OGH 5Ob179/06v

OGH5Ob179/06v24.10.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragsteller 1. Dipl. Ing. (FH) Uwe N*****, 2. Annemarie N*****, beide ***** und vertreten durch Mag. Michaela Hämmerle, Mag. Andreas Hämmerle, Rechtsanwälte in Rottenmann, wegen Durchführung eines Aufforderungsverfahrens nach §§ 4 ff LiegTeilG betreffend die Liegenschaft EZ ***** GB ***** über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 8. Juni 2006, GZ 1 R 187/06a-6, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Liezen vom 11. April 2006, GZ 5 Nc 61/06t-2 (TZ 665/06) bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragsteller sind jeweils zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft, die nur aus dem 1000 m² umfassenden Grundstück Nr 862/20 besteht. Insbesondere der Miteigentumsanteil der Zweitantragstellerin ist mit einer Vielzahl von vollstreckbaren Pfandrechten belastet.

Die Liegenschaftseigentümer begehren die Einleitung des Aufforderungsverfahrens im Sinn der §§ 4 f LiegteilG hinsichtlich des genannten Grundstückes, weil sie beabsichtigen, dieses lastenfrei abzuschreiben.

Das Erstgericht wies diesen Antrag mangels Anwendbarkeit des Aufforderungsverfahrens auf den hier zu beurteilenden Fall der Abschreibung des gesamten Grundbuchskörpers ab.

Das von den Antragstellern angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 4.000, nicht jedoch EUR 20.000 überschreitet und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, dass das in den §§ 4 ff LiegTeilG geregelte Verfahren nicht anzuwenden sei, wenn die Abschreibung des einzigen Grundstückes des Grundbuchskörpers verbunden mit der Löschung der bisherigen Grundbuchseinlage nach § 3 Abs 3 GBG begehrt werde. Der erste Abschnitt des Liegenschaftsteilungsgesetzes behandle die Teilung von Grundstücken, während der 2. Abschnitt die Abschreibung einzelner Bestandteile eines Grundbuchskörpers betreffe. Die systematische Auslegung des Liegenschaftsteilungsgesetzes spreche in Verbindung mit dem Wortlaut des § 4 leg. cit., der ausdrücklich nur von einem Trennstück spreche, gegen die Zulassung des Aufforderungsverfahrens im Fall der Abschreibung des einzigen Grundstückes eines Grundbuchskörpers. Den Zulässigkeitsausspruch begründete das Rekursgericht mit fehlender höchstgerichtlicher Judikatur zur Frage der Anwendbarkeit des Verfahrens nach den §§ 4 ff LiegTeilG in einer derartigen Konstellation.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus dem vom Rekursgericht angegebenen Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Nach § 3 Abs 1 GBG ist jeder Grundbuchskörper als ein Ganzes zu behandeln. Sein Umfang kann nur durch bücherliche Ab- und Zuschreibung von einzelnen Liegenschaften oder Liegenschaftsteilen geändert werden (Abs 2). Wenn alle in einer Grundbuchseinlage eingetragenen Liegenschaften abgeschrieben worden sind (§ 11) oder wenn sie aufgehört haben, ein Gegenstand des Grundbuches zu sein, ist die Einlage zu löschen (Abs 3).

§ 11 GBG, auf den § 3 Abs 3 leg. cit. ausdrücklich Bezug nimmt, lässt Eintragungen zur Erwerbung des Eigentums einzelner Bestandteile eines Grundbuchskörpers nur nach den Bestimmungen des Liegenschaftsteilungsgesetzes zu.

Die Bestimmung des § 74 GBG ist übertitelt mit:

„Von der Abschreibung von Bestandteilen eines Grundbuchskörpers". Nach Abs 1 leg. cit. ist die Abschreibung des Bestandteils eines Grundbuchskörpers und seine Zuschreibung zu einem anderen Grundbuchskörper oder die Eröffnung einer neuen Einlage für diesen Bestandteil nur dann zulässig, wenn der abzuschreibende Teil genau, nötigenfalls durch Pläne, von denen eine Kopie in der Urkundensammlung aufzubewahren ist, bezeichnet ist und wenn die das Begehren begründenden Urkunden den zu einer Einverleibung des Eigentumsrechtes vorgeschriebenen Erfordernissen entsprechen. Nach Abs 2 der genannten Bestimmung ist bei der Durchführung der Abschreibung nach den Bestimmungen des Liegenschaftsteilungsgesetzes vorzugehen.

Das Liegenschaftsteilungsgesetz unterscheidet zwischen der Abschreibung unter Mitübertragung der Lasten und der lastenfreien Abschreibung.

§ 3 Abs 1 LiegTeilG lässt die Abschreibung einzelner Bestandteile eines Grundbuchskörpers ohne Zustimmung der Buchberechtigten zu, wenn für das Trennstück eine neue Einlage eröffnet wird und die Rechte der Buchberechtigten in diese, und zwar die Pfandrechte als Simultanhypotheken eingetragen werden.

§ 4 Abs 1 LiegTeilG, dessen Anwendbarkeit hier strittig ist, lautet:

„Soll das Trennstück lastenfrei abgeschrieben werden, so kann der Eigentümer des Grundbuchskörpers, von dem es abgetrennt werden soll, die Buchberechtigten durch das Grundbuchsgericht auffordern lassen, gegen die lastenfreie Abtrennung binnen 30 Tagen vom Tage der Zustellung der Aufforderung an Einspruch zu erheben, widrigens die Abschreibung bewilligt wird und der Aufgeforderte sein Recht an dem Trennstück zugleich mit der Abschreibung verliert."

Abs 3 leg. cit. forderte die genaue Beschreibung des Trennstückes und nötigenfalls den Anschluss eines entsprechenden Teilungsplans. Diese Regelung korreliert daher eindeutig mit den in § 74 Abs 1 GBG aufgestellten Anforderungen an die Abschreibung des Bestandteiles eines Grundbuchskörpers.

Nach § 5 Abs 1 LiegTeilG ist der Antrag nach § 4 Abs 1 in der Einlage des Grundbuchskörpers, von dem das Trennstück abgeschrieben werden soll, anzumerken, mit der Wirkung, dass spätere Eintragungen die Abschreibung nicht hindern.

Die Auslegung von Gesetzen hat zunächst mit der Wortinterpretation zu beginnen, worunter die Erforschung des Wortsinnes, der Bedeutung eines Ausdruckes oder eines Gesetzes nach dem Sprachgebrauch zu verstehen ist (RIS-Justiz RS0008896). Der äußerstmögliche Wortsinn steckt die Grenzen jeglicher Auslegung ab, die auch mit den sonstigen Interpretationsmethoden nicht überschritten werden darf (RIS-Justiz RS0008788 [T1]; RS0008796; RS0016495).

Zwar kann ein Grundbuchskörper nach § 5 Abs 1 S 1 AllgGAG aus einem oder mehreren Grundstücken bestehen. Wenn auch der in den Bestimmungen des LiegTeilG mehrfach vorkommende Begriff „Trennstück" nicht nur im Sinn einer Teilfläche, sondern auch als ganzes Grundstück zu verstehen ist (Kaufmann, Ab- und Zuschreibung Versuch einer systematischen Darstellung, ÖJZ 1993, 651), lässt die in § 4 Abs 1 Lieg TeilG enthaltene Formulierung „Trennstück, das von einem Grundbuchskörper abgeschrieben werden soll," schon mit den Mitteln der einfachen Gesetzesauslegung nach dem Wortsinn nur das Ergebnis zu, dass damit nur ein (abzutrennender) Teil eines Ganzen (eben des Grundbuchskörpers) gemeint sein kann (idS vgl auch Feil, GBG² § 3 Rz 10, wonach das Aufforderungsverfahren nur dann zulässig ist, wenn es die Abschreibung physischer Teile des Grundbuchskörpers zum Gegenstand hat).

Richtig ist, dass das in § 4 LiegTeilG vorgesehene Aufforderungsverfahren im Grunde nur dazu dient, rechtsgeschäftliche Zustimmungserklärungen der Buchberechtigten zur lastenfreien Abschreibung von Trennstücken einer Liegenschaft zu ersetzen (RIS-Justiz RS0018226 [T1]). Das Aufforderungsverfahren soll dem Grundeigentümer die lastenfreie Abschreibung einzelner oder mehrerer Grundstücke oder Grundstücksteile von einem Grundbuchskörper insbesondere dann ermöglichen, wenn die Zustimmung der Buchberechtigten nicht oder nur schwierig zu erlangen ist (Feil/Marent/Preisl Grundbuchsrecht² § 3 GBG Rz 39). Das Argument der Antragsteller, das Aufforderungsverfahren diene der effizienteren und kostengünstigeren (Ersparnis von Beglaubigungskosten im Zusammenhang mit Freilassungserklärungen) Abschreibung von belasteten Grundstücken bzw Grundstücksteilen und müsse daher auf die Abschreibung des nur aus einem Grundstück bestehenden Grundbuchskörpers anwendbar sein, vernachlässigt den einer „Ausbücherung" gleichkommenden und daher abzulehnenden Effekt, wenn - wie hier - dem Antrag auf Einleitung des Aufforderungsverfahrens noch nicht zu entnehmen ist, was mit dem bisher mehrfach belasteten Grundbuchskörper, der im Fall der Nichtäußerung sämtlicher Buchberechtigter im Prinzip in einen unbelastete Liegenschaft umgewandelt wird, geschehen soll. Aus diesen Erwägungen ist die Rechtsauffassung der Vorinstanzen zu billigen, dass das in § 4 LiegTeilG vorgesehene Aufforderungsverfahren auf diesen Fall nicht anwendbar ist.

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