European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E129033
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner ist schuldig, dem Antragsteller binnen 14 Tagen die mit 444,79 EUR (darin enthalten 95,81 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.
Begründung:
Die Parteien sind die beiden einzigen Mit‑ und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Mit den Miteigentumsanteilen des Antragstellers ist Wohnungseigentum an der Wohnung top 2 verbunden, mit jenen des Antragsgegners Wohnungseigentum an der Wohnung top 1. Der Antragsgegner erhielt seine Anteile mit Übergabevertrag vom Juni 2015.
Mit dem als Klage eingebrachten Schriftsatz beantragte der Antragsteller, den Antragsgegner zu verpflichten, im Bauverfahren über die beantragte nachträgliche Baubewilligung für Um‑ bzw Zubauten dem Bauprojekt zuzustimmen sowie die Fertigstellungsmeldung für die bereits errichtete Veranda laut vorliegender Baubewilligung zu unterfertigen. Die Rechtssache wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Beschluss des Rekursgerichts vom 11. 7. 2019 (ON 22) in das außerstreitige Verfahren überwiesen.
Das Erstgericht gab dem Antrag statt.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners nicht Folge und ließ den Revisionsrekurs zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob und inwieweit ein Einzelrechtsnachfolger eines Wohnungseigentümers an die Zustimmungserklärung seines Rechtsvorgängers zu Änderungen iSd § 16 Abs 2 WEG gebunden sei.
Rechtliche Beurteilung
Der – beantwortete – Revisionsrekurs des Antragsgegners ist entgegen diesem nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG iVm § 52 Abs 2 WEG) Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.
Ein Wohnungseigentümer hat nach § 16 Abs 2 WEG grundsätzlich das Recht, sein Objekt durch – hier relevant – bauliche Maßnahmen zu verändern; dies mangels Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer nur unter bestimmten – abgestuften – Voraussetzungen. Stimmen die übrigen Wohnungseigentümer den Änderungen nicht zu, muss der änderungswillige Wohnungseigentümer die Entscheidung des Außerstreitgerichts in einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG einholen. Dieses Verfahren dient der Ersetzung der für eine Änderung nach § 16 Abs 2 WEG notwendigen Rechtsgestaltung, auf die sich die Parteien außergerichtlich nicht einigen konnten. Erhält der änderungswillige Wohnungseigentümer die Zustimmung der anderen, wirken deren rechtsgestaltende Parteienerklärungen materiell‑rechtlich und führen die beabsichtigte Rechtsänderung direkt herbei (5 Ob 219/16s mwN). Im außerstreitigen Verfahren ist auch die nach den Bauvorschriften notwendige Zustimmung oder die Unterfertigung von Bauansuchen zu erwirken (RIS-Justiz RS0083093).
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat der Antragsteller sämtliche Baumaßnahmen noch vor deren Durchführung sowohl mit dem damaligen zweiten Mit‑ und Wohnungseigentümer, dem Einzelrechtsvorgänger des Antragsgegners als auch mit dem Antragsgegner selbst besprochen und beider Zustimmung eingeholt. Die Baumaßnahmen wurden 2009 (Umbau einer Veranda), 2011 (Errichtung eines Windfangs), 2012 (Erweiterung eines Schuppens) und 2013 (Errichtung eines Edelstahlkamins) durchgeführt und blieben jahrelang unbeanstandet.
Rechtsprechung und Lehre bejahten bereits eine Bindung des Einzelrechtsnachfolgers an eine von seinem Einzelrechtsvorgänger (außerhalb des Wohnungseigentumsvertrags) erteilte Zustimmung zu einer Änderung eines anderen Wohnungseigentumsobjekts (§ 16 WEG) ohne ausdrückliche vertragliche Überbindung übereinstimmend zumindest für den – hier verwirklichten – Fall, in dem von den übrigen Wohnungseigentümern bereits genehmigte Änderungen tatsächlich durchgeführt wurden und der Einzelrechtsnachfolger eines zustimmenden Wohnungseigentümers sein Wohnungseigentumsobjekt samt dem durch die Zustimmung aller übrigen rechtmäßig veränderten Zustand erworben hat (Prader/Malaun, Zur Frage der Bindung des Einzelrechtsnachfolgers an Verfügungsakte im WEG, immolex 2008, 134 ff; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 16 WEG Rz 58; 5 Ob 219/16s = wobl 2017/62, 194 [Vonkilch]).
Im vorliegenden Fall hatte der in den Zustimmungsprozess eingebundene Antragsgegner Kenntnis sowohl von der Zustimmung des damaligen Mit‑ und Wohnungseigentümers als auch von Art und Ausmaß der tatsächlich durchgeführten Baumaßnahmen. Ob seine eigene ausdrücklich Jahre vor dem Eintritt der Rechtsnachfolge erteilte und danach (zunächst) nicht widerrufene Zustimmung ihn als neuen Wohnungseigentümer unabhängig von der Zustimmung seines Einzelrechtsvorgängers bindet und die Änderungen schon aufgrund seiner (konkludenten) Zustimmung als Wohnungseigentümer rechtmäßig sind, muss nicht erörtert werden. Dasselbe gilt für die abschließende Beurteilung der Frage, in welchen (anderen) Konstellationen Wohnungseigentümer an bereits erteilte Zustimmungen ihrer Einzelrechtsvorgänger gebunden bleiben.
Anzumerken ist, dass das in dritter Instanz aufrechterhaltene Argument einer iSd § 1295 Abs 2 ABGB rechtsmissbräuchlichen Weigerung, an die zuständige Baubehörde gestellte Anträge zu unterfertigen, berechtigt ist. Ein Rechtsmissbrauch liegt nicht nur bei ausschließlichem Schädigungszweck, sondern schon bei einem krassen Missverhältnis zwischen den vom Handelnden verfolgten und den beeinträchtigten Interessen vor (RS0026265 [T1]).
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen haben weder der Antragsgegner noch sein Einzelrechtsvorgänger sich durch die durchgeführten Änderungen, denen sie beide ausdrücklich zustimmten, gestört gefühlt oder sie beanstandet. Nachdem der Antragsteller sich jedoch weigerte, ein Gartenstück „ins Alleineigentum des Antragsgegners zu übertragen“, drohte ihm dieser, er werde ihm das Leben schwer machen. Er verweigerte seine Mitwirkung bei der Abgabe der Fertigstellungsmeldung für die – baubewilligte – Errichtung der Veranda, stellte Nachforschungen im Zusammenhang mit der fehlenden baubehördlichen Genehmigung betreffend die anderen Baumaßnahmen an und ersuchte 2016 die zuständige Baubehörde um Überprüfung, was deren Einschreiten bewirkte. Welche seiner Interessen als Mit‑ und Wohnungseigentümer durch die baubehördliche Genehmigung der Umbauten, denen er selbst zugestimmt hatte, verletzt oder beeinträchtigt werden, zeigt er auch in seinem Revisionsrekurs nicht auf. Insbesondere behauptet(e) er nicht, dass die positive Erledigung der Anträge im Verfahren vor der Baubehörde aufgrund bestimmter Bauvorschriften ausgeschlossen sei und er deshalb den Anträgen nicht zustimmen oder sie unterfertigen müsse. Nach den Feststellungen über das im Verfahren eingeholte bautechnische Gutachten entsprach das Bauvorhaben den Anforderungen der anzuwendenden Bauordnung. Die Genehmigung scheiterte an der fehlenden Zustimmung. Mit seiner Weigerung verfolgt der Antragsgegner keine berechtigten Interessen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG. Der Antragsteller hat in der Revisionsrekursbeantwortung die Unzulässigkeit des Rechtsmittels geltend gemacht. Die Bemessungsgrundlage beträgt nach § 10 Z 3 lit b sublit bb RATG 2.500 EUR.
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