OGH 5Ob145/20i

OGH5Ob145/20i12.8.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. P* GmbH, 2. S* GmbH, *, vertreten durch die Thurnher Wittwer Pfefferkorn & Partner Rechtsanwälte GmbH, Dornbirn, wegen Eintragungen in EZZ * und * KG *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 23. Juni 2020, AZ 2 R 118/20y, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E129447

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Antragsteller sind Eigentümer benachbarter Liegenschaften. Sie schlossen am 19. 12. 2019 einen Vertrag, mit dem sie sich unter der Überschrift „Bauabstandsnachsicht/Baugrube“ gegenseitig eine Bauabstandsnachsicht einräumten. Danach verpflichteten sie sich wechselseitig für sich und ihre Rechtsnachfolger im Eigentum [...] zur unwiderruflichen und unentgeltlichen Zustimmung zur bescheidmäßigen Erteilung der Bauabstandsnachsicht auf 0 m entlang der Grundstücksgrenzen, sodass die gesetzlichen Mindestabstände und Abstandsflächen nicht zu wahren sind.

Unter Vorlage dieses Vertrags und weiterer Urkunden beantragten sie – soweit noch Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens – die Einverleibung der Reallast zur Erteilung der Abstandsnachsicht sowie deren Ersichtlichmachung.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, mit der es das Grundbuchsgesuch der Antragsteller in diesem Umfang abwies. Eine von Liegenschaftsnachbarn vertraglich übernommene Verpflichtung zur wechselseitigen „Erteilung einer Bauabstandsnachsicht“ sei inhaltlich eine der Baubehörde zu vermittelnde Willenserklärung. Eine solche Verpflichtung zur Abgabe einer baurechtlichen Zustimmungserklärung könne nicht Gegenstand einer Reallast sein.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller, der aber keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt und daher nicht zulässig ist.

1. Lehre und Rechtsprechung definieren die Reallast als die dinglich wirkende Belastung eines Grundstücks mit der Haftung für positive, in der Regel wiederkehrende Leistungen des jeweiligen Grundeigentümers (RIS-Justiz RS0116184; RS0012180; Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 530 Rz 4; Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht² § 12 Rz 32; Rassi Grundbuchsrecht³ Rz 4.95). Aus dem Fehlen von Vorschriften über die Beschaffenheit jener Leistungen, welche den Inhalt einer Reallast bilden können, lässt sich nicht ableiten, dass Beschränkungen jedweden Inhalts als Reallast begründet werden könnten (RS0116184 [T4]). Die Rechtsprechung schließt die Begründung neuer Reallasten zwar nicht aus, fordert aber eine Bezugnahme auf historische Vorbilder. Handelt es sich um Leistungen, die weder periodisch zu erbringen sind noch mit dem Ertrag der Liegenschaft im Zusammenhang stehen, ist eine Reallast nur dann anzunehmen, wenn ihr Versorgungszweck außer Zweifel steht (RS0128561; RS0012178 [T6]). Die Bestellung der Reallast soll nicht als Mittel verwendet werden, die im Grundbuchsrecht für das Pfandrecht gezogenen Schranken (§ 14 GBG) durch die weniger formstrengen des § 12 GBG zu umgehen (RS0012178 [T1]).

2. Aus diesen Grundsätzen hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung zu 5 Ob 218/02y abgeleitet, dass die vertragliche Verpflichtung, bestimmte, das Nachbargrundstück betreffende baurechtliche Zustimmungserklärungen abzugeben, nicht als Reallast verbüchert werden kann. Richtig ist, dass Gegenstand dieser Entscheidung Verpflichtungserklärungen betreffend die Bauordnung für Wien, nämlich gemäß § 101 Abs 3 BO für Wien künftigen und bestehenden Durchbrüchen der Feuermauer sowie gemäß § 126 Abs 1 BO für Wien der Gerüstaufstellung etc für Instandhaltungszwecke zuzustimmen, waren. Dass die im vorliegenden Fall zu beurteilende wechselweise Verpflichtung der Antragsteller nicht ident mit der zu 5 Ob 218/02y beurteilten Vertragsbestimmung ist, begründet entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerber aber keine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 62 Abs 1 AußStrG.

3.1 Dass zu einer konkreten Fallgestaltung keine ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht, bedeutet für sich genommen noch nicht, dass die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt (vgl RS0102181).

3.2 Die Antragsteller streben die Eintragung der wechselweisen Verpflichtung zur Zustimmung zur bescheidmäßigen Erteilung einer Bauabstandsnachsicht auf 0 m entlang der Grundstücksgrenze als Reallast an. Diese vertragliche Bindung zielt auf die Abgabe einer Willenserklärung in einem verwaltungsbehördlichen Bauverfahren ab und steht mit dem Ertrag der Liegenschaft in keinem Zusammenhang. Wie die Antragsteller selbst erkennen, begründet diese Verpflichtung auch keine Leistung, die periodisch zu erbringen ist, sondern hat – wie in dem zu 5 Ob 218/02y entschiedenen Fall – den Verzicht auf aus dem Nachbarrecht entspringende Ansprüche zum Gegenstand (vgl dazu Bittner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB³ [Klang] § 530 Rz 4). Damit lässt sich die von den Antragstellern für erheblich erachtete Rechtsfrage aber bereits durch Anwendung der bestehenden Rechtsprechung klären (5 Ob 123/20d; vgl RS0118640). Dass den Vorinstanzen dabei eine Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, können die Antragsteller mit ihrem Verweis auf die beabsichtigte rationelle Verbauung der Liegenschaften nicht aufzeigen.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte