European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123717
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzung des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Das Erstgericht trug der Antragsgegnerin mittels einstweiliger Verfügung auf, den gefährdeten Parteien den Zutritt zu dem bzw in das Mietobjekt zum Zweck der Öffnung des Parkettbodens und des darunter liegenden Blindbodens nächst des Türdurchgangs vom Vorzimmer zum Baderaum, sodann zur Entfernung der durchfeuchteten Schlackenbeschüttung zwischen Parkettboden und Deckenkonstruktionsträmen im Schadenseintrittsbereich und in weiterer Folge zur fachgerechten Absperrung des geöffneten Fußbodenbereichs zur Trocknung der hölzernen Deckenkonstruktion, zur Aufbringung eines Holzschutzmittels sowie zur Ersetzung der durchnässten Schlackenbeschüttung durch eine Leca‑Schüttung zu gewähren und die Durchführung dieser Maßnahmen zu dulden.
Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Antragsgegnerin nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
1.1. Nach ständiger Rechtsprechung darf eine einstweilige Verfügung nach § 381 Z 2 EO, wie sie hier zur Sicherung des Anspruchs nach § 8 Abs 2 MRG beantragt wurde, der endgültigen Entscheidung vorgreifen (RIS‑Justiz RS0009418) und kann sich auch mit dem im Hauptverfahren angestrebten Ziel decken; es darf jedoch keine Sachlage geschaffen werden, die im Fall eines die einstweilige Verfügung nicht rechtfertigenden Urteils oder Beschlusses nicht rückgängig gemacht werden kann (RIS‑Justiz RS0005696). Demgemäß wurde etwa eine einstweilige Verfügung, mit der die Zustimmungserklärung zu bestimmten Einreichplänen für das Bauverfahren ersetzt werden sollte, als unzulässig angesehen (9 Ob 149/98x), ebenso eine im Weg der einstweiligen Verfügung begehrte Gesamtsanierung eines beschädigten Daches auf eine ganz bestimmt bezeichnete Art und Weise (5 Ob 211/05y = wobl 2006/81 [Call]). Die Durchführung der Generalsanierung – die Gegenstand des dortigen Mehrheitsbeschlusses der Eigentümergemeinschaft gewesen sei – würde einen Zustand herbeiführen, der im Fall einer Feststellung der Unwirksamkeit des Mehrheitsbeschlusses die Wiederherstellung des früheren Zustands unmöglich machen würde, eine bloße Sicherungsmaßnahme hatten die Antragsteller dort nicht begehrt. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.
1.2. Das Rekursgericht legte den Spruch der einstweiligen Verfügung dahin aus, er trage der Antragsgegnerin nur die Duldung der dort genannten Sicherungsarbeiten auf ohne das Ergebnis des Verfahrens in der Hauptsache vorwegzunehmen. Die Auslegung des Spruchs seiner Entscheidung im Einzelfall bildet – von einer hier nicht vorliegenden im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilung abgesehen – aber grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0000595 [T8]; vgl auch RS0041192). Da das Erstgericht in seiner einstweiligen Verfügung die Antragsgegnerin ohnedies nur zur Duldung der Öffnung des Parkettbodens und des darunter liegenden Blindbodens im Bereich der Wasserversickerung und der Durchfeuchtung verpflichtete und auch die Entfernung der Schlackenbeschüttung – soweit massiv durchfeuchtet – nur im sichtbaren Schadenseintrittsbereich anordnete, wobei nur durchnässte Schlackenbeschüttung durch Leca‑Schüttung ersetzt werden soll, ist ausreichend klargestellt, dass es sich bei den Arbeiten, die die Antragsgegnerin nun dulden muss, lediglich um unumgänglich notwendige Sicherungsarbeiten handelt, die nach den Feststellungen zur Hintanhaltung der Gefahr eines Schädlingsbefalls an der Holztramdecke und damit eines ernsten Schadens an der Bausubstanz sowie der bereits aufgetretenen Schimmelbildung und der damit verbundenen Gesundheitsgefährdung erforderlich sind. Eine Generalsanierung in Form der Durchführung aller fachtechnisch notwendigen Maßnahmen und Arbeitsvorrichtungen zur vollständigen und dauerhaften Sanierung des Nässeschadens und der damit zusammenhängenden Folgeschäden war zwar Gegenstand des Hauptbegehrens der Antragsteller, nicht aber des Provisorialantrags.
1.3. Dass durch die zu duldenden Sicherungsmaßnahmen ein endgültiger Zustand geschaffen würde, der im Fall eines die einstweilige Verfügung nicht rechtfertigenden Sachbeschlusses nicht rückgängig gemacht werden könnte, ist nicht zu erkennen. Alle im Spruch der einstweiligen Verfügung genannten Maßnahmen könnten – sollte sich die als bescheinigt angenommene Durchfeuchtung als nicht gegeben herausstellen – entweder von vornherein unterlassen oder rückgängig gemacht werden, auch die Öffnung des Parkettbodens samt Blindboden schafft keinen unumkehrbaren Zustand.
2. Die Frage, ob der Mieter eine Beeinträchtigung seiner Mietrechte nach § 8 Abs 2 Z 2 MRG unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit zu dulden hat, ist aufgrund umfassender Interessensabwägung zu beantworten (RIS‑Justiz RS0069506). Die Zumutbarkeit ist umso eher zu bejahen, je schwerwiegender berechtigte Interessen des Vermieters den Eingriff fordern (5 Ob 57/15s = immolex 2015/100 [Cerha]). Dabei ist von den konkreten Verhältnissen des Einzelfalls auszugehen und auch subjektive Komponenten, also Umstände, die beim konkret betroffenen Mieter vorliegen, sind zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0069506 [T5]). Im Hinblick auf die vorgesehene Interessensabwägung ist die Frage der Zumutbarkeit des beabsichtigten Eingriffs solange eine vom Obersten Gerichtshof nicht aufzugreifende Einzelfallbeurteilung, als der den Vorinstanzen dabei eingeräumte Wertungsspielraum nicht verlassen wird (RIS‑Justiz RS0042771 [T6]; RS0069506 [T10]). Auch wenn man diese Grundsätze im Rahmen der erforderlichen Anspruchsbescheinigung auf die – gemäß § 37 Abs 3 Z 20 MRG nach den Regeln der Exekutionsordnung zu erlassende und an die Voraussetzungen des § 381 EO geknüpfte – einstweilige Verfügung anwendet, ist eine grobe Verkennung des Ermessensrahmens der Vorinstanzen ungeachtet des hohen Alters der Antragsgegnerin nicht zu erkennen. Der für sie zweifellos belastenden Einschränkung der Nutzung ihrer Wohnung (Bad und WC) sind die nach dem bescheinigten Sachverhalt konkret gegebenen Gefahren im Fall der Unterlassung dieser Sicherungsmaßnahmen gegenüberzustellen. Ohne Öffnung der Decke besteht die Gefahr, dass sich in der luftdicht abgeschlossenen Schlackenbeschüttung der Holzbock- bzw Rüsselkäfer entwickelt, der das Holz durch Bohrungen angreift, außerdem die Gefahr des Moderns und Vermorschens der Holzträme, somit letztlich eines ernsten Schadens an der Bausubstanz, der durch Geld nicht oder nicht völlig adäquat ersatzfähig wäre (RIS‑Justiz RS0044150; 4 Ob 197/11s). Dazu kommt die konkrete Gefahr weiterer Schimmelbildung durch anhaltende Feuchtigkeit, die – aufgrund der damit möglicherweise verbundenen Gesundheitsgefährdung – ebenso als Gefahr des unwiederbringlichen Schadens iSd § 381 Z 2 EO zu werten ist. Eine kurzfristige und vorübergehende Beeinträchtigung der Wohnqualität der Antragsgegnerin hat ungeachtet ihres hohen Alters gegenüber diesen konkreten Gefahren nach der jedenfalls innerhalb des Ermessenspielraums liegenden Auffassung der Vorinstanzen zurückzustehen, dies umso mehr als ein Verhalten der Antragsgegnerin Ursache der Feuchtigkeitsschäden war.
3. Gemäß § 8 Abs 3 MRG sind sämtliche vom Mieter zuzulassende Arbeiten schon von Gesetzes wegen so durchzuführen, dass eine möglichste Schonung des Mietrechts des betroffenen Mieters gewährleistet ist. Durch dieses Schonungsprinzip wird festgelegt, in welcher Art und Weise die Eingriffe in das Mietrecht vorzunehmen sind (Vonkilch in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht4 § 8 MRG Rz 41). Qualifizierte Verletzungen des Schonungsprinzips sind mit einer erhöhten Ersatzpflicht sanktioniert und nach § 27 Abs 7 MRG gerichtlich strafbar. Einer näheren Festlegung der Modalitäten der von der Antragsgegnerin zu duldenden Eingriffe bedarf es im Hinblick darauf nicht; dazu kommt hier, dass nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen vor einer Öffnung und Entfernung einzelner Teile des Bodenaufbaus das Gesamtausmaß der erforderlichen Sicherungsarbeiten nicht feststeht, sodass die Festlegung einer Dauer – insbesondere auch im Hinblick auf die erforderlichen Trocknungsarbeiten – schon aus rein technischer Sicht nicht möglich ist.
4. Soweit die Gefährdung der Antragsteller tatsächlich nachträglich weggefallen sein sollte, bleibt es unbenommen, die Aufhebung der einstweiligen Verfügung gemäß § 399 Abs 1 Z 2 EO zu beantragen.
5. Damit war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
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