Spruch:
Die vorläufige Aufkündigung von Generalpachtverträgen i. S. des § 1114 ABGB. ist an die Kündigungsgrunde des § 6 (2) KleingartenG. gebunden.
Entscheidung vom 27. September 1962, 5 Ob 133/62.
I. Instanz: Bezirksgericht Hernals; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Die klagende Partei hat der beklagten Partei mit einem Pachtvertrag vom 3. März 1942 mehrere Grundparzellen in der KG. O. zum Zwecke der kleingärtnerischen Nutzung und Weiterverpachtung nach Maßgabe der damals in Geltung gestandenen Kleingarten- und Kleinpachtlandordnung vom 31. Juli 1919, LGBl. für Österreich, 77. Stück, 375. Kundm., sowie der dazu ergangenen Ausführungsbestimmungen mit Wirkung vom 1. Jänner 1942 auf die Dauer von 20 Jahren verpachtet. Nach Punkt II des Vertrages verlängert sich jedoch das Pachtverhältnis jeweils um fünf Jahre, wenn keine der Vertragsparteien sechs Monate vor Ablauf der Pachtzeit dieses Übereinkommen aufkundigt. Die klagende Partei strebt mit der am 22. Juni 1961 eingebrachten gerichtlichen Aufkündigung, die der beklagten Partei am 26. Juni 1961 zugestellt wurde, die Auflösung des Generalpachtvertrages zum 31. Dezember wegen Ablaufes der vertragsmäßigen 20jährigen Dauer an.
Beide Unterinstanzen hoben die Kündigung auf.
Das Erstgericht schloß sich der vom Obersten Gerichtshof in den Entscheidungen 1 Ob 167/61 und 1 Ob 224/61 (weiter in 1 Ob 222/61, 7 Ob 72/62 und 8 Ob 93/62) vertretenen Rechtsansicht an, auch alte, vor dem Kleingartengesetz (vom 16. Dezember 1958, BGBl. Nr. 6/1959) abgeschlossene Generalpachtverträge können nach dem jetzt geltenden Recht nicht wegen Ablaufes der Zeit aufgekundigt werden.
Das Berufungsgericht schloß sich den von der klagenden Partei gegen diese Ansicht geltend gemachten Bedenken an, bestätigte aber das angefochtene Urteil mit der Begründung, der durch Zeitablauf endende Pachtvertrag vom 3. März 1942 gelte auf Grund des § 1 (1) zweiter Satz der Verordnung über Kündigungsschutz und andere kleingartenrechtliche Vorschriften vom 15. Dezember 1944 (RGBl. I, S. 347) als auf unbestimmte Zeit verlängert. Diese gesetzliche Änderung des Vertragsinhaltes sei durch die Außerkraftsetzung dieser Verordnung nicht beseitigt worden. Pachtverträge auf unbestimmte Zeit können nur aus den im § 6 (2) KleingartenG. 1958 angeführten Gründen, nicht aber wegen Zeitablaufes aufgekundigt werden. Das Berufungsgericht sprach aus, der Wert des Streitgegenstandes übersteige 10.000 S.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die klagende Partei rügt mit Recht, daß das Berufungsgericht eine Verordnung anwandte, die mit § 22 KleingartenG. 1958 ausdrücklich außer Kraft gesetzt wurde. Gesetze gelten nach § 9 ABGB. nur so lange, bis sie vom Gesetzgeber abgeändert oder aufgehoben werden. Bei einer Gesetzesänderung sind Dauertatbestände nach dem neuen Gesetz zu beurteilen, soweit sie in dessen Geltungszeitraum hinüberreichen (vgl. VwGH, 21. November 1956, JBl. 1957, S. 426). Die Regel der Verordnung 1944, durch Zeitablauf endende Pachtverträge gelten als auf unbestimmte Zeit verlängert, ist daher nicht mehr anwendbar. Maßgebend ist allein die Rechtslage auf Grund der derzeit in Kraft stehenden Gesetze.
Die Argumente des Berufungsgerichtes halten gegenüber der in den erwähnten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes ausgesprochenen Rechtsmeinung nicht stand. Es ist richtig, daß es Bestandverträge gibt, die durch den bedungenen Verlauf der Zeit erlöschen, ohne daß es behufs Auflösung des Vertrages oder Verhinderung seiner stillschweigenden Erneuerung einer Aufkündigung bedarf, und solche, die zwar auf bestimmte Zeit abgeschlossen werden, vereinbarungsgemäß aber mangels rechtzeitiger Aufkündigung als stillschweigend erneuert zu gelten haben. Mit jenen befassen sich die Bestimmungen der §§ 1113 ABGB., 569 ZPO. und 23 MietG., mit diesen die Bestimmungen der §§ 1114 ABGB. und 20 MietG. (Klang[2] V, S. 103), unterscheidet demnach Bestandverträge mit unbedingtem und mit bedingtem Endtermin und fügt bei, begrifflich müßte bei diesen die Kündigung den Grund der Beendigung, nicht aber ihre Unterlassung den Grund der Fortdauer des Vertragsverhältnisses darstellen, doch mache das Gesetz diesen Unterschied nicht, was mit dem Widerspruch zwischen den §§ 1113 und 1116 ABGB. zusammenhängt, und es lasse sich sagen, unter der stillschweigenden Erneuerung im Sinne des § 1114 ABGB. sei die stillschweigende Verlängerung der Mindestdauer durch Unterlassung der Aufkündigung zu verstehen (so auch Ehrenzweig[2] 2/I, S. 469).
Die Frage, ob Bestandverträge mit bedingtem Endtermin als auf bestimmte oder auf unbestimmte Zeit abgeschlossen zu gelten haben, kann in jedem dieser Sinne beantwortet werden, je nachdem, ob die Bedingung positiv oder negativ ausgedrückt wird. Es macht in der Sache keinen Unterschied, ob man sagt, der Vertrag sei unter der Bedingung der Aufkündigung auf bestimmte Zeit abgeschlossen worden oder der Vertrag sei unter der Bedingung der Unterlassung der Aufkündigung auf unbestimmte Zeit - oder wie hier auf einen weiteren bestimmten Zeitraum - abgeschlossen worden. Die Unterscheidung zwischen der bejahenden und der verneinenden Bedingung ist eben ohne wesentliche Bedeutung (Klang[2] III, S. 651). Folgt man der oben wiedergegebenen Definition bei Ehrenzweig und Klang, die Unterlassung der Aufkündigung sei Bedingung für die stillschweigende Fortsetzung des Bestandvertrages, wäre es richtig, von einem bedingt auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Bestandvertrag zu sprechen. Maßgebend ist jedoch, wie das im einzelnen Fall anzuwendende Gesetz die Frage regelt.
Anders als das Mietengesetz erwähnt das KleingartenG. 1958 Pachtverträge mit bedingtem und unbedingtem Endtermin nicht. Es unterscheidet nur zwischen Pachtverträgen auf bestimmte und unbestimmte Zeit und erklärt auch jene für zulässig, wenn die Vertragsdauer mindestens 10 Jahre beträgt. Wird eine kürzere Vertragsdauer vereinbart, gelten sie als auf 10 Jahre abgeschlossen (§ 2). Nach § 6 (6) gelten Generalpachtverträge, die auf bestimmte Zeit abgeschlossen sind, bei Zutreffen der im § 569 ZPO. angeführten Voraussetzungen als auf unbestimmte Zeit verlängert. Mit dieser Bestimmung soll nach Nr. 592 der Beilagen VIII. GP. sichergestellt werden, daß Generalpachtverträge, die auf bestimmte Zeit abgeschlossen worden sind und infolge Weiterbenützung des Grundstückes durch den Generalpächter und Duldung seitens des Verpächters als stillschweigend erneuert gelten, im Gegensatz zur Bestimmung des § 1115 ABGB. nicht bloß um ein Jahr, sondern auf unbestimmte Zeit verlängert werden. Aus dieser Bestimmung und der dazu gegebenen Erläuterung ist zu schließen, daß das KleingartenG. 1958 unter Pachtverträgen auf bestimmte Zeit nur solche mit unbedingtem Endtermin versteht, weil ausdrücklich auf § 569 ZPO. hingewiesen wird. Aus dem Wortlaute des KleingartenG. 1958 läßt sich daher für die Ansicht des Berufungsgerichtes nichts gewinnen. Vielmehr ist anzunehmen, daß das Gesetz unter den Pachtverträgen auf unbestimmte Zeit, die es den im § 6 (2) taxativ aufgezählten Kündigungsgrunden unterwirft, auch solche versteht, die unter einer Bedingung auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurden. Ist man aber der Ansicht, daß hinsichtlich der nicht ausdrücklich erwähnten Pachtverträge mit bedingtem Endtermin eine Gesetzeslücke besteht, wäre sie gemäß § 7 ABGB. im Wege der Analogie auszufüllen und auf § 20 MietG. Rücksicht zu nehmen, wonach die Kündigungsbeschränkungen auch Anwendung zu linden haben, wenn ein Mietvertrag zwar auf bestimmte Zeit abgeschlossen wurde, vereinbarungsgemäß aber mangels rechtzeitiger Kündigung oder ähnlicher Parteierklärung als stillschweigend erneuert zu gelten hat. Die analoge Anwendung des Mietengesetzes ist gerechtfertigt, weil das Kleingartenrecht diesem nachgebildet ist, den gleichen Zweck verfolgt und zahlreiche Bestimmungen sogar wörtlich übernimmt. Sofern die Voraussetzungen für den Ähnlichkeitsschluß gegeben sind, können auch Ausnahmsvorschriften ohneweiters angewandt werden (Klang[2] I, S. 104 f.). Es ist daher daran festzuhalten, daß auch nach dem jetzt geltenden Recht die vorläufige Aufkündigung von Generalpachtverträgen im Sinne des § 1114 ABGB. an die Kündigungsgrunde des § 6 (2) KleingartenG. gebunden ist.
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