European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00244.20Y.0215.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Antragstellerin begehrte die Einverleibung der Reallast der Verpflichtung zur Beschäftigung von Dienstnehmern gemäß den Punkten 2.2 und 3 der Vereinbarung vom 1. Oktober 2019 ob der im Kopf genannten Liegenschaft. Punkt 2.2 dieser Vereinbarung lautet wie folgt:
„Weiters verpflichtet sich die E***** GmbH für sich und Rechtsnachfolger gegenüber der Gemeinde *****, innerhalb von 2 Jahren drei, nach einem weiteren Jahr insgesamt vier und nach einem weiteren Jahr insgesamt sechs Personen am Betriebsstandort ganzjährig mit einem Mindestausmaß von 40 Wochenstunden zu beschäftigen. Sollte dieser Verpflichtung nicht vollständig entsprochen werden, ist eine Ersatzleistung für die Dauer der Nichterfüllung an die Gemeinde zu leisten. Diese Ersatzleistung für die Nichtbeschäftigung beträgt EUR 1.400 pro Jahr und Mitarbeiter. Der Betrag von EUR 1.400 wird wertgesichert auf Grundlage des VPI 2015 oder eines an seine Stelle tretenden Index berechnet, wobei als Ausgangsbasis die für den Monat der allseitigen Vertragsunterfertigung veröffentlichte Indexzahl heranzuziehen ist.“
[2] Punkt 3 dieser Vereinbarung lautet:
„Die Gemeinde ***** legt Wert darauf, dass die Verpflichtung gemäß obigem Punkt 2.2 auf der Liegenschaft EZ ***** KG ***** als Reallast grundbücherlich sichergestellt wird. C*****, als künftiger Eigentümer der EZ ***** stimmt dieser Belastung zu und erteilt hiermit seine ausdrückliche Einwilligung, dass aufgrund dieser Urkunde ob der Liegenschaft EZ ***** KG ***** die Einverleibung der Reallast der Verpflichtung zur Beschäftigung von Dienstnehmern gemäß Vertragspunkt 2.2 für die Gemeinde ***** vorgenommen werden kann.“
[3] Das Erstgericht wies den Antrag ab.
[4] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Das Rechtsinstitut der Reallast sei nicht dafür konzipiert worden, Gebietskörperschaften Kommunalsteuern zu sichern. Der für die Reallastverpflichtung geforderte Versorgungscharakter sei aus der Vertragsbestimmung nicht abzuleiten. Der Oberste Gerichtshof habe zu 5 Ob 236/12k die Verbücherungsfähigkeit von Pönalezahlungen als Reallast verneint.
[5] Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es zu, weil die Frage, inwiefern öffentliche Interessen mit einer Reallast abgesichert werden können, über den Einzelfall hinausgehe.
[6] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin, in dem sie die Abänderung im Sinn der Bewilligung ihres Einverleibungsbegehrens beantragt.
Rechtliche Beurteilung
[7] Der Revisionsrekurs ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) – Ausspruchs des Rekursgerichts nicht zulässig. Er zeigt auch keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).
[8] 1.1. Lehre und Rechtsprechung definieren die Reallast als die dinglich wirkende Belastung eines Grundstücks mit der Haftung für positive, in der Regel wiederkehrende Leistungen des jeweiligen Grundeigentümers (5 Ob 198/12x; 5 Ob 231/17g; 5 Ob 62/20g; 5 Ob 219/20x je mwN; Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 12 Rz 32; Rassi, Grundbuchsrecht3 Rz 4.95). Die Rechtsprechung schließt die Begründung neuer Reallasten zwar nicht aus, fordert aber eine Bezugnahme auf historische Vorbilder. Handelt es sich um Leistungen, die weder periodisch zu erbringen sind noch mit dem Ertrag der Liegenschaft in Zusammenhang stehen, ist eine Reallast nur dann anzunehmen, wenn ihr Versorgungszweck außer Zweifel steht (RIS‑Justiz RS0128561; RS0012178 [T6]; 5 Ob 62/20h; 5 Ob 219/20x). Aus dem Fehlen der Vorschriften über die Beschaffenheit jener Leistungen, die den Inhalt einer Reallast bilden können, ist nicht abzuleiten, dass Beschränkungen jedweden Inhalts als Reallast begründet werden könnten (RS0116184 [T4]); der im Sachenrecht herrschende Typenzwang gebietet vielmehr eine enge Auslegung, zumal der Gesetzgeber einer übermäßigen Belastung von Grund und Boden, aber auch generationsüberschreitenden Bindungen des Liegenschaftseigentums vorbeugen wollte (5 Ob 81/97s; RS0128561). Der Leistungspflichtige der Reallast wird durch das Eigentum am dienenden Grundstück bestimmt. Zum Wesen der Reallast gehört daher die Verknüpfung der Schuldnereigenschaft mit dem Eigentum am dienenden Grundstück (RS0012180 [T1]).
[9] 1.2. Reallasten gleichzuhalten sind die sogenannten Schichtrechte, die den Abschluss eines Arbeitsvertrags mit den Berechtigten zum Inhalt haben (6 Ob 30/02h = RS0116183). Sie vermitteln dem jeweiligen Eigentümer des berechtigten Guts das gegenüber dem Eigentümer des Salzbergwerks geltend zu machende Recht auf (teilweise) Beschäftigung im Salzbergbau und Bezug von Salzdeputaten. Der Eigentümer der durch dieses Schichtrecht belasteten Sache ist – anders als bei der Dienstbarkeit – nicht bloß zur Duldung oder Unterlassung verpflichtet, sondern hat positive Handlungen (Abschluss eines Arbeitsvertrags mit dem Berechtigten und Entlohnung) zu setzen, sodass diese Schichtrechte, deren Versorgungszweck bejaht wurde, die wesentlichen Charakteristika der Reallast aufweisen.
[10] 1.3. Der zu 5 Ob 2168/96a (NZ 1997/389 [abl Hoyer]) begehrten Einverleibung der Reallast der Ertragsbeteiligung an dem auf der Liegenschaft errichteten Hotelbetrieb erteilte der Fachsenat aber eine Absage, weil damit ausschließlich Forderungen des aus dem Gesellschaftsvertrag berechtigten stillen Gesellschafters sichergestellt werden sollten, aber kein besonderer Zusammenhang zwischen der Forderung aus dem Gesellschaftsverhältnis und dem Liegenschaftseigentum bestand. Da das Hotel nicht zwingend auf eigenem, sondern auch auf fremdem Grund betrieben werden kann, steht für eine dingliche Besicherung gesellschaftsvertraglicher Ansprüche das Institut der Reallast nicht zur Verfügung, weil sonst die Grenzen zwischen Reallast und Hypothek verwischt werden und ein Versorgungszweck nicht ersichtlich war.
[11] 1.4. Zur Frage, ob eine bestimmte Art der Nutzung als Reallast verbüchert werden kann, liegt gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. Schon SZ 5/62 (RS0023899) sprach aus, dass die Verpflichtung zur immerwährenden Stilllegung einer Fabrik nicht als Reallast einverleibt werden kann. Zu 5 Ob 198/12x (EvBl 2014/65 [zust Jelinek]) sprach der Fachsenat aus, dass eine Vereinbarung zwischen Grundeigentümer und Gemeinde, die zur Nutzung eines Grundstücks als Hauptwohnsitz oder zu touristischen Zwecken verpflichtet, keine positive Leistungspflicht begründet, sondern auf eine Untersagung einer mit der Zielsetzung der örtlichen Raumplanung nicht zu vereinbarenden Nutzung als Zweitwohnsitz abzielt. Damit ist keine für die Reallast geforderte positive Leistung des Grundeigentümers verbunden (vgl RS0128562). Diese Auffassung wurde zu 5 Ob 66/17t (EvBl 2018/2 [zust Jelinek]) bekräftigt. In der Entscheidung 5 Ob 236/12k wurde das Gesuch auf Einverleibung der Reallast zur Bezahlung einer Pönale bei vertragswidriger Nutzung zu errichtender Baulichkeiten als Zweitwohnsitz abgewiesen, weil diese Vereinbarung nur der Absicherung der übernommenen Unterlassungsverpflichtung dient und damit weder eine positive Leistungspflicht des Grundeigentümers formuliert wird, die in einem Zusammenhang mit dem Ertrag der Liegenschaft steht, noch ein Versorgungscharakter denkbar ist. Jüngst sprach der erkennende Senat in der Entscheidung 5 Ob 62/20h (immolex 2020/93 [zust Jenewein]) aus, dass die Verpflichtung der Grundeigentümerin zur Errichtung und Erhaltung von Fahrradabstellplätzen, Einrichtung und Erhaltung einer Spielfläche, Anlegung und Erhaltung einer Hecke sowie zur Bepflanzung und Erhaltung der Anpflanzung mit Strauchwerk und heimischen Bäumen nicht als Reallast einverleibt werden kann. Ein erhoffter Nutzen für die Gemeindebevölkerung (Allgemeinheit) zeigt sich als bloße Reflexwirkung, der der Charakter einer Versorgungsleistung fehlt. Das Bedürfnis der Gemeinde nach dauerhafter Sicherung der von ihr mittels Vertragsraumordnung verfolgten Ziele kann die für die Reallast geforderten Kriterien nicht ersetzen (vgl auch Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 12 Rz 33, wonach das öffentliche Interesse bei der Zulässigkeit solcher Eintragungen nicht als Tatbestandsmerkmal gewertet werden sollte).
[12] 2.1. Die Entscheidungen der Vorinstanzen orientieren sich an diesen durch höchstgerichtliche Rechtsprechung bereits vorgegebenen Grundsätzen und sind daher nicht korrekturbedürftig. Die vom Rekursgericht in der Zulassungsbegründung genannte Frage bedarf hier aufgrund der Vertragslage keiner Erörterung:
[13] 2.2. In der als Eintragungsgrundlage vorgelegten Vereinbarung hat sich nämlich nicht der (künftige) Grundeigentümer zur Beschäftigung von Dienstnehmern in einem bestimmten Ausmaß und für den Fall der Nichtentsprechung zu einer Pönalezahlung verpflichtet, sondern die E***** GmbH, die nur Vorkaufsberechtigte ob der Liegenschaft ist. Dass diese GmbH – was wegen des Neuerungsverbots im Grundbuchsverfahren unzulässig (§ 122 GBG) erstmals im Rekurs behauptet wird und aus der Eintragungsgrundlage nicht hervorgeht – auf der Liegenschaft die Errichtung eines Gewerbebetriebs beabsichtigt, ändert nichts daran, dass nach dieser Vereinbarung ein unmittelbarer Liegenschaftsbezug der von der GmbH übernommenen Verpflichtungen nicht ersichtlich ist; nach Punkt 3 der Vereinbarung stellt der Liegenschaftseigentümer seine Liegenschaft nur zur „Verdinglichung der übernommenen Verpflichtungen“ zur Verfügung. Vergleichbar zu dem zu 5 Ob 2168/96a entschiedenen Fall versucht die Antragstellerin, ihre Forderungen gegenüber einer Betriebsinhaberin, die nicht Liegenschaftseigentümerin ist, im Weg einer Reallastbestellung durch diese abzusichern, was die Grenzen zwischen Reallast und Hypothek verwische.
[14] 2.3. Im Übrigen hat diese GmbH für die Erfüllung der Hauptverpflichtung (Abschluss von Arbeitsverträgen) nicht unmittelbar eine Leistung an die „reallastberechtigte“ Gemeinde zu erbringen, diese wäre nur mittelbar über die Kommunalsteuer als lohnabhängige Gemeindeabgabe begünstigt, was gegen eine Qualifikation als Reallast spricht. Im Gegensatz zum historisch gewachsenen Schichtrecht ist der unmittelbare Zusammenhang zwischen der positiven Handlung, zu der der Betriebsinhaber verpflichtet wird (Beschäftigung einer bestimmten Anzahl an Mitarbeitern), und den Erträgnissen der Liegenschaft hier daher auch nicht gegeben – das Ausmaß der Kommunalabgabe hängt nicht von der Bewirtschaftung der Liegenschaft und deren Erträgnissen, sondern von der Anzahl der beschäftigten Dienstnehmer des dort zu etablierenden Betriebs ab. Mangels Zusammenhangs zwischen Leistung und Ertrag der Liegenschaft den von der Rechtsprechung geforderten Versorgungszweck der Reallast nicht aus dem Kommunalsteuerrecht abzuleiten, ist daher nicht zu beanstanden, ist doch die Sicherung von Steuereinnahmen – jedenfalls nach historischem Verständnis – nicht mit dem Begriff der Versorgung als wesentlichem Zweck der Reallast gleichzusetzen. Das Ausmaß von Kommunalsteuern ist vielmehr als bloße Reflexwirkung der hier getroffenen Vereinbarung anzusehen (vgl 5 Ob 62/20h). Dass die für den Fall der nicht oder nicht vollständigen Erfüllung der Beschäftigungspflicht vereinbarte Geldleistungspflicht (Pönale) nicht Gegenstand einer Reallast sein kann, entspricht ebenfalls bereits vorliegender höchstgerichtlicher Rechtsprechung (5 Ob 236/12k).
[15] 2.5. Soweit die vorgelegte Vereinbarung allenfalls der Sicherstellung einer bestimmten Art der Nutzung der Liegenschaft (nämlich als Gewerbebetrieb) dienen sollte, widerspricht die Einräumung einer derartigen Verpflichtung als Reallast den Entscheidungen 5 Ob 198/12x und 5 Ob 66/17t des Fachsenats. Auch insoweit ist eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung nicht zu erkennen und die Bezugnahme der Vorinstanzen auf diese Entscheidungen berechtigt.
[16] 2.6. Einer vertieften Erörterung der Frage, ob überhaupt und in welchem Umfang ganz allgemein öffentliche Interessen mit einer Reallast abgesichert werden können, käme für den hier zu beurteilenden Fall nur theoretisch‑abstrakte Bedeutung zu. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof setzt aber voraus, dass die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage auch abhängt (RS0088931), was hier nicht der Fall ist.
[17] 3. Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.
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