European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:E105370
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 447,98 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 74,30 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin und der Beklagte sind Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 2143, GB *, mit dem darauf befindlichen Wohnhaus * in *. Es handelt sich dabei um ein einstöckiges Wohnhaus mit sechs Wohneinheiten. Die Klägerin verfügt über das ausschließliche Nutzungsrecht an der mittleren Wohnung im Erdgeschoss W2, der Beklagte über das ausschließliche Nutzungsrecht an den an der Südseite des Gebäudes im Erdgeschoss und im Obergeschoss gelegenen Wohnungen W1 und W4.
Aufgrund gerichtlicher Benützungsregelung des zur Liegenschaft gehörenden Gartens wurden der Klägerin der Gartenanteil Nr 5 vor ihrer Wohnung an der Westseite des Gebäudes und dem Beklagten die Gartenanteile Nr 3 an der Südseite und Nr 4 an der Süd‑Westseite des Gebäudes zugewiesen. Der Gartenanteil der Klägerin und der des Beklagten sind durch einen schmalen Streifen getrennt, der keinem Wohnungseigentümer zugewiesen ist. Vom Gartenanteil der Klägerin kann in den Gartenanteil des Beklagten Nr 4, nicht aber in den Gartenanteil des Beklagten Nr 3 eingesehen werden. Der Gartenanteil Nr 3 ist aber von der Allgemeinfläche des Gartens überblickbar.
Im Zeitpunkt der Benützungsregelung waren zuvor im Garten wildwachsende Bäume und Sträucher entfernt worden, sodass die Gartenanteile im Wesentlichen aus bloßen Rasenflächen bestanden. Die Gartenanteile des Beklagten sind von der Straße aus nicht einsehbar, wohl aber von mehreren angrenzenden Grundstücken.
Das Wohngebäude liegt im dichtbebauten Vorstadtgebiet. In den benachbarten Gärten, die durch Hecken und Maschendrahtzäune voneinander abgegrenzt sind, befinden sich Blumenbeete, befestigte Terrassenflächen und auch kleinere Holzhütten.
Im Jahr 2011 führte der Beklagte auf den ihm zur Benützung zugewiesenen Gartenanteilen ohne Zustimmung der Klägerin Veränderungen durch. An der Ostseite des Gartenanteils Nr 3 ließ er einen kurzen Maschendrahtzaun errichten (in dem dem erstgerichtlichen Urteil angeschlossenen Plan blau dargestellt). Weiters errichtete er südlich des Wohnhauses im Gartenanteil Nr 3 eine Terrassenfläche aus Betonplatten im Ausmaß von 13,5 m², die mit einer Randleiste samt Mähkante aus Betonsteinen eingefasst ist. Diese Fläche erhebt sich ca 8 cm über das Bodenniveau. Die Platten sind auf einer Frostschutzschicht aus Schotter verlegt, die Randleisten mit Beton befestigt. Auf einer geschotterten Fläche ließ der Beklagte drei Betonringe in den Boden ein, die als Blumentröge dienen. Am Gartenanteil Nr 4 verlegte der Beklagte solche Betonplatten im südwestlichen Bereich auf einer Fläche von 2 x 3 m und im nordöstlichen Bereich auf einer Fläche von rund 2 x 1,5 m in der im bezeichneten Plan dargestellten Weise. Entlang des Maschendrahtzauns zum benachbarten Grundstück ließ der Beklagte rund 8 cm hohe Randleisten samt Mähkanten aus Betonsteinen errichten, die einbetoniert sind und im östlichen Bereich ein dreieckiges Blumenbeet sowie im westlichen Bereich ein mehrere Meter langes rechteckiges Blumenbeet durch Mähkanten begrenzen. Weiters ließ der Beklagte das vorhandene geschotterte Trauffries mit Betonsteinen umfassen. Auf der Ostseite des Gebäudes, auf einer Allgemeinfläche, ließ der Beklagte zwei kleine Betonringe in den Boden verlegen, die als Blumentröge dienen können und unter dem zu seiner Wohnung im Erdgeschoss gehörenden Balkon Betonplatten anbringen.
Mit der vorliegenden Negatorienklage begehrt die Klägerin, den Beklagten zur Beseitigung der dargestellten Änderungen zu verpflichten sowie zur Unterlassung jeglicher zustimmungslosen baulichen Veränderungen an allgemeinen Teilen der Liegenschaft. Der Beklagte habe die baulichen Veränderungen ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer an allgemeinen Teilen der Liegenschaft vorgenommen. Jegliche Veränderung des Gartens hätte der Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer bedurft. Durch die baulichen Veränderungen sei das Gesamtbild des Gartens zerstört worden. Die Klägerin selbst beabsichtige nicht, ihren Gartenanteil derart zu verändern.
Auch sei zu befürchten, dass die Eigentümergemeinschaft mit Kosten belastet werde, wenn im Fall einer Änderung der Benützungsregelung die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands erforderlich werde.
Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung. Mit der gerichtlichen Benützungsregelung sei auch das Recht zu Veränderungen verbunden, soweit dadurch nicht in die Rechtssphäre anderer Miteigentümer eingegriffen werde bzw deren wichtige Interessen berührt würden. Das sei bei den klagsgegenständlichen Veränderungen nicht der Fall, weshalb die von ihm veranlassten Änderungen auch nicht zustimmungsbedürftig seien. Inhalt der gerichtlichen Benützungsregelung sei auch, den Wohnungseigentümern jeweils die Gestaltung ihrer Gartenanteile zu ermöglichen. Darüber hinaus liege keine Störung des Gesamtbildes des Gartens vor. Die Klagsführung durch die Klägerin sei schikanös.
Das Erstgericht gab ‑ ausgehend von den dargestellten Feststellungen ‑ dem Klagebegehren statt.
Unter Darstellung der von der Rechtsprechung vertretenen Analogie des Änderungsrechts eines Wohnungseigentümers hinsichtlich der ihm im Rahmen einer gerichtlichen Benützungsregelung zur alleinigen Nutzung zugewiesenen Flächen mit dem Nutzungsrecht des Wohnungseigentümers an seinem Objekt, erkannte das Erstgericht, dass die klagsgegenständlichen Änderungen genehmigungsbedürftig und nach den Kriterien des § 16 Abs 2 WEG zu beurteilen seien. Unterlasse ein Wohnungseigentümer die Einholung der Zustimmung der anderen, handle er in unerlaubter Eigenmacht und könne im streitigen Rechtsweg zur Beseitigung der Änderung und zur Unterlassung verhalten werden. Dabei sei allerdings nicht die Genehmigungsfähigkeit der Änderungen vom Streitrichter zu prüfen, sondern lediglich deren Genehmigungsbedürftigkeit. Das Erstgericht bewertete die Anbringung der Bodenplatten und Mähkanten als massive, nicht leicht zu entfernende Einbauten, was im Fall der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands erhebliche Kosten verursachen würde. Auch bewirke die Umgestaltung der dem Beklagten zugewiesenen Gartenanteile eine augenscheinliche Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes des bisherigen Gartens, wodurch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der Klägerin nicht auszuschließen sei. Der Beklagte hätte sich daher um die Zustimmung der Klägerin bemühen oder deren Zustimmung im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren ersetzen lassen müssen.
Weil die Klägerin als Miteigentümerin der Liegenschaft ein begründetes Interesse daran habe, dass ohne ihre Zustimmung keine eigenmächtigen Veränderungen durchgeführt würden, die das äußere Erscheinungsbild des Gartens nachteilig veränderten und nur mit erheblichem Kosteneinsatz wieder rückgängig gemacht werden könnten, sei der Einwand der rechtsmissbräuchlichen Klagsführung nicht berechtigt.
Der dagegen vom Beklagten erhobenen Berufung gab das Gericht zweiter Instanz Folge und wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht legte zugrunde, dass demjenigen, dem der physische Besitz eines Teils einer Liegenschaft zur alleinigen Nutzung überlassen wurde, auch das Recht zur physischen Veränderung dieses Teils zukomme (5 Ob 174/02b), welches Recht nur insofern eingeschränkt sei, als durch die Veränderungen in die Rechtssphäre der übrigen Teilnehmer nicht eingegriffen und deren wichtige Interessen nicht berührt werden dürften.
Das Berufungsgericht erkannte, dass im Verfahren auf Unterlassung und/oder Beseitigung angeblich rechtswidriger Änderungen nur die Genehmigungsbedürftigkeit, nicht aber die Genehmigungsfähigkeit der Änderungen zu prüfen sei. Im Folgenden orientierte das Berufungsgericht allerdings die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit an den Kriterien des § 16 Abs 2 Z 1 WEG und erkannte, dass eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der Klägerin ebensowenig vorliege wie eine Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses. Die vom Beklagten vorgenommenen Veränderungen, nämlich die Errichtung eines Sitzplatzes auf Platten samt Fundament, Randleisten, Einfassung von Blumenbeeten und Mähkanten stellten eine zeitgemäße Ausstattung seines Gartens dar und seien als objektiv vorteilhaft anzusehen. Abgesehen davon, dass eine Änderung der Benützungsregelung nicht zwingend die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands bedingen würde, sei eine Beseitigung der vom Beklagten vorgenommenen Änderungen keineswegs mit hohem Kostenaufwand verbunden.
Insgesamt entsprächen die vom Beklagten vorgenommenen Änderungen, auch die Anbringung der zwei kleinen Betonringe als Blumentröge, der Übung des Verkehrs.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei. Ob eine zeitgemäße bauliche Umgestaltung eines zur Alleinbenützung zugewiesenen Gartenanteils genehmigungsbedürftig sei, sei durch höchstgerichtliche Rechtsprechung bisher nicht geklärt. Dieser Frage komme über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung der Berufungsentscheidung im Sinn einer Wiederherstellung des Ersturteils. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte beantragt, die Revision als nicht zulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist aus dem vom Berufungsgericht formulierten Grund und zur Klärung der Rechtslage zulässig. Sie ist jedoch nicht berechtigt.
Einem Minderheitseigentümer (auch Wohnungseigentümer) steht die Negatorienklage nach § 523 ABGB nicht nur gegen einen Dritten, sondern auch gegen andere Miteigentümer (Wohnungseigentümer) zur Abwehr eigenmächtiger Eingriffe in das gemeinsame Eigentum zu (RIS‑Justiz RS0012137; RS0012112).
Schon die Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Miteigentümer verpflichtet den änderungswilligen Wohnungseigentümer, die Zustimmung der anderen Miteigentümer oder die Genehmigung des Außerstreitrichters einzuholen. Tut er das nicht oder setzt er sich über den Widerspruch eines anderen Miteigentümers hinweg, handelt er in unerlaubter Eigenmacht, insofern rechtswidrig und kann im streitigen Rechtsweg zur Beseitigung der Änderung, gegebenenfalls auch zur Unterlassung künftiger Änderungen, verhalten werden (RIS‑Justiz RS0083156).
Die Vorinstanzen haben zutreffend wiedergegeben, dass die Genehmigungsfähigkeit einer Änderung vom Streitrichter auch nicht als Vorfrage zu prüfen ist, sondern ausschließlich die Genehmigungsbedürftigkeit der Änderungen, ob sie also überhaupt § 16 Abs 2 WEG zu unterstellen sind (RIS‑Justiz RS0083156 [T1; T3; T5; T6; T14; T20]; zuletzt 5 Ob 40/12m).
Die Revisionswerberin wirft dem Berufungsgericht nicht zu Unrecht eine Vermengung von Fragen der Genehmigungsbedürftigkeit mit solchen der Genehmigungsfähigkeit vor.
Nicht erst die Beeinträchtigung wichtiger Interessen eines Wohnungseigentümers, sondern bereits die Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen durch eine vorgenommene Änderung (vgl nochmals RIS‑Justiz RS0083156) bewirken die Eigenmacht des Ändernden als Voraussetzung für den Unterlassungs‑ oder Beseitigungsanspruch.
Die Rechtsprechung geht grundsätzlich vom Fehlen einer Genehmigungspflicht nur bei bagatellhaften Umgestaltungen des gemeinsamen Guts aus (RIS-Justiz RS0109247), weshalb schon geringfügige Nutzungen gemeinschaftlicher Teile wie des Hausgangs durch Aufstellen einer Bank, Anbringung eines Schuhregals, Inanspruchnahme der Fassade oder von tragenden Wänden (vgl die ausführliche Darstellung der Judikatur in 5 Ob 25/08z wobl 2009/54 [Vonkilch]) genehmigungsbedürftig sind.
Aus einer Benützungsvereinbarung zwischen Miteigentümern oder wie hier einer gerichtlichen Benützungsregelung ergibt sich allerdings eine Umgestaltung allgemeiner Gebrauchsbefugnisse eines Miteigentümers in Sondernutzungsrechte an bestimmten Sachteilen (5 Ob 3/95; 5 Ob 174/02b; 5 Ob 40/12m jeweils mwN). Dieses alleinige Nutzungs- und Verfügungsrecht eines Miteigentümers umfasst grundsätzlich auch das Recht zur physischen Veränderung (5 Ob 174/02b; zuletzt 5 Ob 40/12m), das nur insofern eingeschränkt ist, als in die Rechtssphäre der übrigen Teilhaber eingegriffen wird oder deren wichtige Interessen beeinträchtigt werden könnten (RIS-Justiz RS0083156).
In die Rechtssphäre der Klägerin wird jedenfalls insoweit nicht eingegriffen, als entgegen ihrer Darstellung mit den Gartengestaltungsmaßnahmen keine bleibenden Substanzveränderungen iSd § 828 ABGB (vgl RIS-Justiz RS0013205 [T4; T5]) vorgenommen wurden.
Wird ein zu einer Liegenschaft gehörender Garten, der in diesem Zeitpunkt nur als Wiese gestaltet ist, durch Benützungsregelung geteilt und werden einzelnen Wohnungseigentümern Teile zur alleinigen Nutzung überlassen, wird damit ‑ vergleichbar dem Recht zur Ausgestaltung des Inneren eines Wohnungseigentumsobjekts (vgl RIS‑Justiz RS0109843: Aufstellen von Rigipswänden, Vergrößerung eines Mauerdurchbruchs einer nicht tragenden Wand ohne Versorgungsleitungen) ‑ auch das Recht zur Gartengestaltung eingeräumt. Anders läge der Fall nur, wenn eine im Streitverfahren beachtliche, alle Wohnungseigentümer bindende Vereinbarung vorläge, die Gartenflächen seien zur Gänze in bestimmter Form zu belassen oder zu gestalten.
Die hier zu beurteilende gärtnerische Gestaltung ist rein oberflächlich, hält sich im engsten Rahmen des Zuweisungszwecks (Gartenbenützung) und ist daher nicht verpönte Eigenmacht, sondern von der alleinigen Nutzungsbefugnis des Wohnungseigentümers getragen.
Die Gefahr der Beeinträchtigung insoweit schutzwürdiger Interessen der Klägerin, die mit der mangelnden Einheitlichkeit der Gestaltung der Gartenflächen begründet wurde, ist insgesamt nicht zu erkennen.
Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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