OGH 5Ob136/23w

OGH5Ob136/23w24.8.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerinnen 1. r* GmbH, *, vertreten durch Gheneff‑Rami‑Sommer Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Klagenfurt am Wörthersee, 2. R* GmbH, *, wegen Grundbuchshandlungen ob der Liegenschaft EZ * KG *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Erstantragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 14. Juni 2023, AZ 3 R 109/23y, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom 14. März 2023, TZ 1136/2023, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00136.23W.0824.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Grundbuchsrecht

 

Spruch:

Aus Anlass des außerordentlichen Revisionsrekurses wird der Beschluss des Rekursgerichts insoweit als nichtig aufgehoben, als dieses über den von der Erstantragstellerin erhobenen Rekurs meritorisch entschieden hat.

Der Rekurs der Erstantragstellerin wird als unzulässig zurückgewiesen.

Die Erstantragstellerin hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Die Erstantragstellerin ist Miteigentümerin einer Liegenschaft verbunden mit Wohnungseigentum an einer Wohnung und einem Kfz‑Abstellplatz.

[2] Am 14. März 2023 begehrten die Antragstellerinnen, beide vertreten durch Rechtsanwalt D*, die Einverleibung des Pfandrechts über 218.623 EUR sA für die Zweitantragstellerin ob der Miteigentumsanteile der Erstantragstellerin. Sie legten dazu die Schuldanerkenntnis‑ und Pfandurkunde samt vollstreckbarem Notariatsakt vom 9. März 2023 vor. Unterfertigt war die Bewilligungsurkunde für beide Antragstellerinnen von R*, der damals – auch nach der protokollierten Firmenbucheinsicht des Notars – selbständig zeichnungs‑ und vertretungsbefugter Geschäftsführer beider Antragstellerinnen war.

[3] Das Erstgericht bewilligte die Pfandrechtseinverleibung antragsgemäß.

[4] Das Rekursgericht gab dem dagegen gerichteten Rekurs der Erstantragstellerin nicht Folge. Die erstmals im Rekurs vorgebrachten Umstände zur Abberufung des Geschäftsführers der Erstantragstellerin widersprächen dem Neuerungsverbot. Mangels konkreter Zweifel an der Befugnis des in den Urkunden aufscheinenden Geschäftsführers beider Antragstellerinnen sei das Grundbuchsgericht nicht zu weitergehenden Prüfungen verpflichtet gewesen. Bedenken gegen die Vertretungsbefugnis des das Gesuch einbringenden Rechtsanwalts bestünden nicht.

[5] Den Entscheidungsgegenstand bewertete das Rekursgericht mit 30.000 EUR übersteigend. Den Revisionsrekurs ließ es nicht zu.

[6] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Erstantragstellerin, in dem sie eine ersatzlose Behebung des Einverleibungsbeschlusses, hilfsweise die Abweisung des Einverleibungsbegehrens oder die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

[7] Aus Anlass dieses Revisionsrekurses ist ein der Nichtigkeit gleichkommender schwerwiegender Verfahrensmangel aufzugreifen und der Rekurs der Erstantragstellerin zurückzuweisen.

[8] 1. In ihren bücherlichen Rechten beeinträchtigte Personen sind zur Anfechtung von Grundbuchsbeschlüssen dann legitimiert, wenn ihrem Antrag nicht oder doch nicht vollständig stattgegeben wurde (RIS‑Justiz RS0006491 [T4]; Rassi, Grundbuchsrecht3 Rz 5.118). Unabhängig von der Frage nach ihrer materiell‑rechtlichen Beschwer erfordert eine Rechtsmittelzulässigkeit jedenfalls die formelle Beschwer (5 Ob 130/11w; 5 Ob 222/18k), die als besondere Ausprägung des Rechtsschutzinteresses in höherer Instanz dann nicht vorliegt, wenn dem Antrag zur Gänze stattgegeben wurde (RS0006587; RS0006491 [T3, T4]; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 122 Rz 55 mwN). Anderes würde nur dann gelten, wenn im Rechtsmittel geltend gemacht wird, dass der Antrag mangels Vollmacht in Wahrheit gar nicht gestellt worden sei. Ergibt sich in einem solchen Fall der Vollmachtsmangel bereits aus dem Gesuch oder den mit diesem vorgelegten Urkunden, scheitert dessen Geltendmachung auch nicht am Neuerungsverbot des § 122 Abs 2 GBG (5 Ob 222/18k; vgl 5 Ob 48/17w; RS0060604 [T7]; Kodek aaO § 122 GBG Rz 70).

[9] 2. Der hier im Grundbuchverfahren für beide Antragstellerinnen einschreitende Rechtsanwalt hat sich gemäß § 30 Abs 2 ZPO und § 77 Abs 1 und 2 GBG auf die ihm erteilte Vollmacht berufen und damit auf seine für die konkrete Eintragung erforderliche (RS0122969) besondere Vollmacht hingewiesen. Ein schriftlicher Vollmachtsnachweis war nicht erforderlich (RS0035804). Weder im Rekurs noch im außerordentlichen Revisionsrekurs behauptete die Erstantragstellerin, der auch in ihrem Namen einschreitende Rechtsanwalt hätte keine Vollmacht gehabt und sie hätte den vom Erstgericht bewilligten Antrag gar nicht gestellt. Ein Vollmachtsmangel des in erster Instanz für die Antragstellerinnen einschreitenden Rechtsanwalts ergab sich auch weder aus dem Gesuch noch aus den mit diesem vorgelegten Urkunden.

[10] 3. Damit fehlte es der Erstantragstellerin an der formellen Beschwer, die Zulässigkeitvoraussetzung für ihren Rekurs war. Entscheidet aber ein Gericht zweiter Instanz über einen wegen fehlender Rekurslegitimation (oder Mangel der Beschwer) unzulässigen Rekurs nicht formal im Sinn dessen Zurückweisung, sondern inhaltlich, so ist der – dann zur Hauptfrage werdende – Mangel der funktionellen Zuständigkeit für eine solche Erledigung vom Obersten Gerichtshof aus Anlass des gegen eine unzulässige Sachentscheidung erhobenen Revisionsrekurses als Nichtigkeit, die immer eine erhebliche Rechtsfrage aufwirft, wahrzunehmen; als Folge dessen ist der unzulässige Rekurs gegen den Beschluss erster Instanz zurückzuweisen (RS0115201 [T4]; RS0121264; RS0042059). Dieser allgemeine Verfahrensgrundsatz gilt auch für eine vom Obersten Gerichtshof im Grundbuchverfahren zu treffende Entscheidung (5 Ob 132/10p).

[11] 4. Aus Anlass des Revisionsrekurses war daher der unzulässige Rekurs der Erstantragstellerin zurückzuweisen, ohne auf ihre inhaltliche Argumentation einzugehen.

[12] 5. Ein Kostenersatz für den – im Übrigen erfolglosen – Revisionsrekurs kommt im Grundbuchverfahren nicht in Betracht (RS0035961).

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