European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00149.23G.1019.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin begehrte von der Beklagten den Ersatz ihrer Kosten für eine Due-Diligence-Prüfung, die sie im Vertrauen auf das Zustandekommen eines Kaufvertrags über ein Aktienpaket aufgewendet habe.
[2] Das Berufungsgericht wies die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die Klägerin mit einem jederzeitigen Abbruch der Vertragsverhandlungen habe rechnen müssen; sie selbst habe mehrfach betont, die Ergebnisse der von ihr in Auftrag gegebenen Due‑Diligence‑Prüfung vor der Abgabe verbindlicher Erklärungen ihrerseits abwarten zu wollen. Ein grundloses Abstehen vom Vertragsabschluss durch die Beklagte liege nach dem Sachverhalt nicht vor.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die dagegen von der Klägerin erhobene außerordentliche Revision zeigt keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität auf.
[4] 1. Nach ständiger Rechtsprechung bestehen zwar Warn- und Aufklärungspflichten, wenn erkennbar ist, dass der Verhandlungspartner im Vertrauen auf eine abgegebene Erklärung sich anschickt, selbst Verbindlichkeiten einzugehen. Die so geforderte Rücksichtnahme auf den Partner darf aber nicht zu einer vorzeitigen Bindung des Schutzpflichtigen an die Verhandlungen führen; im Verhandlungsstadium müssen die Parteien vielmehr grundsätzlich noch frei sein, die Fortsetzung der Verhandlungen zu verweigern und auch ohne nähere Angabe von Gründen vom Abschluss des Vertrags abzustehen (vgl RIS‑Justiz RS0014680). Niemand ist verpflichtet, einen Vertrag nur deshalb abzuschließen, weil er Vorverhandlungen bestimmten Inhalts geführt hat; solange der Vertrag nicht zustande gekommen ist, kann kein Partner darauf vertrauen, dass der andere den Vertrag abschließen werde, weshalb Aufwendungen im Hinblick auf den in Aussicht genommenen Vertrag grundsätzlich auf eigenes Risiko vorgenommen werden (RS0013988 [T7, T8]).
[5] 2. Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin weicht die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht von diesen Grundsätzen ab, sondern stimmt mit diesen überein: Die Parteien einigten sich auf einen bestimmten Termin als „Frist für einen verbindlichen Kaufabschluss“, wobei der Klägerin bekannt war, dass die Beklagte bis dahin auch mit anderen Kaufinteressenten weitere Gespräche führen und „gegebenenfalls auch zu einem Abschluss bringen“ würde. Die Klägerin behielt sich selbst vor, eine verbindliche Vertragserklärung erst nach Durchführung einer Due‑Diligence‑Prüfung abzugeben. Diese war aber bis zum vereinbarten Termin für einen verbindlichen Kaufabschluss, an dem die Beklagte schließlich das Aktienpaket an eine dritte Interessentin verkaufte, nicht beendet. Die Beklagte war an einem möglichst raschen Vertragsabschluss interessiert, was der Klägerin bekannt war. Das Berufungsgericht verwies auch darauf, dass die Klägerin die nun ersatzweise geltend gemachten Aufwendungen getätigt habe, um für sich die möglichen Risiken abzuklären, und nicht erst anlässlich eines besonderen, von der Beklagten gesetzten Vertrauenstatbestands. Diese Entscheidung ist entgegen der Meinung der Klägerin nicht korrekturbedürftig.
[6] 3. Auch die von der Klägerin aus den umfangreichen Feststellungen zu den einzelnen Schritten der Vertragsverhandlungen herausgegriffene Tatsache, dass die Streitteile eine „aus einem Muster“ stammende Klausel, laut der für keine Partei die Verpflichtung zum Vertragsabschluss entstehe, nicht besprachen und dieser „keine Bedeutung“ zugemessen hätten, ist nicht geeignet, eine unrichtige rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts aufzuzeigen. Unabhängig davon, ob man diese Bestimmung in der von beiden Parteien unterzeichneten „Vertraulichkeits- und Nichtumgehungsvereinbarung“ als von der Einigung umfasst ansieht oder nicht, ergibt sich aus den sonstigen festgestellten Umständen, dass beide Parteien noch keinen Bindungswillen für einen Kaufvertragsabschluss erklärt hatten, bevor die Klägerin den nun von der Beklagten ersatzweise begehrten Aufwand tätigte. Die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten für den von der Klägerin geltend gemachten Vertrauensschaden sind daher nicht erfüllt.
[7] 4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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