Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
In der gegenständlichen Mietrechtssache, deren Erledigung in der Hauptsache - der Durchsetzung der Erhaltungspflicht des Vermieters - noch aussteht, hat das Rekursgericht die Anrufung des Obersten Gerichtshofes zur Klärung der Rechtsfrage zugelassen, ob der Mieter (Antragsteller) in einem gerichtsanhängig gewordenen Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 2 MRG (es geht im Wesentlichen um die Entfeuchtung des Mietobjektes sowie die Sanierung bzw Erneuerung von Fenstern und einer Tür) einen Antrag auf Zuspruch einer nach § 8 Abs 3 MRG iVm § 37 Abs 1 Z 5 MRG stellen kann, ohne vorher die im Gerichtssprengel vorhandene Schlichtungsstelle angerufen zu haben. Dazu releviert der Antragsteller im jetzt vorliegenden Revisionsrekurs auch noch die Frage der Verfassungskonformität der §§ 39 und 40 MRG (insbesondere des § 39 Abs 1 MRG) im Hinblick auf den Gleichheitssatz des Art 7
B-VG.
Das Rekursgericht, das (neben hier nicht relevanten anderen Entscheidungen) die erstinstanzliche Zurückweisung des Entschädigungsbegehrens bestätigte, führte dazu im Wesentlichen aus:
Zur Notwendigkeit, die Schlichtungsstelle mit der begehrten Entschädigung zu befassen:
Anträge des Mieters auf Zuerkennung einer angemessenen Entschädigung nach § 8 Abs 3 MRG müssten mit solchen auf Durchsetzung von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten in keinem inneren Zusammenhang stehen. Liege ein solcher Zusammenhang ausnahmsweise doch vor, rechtfertige dieser Umstand es noch nicht, beide Verfahren als Einheit anzusehen und bei Gericht zu einem Antrag nach §§ 3 und 6 MRG auch einen Entschädigungsantrag nach § 8 Abs 3 MRG ohne vorherige Einschaltung der Schlichtungsstelle zuzulassen oder umgekehrt. Ob im Einzelfall die vorgelagerte Schlichtungsstelle ihren Zweck, Verfahren zu schlichten, erfüllen kann, sei für die Beantwortung der Frage, ob sie vorweg anzurufen ist oder nicht, nicht entscheidend.
Zur Verfassungskonformität der §§ 39 und 40 MRG:
Es bestehe kein Anlass, die §§ 39 und 40 MRG auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüfen zu lassen. Das Argument des Antragstellers, dass sie gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen, weil die im Mietrechtsverfahren vorgesehene sukzessive Zuständigkeit die Bundesbürger in eine Zweiklassengesellschaft spalte, da einige einen unmittelbaren Zugang zu Gericht hätten, andere jedoch die Schlichtungsstelle anrufen müssten, was einerseits die Gefahr einer Verzögerung bei der Herbeiführung einer vollstreckbaren Entscheidung und der mangelnden Durchsetzbarkeit wegen zwischenzeitiger Insolvenz des Schuldners heraufbeschwöre, andererseits zu einer Art Eventualmaxime führe, weil die bei der Schlichtungsstelle eingebrachten Anträge bei Gericht nicht geändert oder erweitert werden dürfen, sei nicht stichhältig. Abgesehen davon, dass der Gleichheitsgrundsatz sachlich gerechtfertigte Differenzierungen, also solche, die nach objektiven Unterscheidungsmerkmalen erfolgen, zulasse und die Anzahl der in den Gemeinden mit einer Schlichtungsstelle anfallenden Verfahren nach § 37 Abs 1 MRG eine solche Differenzierung darstelle, sei in Wahrheit kein Bürger, dessen Bestandobjekt in einer über die Schlichtungsstelle verfügenden Gemeinde liegt, schlechter gestellt als einer, bei dem dies nicht der Fall ist. Die vom Gesetzgeber in § 40 Abs 2 MRG bestimmte Mindestzeit der Anhängigkeit bei der Schlichtungsstelle (drei Monate) vor Anrufung des Gerichtes sei nämlich keineswegs zwingend als Zeitvergeudung anzusehen; in vielen Fällen werde die Sache von der Schlichtungsstelle geschlichtet oder entschieden. Dass nach der Judikatur ein bei der Schlichtungsstelle gestellter Antrag bei Gericht nicht mehr geändert, erweitert oder präzisiert werden darf, mache die Bestimmungen der §§ 39 und 40 MRG ebenfalls nicht verfassungswidrig, weil der Gesetzestext über diese Frage gar keine Aussage treffe. Nur gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßende Gesetze und nicht deren allenfalls gleichheitswidrige Auslegung durch Gerichte könnte aber überhaupt Gegenstand einer Gesetzesprüfung nach Art 140 Abs 1 BVG sein. Sweit der Antragsteller noch damit argumentiere, dass keinerlei sachliche Rechtfertigung dafür vorliege, gewisse Ansprüche aus dem Bestandverhältnis in das streitige Verfahren, andere hingegen in das außerstreitige Verfahren zu verweisen, sie ihm entgegen zu halten, dass auch in der Verweisung der gegenständlichen Rechtssache in das außerstreitige Mietrechtsverfahren keine unsachliche Benachteiligung des Rekurswerbers erblickt werden könne, weil für dieses Verfahren in weitem Umfang ohnedies die Grundsätze des streitigen Verfahrens anzuwenden seien und keine Minderung des Rechtsschutzes im außerstreitigen Verfahren gegenüber dem streitigen Verfahren zu erkennen sei.
Rechtliche Beurteilung
In seinem Revisionsrekurs beharrt der Antragsteller im Wesentlichen mit den bereits bekannten Argumenten auf dem Rechtsstandpunkt, § 39 Abs 1 MRG stehe im Anlassfall der Geltendmachung seines Entschädigungsbegehrens bei Gericht nicht entgegen und die Regelung der §§ 39 und 40 MRG sei überhaupt gleichheitswidrig. Sein Revisionsrekursantrag geht primär dahin, die Zurückweisung seines Entschädigungsbegehrens zu beseitigen und ihm vollinhaltlich stattzugeben; hilfsweise hat er auch einen Aufhebungsantrag gestellt. Schließlich begehrt er noch den Zuspruch von Vertretungskosten, obwohl er bereits auf die Bestimmung des § 37 Abs 3 Z 19 erster Halbsatz MRG hingewiesen wurde. Auf dieses Kostenersatzbegehren ist aber ohnehin nicht einzugehen, weil der Rekurs aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zwar zulässig ist, aber inhaltlich erfolglos bleiben muss.
Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass der erkennende Senat die Rechtsausführungen des Rekursgerichtes zu beiden strittigen Fragen als zutreffend erachtet, weshalb gemäß § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm §§ 510 Abs 3 Satz 2, 528a ZPO mit einigen Zusatzbemerkungen das Auslangen gefunden werden kann.
Dass ein selbständiges, in keinem inneren Zusammenhang zu einem bereits bei Gericht anhängigen Verfahren nach § 37 Abs 1 MRG (hier nach der Z 2 leg cit) stehendes Entschädigungsbegehren nach § 8 Abs 3 MRG zunächst bei der Schlichtungsstelle geltend gemacht werden muss, falls man der Anordnung des § 39 Abs 1 MRG nicht aus verfassungsrechtlichen Erwägungen die Geltung versagt, bestreitet auch der Rechtsmittelwerber nicht (ON 21, 4 unten f). Zur Bekräftigung dieser Rechtsansicht genügt daher der Hinweis, dass der Gesetzgeber für die hier bereits gerichtsanhängige Angelegenheit der Durchsetzung der Erhaltungspflicht des Vermieters und die Entschädigung des Mieters nach § 8 Abs 3 MRG für Beeinträchtigungen, die er anlässlich von erzwingbaren Arbeiten hinzunehmen hat, jeweils eigene Anträge und Verfahren vorgesehen hat (§ 37 Abs 1 Z 2 MRG einerseits und Z 5 leg cit andererseits). Der Rechtsmittelwerber meint jedoch, dass häufig - so auch im gegenständlichen Fall - ein innerer Zusammenhang zwischen den vom Vermieter in einem Verfahren nach § 6 MRG (§ 37 Abs 1 Z 2 MRG) verlangten Erhaltungsarbeiten und einem Entschädigungsanspruch des Mieters nach § 8 Abs 3 MRG (§ 37 Abs 1 Z 5 MRG) bestehe, was quasi die Verbindung der beiden Verfahren rechtfertige. Dass deshalb bei einem gerichtsanhängigen Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 2 MRG das Erfordernis der vorherigen Anrufung der Schlichtungsstelle nach § 39 Abs 1 MRG für ein Entschädigungsbegehren des Mieters nach § 8 Abs 3 MRG entfiele, lässt sich jedoch nicht mit den einschlägigen Gesetzesbestimmungen vereinbaren. Der Zusammenhang, den der Rechtsmittelwerber meint, ist tatsächlicher, eher zufälliger Natur. Von einem inneren Zusammenhang mehrerer ins außerstreitige Verfahren verwiesener Begehren kann jedoch nur dann gesprochen werden, wenn ihn der Gesetzgeber selbst herstellte, indem er sie gemeinsam in eines der Verfahren nach § 37 Abs 1 MRG verwies (so etwa die Durchsetzung der Duldungspflicht des Mieters und dessen daraus resultierenden Entschädigungsanspruch in Z 5 leg cit) oder die Verbindung verschiedener Verfahren anordnete (etwa in § 6 Abs 4 MRG). In solchen Fällen erübrigt sich in bereits gerichtsanhängigen Verfahren die Anrufung der Schlichtungsstelle für zusammenhängige Begehren, weil gemäß § 39 Abs 1 MRG in Gemeinden, die eine Schlichtungsstelle haben, die "Sache" vorher bei der Schlichtungsstelle anhängig gemacht werden muss und nicht jeder einzelne der "Sache" zuzuordnende Antrag. Bei Angelegenheiten, die verschiedenen Kompetenztatbeständen des § 37 Abs 1 MRG zuzuordnen sind (hier Z 2 bzw Z 5 leg cit), handelt es sich aber um verschiedene Sachen, für die demnach die zwingende Prozessvoraussetzung der vorherigen Anrufung der Schlichtungsstelle uneingeschränkt gilt. Gegen diese Rechtsansicht lässt sich auch nicht das im Revisionsrekurs vorgetragene Argument ins Treffen führen, die Judikatur - etwa 5 Ob 132/91 - lasse in gerichtsanhängigen Mietrechtsverfahren selbständige Zwischenfeststellungsanträge ohne vorherige Anrufung der Schlichtungsstelle zu. Für sie ist der innere Zusammenhang mit der bereits gerichtsanhängigen Sache durch die Verweisungsnorm des § 37 Abs 3 Z 13 MRG und außerdem noch dadurch hergestellt, dass die begehrte Feststellung für die Entscheidung in der Hauptsache präjudiziell sein muss (vgl Rechberger/Frauenberger in Rechberger2, Rz 5 zu § 236 ZPO). Der Zwischenfeststellungsantrag lässt sich daher mit einem ein Verfahren nach § 37 Abs 1 MRG einleitenden Sachantrag nicht vergleichen; er dient nur der rechtskraftfähigen Lösung einer Vorfrage.
Was die vom Rechtsmittelwerber in Frage gestellte Verfassungskonformität der §§ 39, 40 MRG betrifft, hat schon das Rekursgericht die auf Art 7 B-VG gestützten Argumente als nicht zielführend erkannt und sie auch nicht für eine Anrufung des Obersten Gerichtshofes tauglich befunden. Dem ist zu folgen (vgl NZ 1992, 277/245, wonach keine die Anrufung des Obersten Gerichtshofes rechtfertigende Rechtsfrage vorliegt, wenn der Oberste Gerichtshof die verfassungsrechtlichen Bedenken des Rechtsmittelwerbers nicht teilt). Der Rechtsmittelwerber übersieht, dass bei der Beurteilung, ob eine gesetzliche Regelung zu unsachgemäßen und damit gleichheitswidrigen Differenzierungen führt, eine Durchschnittsbetrachtung anzustellen ist (RIS-Justiz RS0053509, RS0054009 ua). Unter diesem Aspekt sind die ins Treffen geführten Härtefälle zu vernachlässigen. IdR ist es gerichtsbekanntermaßen so, dass die Vorschaltung der Schlichtungsstelle zu einer erheblichen Gerichtsentlastung beiträgt, weil dort ein Großteil der Rechtsschutzanträge erledigt wird, was wiederum die Rechtsdurchsetzung erleichtert und beschleunigt. Die Begrenzung der möglichen Verzögerung auf 3 Monate (§ 40 Abs 2 MRG) tut ein Übriges, um unzumutbare Härtefälle zu vermeiden. Unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes bestehen daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die §§ 39 und 40 MRG.
Aus diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.
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