OGH 5Ob188/15f

OGH5Ob188/15f30.10.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragstellerin HR Dr. M*****, vertreten durch Dr. Bernhard Eder, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1. N***** AG, *****, 2. F***** Privatstiftung, *****, vertreten durch Dr. Hans Kaska, Rechtsanwalt in St. Pölten, 3. K***** GmbH, *****, Erst‑ und Drittantragsgegnerinnen vertreten durch Mag. Guido Zorn, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 16 und § 52 Abs 1 Z 2 WEG über den Revisionsrekurs der Erst- und Drittantragsgegnerinnen gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. März 2015, GZ 39 R 30/15y‑31, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 26. November 2014, GZ 5 Msch 4/14f‑23, in der Hauptsache bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00188.15F.1030.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Erst- und Drittantragsgegnerinnen sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Antragstellerin binnen 14 Tagen die mit 410,83 EUR (darin enthalten 68,47 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Parteien sind Mit‑ und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft in Wien. Die Antragstellerin ist Wohnungseigentümerin einer im Erdgeschoß gelegenen Wohnung, der ein im Innenhof der Hausanlage gelegener und ausschließlich der Antragstellerin zur Nutzung zugewiesener Garten zugeordnet ist. Dieser Garten wird nicht durch Bäume beschattet, weshalb die Sonne ab der Mittagszeit bis zum Abend direkt einstrahlt. Während der Sonnenstunden konnte die Antragstellerin den Garten ohne Sonnenschutz nicht benutzen. Um eine Beschattung auch des an den Garten angrenzenden Wohnungsteils zu erreichen, ließ sie im Sommer 2011 durch ein konzessioniertes Fachunternehmen für Sonnenschutztechnik eine elektrisch betriebene Markise an der Außenfassade der Hausmauer über ihrem Garten montieren. Die optisch zum Haus passende Markise wird durch ein Gehäuse geschützt. die Kabel verlaufen in einem kaum sichtbaren Kabelkanal an der Hausmauer. Die Markise ist mit einem Windsensor ausgestattet.

Mit Ausnahme der Erst‑ und Drittantragsgegnerinnen erteilten sämtliche Mit‑ und Wohnungseigentümer nachträglich ihre Zustimmung, die Zweitantragsgegnerin stimmte im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich zu. Die Antragstellerin bot den Erst- und Drittantragsgegnerinnen in diesem Verfahrensstadium an, alle Kosten zu tragen, die mit der Erhaltung und dem Betrieb der Markise verbunden sind und an allgemeinen Teilen des Hauses durch eine allenfalls erforderliche Demontage oder Wiedermontage entstehen könnten. Das Angebot wurde nicht angenommen.

Die Antragstellerin begehrte nach § 16 WEG die Genehmigung der Montage ihrer Markise.

Erst ‑ und Drittantragsgegnerinnen wendeten ‑ soweit noch relevant ‑ ein, die unsachgemäß montierte Markise könnte aus ihrer Verankerung gerissen werden und Schäden an Personen oder Sachen verursachen. Schutzwürdige Interessen der übrigen Wohnungseigentümer seien auch dadurch verletzt, dass die Eigentümergemeinschaft zusätzliche Erhaltungskosten der Markise zu tragen habe.

Das Erstgericht gab dem Antrag statt. Rechtlich erachtete es die Voraussetzungen des § 16 Abs 2 Z 1 und 2 WEG als erfüllt. Die Antragstellerin habe ein konzessioniertes Unternehmen für Sonnenschutztechnik mit der Montage ihrer Markise beauftragt, die für den Fall starker Windbelastung mit einem Windsensor ausgestattet sei. Dieser verhindere eine bei stürmischem Wetter von der Markise im ausgerollten Zustand ausgehende Gefahr. Behauptungs‑ und beweispflichtig für die Verletzung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer seien die der Änderung widersprechenden Miteigentümer. Nicht jegliche, sondern nur eine wesentliche Beeinträchtigung ihrer Interessen sei relevant, eine Interessenabwägung finde nicht statt. Die Tragung der Kosten der künftigen Erhaltung der ‑ durch die Montage an der Außenfassade geänderten ‑ allgemeinen Teile bleibe in vollem Umfang der Eigentümergemeinschaft. Die Erst‑ und Drittantragsgegnerinnen hätten das Angebot der Antragstellerin, sämtliche derartige Kosten in Zukunft zu tragen, nicht angenommen. Es fehle Vorbringen, worin merkbare Mehrkosten durch die Montage der Markise für die Eigentümergemeinschaft liegen sollten. Das Anbringen der Markise auf der Hofinnenseite eines Hauses unter möglichster Schonung der Bausubstanz, indem die Kabeln nicht in die Fassade eingestemmt würden, sei im städtischen Raum zur Beschattung von Terrassen oder Gartenflächen verkehrsüblich und im wichtigen Interesse der Antragstellerin, die so den Garten bei Sonneneinstrahlung angemessen nützen und gleichzeitig ein besseres Klima in den beschatteten Räumlichkeiten erreichen könne.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Erst‑ und Drittantragsgegnerinnen nicht Folge. Es übernahm nach Erledigung der Beweisrüge sämtliche Feststellungen des Erstgerichts mit Ausnahme jener zum Ausmaß der voll ausgefahrenen Markise (3 x 4 m). In der rechtlichen Beurteilung verneinte es eine Gefährdung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer iSd § 16 Abs 2 Z 1 WEG. Die von einem konzessionierten Unternehmen montierte, mit einem Windsensor ausgestattete Markise befinde sich ausschließlich im Bereich der Erdgeschoßwohnung der Antragstellerin über dem ihr zur alleinigen Nutzung zugewiesenen Garten. Ein Sicherheitsrisiko, das die Rekurswerberinnen darin erblickten, dass die Markise bei stürmischen Wetter aus ihrer Verankerung gerissen werden könnte, würde ohnedies nur die Antragstellerin treffen. Die angeblich nicht sach‑ und fachgerechte Montage der Markise sei ausschließlich damit begründet worden, dass die Leitungen in Kabelkanälen geführt und nicht eingestemmt worden seien. Dies begründe kein Sicherheitsrisiko zu Lasten der Rekurswerberinnen. Die einzige damit verbundene Gefahr, nämlich das Auflaufen von Reparaturkosten, könne nicht als Gefahr für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder von anderen Sachen angesehen werden. Eine Markise sei kein unselbständiger Bestandteil des Hauses, auch wenn sie an der Außenfassade und damit an allgemeinen Teilen des Hauses montiert sei. Sie falle daher ebenso wie die in den Kabelkanälen geführten Leitungen ohnedies nicht in die Erhaltungspflicht aller Mit‑ und Wohnungseigentümer, sondern in die alleinige Erhaltungspflicht der Antragstellerin. Eine Kostenbelastung für die Rekurswerberinnen sei nicht zu befürchten.

Das Rekursgericht ließ nachträglich den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil noch keine Judikatur des Obersten Gerichtshofs dazu vorliege, ob eine von einem Wohnungseigentümer an der Außenfassade angebrachte Markise als unselbstständiger Bestandteil des Gebäudes von der Eigentümergemeinschaft zu erhalten sei und ob eine nur einem Wohnungseigentümer zugute kommende, jedoch zur Erhaltung der Eigentümergemeinschaft führende Änderung an allgemeinen Teilen der Liegenschaft bereits eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer iSd § 16 Abs 2 Z 1 WEG darstelle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Erst‑ und Drittantragsgegnerinnen ist entgegen diesem nicht bindenden Ausspruch (§ 71 Abs 1 AußStrG, § 52 Abs 2 WEG) nicht zulässig.

Der Wohnungseigentümer ist nach § 16 Abs 2 WEG zu Änderungen an seinem Wohnungseigentumsobjekt auf seine Kosten berechtigt. Die Änderung darf nach Z 1 weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer, insbesondere auch keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses, noch eine Gefahr für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder von anderen Sachen zur Folge haben. Nimmt eine solche Änderung auch allgemeine Teile des Hauses in Anspruch, muss sie nach Z 2 überdies entweder verkehrsüblich oder im wichtigen Interesse des änderungswilligen Wohnungseigentümers sein.

Im Rechtsmittelverfahren sind ausschließlich die Voraussetzungen des § 16 Abs 2 Z 1 WEG strittig, nicht jedoch das ‑ vom Erstgericht bejahte ‑ Vorliegen von Verkehrsüblichkeit und/oder wichtigem Interesse der Antragstellerin.

Die Revisionsrekurswerberinnen sehen eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer in der Belastung der Eigentümergemeinschaft mit der künftigen Erhaltung der vom Rekursgericht zu Unrecht als selbstständiger Bestandteil eingestuften Markise sowie mit künftigen Kosten einer nach Demontage nötigen Fassadensanierung.

Die Abgrenzung, ob allgemeine Teile des Hauses von einer Änderung nach § 16 WEG betroffen sind, erfolgt nach § 3 Abs 2 Z 1 MRG in räumlicher Hinsicht, was eine unproblematische Einordnung all jener Teile erlaubt, die zweifelsfrei außerhalb der Wohnungseigentumsobjekte liegen. Darunter fallen nach herrschender Ansicht jene Bereiche, die gemeinhin als „Außenhaut“ des Gebäudes bezeichnet werden (RIS‑Justiz RS0069976; RS0083334 [T7]), wozu auch Außenjalousien und -rolläden gezählt werden (T. Hausmann/O. Riss in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht³ § 3 MRG Rz 13 mwN). Zur weiteren Abgrenzung bedient sich die Rechtsprechung darüber hinaus funktionaler Gesichtspunkte (RIS‑Justiz RS0112445 [T4]; RS0069976 [T4]).

Die Außenfassade stellt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs einen allgemeinen Liegenschaftsteil dar (RIS‑Justiz RS0069976 [T3]; RS0083334 [T1]). Funktional bleibt sie auch allgemeiner Teil des Hauses, wenn sich daran ein von einem Mieter allein zu nutzender Hof (hier: einer Wohnungseigentümerin zur ausschließlichen Benutzung zugewiesener Garten) anschließt (5 Ob 45/03h), an ihr eine Flugdachkonstruktion auf einer zu einem Wohnungseigentumsobjekt gehörenden Terrasse (RIS‑Justiz RS0083334 [T8]) oder eben eine Markise zur Beschattung eines Wohnungseigentumsobjekts inklusive des anschließenden (Zubehör‑)Gartens befestigt wird. Die im Revisionsrekurs behandelte sachenrechtliche Einordnung der an der Außenfassade angebrachten Markise als (un)selbstständiger Bestandteil des Hauses ist unter diesem funktionalen Aspekt nicht relevant.

Aus § 16 Abs 2 WEG ergibt sich unstrittig, dass der ändernde Wohnungseigentümer jedenfalls die Kosten der Durchführung zu tragen hat. Die Frage, ob die Eigentümergemeinschaft zufolge § 28 Abs 1 Z 1 erster Fall WEG oder nur der Wohnungseigentümer Folge(mehr)kosten der Änderung an allgemeinen Teilen tragen muss, wird in Judikatur und Lehre nicht einhellig beantwortet.

Nimmt der Wohnungseigentümer allgemeine Teile der Liegenschaft ausschließlich in Anspruch und kommt die Änderung nur ihm zugute, muss die Eigentümergemeinschaft das geänderte Objekt nach mehreren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs nur dann erhalten, wenn ernste Schäden iSd § 28 Abs 1 Z 1 WEG zu beheben sind (5 Ob 190/06m [ausschließlich für ein Wohnungseigentumsobjekt nutzbare, nicht parifizierte Kellerräumlichkeiten]; 5 Ob 223/07s; 5 Ob 170/11b; RIS‑Justiz RS0116332 [T3]; RS0112445 [T2]). Die gegenteilige Aussage findet sich bei Tschütscher (Wer anschafft, zahlt? ‑ Wer trägt die Kosten von baulichen Veränderungen des Wohnungseigentumsobjekts? wobl 2004, 233 [238]), zum Ausbau von Rohdachböden in Wohnungseigentumsobjekte in 5 Ob 63/09i = RIS‑Justiz RS0116332 (T5) sowie zur Neuschaffung allgemeiner Teile durch Teilung eines Wohnungseigentumsobjekts in 5 Ob 21/12t: Die Erhaltungskosten der geänderten allgemeinen Teile treffen die Eigentümergemeinschaft.

Vonkilch (in Hausmann/Vonkilch aaO § 16 WEG Rz 41a) und Holzner (Zubehör-Wohnungseigentum ohne Eintragung ins Hauptbuch, wobl 2010, 157 [163]) sehen § 16 Abs 2 erster Halbsatz WEG („auf seine Kosten“) als lex specialis zu § 32 WEG und gehen davon aus, dass ausschließlich der von der Änderung profitierende Wohnungseigentümer Folge(mehr)kosten tragen muss.

Wen die künftige Kostentragungspflicht trifft, muss in diesem Verfahren über die Genehmigung einer Änderung nach § 16 WEG aber nicht näher untersucht und grundsätzlich geklärt werden. Nur eine wesentliche Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer steht der Änderung entgegen (RIS‑Justiz RS0083378; RS0083236). Maßgeblich sind die in Zukunft typischerweise zu erwartenden Folgen ( Vonkilch aaO, § 16 WEG Rz 26f mwN) hier also die Höhe der zu befürchtenden Folge(mehr)kosten, welche die Erst- und Drittantragsgegnerinnen zu behaupten und zu beweisen hätten (RIS‑Justiz RS0082993; 5 Ob 21/12t). Inwieweit die Gemeinschaft noch mit merkbaren Kosten belastet werden sollte, können die Revisionsrekurswerberinnen nicht aufzeigen.

Zum Versagungsgrund der Gefährdung der Sicherheit von Personen, des Hauses oder andere Sachen existiert nur vereinzelte Rechtsprechung, was Rückschlüsse auf die bescheidene praktische Relevanz zulässt ( Würth/Zingher/Kovanyi II²³ § 16 WEG Rz 26).

Die Errichtung einer nach außen aufschlagenden Wohnungstür, deren abrupte Öffnung vorbeigehende Personen verletzen könnte, wurde nicht genehmigt. Nur Gefahren im Bagatellbereich könnten schutzwürdige Interessen der übrigen Wohnungseigentümer nicht beeinträchtigen. Dies treffe nicht zu, wenn die Gefährdung der körperlichen Sicherheit nicht ganz von der Hand zu weisen sei (5 Ob 82/95 = MietSlG 47.510).

Keine Beeinträchtigungen der schutzwürdigen Interessen anderer Wohnungseigentümer sah der Oberste Gerichtshof in einem, den Vorschriften des Krankenanstaltengesetzes entsprechenden Betrieb eines Instituts für Nuklearmedizin, wenn diese ärztliche Tätigkeit nicht über den Umfang einer schlichten ärztlichen Ordination hinausgehe.

Wie schon erwähnt, ist nur eine wesentliche Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer ein Grund, die Änderung nicht zu genehmigen. Die Befürchtung der widersprechenden Wohnungseigentümerinnen, dass die Markise bei Sturm aus ihrer Verankerung gerissen werden und bei ihrem Flugmanöver andere Personen als die Antragstellerin, wie beispielsweise deren Besucher verletzten oder andere Sachen gefährden könnte, ist rein abstrakter Natur. Für eine konkrete Gefährlichkeit der von einem konzessionierten Fachunternehmen montierten und offenbar seit 2011 inklusive des Windsensors anstandslos funktionierenden Markise bieten weder die Feststellungen der Vorinstanzen noch die Argumente im Revisionsrekurs einen ausreichenden Anhaltspunkt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG. Die Antragstellerin hat in der Revisonsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

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