European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00232.14Z.0714.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die Antragstellerin (Gemeinnützige Bauvereinigung) ist die Baurechtsnehmerin und Vermieterin der Liegenschaft *****. Die Antragsgegner sind die Mieter der Liegenschaft.
Die Antragstellerin begehrte gemäß § 14 Abs 2 WGG die Erhöhung des Erhaltungs‑ und Verbesserungsbeitrags (EVB) im erforderlichen Ausmaß für einen Zeitraum von 10 Jahren für die Durchführung folgender Arbeiten:
- Nachrüsten eines Personenaufzugs
- Erneuerung der elektrischen Ausrüstung (Erneuerung der Aufzugsteuerung, Einbau eines Etagendruck-knopftableaus, eines Kabinendruckknopftableaus und Einbau einer Frequenzantriebsregelung) und der Triebwerksraumausrüstung, Nachrüsten von Sicherungseinrichtungen im Bereich der Kabinen und des Schachtes
- Erneuerung der Aufzugsumwehrung
mit folgenden Kosten:
Sanierungskosten: 24.514,35 EUR
Umbau Liftschachteinhausung: 33.800 EUR
Metallanstrich: 13.685,30 EUR
- Instandsetzungsarbeiten an Fenstern: 9.131,20 EUR
- Erneuern des Anstrichs der Hauseingangstür: 340 EUR
- Erneuern der Steigleitungen: 24.583,75 EUR
Sie brachte im Wesentlichen vor, dass die eingehobenen sowie die künftig im gesetzlichen Höchstausmaß einzuhebenden EVB nicht ausreichten, um die notwendigen Sanierungsmaßnahmen zu finanzieren. Per 31. 5. 2010 ergebe sich „ein Vorgriff auf die Instandhaltungsabrechnung“ von 410.690,19 EUR und zusammen mit den beantragten Arbeiten ein Gesamterfordernis von 516.744,79 EUR.
Die (einschreitenden) Antragsgegner begehrten Antragsabweisung und erwiderten, dass das EVB‑Passivum unberücksichtigt bleiben müsse, weil insoweit eine auf konkrete Arbeiten bezogene Antragstellung nicht erfolgt sei. Eine drastische Erhöhung des EVB sei jedenfalls nicht zulässig, weil damit auf die wirtschaftliche Situation der Mieter nicht Bedacht genommen werde. Schließlich sei auch die Notwendigkeit der geltend gemachten Arbeiten nicht nachvollziehbar.
Das Erstgericht wies den Sachantrag ab. Es traf Feststellungen zum Zustand und zum Reparaturaufwand für Lift, Fenster, Hauseingangstür und elektrische Anlagen. Rechtlich folgerte das Erstgericht, dass nur die (bereits durchgeführten) Erhaltungsarbeiten am Lift im Gesamtausmaß von 61.608 EUR erforderlich gewesen seien. Zwar müsse es wohl grundsätzlich möglich sein, jene Arbeiten, die im Passivum „enthalten“ seien, die also von der Antragstellerin vorfinanziert worden seien, selbst zum Gegenstand eines Antrags nach § 14 Abs 2 WGG zu machen. Dies sei aber hier nach Ansicht des Erstgerichts nicht geschehen, weil weder im Sachantrag noch im Schlichtungsstellenverfahren konkrete Arbeiten aus diesem Passivum als Erhaltungsarbeiten geltend gemacht worden seien. Der bloße Verweis auf die vorgelegten Rechnungen könne eine ausdrückliche Geltendmachung nicht ersetzen. Ohne Berücksichtigung des von der Antragstellerin angesprochenen Passivums in der Höhe von 476.395,10 EUR bestehe nur ein Sanierungserfordernis von 61.608 EUR und abzüglich eines Förderungszuschusses von 4.163,45 EUR ein Deckungserfordernis von 57.444,55 EUR. Die Jahresannuität (Verteilungszeitraum 10 Jahre) errechne sich im Hinblick auf die Förderung der Liftsanierung bei einer 2,48 %‑igen dekursiven Verzinsung mit jährlich 6.531,45 EUR, somit pro Monat 544,29 EUR. Zuzüglich eines Betrags für laufende Ausgaben (EVB 1: 0,41 EUR x 1.227,31 m²) ergebe sich ein Betrag von 503,19 EUR, insgesamt sohin ein monatliches Deckungserfordernis von 1.047,48 EUR, welches durch den monatlichen anrechenbaren EVB von derzeit 1.988,24 EUR (1,62 EUR x 1.227,31 m²) gedeckt sei. Da die Erhöhungs-voraussetzungen des § 14 Abs 2 WGG nicht erfüllt seien, sei der Antrag somit abzuweisen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin, mit dem diese inhaltlich nur die Berücksichtigung der Arbeiten am Lift und der elektrischen Anlage (einschließlich Steig‑ und Zuleitungen) anstrebte, nicht Folge. Es vertrat die Rechtsansicht, dass die Erneuerung der Elektrokästen eine notwendige Erhaltungsarbeit darstelle. Ob diese Arbeiten und der Einbau eines Überlastungsschutzes alleine oder nur im Zusammenhang mit einer Gesamterneuerung der Steigleitungen und der Zuleitungen zu den einzelnen Wohnungen zweckmäßig sei, könne dahingestellt bleiben, weil auch bei Berücksichtigung der gesamten Kosten von 27.107,75 EUR eine Erhöhung des EVB gemäß § 14 Abs 2 WGG ausscheide.
Zur Relevanz eines EVB‑Passivums sei zu berücksichtigen, dass § 18 Abs 1 Z 1 MRG „die Summe der sich in den vorausgegangenen zehn Kalenderjahren ergebenden Mietzinsreserven oder Mietzinsabgänge“ erwähne, während sich eine vergleichbare Regelung im WGG nicht finde, gebe es doch dort keine „Mietzinsreserve“. Bisher eingehobene EVB würden einer Rückstellung entsprechen, seien also lediglich eine rechnerische Größe. Von den Mietzinsreserven unterscheide sie die (theoretische) „Ewig‑Verrechnung“, de facto allerdings infolge § 39 Abs 8 Z 2 WGG beginnend mit dem zum 31. 12. 1978 auszuweisenden und als endgültig anerkannt geltenden Saldo (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht I22 § 14 WGG Rz 11; 5 Ob 69/82 MietSlg 35.699).
Die Ansicht der Antragstellerin im Sinn der Berücksichtigung eines EVB‑Passivums dürfte die Praxis der Wiener Schlichtungsstelle und möglicherweise auch erstinstanzlicher Gerichte sein. Nach Ansicht des Rekursgerichts spreche aber der eindeutige Wortlaut des § 14 Abs 2 WGG gegen die Berücksichtigung eines solchen EVB‑Passivums, weil explizit von „nicht verbrauchten Erhaltungs‑ und Verbesserungsbeiträge(n)“ die Rede sei. Unter diesen Wortlaut auch ein EVB‑Passivum zu subsumieren, würde zu weit gehen.
In jedem Fall dürfe kein krasses Missverhältnis zwischen Arbeiten, für deren Durchführung die Erhöhung des EVB beantragt werde, und einem EVB‑Passivum bestehen. Vor der Schlichtungsstelle habe die Antragstellerin das Gesamterfordernis mit 516.744,79 EUR angegeben. 4/5 dieses Betrags, nämlich 410.690,19 EUR seien als „Vorgriff auf die Instandhaltungsabrechnung per 31.5.2010“ tituliert. Dem Akt sei zu entnehmen, dass in den letzten Jahren umfangreiche Erhaltungsarbeiten, wahrscheinlich auch Verbesserungs-arbeiten, durchgeführt worden seien, etwa eine Sanierung der Fassade. Offenbar habe es die Antragstellerin unterlassen, den EVB auf das schon damals gesetzlich zulässige Maß zu erhöhen bzw bereits im Zusammenhang mit den früheren umfangreichen Sanierungen ein Verfahren gemäß § 14 Abs 2 WGG einzuleiten. Die Vorgangsweise der Antragstellerin, diese umfangreichen Arbeiten nicht zum Gegenstand eines eigenen Antrags gemäß § 14 Abs 2 WGG zu machen, stelle eine Umgehung der den Mietern in einem solchen Verfahren zustehenden Rechte dar. Nur vor Durchführung von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten könne die Notwendigkeit dieser Maßnahmen ‑ etwa durch Beiziehung von Sachverständigen ‑ unter Beteiligung der Mieter geklärt werden. Im Nachhinein, etwa bei Überprüfung eines EVB‑Passivums, sei dies schon deshalb nicht mehr möglich, weil der Vorzustand nicht mehr objektivierbar sei. Das Rekursgericht gelange daher zum Ergebnis, dass im Verfahren nach § 14 Abs 2 WGG ein EVB‑Passivum nicht zu berücksichtigen sei. Ausgehend davon seien auch dann, wenn die Arbeiten an der Elektroanlage zur Gänze Erhaltungsarbeiten darstellten, die Voraussetzung für die Einhebung eines erhöhten EVB gemäß § 14 Abs 2 WGG nicht gegeben, weil das monatliche Deckungserfordernis durch den monatlichen anrechenbaren EVB gedeckt sei.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof ‑ soweit überblickbar ‑ noch nicht zur Frage Stellung genommen habe, ob ‑ wie im Verfahren gemäß §§ 18 ff MRG ‑ auch im Anhebungsverfahren gemäß § 14 Abs 2 WGG ein Passivum zu berücksichtigen sei.
Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die 3. und die 17. Antragsgegnerin erstatteten Revisionsrekursbeantwortungen mit dem Antrag, den Revisionsrekurs nicht zuzulassen bzw zurückzuweisen, in eventu diesem nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.
1. § 14 Abs 1 WGG regelt das Sollentgelt nach dem Kostendeckungsprinzip und § 14 Abs 2 bis 5 WGG regeln die Erhöhung der Erhaltungs‑ und Verbesserungsbeiträge (EVB). Im Übrigen sind die EVB in § 14d WGG geregelt.
2. Nach § 14d Abs 1 WGG hat die Gemeinnützige Bauvereinigung (GBV) im Interesse einer rechtzeitigen und vorausschauenden Sicherstellung der Finanzierung der Kosten der jeweils erkennbaren und in absehbarer Zeit notwendig werdenden Erhaltungsarbeiten sowie von nützlichen Verbesserungsarbeiten die Entrichtung eines EVB zu verlangen, sofern der Miet‑ oder sonstige Nutzungsgegenstand in einem Gebäude gelegen ist, für das die Baubehörde den Abbruch weder bewilligt noch aufgetragen hat. Bei Verwendung eigenen oder fremden Kapitals gelten Verzinsung und Geldbeschaffungskosten als Kosten der Erhaltungs‑ und Verbesserungsarbeiten. § 14d Abs 2 WGG enthält die vom Baualter abhängigen zulässigen Höchstbeträge.
3. Die EVB sind für Erhaltungsarbeiten (§ 14a WGG) und, soweit diese in absehbarer Zeit nicht anfallen oder ohnehin gedeckt sind, auch für Verbesserungen (§ 14b WGG) zu verbrauchen (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht I23 § 14 WGG Rz 12; Beer/Vospernik in Illedits/Reich‑Rohrwig, Wohnrecht2 § 14d WGG Rz 5; näher zur Verwendung des EVB s auch jüngst Puhr, Der Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag im WGG, immolex 2015, 111 [112]). Werden die EVB, soweit sie die Grundstufe übersteigen (EVB II), nicht zeitgerecht und widmungsgemäß innerhalb einer Frist von zehn Kalenderjahren verwendet, so besteht gemäß § 14d Abs 7 WGG eine Rückzahlungs-verpflichtung der GBV samt angemessener Verzinsung entsprechend § 14d Abs 9 WGG.
4. Die GBV muss nach § 14d Abs 4 WGG das Verlangen nach EVB dem Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten spätestens zwei Monate vor dem Entgelttermin, zu dem die Entrichtung des EVB gefordert wird, schriftlich mit der Verpflichtung bekanntgeben, dass der so geforderte EVB, soweit er den Betrag nach § 14d Abs 2 Z 3 WGG übersteigt, innerhalb von zehn Jahren ab der jeweiligen Entrichtung zur Finanzierung von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten verwendet wird. Mit einem solchen schriftlichen Verlangen sind auch Art, Umfang und Kostenschätzungen der aus dem so geforderten EVB zu finanzierenden Erhaltungs‑ und Verbesserungsarbeiten bekanntzugeben. Wird von der GBV die Einhebung eines EVB nach § 14d Abs 2 Z 1 WGG (Stufe 3) für die Durchführung von Verbesserungsarbeiten, die über die normale Ausstattung gemäß § 2 Z 2 WGG hinausgehen, begehrt, kann gemäß § 14d Abs 4a WGG mindestens ein Viertel der Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten innerhalb von zwei Monaten ab dem Einhebungsbegehren die gerichtliche Überprüfung hinsichtlich der Zweckmäßigkeit und Angemessenheit der veranschlagten Kosten dieser Verbesserungsarbeiten beantragen (vgl dazu auch 5 Ob 153/11b).
5. Die EVB sind gemäß § 19 Abs 1 WGG jährlich gleichzeitig mit den Bewirtschaftungskosten abzurechnen. Für Einwendungen gegen die Abrechnung der EVB gibt es keine Fristen. Die gerichtliche Überprüfung der ordnungsgemäßen Verwendung der EVB ist Vorfrage bei der Geltendmachung eines Rückforderungsanspruchs wegen nicht (ordnungsgemäßer) Verwendung binnen zehn Jahren iSd § 14d Abs 7 WGG (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht I23 § 14d WGG Rz 10; Puhr, aaO, 111 [114]).
6. Reichen die nicht verbrauchten EVB und die künftig im gesetzlichen Höchstausmaß einzuhebenden EVB auch unter Einrechnung der Einnahmen aus der Vermietung oder Überlassung von Dach‑ und Fassadenflächen zu Werbezwecken zur ordnungsmäßigen Erhaltung der Baulichkeit oder von Baulichkeiten, sofern diese hinsichtlich der Berechnung des Entgelts eine wirtschaftliche Einheit bilden, nicht aus, so kann die GBV gemäß § 14 Abs 2 WGG bei Gericht zur Deckung des Fehlbetrags eine Erhöhung des Betrags nach § 14 Abs 1 Z 5 WGG begehren. Das Gericht hat darüber zu entscheiden, von wann an und in welchem Umfang dieser Betrag erhöht wird und, unter Bedachtnahme auf die wirtschaftliche Lage der Mieter und sonstigen Nutzungsberechtigten, auf welche Zeit der erhöhte Betrag zu entrichten ist; der Zeitraum darf zehn Jahre nicht übersteigen. Diese Regelung ist erkennbar den §§ 18 ff MRG nachgebildet (vgl 5 Ob 52/85; Würth in Rummel3 § 14 WGG Rz 18; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht I23 § 14 WGG Rz 16; Rudnigger in Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht2 § 14 WGG Rz 11).
7. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs erfordert der strukturelle und vom Gesetzgeber offenbar auch angestrebte Gleichklang der Regelungen über die Erhöhung der Hauptmietzinse nach §§ 18‑19 MRG mit jenen über die Erhöhung nach § 14 Abs 2 bis 5 WGG und das Kostendeckungsprinzip, dass die dort normierte Voraussetzung der mangelnden Deckung „in der Summe der sich in den vorausgegangenen zehn Kalenderjahren ergebenden Mietzinsreserven oder Mietzinsabgänge“ hier die grundsätzliche Berücksichtigung eines EVB‑Passivums erfordert. Die in § 14 Abs 2 WGG enthaltene Wortfolge, wonach die Erhöhung zulässig sei, wenn „die nicht verbrauchten Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge“ nicht ausreichten, schließt es nicht nur nicht aus, sondern gebietet es, jene Aufwendungen der GBV in die Berechnung des Deckungserfordernisses einzubeziehen, die sie bestimmungs-gemäß, nämlich den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechend, für jene Zwecke verwendet hat, für die der EVB vorgesehen ist. Die gegenteilige Ansicht des Rekursgerichts würde die GBV praktisch in jedem Fall eines aus einer Erhaltungsarbeit möglicherweise drohenden Fehlbetrags zur Wahrung des Kostendeckungsprinzips zur Antragstellung nach § 14 Abs 2 WGG zwingen. Für ein solches Verständnis bieten die beschriebenen gesetzlichen Regelungen keine Grundlage und auch die vom Rekursgericht erkannten Rechtsschutzdefizite für die Mieter bestehen nicht:
8. Zunächst ist zum Schutz der Mieter vor der Einhebung der (erhöhten) EVB das in § 14d Abs 4 bis 6 WGG vorgeschriebene Procedere einzuhalten (siehe dazu Punkt 4.). Werden die EVB nicht bestimmungsgemäß verbraucht, so besteht der Rückforderungsanspruch nach § 14d Abs 7 WGG (siehe dazu Punkt 5.), bei dem der Gesetzgeber durchaus in Kauf genommen hat, dass dazu die Überprüfung schon Jahre zurückliegender Vorgänge erforderlich sein kann (krit dazu Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht I23 § 14d WGG Rz 10). Bei der nach Ansicht des erkennenden Senats erforderlichen Berücksichtigung eines EVB‑Passivums ergibt sich eine vergleichbare Situation, die allerdings für die Mieter insofern entschärft ist, als es Aufgabe der GBV ist, den Nachweis dafür zu erbringen, im Rahmen eines Passivums geltend gemachte Beträge bestimmungsgemäß für jene Zwecke verwendet zu haben, für die der EVB vorgesehen ist.
9. Es ist ‑ entgegen der Ansicht des Erstgerichts ‑ mangels erkennbarer gesetzlicher Grundlage für ein solches Erfordernis auch nicht notwendig, dass als EVB‑Passivum reklamierte, in der Vergangenheit aufgewendete Beträge zum unmittelbar spruchgemäß zu erledigenden Antragsinhalt gemacht werden; es reicht für die Einbeziehung der Berechnung des Deckungserfordernisses vielmehr aus, dass die GBV die betreffenden Beträge konkret und nachvollziehbar bezeichnet sowie deren bestimmungsgemäße Verwendung im erforderlichen Umfang belegt.
10. Zum EVB‑Passivum folgt somit als Zwischenergebnis:
10.1. Die GBV ist im Fall einer Antragstellung nach § 14 Abs 2 WGG berechtigt, ein EVB‑Passivum im Rahmen der Berechnung des Deckungsfehlbetrags geltend zu machen.
10.2. Als EVB‑Passivum kann die GBV die Berücksichtigung jener Beträge ansprechen, die sie für Zwecke verwendet hat, für die der EVB gesetzlich vorgesehen ist.
10.3. Es ist nicht erforderlich, dass ins EVB‑Passivum eingestellte Beträge im Spruch der Entscheidung erledigt werden; es reicht aus, dass die GBV die betreffenden Beträge in ihrem Sachantrag bezeichnet, im gegebenenfalls strittigen Umfang deren gesetzmäßige Verwendung nachweist und diese bei der Ermittlung des Deckungsfehlbetrags berücksichtigt werden.
10.4. Für die bestimmungsgemäße Verwendung der als EVB‑Passivum geltend gemachten Beträge trifft grundsätzlich die GBV die Behauptungs‑ und Beweispflicht sowie die Behauptungs‑ und Beweislast. Mieter dürfen sich allerdings nicht auf pauschale Bestreitungen beschränken, sondern haben im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht (§§ 13 Abs 1 Satz 2, 16 Abs 2 AußStrG) erhobene Einwände zu konkretisieren.
11. Das Erstgericht hat hier zu den nach Ansicht der Antragstellerin im Rahmen des EVB‑Passivums in Frage kommenden Beträgen infolge abweichender Rechtsansicht weder positive noch negative Feststellungen getroffen; dies wird im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein. Sollte das Erstgericht dafür ‑ wie es der in ihrer Revisionsrekurs-beantwortung vertretenen Ansicht der 17. Antragsgegnerin entspricht ‑ ein ergänzendes Vorbringen für erforderlich halten, wird dies mit der Antragstellerin zu erörtern sein. Danach wird auch den Antragsgegnern die Möglichkeit offen stehen, konkrete Einwände gegen im EVB‑Passivum geltend gemachte Beträge vorzutragen. Unter Berücksichtigung dieser Verfahrensergebnisse wird dann das maßgebliche EVB‑Passivum zu ermitteln und bei der Berechnung des Deckungserfordernisses zu berücksichtigen sein.
12. Letztlich ist zu den von der Antragstellerin mit ihrem Sachantrag geltend gemachten Sanierungsarbeiten noch Folgendes auszuführen:
12.1. Die Antragstellerin hat in ihrem Rekurs (ON 40) inhaltlich nur mehr Erhaltungsarbeiten am Lift und an der elektrischen Anlage (Elektrokästen sowie Steig- und Zuleitungen) angesprochen, sodass im weiteren Verfahren auch nur mehr diese Arbeiten zu berücksichtigen sind; dass Erhaltungsarbeiten an der Liftanlage erforderlich sind, ist dabei inzwischen nicht mehr strittig.
12.2. Betreffend die elektrische Anlage (Elektrokästen und Steigleitungen) ist der 17. Antragsgegnerin dahin zu folgen, dass insoweit nur ein Betrag von 24.583,75 EUR relevant sein kann, weil das Erstgericht die zu dieser Position erfolgte Antragsausdehnung ‑ unbekämpft und damit rechtskräftig - zurückgewiesen hat (Punkt I.2. in ON 32). Inhaltlich ist in diesem Punkt allerdings den vom Rekursgericht angestellten, treffenden Erwägungen zu folgen, wonach die Elektrokästen (Vorzählersicherungskästen in den Gangbereichen) schon aus Sicherheitsgründen zu erneuern sind. Es erscheint dann aber beim dokumentierten Zustand der Anlage technisch naheliegend und wirtschaftlich sinnvoll, auch die Gesamterneuerung der Steigleitungen und der Zuleitungen zu den einzelnen Wohnungen durchzuführen. Die von der 17. Antragsgegnerin dazu angestrebten gegenteiligen „Feststellungen“ sind inhaltlich durch die Verfahrensergebnisse nicht gedeckte rechtliche Schlussfolgerungen. Im weiteren Verfahren ist daher für die elektrischen Anlagen (Elektrokästen, Steig‑ und Zuleitungen) ein Erhaltungsaufwand von 24.583,75 EUR zugrundezulegen.
13.1. Im Ergebnis erweist sich der Revisionsrekurs mit seinem primären Aufhebungsantrag als berechtigt. Bei der neuerlichen Entscheidung des Erstgerichts wird das EVB‑Passivum entsprechend den zu Punkt 10. aufgezeigten Grundsätzen zu berücksichtigen und bei der elektrischen Anlage wird von einem Erhaltungsaufwand von 24.583,75 EUR auszugehen sein.
13.2. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG. Die nach § 37 Abs 3 Z 17 MRG (iVm § 22 Abs 4 WGG) maßgeblichen Billigkeitserwägungen können erst in dem die Sache erledigenden Sachbeschluss angestellt werden (RIS‑Justiz RS0123011 [T1]).
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