OGH 5Ob178/17p

OGH5Ob178/17p23.10.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. F***** E***** Gesellschaft m.b.H., *****, 2. W***** L*****, beide vertreten durch Mag. Johann Juster, Rechtsanwalt in Zwettl, wegen Grundbuchshandlungen in EZ ***** KG ***** und Urkundenhinterlegung, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 6. Juli 2017, AZ 22 R 27/17a, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Korneuburg vom 26. Mai 2017, TZ 2879/2017 (UH 67/17), teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0050OB00178.17P.1023.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Begründung:

Der Zweitantragsteller ist Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG *****. Ob dieser Liegenschaft ist für die Erstantragstellerin jeweils aufgrund des Bestandvertrags vom 12. 8. 2003 das Bestandrecht und das Vorkaufsrecht einverleibt. Durch Teilung wurden in dieser EZ die Grundstücke 725/1 und 725/3 gebildet.

Unter Vorlage eines Mietvertrags vom 11. 5. 2017 und einer Zusatzvereinbarung zum Bestandvertrag vom 12. 8. 2003 vom selben Tag (und weiterer Urkunden) begehrten die Antragsteller neben im Revisionsrekursverfahren nicht mehr strittigen Grundbuchshandlungen ob der EZ ***** die Hinterlegung der Zusatzvereinbarung zum Bestandvertrag vom 12. 8. 2003 zur Ersichtlichmachung der Urkundenhinterlegung für die Tankstelle auf dem Grundstück 725/1 der Liegenschaft EZ ***** sowie die Hinterlegung des Mietvertrags vom 11. 5. 2017 zur Ersichtlichmachung der Urkundenhinterlegung für das in Punkt 2. des Mietvertrags angeführte Superädifikat auf dem Grundstück 725/3 der selben EZ. Aus der Präambel zur Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag vom 12. 8. 2003 ergibt sich dazu, dass diese der Konkretisierung des Gegenstands des Bestandvertrags vom 12. 8. 2003 diene, weil dieser das zwischenzeitig gebildete Grundstück 725/1 erfasse, und die im genannten Bestandvertrag enthaltenen rechtsgeschäftlichen Vorgänge entsprechend anzupassen seien. Darüber hinaus bezwecke die Zusatzvereinbarung, dass die Ersichtlichmachung der Urkundenhinterlegung für die bereits errichtete Tankstelle am Grundstück 725/1 vorgenommen werden könne.

Gegenstand des Mietvertrags vom 11. 5. 2017 ist das Grundstück 725/3 der EZ *****, deren Vermietung zum Zweck der Errichtung einer oder mehrerer Baulichkeiten als Superädifikate samt Parkplätzen und Stellflächen sowie Fahrwegen erfolgte.

Das Erstgericht wies den Antrag zur Gänze, also auch hinsichtlich der nicht mehr verfahrensgegenständlichen Grundbuchshandlungen ab. Aus Punkt 3. des Mietvertrags vom 11. 5. 2017 folge, dass auf dem Grundstück 725/3 noch kein Bauwerk errichtet sei, sondern ein solches erst errichtet werden solle; eine Ersichtlichmachung erfordere jedoch, dass das Superädifikat bereits bestehe. Da ein gemeinsamer Antrag auf Urkundenhinterlegung und Grundbuchshandlungen vorliege, wäre er ausschließlich in Papierform einzubringen gewesen.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel der Antragsteller teilweise Folge und bewilligte die Einverleibung des Bestandrechts hinsichtlich des Grundstücks Nr 725/1 entsprechend der Zusatzvereinbarung und hinsichtlich des Grundstücks 725/3 entsprechend dem Mietvertrag vom 11. 5. 2017 sowie die jeweils darauf bezughabenden Vorkaufsrechte zu Gunsten der Erstantragstellerin. Die Begehren auf Hinterlegung der Zusatzvereinbarung zum Bestandvertrag zur Ersichtlichmachung der Urkundenhinterlegung für die Tankstelle auf dem Grundstück 725/1 und Hinterlegung des Mietvertrags vom 11. 5. 2017 zur Ersichtlichmachung der Urkundenhinterlegung für das Superädifikat gemäß Punkt 3. dieses Vertrags wies es ab. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in Grundbuchsachen führte es aus, dass die Antragsteller ihre Begehren entgegen der Ansicht des Erstgerichts insgesamt zu Recht im ERV eingebracht hätten.

Das UHG regle in § 1, welche Urkunden zu hinterlegen und welche einzureihen seien. Zu hinterlegen seien unter anderem Urkunden über die Eigentumsübertragung von Superädifikaten im Sinne des § 435 ABGB. Der erste Eigentumserwerb an einem Superädifikat erfolge jedoch durch die Errichtung des Gebäudes. Eine Hinterlegung nach dem UHG sei in einem solchen Fall weder notwendig noch rechtlich zulässig. Hier sei nicht der sachenrechtliche Modus zur Übertragung des Eigentums zu beurteilen, sondern lediglich eine schuldrechtliche Vereinbarung der beiden Antragsteller über die Zulässigkeit der Errichtung eines Bauwerks. Ein solcher Vorgang könne nicht zum Gegenstand einer Urkundenhinterlegung gemacht werden. Dahingestellt bleiben könne daher, wie das Begehren konkret zu verstehen sei.

Obwohl es im Spruch seiner Entscheidung einen weiteren Rechtszug für nicht zulässig erklärte, führte das Rekursgericht in der Begründung aus, dass eine erhebliche Rechtsfrage vorliege, weil der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 5 Ob 181/14z die Auseinandersetzung mit Kritik aus der Lehre an der Entscheidung 5 Ob 223/12y nur auf das Rechtsmittelverfahren bezogen habe.

Damit besteht kein Zweifel, dass die zweite Instanz von der Zulässigkeit des Revisionsrekurses ausging und die gegenteilige Formulierung im Spruch seiner Entscheidung auf einem Irrtum beruht. Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist daher als ordentliches Rechtsmittel zu behandeln.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel der Antragsteller ist zwar nicht aus dem vom Rekursgericht herangezogenen Grund zulässig, sondern deshalb, weil dessen Begründung einer Klarstellung bedarf; er ist im Ergebnis aber nicht berechtigt.

1. Die Antragsteller gehen übereinstimmend mit dem Rekursgericht davon aus, dass der Antrag insgesamt zu Recht im ERV eingebracht wurde. Da der Oberste Gerichtshof nicht dazu berufen ist, theoretisch zu einer Rechtsfrage, deren Lösung durch die zweite Instanz von den Rechtsmittelwerbern gar nicht bestritten wird, Stellung zu nehmen, ist auf die vom Rekursgericht in seiner Zulassungsbegründung durch Verweis auf die Entscheidungen 5 Ob 181/14z und 5 Ob 223/12y als erheblich angesprochene Frage nicht weiter einzugehen (RIS‑Justiz RS0102059 [T8]; für das Verfahren außer Streitsachen: [T18]).

2.1 § 435 ABGB anerkennt die Sonderrechtsfähigkeit von Bauwerken, die auf fremdem Grund in der Absicht aufgeführt werden, dass sie nicht stets drauf verbleiben sollen. Wer auf fremdem Grund mit Zustimmung des Grundeigentümers ein Bauwerk im Sinne des § 435 ABGB erbaut, erwirbt daran originär Eigentum (Eccher/Riss in KBB5 § 435 ABGB Rz 1; Holzner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 435 Rz 1 je mwN). Die Hinterlegung einer Urkunde nach dem UHG ist in einem solchen Fall weder notwendig noch zulässig (5 Ob 266/07i; 5 Ob 116/91).

2.2 Nach § 10 Abs 1a UHG, eingefügt durch Art IV Z 3 BGBl I 2008/100, ist in dem bewilligenden Beschluss die Ersichtlichmachung der Urkundenhinterlegung für ein Bauwerk im Gutsbestandsblatt für das betroffene Grundstück anzuordnen, sofern noch keine Urkundenhinterlegung für dieses Grundstück ersichtlich gemacht ist. Anders als noch nach der Rechtslage vor Inkrafttreten der Grundbuchsnovelle 2008 ist daher nicht mehr das Bestehen eines Bauwerks, sondern nur der Umstand der Urkundenhinterlegung für ein Bauwerk ersichtlich zu machen. Diese Ersichtlichmachung soll zum Ausdruck bringen, dass im Hinblick auf das betroffene Grundstück schon eine Urkundenhinterlegung für ein Bauwerk stattgefunden hat (542 BlgNR 23. GP 15 f; abgedruckt auch in Kodek, Grundbuchsrecht Ergänzungsband 117 § 10 UHG).

2.3 Zwar ist die materielle Überprüfung der Existenz eines Bauwerks dem Gericht verwehrt (5 Ob 98/90; 5 Ob 73/93; K. Binder in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 1 UHG Rz 20 mwN; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 435 Rz 3), die Voraussetzung für den originären Eigentumserwerb an einem Superädifikat und daran anschließend die Möglichkeit der Ersichtlichmachung der Urkundenhinterlegung für ein solches Bauwerk ist jedoch dessen tatsächliche Errichtung (5 Ob 266/07i; K. Binder aaO § 1 UHG Rz 20). Die gegenteilige Ansicht der Antragsteller lässt außer Acht, dass § 10 Abs 1a UHG idFd Grundbuchsnovelle 2008 keine Änderung der sachenrechtlichen Voraussetzungen für den Eigentumserwerb bewirkte. Es genügt aber, wenn in der Urkunde, die die Grundlage für die Grundbuchshandlung darstellen soll, die Behauptung, dass das Objekt als Bauwerk im Sinne des § 435 ABGB bereits errichtet wurde, enthalten ist (RIS‑Justiz RS0077193 [T1]).

3. Aus dem Mietvertrag vom 11. 5. 2017, der Gegenstand der begehrten Ersichtlichmachung hinsichtlich des Grundstücks 725/3 ist, geht lediglich hervor, dass darauf ein Superädifikat entstehen soll. Die Antragsteller haben bereits in ihrem Rekurs ausdrücklich zugestanden, dass das Superädifikat auf diesem Grundstück noch nicht errichtet ist. Insoweit wurde der Antrag zu Recht schon wegen Nichtexistenz eines Superädifikats abgewiesen (RIS‑Justiz RS0077193 [T3]; K. Binder aaO § 1 UHG Rz 20).

4. Zutreffend verweisen die Revisionsrekurswerber darauf, dass die Existenz eines Superädifikats am Grundstück 725/1 aus der Zusatzvereinbarung zum Bestandvertrag vom 12. 8. 2003 deutlich hervorgeht. Darin wird ausdrücklich angeführt, dass aufgrund des Bestandvertrags vom 12. 8. 2003 bereits eine Tankstelle mit Waschstraße und Freiwaschplätzen am Grundstück Nr 725/1 errichtet ist, sodass die Argumentation des Rekursgerichts, soweit dieses erkennbar die Nichtexistenz eines Bauwerks auch für das Grundstück 725/1 annahm und damit die Abweisung des Antrags auch in diesem Punkt begründete, nicht geteilt werden kann. Daraus ist für den Standpunkt der Antragsteller im Ergebnis jedoch nichts gewonnen.

5.1 § 1 Abs 1 UHG unterscheidet hinsichtlich der in die Sammlung der bei Gericht hinterlegten und eingereihten Liegenschafts‑ und Bauwerksurkunden aufzunehmenden Urkunden danach, ob die betroffenen Rechte und Lasten bzw deren dingliche Wirkung konstitutiv mit der Hinterlegung der Urkunden entstehen (§ 1 Abs 1 Z 1 UHG) oder mit der Aufnahme der Urkunden lediglich deklarative Wirkung verbunden ist, in welchem Fall die Einreihung (§ 1 Abs 1 Z 2 UHG) vorzunehmen ist. Nach § 1 Abs 1 Z 2 lit b sind Urkunden über den Erwerb eines dinglichen Rechts, sofern für den Rechtserwerb nicht die Hinterlegung erforderlich ist, durch Einreihung aufzunehmen. Nach den Materialien (1106 BlgNR 13. GP 6) sind von dieser Bestimmung insbesondere Urkunden erfasst, mit denen ein Liegenschaftseigentümer einem anderen das Recht eingeräumt hat, auf seiner Liegenschaft ein Bauwerk zu errichten.

5.2 Wenn nichts anderes angeordnet ist, gelten die Bestimmungen des UHG für die Hinterlegung nach § 1 Abs 3 UHG auch für die Einreihung. Bereits nach der Rechtslage vor Inkrafttreten der Grundbuchsnovelle 2008 bestand die Möglichkeit, bei einem durch Bauführung originär erfolgten Eigentumserwerb die Einreihung einer Urkunde im Sinne des § 1 Abs 1 Z 2 lit b UHG zu erreichen (vgl RIS‑Justiz RS0037902; 1106 BlgNR 13. GP 6). Im Grundbuch war dann das Bauwerk ersichtlich zu machen (§ 19 Abs 1 UHG aF).

5.3 Die Grundbuchsnovelle 2008 hat § 19 Abs 1 UHG (aF) durch § 10 Abs 1a UHG ersetzt, sodass nicht mehr das Bestehen eines Bauwerks im Grundbuch, sondern – geht es um ein originär erworbenes Superädifikat – der Umstand der Einreihung einer Urkunde gemäß § 1 Abs 1 Z 2 lit b UHG für ein solches Bauwerk ersichtlich zu machen ist (§ 10 Abs 1 lit a UHG iVm § 1 Abs 3 UHG). Die Bewilligung der Einreihung ist demnach Voraussetzung für die Bewilligung der Ersichtlichmachung. Eine Einreihung der Urkunde begehren die Antragsteller aber gar nicht.

6.1 Bereits das Rekursgericht hat darauf hingewiesen, dass hier ein Fall von originärem Eigentumserwerb zu beurteilen und in einem solchen Fall die Hinterlegung einer Urkunde nach dem UHG nicht zulässig ist (5 Ob 266/07i = RIS‑Justiz RS0037902 [T3]; 5 Ob 116/91). Ungeachtet dessen beharren die Antragsteller auch noch in ihrem Revisionsrekurs ausdrücklich auf der Urkundenhinterlegung und verweisen dazu auf die Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag vom 12. 8. 2003, aus der sich der originäre Eigentumserwerb der Erstantragstellerin als Bauführerin ableitet. Damit kann nicht mehr von einem bloßen Vergreifen im Ausdruck ausgegangen werden.

6.2 Nach § 96 Abs 1 GBG darf nicht mehr oder etwas anderes, als die Partei angesucht hat, bewilligt werden, selbst wenn sie nach den beigebrachten Urkunden zu einem ausgedehnteren oder anderen Begehren berechtigt wäre. Diese Bestimmung ist gemäß § 10 Abs 2 UHG (iVm § 1 Abs 3 UHG) auch im Verfahren über die Einreihung von Urkunden anzuwenden. Die Einreihung stellt gegenüber einem Begehren auf Hinterlegung nicht bloß ein Minus sondern ein Aliud dar, wenn – wie hier – die Partei bewusst die Urkundenhinterlegung anstrebt (5 Ob 116/91; K. Binder aaO § 3 UHG Rz 2; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht² § 96 GBG Rz 18). Im Ergebnis zutreffend haben die Vorinstanzen damit auch das Begehren auf Urkundenhinterlegung betreffend das Grundstück 725/1 abgewiesen. Die Bewilligung einer – gar nicht beantragten – Einreihung scheidet bei dieser Sachlage aus.

7. Damit ist dem Revisionsrekurs insgesamt ein Erfolg zu versagen.

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