OGH 5Ob162/06v

OGH5Ob162/06v29.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Martina T*****, vertreten durch Dr. Lanker & Partner, Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Eigentümergemeinschaft der Liegenschaft EZ ***** GB ***** mit der Liegenschaftsadresse *****, vertreten durch Dr. W. W. Donath Immobilienverwaltung, Lastenstraße 3, 9020 Klagenfurt, diese vertreten durch Gabler Gibel & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 4.695 sA, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 3. April 2006, GZ 2 R 68/06m-12, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 16. Jänner 2006, GZ 6 C 365/05z-8, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Nach ihren Klagsbehauptungen ist die Klägerin Miteigentümerin der Liegenschaft EZ *****, wobei mit ihren Miteigentumsanteilen Wohnungseigentum an der Wohnung Tür 85 im Haus ***** in Klagenfurt verbunden sei.

Die Beklagte sei die Eigentümergemeinschaft dieser Liegenschaft. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten Zahlung eines Betrages von EUR 4.695 und führt als anspruchsbegründend aus: Im Dezember 2003 sei in den Abflussinstallationen der über ihrer Eigentumswohnung gelegenen Wohnung der Mag. Walpurga R***** ein Schaden eingetreten, wobei das austretende Wasser in der Wohnung der Klägerin Schimmelbefall verursacht habe. Weiters sei es zu Schäden an der Malerei und an einer hölzernen Decke der Wohnung gekommen. Durch den Schimmelbefall habe die Klägerin gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten. Insgesamt sei ihr unter Berücksichtigung eines Schmerzengeldes von EUR 1.500 ein Schaden in Höhe des Klagsbetrags erwachsen. Die Beklagte treffe die Erhaltungspflicht für die Abflussinstallation der oberhalb der Wohnung der Klägerin gelegenen Wohnung. Diese Erhaltungspflicht sei insbesondere deshalb gegeben, weil das gegenständliche Haus bereits über 35 Jahre alt sei und monatlich Wasserschäden nach Rohrbrüchen eingetreten seien. Diese seien auf die seinerzeitige Bauweise und die zwischenzeitig altersbedingt zerfressenen und ausgebrochenen Bleiabflussrohre zurückzuführen. Längst notwendige Verbesserungs- und Sanierungsarbeiten seien von der Beklagten bisher nicht durchgeführt worden, sodass es zum gegenständlichen Schadensfall gekommen sei. Die Beklagte habe für diese Unterlassungen der von ihr beauftragten Hausverwaltung einzustehen. Der Beklagten sei durch bereits vor dem verfahrensgegenständlichen Vorfall eingetretene Wasserrohrbrüche bekanntgewesen, dass ein weiterer Wasserrohrbruch sehr wahrscheinlich sei.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung. Die Erhaltungspflicht der im vorliegenden Fall schadhaft gewesenen Abflussinstallationen treffe nicht die Beklagte. Zur Verwaltung des gegenständlichen Hauses sei von der Beklagten ein Hausverwalter beauftragt worden. Sie bestritt ihre Passivlegitimation und brachte überdies vor, es seien keine besonderen Umstände vorgelegen, die den Eintritt des Schadens wahrscheinlich machten, weshalb eine Haftung der Eigentümergemeinschaft bestritten wurde. Darüber hinaus wurde die Kausalität des Schadensereignisses für den behaupteten Schaden und die Höhe des geltend gemachten Anspruchs bestritten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Mangels einer Vertragsbeziehung zwischen den einzelnen Wohnungseigentümern und der Eigentümergemeinschaft hafte letztere den einzelnen Wohnungseigentümern gegenüber nur deliktisch für verschuldete Schäden aus Handlungen oder Unterlassungen ihres einzigen Organs (Repräsentanten), nämlich des Wohnungseigentümerverwalters. Auch die Abwendung von Gefahren iSd § 1318 ABGB sei eine gemeinschaftliche Verwaltungsangelegenheit. Eine Haftung nach § 1318 ABGB für einen durch einen Wasseraustritt zugefügten Schaden setze aber eine gefährliche Verwahrung (von Wasser) voraus. Von einer solchen sei aber nicht schon dann die Rede, wenn eine nur ganz entfernte Möglichkeit einer Schädigung gegeben sei. Nach ständiger Rechtsprechung müsse vielmehr eine nach den allgemeinen Lebenserfahrungen und Lebensgewohnheiten objektiv kalkulierbare Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts vorliegen. Das Vorhandensein einer Wasserleitung stelle noch keine potenzielle Gefahrenquelle in dem Sinn dar, dass das in den Leitungsrohren befindliche Wasser als in einer nach allgemeiner Lebenserfahrung und Lebensgewohnheiten unzulänglichen Weise verwahrt und damit als gefährlich aufbewahrte Sache angesehen werden könne. Ein Wasserrohrbruch mache daher noch nicht für den dadurch verursachten Schaden haftbar. Das gelte nach der Rechtsprechung auch dann, wenn ein Leitungssystem überaltert sei und schon wiederholt Rohrbrüche aufgetreten seien, weil auch dadurch das Wasser noch nicht zu einer gefährlich verwahrten Sache werde (MietSlg 37.200). Umstände, die zu einer Haftung nach § 1318 ABGB führten, seien nach der Rechtsprechung etwa dann gegeben, wenn bei geschlossenem Abfluss das Abdrehen des Wasserhahns vergessen werde (SZ 20/203), bei Verwendung eines zu gering dimensionierten Anschlussschlauchs einer Waschmaschine (SZ 39/170) oder eines Kaffeeautomaten (MietSlg 24.196) Wasser austrete. Auch die Haftung des Wohnungsinhabers für Schäden durch einen infolge Frosteinwirkung verursachten Wasserrohrbruch sei vom Obersten Gerichtshof verneint worden, selbst dann, wenn eine Wohnung trotz veralteten Rohrsystems nicht beheizbar war (MietSlg 36.213). Der klagsweise geltend gemachte Anspruch lasse sich daher materiellrechtlich nicht aus den vorgetragenen Tatsachenbehauptungen ableiten. Eine deliktische Haftung aus anderen Rechtsgründen als der des § 1318 ABGB lasse sich dem Klagsvorbringen nicht entnehmen. Einer dagegen von der Klägerin erhobenen Berufung gab das Gericht zweiter Instanz Folge, hob das angefochtene Urteil auf und trug dem Erstgericht die Ergänzung des Verfahrens und die neuerliche Entscheidung auf.

Ausgehend davon, dass der von den Wohnungseigentümern bestellte gemeinsame Verwalter befugt und verpflichtet sei, alle Maßnahmen zu treffen, die zur Erhaltung und Verwaltung des gemeinsamen Gutes dienten, er insofern direkter Stellvertreter aller Wohnungseigentümer sei (wobl 2002/100), hielt es das Berufungsgericht für sachgerecht, eine Eigentümergemeinschaft dann für einen Wasserrohrbruch haften zu lassen, wenn, wie behauptet, wiederholt Wasserrohrbrüche wegen altersbedingt schadhafter Bleirohre entstanden seien. Weil das Erstgericht bereits aufgrund der Klagsangaben eine Abweisung der Klage vorgenommen habe, bestünden entsprechende Feststellungsmängel, die im fortgesetzten Verfahren durch Durchführung eines Beweisverfahrens zu beseitigen seien. Das Berufungsgericht erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil zu Fragen der Haftung der Eigentümergemeinschaft im Zusammenhang mit Wasserrohrbrüchen noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten, der aus dem vom Berufungsgericht bezeichneten Grund zulässig ist. Er ist jedoch nicht berechtigt.

Der von Mit- oder Wohnungseigentümern einer Liegenschaft bestellte gemeinsame Verwalter ist befugt und verpflichtet, alle Maßnahmen zu setzen, die der Erhaltung und Verwaltung des gemeinsamen Gutes dienen. Insofern ist er direkter Stellvertreter aller Wohnungseigentümer (2 Ob 6, 7/96 = immolex 1998/74). Wie jede Verwaltungshandlung ist auch die Unterlassung von Verwaltungshandlungen der Eigentümergemeinschaft zuzurechnen. Der Hausverwalter ist jedenfalls Machthaber der Gemeinschaft, weshalb diese mit ihrem Vermögen für den Ersatz von Schäden aus (mit der Verwaltung zusammenhängenden) Delikten ihres Verwalters haftet (5 Ob 291/01g = wobl 2002/100 [Call]; 5 Ob 173/02f = SZ 2002/116 = wobl 2003/34 [Call]). Eine Beschränkung der Haftung auf Fälle des § 1315 ABGB, also darauf, dass sich die Eigentümergemeinschaft eines untüchtigen Besorgungsgehilfen bedient hätte, kommt in einem solchen Fall nicht in Betracht (vgl wobl 2002/100).

Die Haftung der Eigentümergemeinschaft ihren Mitgliedern gegenüber für die Verletzung der ihr im Rahmen der Verwaltung obliegenden Pflichten ist hingegen, weil keine Vertragsbeziehung zwischen den einzelnen Wohnungseigentümern und der Eigentümergemeinschaft besteht, nicht auf Vertrag zu gründen (RIS-Justiz RS0114886). Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits ausgesprochen, dass die Verpflichtung zur Erhaltung des Gebäudes und die Abwendung der Gefahren iSd § 1319 ABGB Verwaltungsangelegenheiten sind, für deren Unterlassung die Eigentümergemeinschaft deliktisch zu haften hat (wobl 2002/100). Auch für die im Rahmen der Verwaltung der Eigentümergemeinschaft obliegenden Wegsicherungspflichten hat sie deliktisch einzustehen (SZ 2002/116). Weiters ist durch höchstgerichtliche Rechtsprechung geklärt, dass „Halter" eines im Wohnungseigentum stehenden Gebäudes iSd § 1319 ABGB die Eigentümergemeinschaft ist, und zwar als diejenige, der die Verfügungsgewalt über das Gebäude zusteht und deshalb in der Lage ist, eine Gefahr durch erforderliche Vorkehrungen rechtzeitig abzuwenden, wozu sie durch ihre Beziehung zu dem Gebäude oder Werk auch verpflichtet ist (RIS-Justiz RS0010100 [T20]). Es ist daher nur folgerichtig, die Eigentümergemeinschaft eines im Wohnungseigentum stehenden Gebäudes für in allgemeinen Teilen der Liegenschaft (und nicht in einzelnen Wohnungseigentumsobjekten) gefährlich verwahrtes Wasser analog § 1318 ABGB haftbar zu machen (vgl Reischauer in Rummel³ Rz 10 zu § 1318 ABGB; Rz 4 letzter Absatz zu § 1319 ABGB). Dann ist aber, wie das Erstgericht zutreffend darstellte, zu beurteilen, ob eine haftungsbegründende Gefahr vorliegt, was dann anzunehmen ist, wenn eine nach allgemeiner Lebenserfahrung und den Lebensgewohnheiten kalkulierbare Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts bestanden hat. Bei einem Wasserschaden kommt es darauf an, ob Umstände vorliegen, als deren Folge der Eintritt eines Wasserschadens ohne Weiteres verständlich erscheint (RIS-Justiz RS0029761 [T7]; MietSlg 37.200 ua). Die Klägerin hat dazu vorgebracht, dass das gegenständliche Haus bereits über 35 Jahre alt sei und schon vor dem gegenständlichen Vorfall monatlich Wasserschäden nach Rohrbrüchen, die auf die zwischenzeitig altersbedingt zerfressenen und ausgebrochenen Bleiabflussrohre zurückzuführen seien, aufgetreten seien. Das Erstgericht hat dem entgegengehalten, dass nach ständiger Rechtsprechung auch das wiederholte Auftreten von Rohrbrüchen aufgrund einer Überalterung des Leitungssystems im gesamten Haus das Wasser noch nicht als gefährlich aufbewahrte Sache ansehen lasse (MietSlg 37.200; RIS-Justiz RS0029837). Das Berufungsgericht hat zu dieser Frage nicht Stellung bezogen.

Die Rechtsprechung, wonach die Überalterung des Leitungssystems im ganzen Haus das Wasser nicht zu einer gefährlich verwahrten Sache mache, wird zu Recht von der Lehre kritisiert (vgl Reischauer in Rummel³ Rz 10 zu § 1318 ABGB; Kerschner/Bydlinski, Fälle und Lösungen zum Bürgerlichen Recht4 [2002] 149; Koziol, Haftpflichtrecht² II 391 FN 27). Den dazu vorgetragenen Argumenten tritt der erkennende Senat bei. Das Wesen der Überalterung eines Leitungssystems besteht in der Gefahr der mangelnden Dichtheit, die sich in wiederholten Rohrbrüchen manifestiert. Können diese wiederholten Rohrbrüche auf dieselben Ursachen zurückgeführt werden, so können diese mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nach allgemeiner Lebenserfahrung auf die Gefahr neuerlicher Wasseraustritte hinweisen, wobei es nicht darauf ankommt, dass der Haftpflichtige die Gefahr in entschuldbarer Weise nicht erkannt hat. Die Haftung nach § 1318 ABGB setzt nämlich ein Verschulden nicht voraus (MietSlg 37.200 mwN). Ob eine haftungsbegründende Gefahr vorliegt, ist vielmehr objektiv zu beurteilen (RIS-Justiz RS0029761).

Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes hat also die Klägerin besondere Umstände behauptet, die im Fall ihrer Erweislichkeit den Eintritt des hier zu beurteilenden Wasserschadens wahrscheinlich machten. Vor allem ist dabei das Augenmerk darauf zu legen, ob die behaupteten wiederholten Wasserschäden stets auf dieselben Schadensursachen zurückzuführen waren, die dem System insgesamt anhafteten. Insofern sind die Haftungsvoraussetzungen nach § 1318 ABGB für die Eigentümergemeinschaft als Halterin der gesamten Anlage anders gelagert als die Voraussetzungen für die Haftung des Wohnungsinhabers nach dieser Gesetzesstelle, weil letzterem die Gefährlichkeit des nicht in seiner Verfügung stehenden Wasserleitungssystems nicht zuzurechnen wäre.

Die allfällige Haftung der Beklagten könnte sich aber auch aus allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen ergeben (§ 1295 Abs 1 ABGB). Die Klägerin hat sich darauf berufen, dass die Beklagte der ihr obliegenden Instandhaltungspflicht trotz Erkennbarkeit notwendiger Verbesserungs- und Sanierungsmaßnahmen infolge der mehrfachen und gleichgelagerten Schadensfälle nicht nachgekommen sei. Auch daraus ergäbe sich eine Haftung der Beklagten für die von ihrem Verwalter deliktisch verschuldeten Schäden aus Handlungen oder Unterlassungen im Sinn der oben dargestellten Rechtsprechung.

Dem sind noch folgende Überlegungen anzuschließen:

Die Klägerin ist selbst Mitglied der beklagten Eigentümergemeinschaft und könnte zufolge § 30 Abs 1 Z 1 WEG 2000 selbst als Minderheitseigentümerin die Durchführung von Erhaltungsarbeiten erzwingen. Inwieweit sich eine diesbezügliche Unterlassung der Klägerin anspruchsmindernd auswirkt, wird im weiteren Verfahren zu erörtern sein.

Zusammengefasst hat die Klägerin aber grundsätzlich ausreichende Sachverhaltsgrundlagen für eine Haftung der Beklagten behauptet, die eine Überprüfung durch das Erstgericht erfordern.

Aus diesem Grund erweist sich die durch das Berufungsgericht verfügte Aufhebung und Rückverweisung an die erste Instanz als zutreffend. Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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