OGH 5Ob270/07b

OGH5Ob270/07b5.2.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragstellerin L***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Perner, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner ***** O***** GmbH, *****, und der weiteren Verfahrensparteien 1. Milica P*****, 2. Konsul Martin Mathias K*****, 3. Friedel Raimund E*****, 4. Mag. Birgit L*****, 5. Edith M*****, 6. Kevin M*****, 7. Gervaise S*****, wegen § 52 Abs 1 Z 6 WEG iVm § 30 Abs 1 Z 5 WEG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 11. September 2007, GZ 40 R 113/07z‑17, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 23. Jänner 2007, GZ 17 MSch 32/06z‑2, bestätigt wurde, den

Sachbeschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0050OB00270.07B.0205.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.

Begründung

Die Antragstellerin ist Minderheitseigentümerin der Liegenschaft *****. Die Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum ist grundbücherlich angemerkt. Der Erstantragsgegner ist Verwalter dieser Liegenschaft, die übrigen Verfahrensparteien sind Miteigentümer bzw ist für sie die Einräumung von Wohnungseigentum grundbücherlich angemerkt.

Die Antragstellerin hat auf ihre Kosten einen Aufzug errichten lassen und betriebsbereit hergestellt. Einzelne Miteigentümer sind berechtigt, als Rechtsnachfolger der Antragstellerin den Aufzug mitzubenützen.

Trotz Aufforderung weigert sich der Antragsgegner, die Verwaltung der Aufzugsanlage zu übernehmen, diverse Verträge zu unterfertigen, die für den Betrieb dieser Anlage erforderlich sind, Vorschreibungen zu bezahlen und den liftberechtigten Miteigentümern weiter zu verrechnen.

Auf die Behauptung dieses Sachverhalts gestützt begehrt die Antragstellerin, der Antragsgegnerin als Hausverwalterin aufzutragen, ihre Verwaltungstätigkeit in Bezug auf den errichteten Lift unverzüglich aufzunehmen, insbesondere die bezeichneten Verträge abzuschließen, die Rechnungen zu bezahlen und die Verrechnung mit den nutzungsberechtigten Eigentümern vorzunehmen.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ohne Durchführung eines Beweisverfahrens ab.

Schon aus dem Vorbringen der Antragstellerin ergebe sich, dass es sich bei der von der Antragstellerin auf ihre Kosten errichteten Aufzugsanlage um keine Gemeinschaftsanlage handle, weil nur einzelnen Eigentümern, nämlich der Antragstellerin und ihren Rechtsnachfolgern die Benützung des Aufzugs zustehe. Nach § 20 Abs 1 WEG sei der Verwalter verpflichtet, gemeinschaftsbezogene Interessen aller Wohnungseigentümer zu wahren, welche Voraussetzungen hier mangels Vorliegens einer Gemeinschaftsanlage nicht gegeben seien. Das Begehren sei daher nicht berechtigt.

Einem dagegen von der Antragstellerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.

Gemäß § 30 Abs 1 Z 5 WEG könne jeder einzelne Wohnungseigentümer verlangen, dass dem Verwalter bei Verstößen gegen § 20 Abs 2 bis 7 WEG die Einhaltung dieser Pflichten aufgetragen werde. Die Durchsetzung dieser Pflichten des Verwalters sei mit Ausnahme der Herabsetzung des Entgelts in das außerstreitige Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 6 WEG verwiesen. Die Legitimation eines Minderheitseigentümers zur Durchsetzung von Verwalterpflichten sei aber zufolge § 30 Abs 1 Z 5 WEG auf die konkret in § 20 Abs 2 bis 7 WEG aufgezählten Verpflichtungen eingeschränkt. Darüber hinausgehende, in § 20 Abs 2 bis 7 WEG nicht aufgezählte Pflichten könnten daher nicht vom Minderheitseigentümer, sondern allenfalls von der Mehrheit bzw der Eigentümergemeinschaft durchgesetzt werden.

Auch die WRN 2006 habe diesbezüglich keine Änderung bewirkt. Mit dem Verweis auf Abs 7, der durch diese Novellierung geändert worden sei, sollte nur eine Ausweitung des Minderheitsrechts auf die neu geregelten Auskunftspflichten des Verwalters normiert werden. Eine Durchsetzungsmöglichkeit für sämtliche Pflichten des Verwalters als Minderheitsrecht sollte dadurch nicht begründet werden.

Zusammengefasst ordne das Gesetz an, dass der Verwalter Weisungen der Mehrheit zu befolgen habe. Einzelne wichtige Verwalterpflichten könne auch ein Minderheitseigentümer durchsetzen. Er könne aber nicht jede einzelne von ihm gewünschte Handlung und Unterlassung des Verwalters gerichtlich erzwingen. Komme es zu groben Pflichtverletzungen, könne er als Minderheitseigentümer eine Abberufung des Verwalters fordern.

Der vorliegende Antrag sei ausschließlich in die Zukunft gerichtet, nämlich auf Übernahme der Verwaltung der Aufzugsanlage, zukünftig zu legende Abrechnungen und abstrakt auf Durchführung von künftigen Erhaltungsarbeiten. Damit würden nicht konkrete Erhaltungsarbeiten oder konkrete Abrechnungsverpflichtungen begehrt, bei denen die Vorfrage der Eigenschaft des Aufzugs als allgemeiner Teil der Liegenschaft bzw Zubehör zu einem oder mehreren Wohnungseigentumsobjekten der Antragstellerin zu klären sei.

Auch aus der Bestimmung des § 838a ABGB iVm § 52 Abs 1 Z 3 WEG sei für den Standpunkt der Antragstellerin nichts zu gewinnen, beziehe sich doch diese Regelung nur auf Streitigkeiten zwischen den Miteigentümern. Der Antragsgegner sei aber gerade kein Miteigentümer.

Der Antragstellerin fehle daher als Minderheitseigentümerin die Legitimation für das geltend gemachte Begehren, weshalb das Erstgericht ohne inhaltliche Prüfung den Antrag zu Recht abgewiesen habe.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR nicht übersteige, der ordentliche Revisionsrekurs jedoch zuzulassen sei, weil zur Frage des Umfangs des Rechts eines Minderheitseigentümers, Pflichtverletzungen des Verwalters im außerstreitigen Verfahren geltend zu machen und dem Verwalter gerichtliche Aufträge erteilen zu lassen, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit, Nichtigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Sachbeschlusses im Sinne einer Stattgebung ihres Antrags. Hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die vom Antragsgegner erhobene Revisionsrekursbeantwortung erweist sich als verspätet (Zustellung des Revisionsrekurses: 9. 10. 2007, Revisionsrekursbeantwortung 7. 11. 2007).

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist aus den vom Rekursgericht bezeichneten Gründen zulässig. Er ist jedoch nicht berechtigt.

Bei voller Dispositionsmaxime, wie sie im gegenständlichen Verfahren auf Durchsetzung von Verwalterpflichten durch einen Minderheitseigentümer gegeben ist, ist das Gericht an das Vorbringen und den Sachantrag des Antragstellers gebunden und kann nur in dessen Rahmen entscheiden (vgl etwa 5 Ob 109/90 = wobl 1991, 167/102 ua). Ist das Begehren im Sachantrag im Zusammenhang mit dem Vorbringen hinreichend bestimmt, also das Verfahrensziel deutlich umschrieben (vgl 5 Ob 277/97i = MietSlg 49.424), erübrigt sich die Durchführung eines Verbesserungsverfahrens oder die Erörterung der fehlenden materiellen Berechtigung des Begehrens, sodass weder Beweise aufzunehmen sind, noch eine mündliche Verhandlung anzuberaumen ist (§ 37 Abs 3 Z 10 MRG).

Schon das Rekursgericht hat den in diesem Zusammenhang behaupteten Verfahrensmangel verneint, weshalb im Revisionsrekursverfahren darauf nicht mehr einzugehen ist (vgl 4 Ob 135/05i = ZAK 2005/28 = EFSlg 110.743; RIS‑Justiz RS0042963; RS0050037 ua).

Zu Recht haben also die Vorinstanzen bei vollständiger Dispositionsmaxime allein den verfahrenseinleitenden Antrag zur rechtlichen Beurteilung herangezogen. Diesem ist, wie oben dargestellt, die Behauptung zu entnehmen, die Antragstellerin habe auf ihre Kosten einen Aufzug errichten lassen und einzelne Miteigentümer seien als Rechtsnachfolger der Antragstellerin bereits berechtigt, den errichteten Aufzug mitzubenützen. Konkret handle es sich bei den „liftberechtigten" Miteigentümern um die Eigentümer der Dachgeschosswohnungen.

Nun besteht aber das Kriterium einer Gemeinschaftsanlage darin, dass es jedem Mit- und Wohnungseigentümer oder Mieter rechtlich freisteht, sie gegen Beteiligung an den Kosten des laufenden Betriebs, der Wartung und Instandhaltung zu benützen (RIS‑Justiz RS0069987 [T3]; RS0083193; RS0083101).

Hat hingegen ein Mit‑ oder Wohnungseigentümer „auf seine Kosten" im Sinn des § 16 Abs 2 WEG eine Anlage errichtet, wozu selbstverständlich die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer erforderlich war, und steht die Benützung nur ihm oder einzelnen Wohnungseigentümern zu, sind die Kosten des laufenden Betriebs auch keine Liegenschaftsaufwendungen im Sinn des § 32 WEG und unterliegen damit auch nicht der Abrechnungspflicht des Liegenschaftsverwalters (vgl A. Vonkilch in Hausmann/Vonkilch Österr. Wohnrecht Rz 41a zu § 16 WEG; LGZ Wien, MietSlg 54.441).

Dem Rekursgericht ist darin zuzustimmen, dass es zur Beurteilung der Legitimation der Antragstellerin für den verfahrensgegenständlichen Antrag aber letztlich nicht darauf ankommt, ob es sich nun um eine Gemeinschaftsanlage handelt (wie die Revisionsrekurswerberin unter Nichtbeachtung des Neuerungsverbots nunmehr vorträgt) oder ob dies nicht der Fall ist. Das Individualrecht jedes Wohnungseigentümers, dem Verwalter die Einhaltung seiner Pflichten aufzutragen, wird nämlich durch § 30 Abs 1 Z 5 WEG auf Verstöße gegen § 20 Abs 2 bis 7 WEG beschränkt. Unter den dort aufgezählten Aufgaben eines Verwalters findet das Begehren, dem Verwalter auch die Übernahme der Verwaltung einer Aufzugsanlage aufzutragen, keine Deckung. Dieses Begehren wäre allenfalls durch § 20 Abs 1 WEG gedeckt, wenn es sich tatsächlich um gemeinschaftsbezogene Interessen aller Wohnungseigentümer handelt. Solche gemeinschaftsbezogenen Interessen sind ua die Ansprüche auf gesetzes‑ bzw vertragskonforme Kostenverteilung bei der Verwaltung der Liegenschaft. Der Verwalter hat, abgesehen vom gesetzlichen Verteilungsschlüssel auch davon abweichende vertragliche Vereinbarungen zu beachten (vgl 5 Ob 695/78 = MietSlg 30.574), darf aber nicht eigenmächtig, auch nicht über Weisung eines Minderheitseigentümers, von dem für die Liegenschaft geltenden Aufteilungsschlüssel abgehen. Den einzelnen Wohnungseigentümern steht es zwar frei, selbst ein Willensbildungsverfahren zu initiieren, um dem Verwalter von der Mehrheit rechtmäßige Weisungen erteilen zu lassen, die dieser zu beachten hat (vgl LGZ Wien, MietSlg 51.530). Einzelne Wohnungseigentümer oder Gruppen von ihnen sind gegenüber dem Verwalter aber nur dann weisungsberechtigt, wenn sie von der Mehrheit dazu bevollmächtigt wurden (vgl Call zu 5 Ob 8/91 = wobl 1992/69).

Das Begehren der Antragstellerin wurde somit zutreffend von den Vorinstanzen nicht unter die Individualrechte eines Wohnungseigentümers, wie sie in § 20 Abs 2 bis 7 WEG ausdrücklich positiviert sind, subsumiert. Das Argument, das Begehren enthalte auch ein Rechnungslegungsbegehren, ist schon deshalb unbeachtlich, weil nach dem Antragsvorbringen der Antragsgegner bisher in diesem Zusammenhang keine Verwaltungstätigkeit entfaltet hat.

Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag wird daher kein Verstoß gegen § 20 Abs 2 bis 7 WEG durch den Verwalter geltend gemacht, sodass der Antrag des Minderheitseigentümers, dem Hausverwalter aufzutragen, seine Verwaltungstätigkeit auf eine vom Minderheitseigentümer errichtete Aufzugsanlage zu erweitern, von den Vorinstanzen zu Recht abgewiesen wurde.

Eine Kostenentscheidung hatte zu entfallen, weil sich die Revisionsrekursbeantwortung des Antragsgegners als verspätet erwies.

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