OGH 5Ob121/16d

OGH5Ob121/16d4.4.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache des Antragstellers M***** F*****, vertreten durch Dr. Florian Binder, Notar in Kirchberg an der Pielach, wegen Grundbuchseintragungen in EZ ***** und EZ *****, je Grundbuch *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 19. April 2016, AZ 7 R 53/16y, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0050OB00121.16D.0404.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 126 Abs 3 GBG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können aufschiebend bedingte oder durch Anfangstermin begrenzte (betagte) Rechte als bloße Anwartschaften auf künftige Rechte vor Eintritt der Bedingung oder des Termins nicht im Grundbuch eingetragen werden (RIS‑Justiz RS0060269, RS0012689).

2. Im Hinblick darauf lehnte das Rekursgericht hier die Eintragung eines den Übergebern im Zuge eines Übergabsvertrags eingeräumten Fruchtgenussrechts ab. Nach dem im Übergabsvertrag dokumentierten Willen der Vertragsparteien habe eine der beiden Fruchtgenussberechtigten bis zum Ableben des anderen auf die Ausübung des Fruchtgenussrechts verzichtet. Dieser schuldrechtliche Verzicht wirke im Ergebnis wie eine vertraglich ausdrücklich als solche vereinbarte aufschiebende Bedingung, die das Recht einschließlich den damit verbundenen Pflichten erst mit ihrem Eintritt entstehen lasse. Das Erstgericht sei daher zu Recht davon ausgegangen, dass die Einverleibung des Fruchtgenussrechts zugunsten jener Fruchtgenussberechtigten, die auf die Ausübung des Fruchtgenussrechts bis zum Ableben des anderen verzichtet habe, als ein derzeit bloßes Anwartschaftsrecht nicht in Betracht komme. Eine Teilstattgebung des Grundbuchsgesuchs, soweit dieses die Einverleibung des Fruchtgenussrechts bloß zu Gunsten des zweiten Fruchtgenussberechtigten betreffe, komme nicht in Betracht.

3. Diese Rechtsansicht des Rekursgerichts entspricht der gesicherten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Bereits in der Entscheidung 5 Ob 2388/96d hat der Oberste Gerichtshof die Eintragung eines Fruchtgenussrechts abgelehnt, weil dieses nach der getroffenen Vereinbarung bis zum Ableben der Übergeberin ruhen sollte. Dass das Fruchtgenussrecht an sich unbedingt eingeräumt worden sei und bis zu einem bestimmten Ereignis (dem Ableben der Übergeberin) „ruhen“ sollte, ändere nichts daran, dass das Recht selbst erst ab einem bestimmten Zeitpunkt zustehe, also im Sinne der Judikatur zumindest „betagt“ sei. Die Einverleibung des Rechts im Grundbuch sei jedoch iSd § 8 Z 1 GBG dazu bestimmt, das Recht sofort und unbedingt zu verschaffen. In der bereits vom Rekursgericht zitierten Entscheidung 5 Ob 177/14m wiederum hat der Oberste Gerichtshof die Eintragung eines Wohnungsgebrauchsrechts abgelehnt, weil der Wohnungsgebrauchsberechtigte nach dem in der Urkunde festgelegten Willen der Vertragsparteien sein Gebrauchsrecht an jenem Objekt, das die Verpflichtete bewohnt, erst nach deren endgültigem Auszug ausüben durfte und bis zu diesem Ereignis auf die Ausübung und alle damit verbundenen Rechte verzichtete. Ein vertraglicher Verzicht auf die Ausübung eines Servitutsrechts konterkariere geradezu dessen gleichzeitige Einräumung, führe doch in der Regel ein Verzicht zum Verlust des davon betroffenen Rechts, dies im Gegensatz zur bloßen faktischen Nichtausübung. Der wirksame Verzicht bewirke, dass Befugnisse der Verpflichteten und ein uneingeschränkt eingeräumtes Wohnungsgebrauchsrecht in Widerspruch zueinander stünden. Die Verzichtsvereinbarung schließe nämlich den Gebrauch, der vertraglich eingeräumt werden solle, vorläufig zur Gänze aus. Sie wirke somit im Ergebnis wie eine vertraglich ausdrücklich als solche vereinbarte aufschiebende Bedingung, die das Recht einschließlich der damit verbundenen Pflichten erst mit ihrem Eintritt entstehen lasse (vgl RIS‑Justiz RS0012689 [T4] = RS0060269 [T14]).

4. Entgegen der Auffassung des Revisionsrekurswerbers unterscheidet sich die hier zu beurteilende vereinbarte Einschränkung des Frucht-genussrechts in Inhalt und Wirkung nicht von der zu 5 Ob 177/14m entschiedenen Konstellation. Da wie dort soll der dinglich Berechtigte, dieses Recht erst ausüben dürfen, wenn ein bestimmter Umstand eingetreten ist; in dem einen Fall ist es der „endgültige Auszug“ des Verpflichteten, in dem anderen das Ableben des zweiten, bis dahin allein Berechtigten. Bis zu diesem jeweiligen Zeitpunkt sollen diesem keine Rechte und Pflichten aus diesem Rechtsverhältnis zukommen. Insbesondere bindet diese vertragliche Einschränkung nach dem Wortlaut der Vereinbarung den Fruchtgenussberechtigten auch gegenüber den das Fruchtgenussrecht einräumenden Übernehmer. Die Vereinbarung des Fruchtgenussrechts zerfällt hier gerade nicht in die Rechtseinräumung im Verhältnis Übernehmer und Fruchtgenussberechtigte einerseits und die Rechteeinschränkung im Verhältnis zwischen den beiden Fruchtgenussberechtigten andererseits. Auch der dieser Vereinbarung vorangestellte Hinweis „mit bloß schuldrechtlicher Wirkung, sohin unbeschadet des vorstehend vereinbarten dinglichen Fruchtgenussrechtes“ ändert an dem Inhalt der nachfolgend vereinbarten Einschränkung des dinglichen Rechts und deren Wirkung nichts. Wie in der Entscheidung 5 Ob 177/14m schließt diese Vereinbarung auch hier den Gebrauch des Rechts, der vertraglich eingeräumt werden soll, vorläufig zur Gänze aus. Sie wirkt somit auch hier im Ergebnis wie eine vertraglich ausdrücklich als solche vereinbarte aufschiebende Bedingung, die das Recht einschließlich der damit verbundenen Pflichten erst mit ihrem Eintritt entstehen lässt.

5. Da der Revisionsrekurswerber mit seinen Argumenten keine erheblichen Zweifel an der Richtigkeit der dargestellten, entgegen seiner Auffassung auch auf die vorliegende Vertragskonstruktion anwendbaren Recht-sprechung wecken kann, ist das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG zu verneinen. Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

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