OGH 5Ob153/11b

OGH5Ob153/11b20.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1.) Dr. L***** A*****, und 2.) Mag. A***** A*****, beide vertreten durch Em. o. Univ.‑Prof. Dr. H***** A*****, dieser vertreten durch Mag. Stefan Potz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin G*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Mag. Marina Breitenecker, Dr. Christine Kolbitsch, Dr. Heinrich Vana, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwalt in Wien, wegen § 22 Abs 1 Z 11 WGG iVm § 14d WGG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 31. März 2011, GZ 39 R 418/10z‑17, mit dem infolge Rekurses der Antragsteller der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 5. Oktober 2010, GZ 17 Msch 11/10t‑12, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2012:0050OB00153.11B.0320.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Erst‑ und Zweitantragstellerin sind jeweils Mieter einer Wohnung im Haus *****; die Antragsgegnerin ist Baurechtsnehmerin dieser Liegenschaft und Vermieterin.

Mit Schreiben vom Mai 2009 brachte die Antragsgegnerin den Antragstellern die Anhebung des Erhaltungs‑ und Verbesserungsbeitrags (in der Folge: EVB) II ab August 2009 zur Kenntnis. In diesem Schreiben wurden die Antragsteller darauf hingewiesen, dass die Einhebung des erhöhten EVB zur Sicherung der Finanzierung von in absehbarer Zeit erforderlich werdenden Erhaltungs‑ und Verbesserungsarbeiten erfolge. Die Antragsgegnerin gab in diesem Schreiben auch die verbindliche Erklärung ab, dass der zur Vorschreibung gelangende EVB innerhalb von zehn Jahren ab der jeweiligen Entrichtung zur Finanzierung von Erhaltungs‑ und Verbesserungsarbeiten verwendet und die Antragsgegnerin hierüber jeweils zum 30. Juni eines jeden Kalenderjahres eine gesonderte Abrechnung legen werde.

Eine Angabe der Art, des Umfangs und der voraussichtlichen Kosten heranstehender Erhaltungs‑ und Verbesserungsarbeiten ist in diesem Schreiben nicht enthalten.

Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag erhoben die Antragsteller gegen die Anhebung des EVB „Einspruch“ mit der Begründung, es fehle dem Anhebungsschreiben eine Bekanntgabe des Umfangs der beabsichtigten Arbeiten und der Höhe der voraussichtlichen Kosten. Die Antragsteller stehen dazu auf dem Standpunkt, eine in der beschriebenen Art vorgenommene Erhöhung des EVB auf Stufe II widerspreche der gesetzlichen Regelung des § 14d Abs 4 WGG.

Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Begehrens. Schon nach bisheriger Rechtsprechung handle es sich bei der Forderung nach Bekanntgabe der Art, des Umfangs und der Kostenschätzungen hinsichtlich der Erhaltungs‑ und Verbesserungsarbeiten nur um eine Formvorschrift, deren Nichteinhaltung sanktionslos sei. Die in § 14d Abs 7 WGG normierte Sanktion der Rückzahlungspflicht bei Nichtverwendung sei die einzige im Gesetz vorgesehene Folge der Nichteinhaltung der Vorschriften über die Vorschreibung von EVB.

Das Erstgericht wies ein Begehren der Antragsteller auf „Anführung des Umfanges der beabsichtigten Arbeiten und der Höhe deren voraussichtlicher Kosten im Rahmen der Vorschreibung eines Erhaltungs‑ und Verbesserungsbeitrags ab 1. 8. 2009“ ab.

Es teilte die Rechtsansicht der Antragsgegnerin, dass eine Sanktion für das unstrittige Fehlen der Angaben über Art, Umfang und Kosten der Erhaltungs‑ und Verbesserungsarbeiten, für die die Anhebung des EVB begehrt werde, nicht bestehe, weshalb eine entsprechende Verpflichtung zu solchen Angaben auch nicht durchsetzbar sei.

Dem dagegen von den Antragstellern erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge, hob den erstinstanzlichen Sachbeschluss auf und trug dem Erstgericht die neue ‑ allenfalls nach Verfahrensergänzung ‑ zu treffende Entscheidung auf.

Das Erstgericht habe den Zusammenhang von § 14d Abs 4 letzter Satz WGG und § 14d Abs 4a WGG, welche Bestimmungen gemeinsam mit der WRN 1999 in Kraft getreten seien, übersehen. § 14d Abs 4a WGG gestehe mindestens einem Viertel der Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten das Recht zu, innerhalb von zwei Monaten ab einem Begehren auf EVB nach Abs 2 Z 1 die Zweckmäßigkeit und Angemessenheit von Kosten von Verbesserungsarbeiten, die über die normale Ausstattung gemäß § 2 Z 2 WGG hinausgehen, gerichtlich überprüfen zu lassen. Ein derartiges Recht könne seitens der Mieter aber nur ausgeübt werden, wenn ihnen mit der Vorschreibung des EVB auch tatsächlich bekannt gegeben werde, zum Zweck welcher Arbeiten EVB eingehoben werde. Um der Bestimmung des § 14d Abs 4a WGG einen Anwendungsbereich zu verschaffen, bedürfe es der sanktionierten Verpflichtung der Bauvereinigung, die Mieter über Art, Umfang und Kostenschätzungen der beabsichtigten Erhaltungs‑ und Verbesserungsarbeiten zu informieren. Unterlasse demnach die Bauvereinigung bei Verlangen eines die Grundstufe des EVB übersteigenden EVB (EVB II) die Bekanntgabe von Art, Umfang und Kostenschätzungen der aus dem geforderten EVB zu finanzierenden Erhaltungs‑ und Verbesserungsarbeiten, sei die Einhebung eines die Grundstufe übersteigenden EVB unzulässig. Das habe auch dann zu gelten, wenn der EVB nicht erstmals vorgeschrieben, sondern erhöht würde, und eine solche Erhöhung nicht ausschließlich durch eine Indexsteigerung iSd § 14d Abs 5 WGG verursacht sei.

Das Rekursgericht bemängelte das Fehlen von Feststellungen zur Höhe des EVB vor dem verfahrensgegenständlichen Anhebungsschreiben vom Mai 2009 sowie zur Höhe der ab 1. 8. 2009 geforderten EVB. Abgesehen davon seien dem Verfahren über die Richtigkeit der vorgeschriebenen EVB auch die übrigen Hauptmieter der Liegenschaft beizuziehen. In diesem Zusammenhang sei auch klärungsbedürftig, welche Mietobjekte insgesamt auf der Liegenschaft vorhanden seien, und weshalb die Antragsgegnerin von einer „Wohnhausanlage S***** 7 bis 17 + 24“ ausgehe. Nach Klärung dieser Umstände seien Zustellungen in den betreffenden Wohnhäusern vorzunehmen und eine Entscheidung des Erstgerichts erst dann möglich, wenn sämtlichen Mietern Gelegenheit zur Teilnahme am Verfahren gegeben worden sei.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs gegen seine Entscheidung zulässig sei, weil keine höchstgerichtliche Entscheidung über die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 14d Abs 4 letzter Satz WGG vorliege.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinn einer Antragsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsteller beantragen, den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist aus dem vom Rekursgericht bezeichneten Grund zulässig. Er ist jedoch nicht berechtigt.

Gemäß § 14d Abs 1 WGG hat eine Bauvereinigung im Interesse einer rechtzeitigen und vorausschauenden Sicherstellung der Finanzierung der Kosten jeweils erkennbarer und in absehbarer Zeit notwendig werdender Erhaltungsarbeiten sowie von nützlichen Verbesserungsarbeiten von den Mietern oder sonstigen Nutzungsberechtigten die Entrichtung eines Erhaltungs‑ und Verbesserungsbeitrags (in der Folge EVB) zu verlangen.

Sofern der Abbruch des Gebäudes von der Baubehörde weder bewilligt noch aufgetragen worden ist, besteht seit 1. 1. 1994 insofern eine Verpflichtung der Bauvereinigung zur Einhebung von EVB.

Formelles Erfordernis der Erstvorschreibung war von Beginn an ein schriftliches Begehren der Bauvereinigung, das dem Mieter seit 1. 9. 1999 zwei Monate vor dem ersten Zahlungstermin zugehen muss und die Verpflichtungserklärung enthalten muss, die eingehobenen EVB, soweit sie die Grundstufe (§ 14d Abs 2 Z 3 WGG) übersteigen, innerhalb von zehn Jahren zu verwenden.

§ 14d Abs 2 WGG beschränkt die Höhe des zulässigen EVB je m² der Nutzfläche und Monat je nach Erstbezugsdatum mit bestimmten festgelegten Beträgen bzw Bruchteilen davon. Dadurch ergeben sich drei Stufen der EVB wie folgt (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht22 I § 14d WGG Rz 7):

Erstbezugsdatum mindestens zwanzig Jahre zurück, zuletzt (ab 1. 9. 2008) 1,54 EUR (dritte Stufe);

bei weniger als zwanzig Jahren seit dem Erstbezug, mindestens aber zehn Jahren, sind zwei Drittel dieses Betrags (zweite Stufe) und

ansonsten ein Viertel des Betrags (Grundstufe) zulässig.

Mit der WRN 1999 BGBl 1999 Nr 147 wurde das Inhaltserfordernis jedes Begehrens auf Zahlung von EVB, soweit damit die Grundstufe überstiegen wird, durch die Anfügung eines letzten Satzes an § 14d Abs 4 WGG wie folgt normiert:

Mit dem schriftlichen Verlangen eines den Betrag nach Abs 2 Z 3 [Grundstufe] übersteigenden Erhaltungs‑ und Verbesserungsbeitrages sind auch Art, Umfang und Kostenschätzungen der aus dem so geforderten Erhaltungs‑ und Verbesserungsbeitrag zu finanzierenden Erhaltungs‑ und Verbesserungsarbeiten bekanntzugeben .“

Gleichzeitig wurde § 14d ein Abs 4a eingefügt, der wie folgt lautet:

Wird von der Bauvereinigung die Einhebung eines Erhaltungs‑ und Verbesserungsbeitrages nach Abs 2 Z 1 [Stufe 3] für die Durchführung von Verbesserungsarbeiten, die über die normale Ausstattung gemäß § 2 Z 2 hinausgehen, begehrt, kann mindestens ein Viertel der Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten innerhalb von zwei Monaten ab dem Einhebungsbegehren die gerichtliche Überprüfung hinsichtlich der Zweckmäßigkeit und Angemessenheit der veranschlagten Kosten dieser Verbesserungsarbeiten beantragen .“

Dazu heißt es im bezughabenden Bericht des Bautenausschusses (2056 BlgNR XX. GP, 4) wie folgt:

Durch diese Neuregelung werden die Informations‑ und Überprüfungsrechte für die Wohnungsnutzer ausgeweitet. Über das Überprüfungsbegehren von mindestens einem Viertel der Mieter ist im Außerstreitverfahren zu entscheiden. Bei der dabei zu beurteilenden Frage der Zweckmäßigkeit und Kostenangemessenheit dieser Verbesserungsarbeiten handelt es sich nämlich um ein Element der Richtigkeit des Erhaltungs‑ und Verbesserungsbeitrages im Sinne des § 22 Abs 1 Z 11 ...

Durch die Beschränkung auf EVB der Stufe 3 sowie auf Verbesserungsarbeiten wird deutlich, dass mit der Bestimmung des Abs 4a unnötige Verbesserungen zu Lasten von Mietern in Häusern mit über 20‑jähriger Bestanddauer hintangehalten werden sollen (vgl Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 14d WGG Rz 5).

Trotz beklagter Undeutlichkeiten der Bestimmung des § 14d Abs 4a WGG (vgl Würth/Zingher/Kovanyi aaO Prader, WGG § 14d Anm 5) hat der Gesetzgeber aber eindeutig im Fall der Einhebung von EVB der dritten Stufe zur Finanzierung bestimmter Verbesserungen ein gerichtliches Verfahren zur Überprüfung der Frage der Zweckmäßigkeit und Kostenangemessenheit der in Aussicht genommenen Verbesserungsarbeiten vorgesehen, was durch das Zitat des § 22 Abs 1 Z 11 WGG im zitierten Ausschussbericht untermauert wird. Das Gericht/die Schlichtungsstelle soll in die Lage versetzt werden, die „Richtigkeit“ des EVB zu überprüfen. Jede wirksame Überprüfungsmöglichkeit wäre aber ausgeschlossen, ginge man von einer Sanktionslosigkeit der Einhaltung der Bestimmungen über die Vorschreibung nach § 14d Abs 4 letzter Satz WGG aus. Dann wäre es der Bauvereinigung in die Hand gegeben, von vornherein diese gesetzliche Kontrollmöglichkeit durch ein Viertel der Mieter zu unterlaufen, indem eben im Forderungsschreiben nicht klargestellt würde, welche heranstehenden Arbeiten, insbesondere welche Verbesserungsarbeiten Gegenstand des Anhebungsbegehrens sind.

Zu Recht hat das Rekursgericht daher den durch die WRN 1999 neu geregelten Inhalt des letzten Satzes des § 14d Abs 4 WGG als zwingendes Erfordernis einer wirksamen Anhebung gewertet.

Zusammenzufassend ist daher festzuhalten, dass jegliche Einhebung eines über die Grundstufe hinausgehenden EVB zu ihrer Wirksamkeit neben hier nicht zu behandelnden anderen Voraussetzungen jener Angaben bedarf, die in § 14d Abs 4 letzter Satz WGG normiert wurden.

Der Rechtsansicht der Antragsgegnerin, es handle sich diesfalls bloß um eine sanktionslose Formvorschrift, ist damit eine Absage zu erteilen.

Soweit im Revisionsrekurs zur Dartuung des eigenen Rechtsstandpunkts auf höchstgerichtliche Judikatur, insbesondere 5 Ob 77/98d und 5 Ob 6/00v, hingewiesen wird, wird verkannt, dass diese Entscheidungen zur Rechtslage vor der WRN 1999 ergangen sind und daher zur Klärung der hier aufgeworfenen Frage nichts beizutragen vermögen.

Der Revisionsrekurs erweist sich daher als nicht berechtigt.

Es hat somit bei der vom Rekursgericht verfügten Aufhebung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses zu bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 22 Abs 2 WGG.

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