahme des Anbots eingebracht worden. Dieser sei daher wegen Nichteinhaltung der auch auf Garagen und Kfz-Abstellplätze anzuwendenden Frist des § 15d Abs 2 WGG verspätet.

[3] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf und ist daher zurückzuweisen.

[5] 1.1. Eine Bauvereinigung kann ihre Baulichkeiten, Wohnungen und Geschäftsräume unter den Voraussetzungen des § 15b WGG nachträglich in das Eigentum (Miteigentum, Wohnungseigentum) übertragen. Für diese nachträgliche Übertragung in das Wohnungseigentum kann unter Bedachtnahme auf die Grundsätze des § 23 WGG, insbesondere dessen Abs 4c, ein Fixpreis vereinbart werden.

[6] 1.2. Die Regelung, wie dieser Fixpreis zu ermitteln ist, ist eine gebarungsrechtliche Bestimmung, die dem öffentlich‑rechtlichen Teil des WGG angehört. Der Kaufinteressent hat keine Möglichkeit, die Einhaltung dieser öffentlich‑rechtlichen Preisbildungsbestimmungen des § 23 Abs 4c WGG zu kontrollieren. Rechtliche Bedeutung bekommt die intern auf dieser Grundlage anzustellende Rechnung erst dann, wenn der angebotene Fixpreis offenkundig unangemessen ist (5 Ob 35/22s; 5 Ob 54/16a; 5 Ob 203/11f). Einwendungen gegen die Höhe des von der Bauvereinigung angebotenen Fixpreises können nämlich nur wegen offenkundiger Unangemessenheit binnen sechs Monaten nach schriftlichem Angebot gemäß § 15e Abs 1 WGG gerichtlich geltend gemacht werden (§ 18 Abs 3a WGG; 5 Ob 54/16a). Die Einhaltung der öffentlich‑rechtlichen Preisbildungsbestimmungen (§ 23 Abs 4c WGG) ist daher nicht Gegenstand der Überprüfung (Rudnigger in Illedits/Reich‑Rohrwig, Wohnrecht – Update [2020] § 18 WGG Rz 7).

[7] 1.3. Wann ein Fixpreis offenkundig unangemessen ist, regelt § 18 Abs 3b WGG. Danach ist ein Fixpreis nach § 15d WGG in jedem Fall der Preisermittlung dann offenkundig unangemessen, wenn er – unter Berücksichtigung der zu übernehmenden Verbindlichkeiten – den ortsüblichen Preis für frei finanzierte gleichartige Objekte übersteigt (5 Ob 35/22s; 5 Ob 9/19p; 5 Ob 54/16a; 5 Ob 203/11f; RS0124635).

[8] 2.1. Nach den getroffenen Feststellungen übersteigt der von der Antragsgegnerin für die nachträgliche Übertragung des Wohnungseigentums an der Wohnung angebotene Fixpreis – auch unter Berücksichtigung der zu übernehmenden Verbindlichkeiten – den ortsüblichen Preis für frei finanzierte gleichartige Objekte nicht. Das wird von den Antragstellern auch nicht mehr behauptet. Sie leiten die Unangemessenheit des angebotenen Fixpreises vielmehr aus der Nichteinhaltung einer angeblichen, die Kaufpreisbildung (im Wesentlichen) nach dem Kostendeckungsprinzip gebietenden Weisung der Hauptversammlung der Genossenschaft an ihren Vorstand ab. Diese Weisung sei eine die Antragsteller begünstigende und daher rechtsverbindliche (vgl RS0083301) Preiszusage.

[9] 2.2. Die Überprüfung einer so verstandenen Preisangemessenheit, also die Überprüfung, ob der angebotene Fixpreis den auf einer privatrechtlichen Vereinbarung beruhenden Vorgaben entspricht, ist vom Verfahrensgegenstand des wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens nach § 22 Abs 1 Z 6a WGG nicht umfasst. In diesem Verfahren ist nur die in § 18 Abs 3b WGG gesetzlich klar definierte offenkundige Unangemessenheit des Fixpreises zu prüfen. Den Antragstellern wird in diesem Verfahren also ausschließlich die Möglichkeit eröffnet, den angebotenen Fixpreis auf die Einhaltung dieser gesetzlich zwingenden Obergrenze überprüfen zu lassen. Eine behauptete Preisvereinbarung oder Vereinbarung über die Art der Preisbildung ist im Verfahren nach § 22 Abs 1 Z 6a WGG hingegen unbeachtlich. Die Einhaltung der aus einem solchen Vertrag entspringenden Verpflichtung wäre ausschließlich im streitigen Rechtsweg durchzusetzen (vgl RS0131218 [§ 22 Abs 1 Z 1 lit b WGG], 5 Ob 245/15p [§ 22 Abs 1 Z 7 WGG]; für Verfahren nach § 37 MRG auch RS0117706 [T1], RS0069665 [T4]). Entgegen ihrer Behauptung im Revisionsrekurs soll die behauptete Vereinbarung den Antragstellern schließlich nicht bloß einen ohnedies auch auf gesetzlicher Grundlage bestehenden Überprüfungsanspruch vermitteln (vgl RS0069665 [T6; T8; T11]). Die Antragsteller beziehen die behauptete Unangemessenheit insoweit ja gerade nicht auf die in § 18 Abs 3b WGG vorgesehene Zulässigkeitsgrenze.

[10] 2.3. Die im Revisionrekurs zur Begründung seiner Zulässigkeit aufgeworfenen Fragen zur zivilrechtlichen Bedeutung und Verbindlichkeit der behaupteten Weisung der Hauptversammlung an den Vorstand sind daher nicht entscheidungsrelevant.

[11] 3.1. Eine Bauvereinigung kann nicht nur ihre Baulichkeiten, Wohnungen und Geschäftsräume unter den Voraussetzungen des § 15b WGG nachträglich in das Eigentum (Miteigentum, Wohnungseigentum) übertragen. Das gilt vielmehr, auch wenn sie nicht ausdrücklich erwähnt sind, auch für Garagen und Kfz-Abstellplätze; diese können grundsätzlich nachträglich in das Eigentum (Miteigentum, Wohnungseigentum) übertragen werden. Auch die Preisbildungsnorm des § 15d WGG nennt zwar nur „Wohnungen oder Geschäftsräume“ ausdrücklich, deren Anwendung ist aber auch für Garagen und Kfz-Abstellplätze zu bejahen (5 Ob 54/16a mwN).

[12] 3.2. Die Antragsteller stehen in ihrem Revisionsrekurs unverändert auf dem Standpunkt, die analoge Anwendung der Preisbildungsnorm des § 15d WGG auf die Vereinbarung eines Fixpreises für die nachträgliche Übertragung von Kfz‑Abstellplätzen sei nicht auch auf die Präklusionsfrist des § 18 Abs 3a Z 2 WGG auszudehnen.

[13] 3.3. Gemäß § 18 Abs 3a Z 2 WGG können Einwendungen gegen die Höhe des Fixpreises (wegen offenkundiger Unangemessenheit) in den Fällen des § 15d WGG nur binnen sechs Monaten nach schriftlichem Angebot gemäß § 15e Abs 1 WGG gerichtlich geltend gemacht werden. Die Gründe, die die analoge Anwendung der Preisbildungsnorm des § 15d WGG auf Garagen und Kfz‑Abstellplätze gebieten, nämlich der Gesetzeszweck und die Vermeidung eines Wertungswiderspruchs (vgl 5 Ob 54/16a und die dort zitierte Literatur), gelten für die damit in einem engen Konnex stehenden Bestimmungen des § 18 Abs 3, 3a, 3b WGG (sowie § 22 Abs 1 Z 6a, Abs 2 WGG) gleichermaßen. Ohne analoge Anwendung auch dieser Bestimmungen bliebe das Rechtsfolgensystem erst recht lückenhaft. Die Antragsteller halten dem keine überzeugenden Argumente entgegen. Die Behauptung, die analoge Anwendung des § 18 Abs 3a WGG konterkariere die verfassungsrechtlich gebotene Klarheit der Gerichtszuständigkeit und würde so den Zugang zu Gericht in unzulässiger Weise beschränken, geht schon deshalb ins Leere, weil es sich bei der Einwendungsfrist des § 18 Abs 3a WGG um eine materiell-rechtliche und keine prozessuale Frist handelt (vgl RS0112050 [T3] zur Einwendungsfrist des § 18 Abs 3 WGG). Die fristgerechte Erhebung von Einwendungen ist neben der Feststellung der offenkundigen Unangemessenheit die erste der zwei materiell‑rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen für die gerichtliche Preisfestsetzung nach § 15d Abs 2 WGG.

[14] 4. Rechtsfragen, die – wie hier – anhand des Gesetzes und der von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze gelöst werden konnten und gelöst wurden, begründen die Zulässigkeit des Revisionsrekurses iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte