OGH 5Ob158/24g

OGH5Ob158/24g14.11.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie den Hofrat Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr sowie den Hofrat Dr. Steger und die Hofrätin Dr. Pfurtscheller in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers D*, vertreten durch Konrad Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die Antragsgegner 1. I*, 2. Di*, 3. R*, alle vertreten durch Mag. Andreas Berchtold, Dr. Norbert Kolleritsch, Rechtsanwälte in Graz, wegen § 16 iVm § 52 Abs 1 Z 2 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 29. Juli 2024, GZ 5 R 76/24v‑39, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00158.24G.1114.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Wohnungseigentumsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Streitteile sind Miteigentümer einer Liegenschaft verbunden jeweils mit Wohnungseigentum an Wohnungen und Kfz‑Abstellplätzen. Der Antragsteller ist Wohnungseigentümer der Wohnung Top 1 samt Gartenanteil, in dem er ein Poolhaus errichtet hat.

[2] Das Erstgericht wies den Antrag, die Zustimmung der Antragsgegner zur Errichtung dieses Poolhauses im Bereich der Gartenfläche des Antragstellers zu ersetzen ebenso ab wie den Eventualantrag, die Zustimmung zur Errichtung laut einem näher bezeichneten Architektenplan zu ersetzen.

[3] Das Rekursgericht bestätigte dies mit der Maßgabe, dass es den – vom Antragsteller schon in erster Instanz präzisierten – Hauptantrag auf Zustimmung zur Errichtung des Poolhauses im Bereich der Gartenfläche des Antragstellers und seinen Eventualantrag jeweils mit der Modifikation, dass sich dieser „zur Anbringung und Ausgestaltung der Fuge ebenso wie dies gutachterlich ausgeführt wurde“ verpflichte und von der Fotovoltaikanlage Abstand nehme, abwies. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der Revisionsrekurs des Antragstellers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[5] 1. Während das Erstgericht die Sachanträge des Antragstellers mit der Begründung abgewiesen hatte, das Poolhaus beeinträchtige das äußere Erscheinungsbild der einheitlich kubisch konzipierten Wohnanlage, ging das Rekursgericht davon aus, das – ursprünglich ausreichend bestimmte – Sachantragsbegehren des Antragstellers sei durch die Modifikation, dass sich der Antragsteller zur „Anbringung und Ausgestaltung der Fuge wie gutachterlich ausgeführt“ verpflichten wollte, nicht mehr ausreichend konkret. Die Modifikation des Antrags hätte die Vorlage eines adaptierten Plans und eine genaue Beschreibung des modifizierten Bauvorhabens notwendig gemacht. Der Sachverständige habe anlässlich der Gutachtenserörterung nur ausgeführt „auch mit Dachüberständen und sogar mit einer PV‑Dachform kann ein kubisches Erscheinungsbild erzeugt werden, notwendig dafür ist jedoch eine formale Fuge zwischen den Baukörpern und der Dachfläche“ und hiezu Prinzip‑Skizzen vorgezeigt. Wie dies konkret umzusetzen wäre, welche Umbauarbeiten am (teilweise fertiggestellten) Poolhaus durchgeführt werden sollen und wie das dann konkret ausschauen würde, ergebe sich weder aus dem Vorbringen noch aus dem sonstigen Akt. Die Antragsgegner hätten unmittelbar nach Modifikation darauf hingewiesen, dass die Beurteilung eine detaillierte Planung erfordern würde.

[6] 2. Im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren sind zwar an die Bestimmtheit des Begehrens keine allzu strengen Anforderungen zu stellen (RS0070562). Allerdings hat der Antragsteller – um die vom Gericht zu treffende Entscheidung zu ermöglichen, ob die übrigen Miteigentümer einer Liegenschaft eine bestimmte Änderung im Sinn des § 16 Abs 2 WEG zu dulden und bejahendenfalls die zur Erwirkung einer allenfalls erforderlichen Baubewilligung notwendige Zustimmung zu erteilen haben – die Änderungen sowie die Art und Weise ihrer Durchführung in seinem Antrag so genau zu beschreiben, dass das Vorliegen der privatrechtlichen Voraussetzungen dieser Duldungs‑ und Zustimmungspflicht der übrigen Miteigentümer verlässlich beurteilt werden kann. Dem Antragsteller ist im Verfahren Gelegenheit zur entsprechenden Modifikation oder Vervollständigung zu geben (RS0083165). Eine Präzisierung kann etwa durch Vorlage eines konkreten Bauansuchens erfolgen (RS0083165 [T2]). Grundsätzlich könnte die Auslegung von Sachantrag und Parteivorbringen im Einzelfall aber nur dann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG aufwerfen, wenn der zweiten Instanz eine Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die der Oberste Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigieren hat (RS0042828 [T10, T25]). Auch die Frage, wie ein Vorbringen einer Partei zu beurteilen ist und auf welchen Titel sie ihren Anspruch stützt oder wie ein bestimmtes Klagebegehren und das dazu erstattete Prozessvorbringen zu verstehen ist, ist einzelfallabhängig und wirft im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage auf (RS0042828 [T24, T27]). Eine auch im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung zeigt der Revisionsrekurswerber nicht auf.

[7] 3. In der Rechtsprechung des Fachsenats wurde ein Antrag auf Duldung einer Änderung durch nachträglichen Lifteinbau mangels technischer Beschreibung bereits als nicht ausreichend bestimmt beurteilt (5 Ob 36/16d). Zu 5 Ob 173/19f (Duldung von Installationsarbeiten zur Errichtung einer Wandladestation für Elektrofahrzeuge) verwies der Senat darauf, dass die rechtsgestaltende Entscheidung über eine Änderung im Sinn des § 16 Abs 2 WEG bedingungsfeindlich ist, weil damit eine – für alle Beteiligten sofort erkennbare – Gestaltung der Rechtslage zwischen den Mit‑ und Wohnungseigentümern bewirkt werden soll.

[8] 4. Die Auffassung des Rekursgerichts, der zitierte Satz des Sachverständigen anlässlich der Gutachtenserörterung, dass ein kubisches Erscheinungsbild beim Poolhaus mittels einer formalen Fuge zwischen dem Baukörper und der Dachfläche erreicht werden könnte, reiche für ein ausreichend konkretes Antragsbegehren nicht aus, weil sich daraus – selbst unter Berücksichtigung der vom Sachverständigen vorgezeigten, aber nicht zum Akt gegebenen Prinzip‑Skizzen – nicht ausreichend ableiten lasse, von welcher konkreten Fuge in welcher konkreten Ausgestaltung dabei die Rede ist, hält sich in dem von der zitierten Rechtsprechung vorgegebenen Rahmen und ist daher nicht zu beanstanden. Zu berücksichtigen ist hier auch, dass das Poolhaus vom Antragsteller bereits errichtet wurde, sodass der Sachantrag Umbauarbeiten daran betrifft und seine Modifikation durchaus im Sinn einer – nach der zitierten Rechtsprechung unzulässigen – vom Antragsteller vorgegebenen Bedingung verstanden werden kann. Von einer im Einzelfall korrekturbedürftigen groben Fehlbeurteilung der Frage der Bestimmtheit kann daher keine Rede sein.

[9] 5. Zwar müsste das Gericht auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren, bevor es ein unbestimmtes, unschlüssiges oder widersprüchliches Begehren abweist, dessen Verbesserung anregen (vgl RS0037166) und darf eine Partei in seiner Entscheidung nicht mit seiner Rechtsansicht überraschen (RS0037300 [T53]). Die Unterlassung dieser Erörterung könnte einen Verfahrensmangel begründen. Diesfalls hätte der Rechtsmittelwerber aber darzulegen, welches zusätzliche oder andere Vorbringen er aufgrund der von ihm nicht beachteten neuen Rechtsansicht erstattet hätte; er hat die Relevanz dieses Erörterungsmangels darzulegen (vgl RS0037300 [T48]). Dies ist hier unterblieben: bloß abstrakte Erwägungen reichen nicht aus (RS0120213 [T23]).

[10] 6. Abgesehen davon, dass die Antragsgegner die mangelnde Bestimmtheit des modifizierten Begehrens hier ausdrücklich einwendeten, sodass schon das Vorliegen einer Überraschungsentscheidung fraglich scheint, lässt der Revisionsrekurs konkrete Ausführungen zur Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels (den der Antragsteller auch auf eine Verletzung der Untersuchungspflicht stützen will) vermissen; insbesondere wird nicht klar, wie – bei entsprechender Anleitung durch das Erstgericht – der Antragsteller seinen Antrag konkret modifiziert hätte, sodass die Relevanz eines – allfälligen – Mangels des Rekursverfahrens nicht ausreichend dargetan wird. Eine Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens ist daher zu verneinen.

[11] 7. Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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