OGH 5Ob115/12s

OGH5Ob115/12s24.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Alfred Feitsch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch DORDA BRUGGER JORDIS Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 37.055,88 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. April 2012, GZ 15 R 128/11w-68, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Nach der vom Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie aufgrund des Abfallwirtschaftsgesetzes erlassenen Verpackungsverordnung (VerpackVO 1996, BGBl 1996/648; zuletzt geändert durch BGBl II 2006/364) sind Hersteller, Importeure, Abpacker und Vertreiber von Transport- und Verkaufsverpackungen verpflichtet, ihre Verpackungen nach dem Gebrauch unentgeltlich zurückzunehmen und diese wieder zu verwenden oder zu verwerten. Von dieser Verpflichtung können sie sich dadurch entbinden, dass sie diese an dafür geeignete Sammel- und Verwertungssysteme übertragen. Die Klägerin betreibt gegen Entgelt ein solches Sammel- und Verwertungssystem.

Die Beklagte ist eine deutsche GmbH mit Sitz in München und betreibt im arbeitsteiligen Zusammenwirken mit Gesellschaften innerhalb Europas und den USA einen internationalen Versandhandel, wobei die Kunden vorwiegend Endverbraucher sind. Zu ihren Aufgaben zählen Dienstleistungen zur Produktbewerbung und -darstellung. Dabei verwendet die Beklagte den Handelsnamen „a*****.de“. Darüber hinaus erbringt sie Rechts- und Finanzdienstleistungen innerhalb des „A*****-Konzerns“. Sie nimmt unter anderem alle Zahlungen vor, zu denen die A***** L***** GmbH verpflichtet ist. Der A***** L***** GmbH, die ihren Sitz ebenfalls in Deutschland hat, obliegt die Lagerung und der Versand von Waren unter anderem nach Österreich.

Gestützt auf die von der Beklagten am 20. 12. 2001 unterfertigte Entpflichtungs- und Lizenzvereinbarung begehrte die Klägerin restliche Lizenzentgelte für die Jahre 2002 bis 2006. Das Berufungsgericht bestätigte die klagestattgebende Entscheidung des Erstgerichts und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten, die keine Rechtsfragen von der Bedeutung des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt.

1. Aus den Feststellungen der Tatsacheninstanzen, wonach die Lagerung und der Versand von Waren nach Österreich der A***** L***** GmbH obliege, leitet die Beklagte ihre mangelnde Passivlegitimation ab. Sie sei weder Importeur noch Vertreiber im Sinne der VerpackVO 1996 und daher auch nicht zur Leistung von Lizenzentgelten zur Entpflichtung verhalten.

2.1 Richtig ist, dass mit den von der Beklagten nach den Feststellungen konzernintern zu erfüllenden Aufgaben keine Leistungen einhergehen, die sie als Importeur oder Vertreiber den Bestimmungen der VerpackVO 1996 unterwerfen würden. Die Argumente der Beklagten lassen aber ihre Verpflichtungen aus dem mit der Klägerin abgeschlossenen Vertrag unberücksichtigt.

2.2 Die Anwendung österreichischen Rechts auf die Entpflichtungs- und Lizenzvereinbarung ist nicht strittig und entspricht der zwischen den Parteien getroffenen Rechtswahl (Punkt V Z 4 Blg ./A). Haben die Parteien eines Vertrags vereinbart, dass dieser einer bestimmten Rechtsordnung unterliegen soll, bezieht sich die Rechtswahl auf alle in Betracht kommenden Sachnormen des gewählten Rechts. Für die Auslegung des Vertrags gilt daher § 914 ABGB. Danach kommt es im Sinne der Vetrauenstheorie auf den objektiven Erklärungswert an. Maßgeblich ist daher das Verständnis, das ein redlicher Empfänger unter Berücksichtigung aller Umstände der Erklärung beimessen musste (vgl dazu Bollenberger in KBB³ § 914 Rz 1 mit Judikaturnachweisen).

2.3 Vertreiber iSd § 1 Abs 1 Z 4 VerpackVO 1996 ist jeder, der Verpackungen, gleichgültig auf welcher Vertriebsstufe, auch im Wege des Versandhandels, im Inland in Verkehr bringt. Der Umstand, dass die Beklagte selbst in diesem Sinn nicht Vertreiber ist, war nach den Feststellungen allen Beteiligten bei Vertragsabschluss bewusst. Danach haben die Vertragsverhandlungen nämlich zunächst zwischen der Klägerin und der A***** L***** GmbH stattgefunden, bevor es zur Annahme des Vertragsanbots durch die Beklagte gekommen ist. Dass die Beklagte - ohne Zutun der Klägerin und naturgemäß in Kenntnis der von ihr bzw ihrer Schwestergesellschaft zu erbringenden Leistungen - die Entpflichtungs- und Lizenzvereinbarung am 20. 12. 2001 im eigenen Namen unterfertigte, konnte von einem redlichen Erklärungsempfänger nur so verstanden werden, dass die Beklagte im eigenen Namen die Haftung für jene Lizenzentgelte übernahm, die aus der Entpflichtung von sonst nach der VerpackVO 1996 der A***** L***** GmbH als Vertreiberin gemäß § 1 Abs 1 Z 4 VerpackVO 1996 obliegenden Maßnahmen resultierten. Entsprechend diesem Verständnis hat die Beklagte auch noch während des Verfahrens Zahlung an die Klägerin auf Basis der ihr von der A***** L***** GmbH gemeldeten Daten geleistet.

3. Ist fremdes Recht maßgeblich, kommt es auf dessen Anwendung in seinem ursprünglichen Geltungsbereich an. Aus diesem Grundsatz folgt, dass die Anwendung des fremden Rechts unter Hintansetzung der im ursprünglichen Geltungsbereich in Rechtsprechung und Lehre gefestigten Ansicht eine erhebliche Rechtsfrage begründen kann (vgl RIS-Justiz RS0113594; RS0042940). Dazu macht die Revisionswerberin geltend, das Berufungsgericht habe die deutsche Verpackungsverordnung entgegen der dort herrschenden Lehre ausgelegt. Nach richtigem Verständnis der deutschen Verpackungsverordnung seien die hier maßgeblichen Verpackungen auf einer vorgelagerten Stufe als in Deutschland in Verkehr gebracht anzusehen, weswegen bereits in Deutschland eine Entpflichtung erfolgt sei. Eine Entpflichtung sowohl in Deutschland und als auch in Österreich widerspreche wegen der dadurch bedingten Dpoppelbelastung dem Recht auf freien Warenverkehr und sei damit unionsrechtswidrig.

4. Zutreffend hat bereits das Berufungsgericht darauf verwiesen, dass die von der Revisionswerberin herangezogene deutsche Verpackungsverordnung für den hier wesentlichen Bereich in der Stammfassung vom 21. 8. 1998, BGBl I S 2379 (in der Folge: [dt] VerpackVO aF), zu beurteilen ist. Nach § 2 Abs 1 gilt diese Verordnung für alle im Geltungsbereich des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes in Verkehr gebrachten Verpackungen, unabhängig davon, ob sie in der Industrie, im Handel, in der Verwaltung, im Gewerbe, im Dienstleistungsbereich, in Haushaltungen oder anderswo anfallen und unabhängig von den Materialien, aus denen sie bestehen. Die Geltung dieser Verordnung ist auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der deutschen Verpackungsverordnung ist daher, dass Verpackungen - von wem auch immer - auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland in Verkehr gebracht werden (Steindorf in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, K 185h, § 2 Rn 3).

5. Ein Inverkehrbringen von Verpackungen nach dieser Verordnung liegt bereits dann vor, wenn jemand eine verpackte Ware aus seiner Verfügungsgewalt in diejenige eines Erwerbers übergehen lässt (Steindorf aaO Rn 4 mwN). Von der Frage, ob die hier in Rede stehenden Verpackungen allenfalls auf einer vorgelagerten Handelsstufe (auch) in Deutschland in Verkehr gebracht worden sind, ist aber jene zu unterscheiden, ob eine (entgeltpflichtige) Befreiung von den darin statuierten Pflichten durch Teilnahme an einem System nach § 6 Abs 3 aF der deutschen Verpackungsverordnung stattgefunden hat.

5.1 § 6 der deutschen Verpackungsverordnung in der hier anzuwendenden Fassung regelt die Rücknahmepflichten für Verkaufsverpackungen und wendet sich in Abs 1 an den Letztvertreiber und in seinem Abs 2 an den Hersteller und Vorvertreiber, der die Verpackung auf einer höheren Handelsstufe in Verkehr bringt. Dazu verweist die Revisionswerberin zwar zutreffend darauf, dass auch Transportverpackungen, sofern sie an einen Endverbraucher zum dortigen Verbleib gelangen, den Verkaufsverpackungen gleichzuhalten sind (vgl Elsner/Rummler, Die Rücknahmepflicht für Hersteller und Vertreiber von Transportverpackungen nach der Verpackungsverordnung, NVwZ 1992, 243 [244]). Ein Fehlen von für die Entscheidung wesentlichen Feststellungen zur Verwendung von Transportverpackungen lässt sich daraus aber ebenso wenig ableiten wie eine korrekturbedürftige Auslegung des deutschen Rechts durch das Berufungsgericht.

5.2 Nach § 6 Abs 3 (dt) VerpackVO aF können sich die Hersteller oder Vertreiber ihrer Verpflichtung zur Rücknahme nach den Abs 1 und 2 entledigen, indem sie sich an einem flächendeckenden System beteiligen, durch das eine regelmäßige Abholung gebrauchter Verkaufsverpackungen beim privaten Endverbraucher oder in dessen Nähe beteiligen. In Verbindung mit § 2 Abs 1 der Verordnung besteht kein Zweifel, dass von dieser Bestimmung ausschließlich die Sammlung und Verwertung von auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland an Endverbraucher gelangte Verkaufsverpackungen und, wenn sie auch Aufgaben einer Verkaufsverpackung erfüllen, diesen gleichzuhaltende Transportverpackungen erfasst ist. Nur insoweit kommt eine Teilnahme an einem in § 6 Abs 3 [dt] VerpackVO aF genannten System in Betracht. Die Feststellungen nennen die D***** S***** Deutschland AG als Betreiberin eines solchen Systems.

5.3 Das D***** S***** Deutschland erhebt von seinen Zeichennehmern Lizenzentgelte für die Nutzung des Zeichens „der Grüne Punkt“ und sichert diesen im Gegenzug die Befreiung von den Erfassungs-, Sortier- und Verwertungspflichten nach der Verpackungsverordnung zu. Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Lizenzentgelte ist die Menge der innerhalb der Bundesrepublik Deutschland abgesetzten Verkaufsverpackungen (Gundert, Ausgewählte Einzelfragen der Lizenzentgeltprüfung für das Zeichen „der Grüne Punkt“, Betriebs-Berater [BB], 1998, Heft 41, 2100). Exporte werden nicht zur Finanzierung des dualen Systems herangezogen, unabhängig davon, ob sie einen Grünen Punkt tragen oder nicht. Das Lizenzentgelt wird also nur für Produkte erhoben, die auf dem deutschen Markt abgesetzt werden (Flanderka, Struktur und Ausgestaltung des dualen Systems in der Bundesrepublik Deutschland, Betriebs-Berater [BB] 1996, Heft 13, 649).

6. Von der hier zu beurteilenden Entpflichtungs- und Lizenzvereinbarung sind (aus Sicht der Beklagten) ausschließlich nach Österreich exportierte Verkaufsverpackungen und allenfalls diesen gleichzuhaltende Transportverpackungen erfasst. Soweit es sich um Handelsexporte handelt, kommt es zu einer Rückerstattung der vom Zeichennehmer gezahlten Lizenzentgelte (siehe dazu Gundert aaO [2101]), wie auch das Erstgericht ausdrücklich feststellte. Eine den Wettbewerb beeinträchtigende doppelte Belastung, wie sie die Beklagte aus der von ihr unterfertigten Entpflichtungs- und Lizenzvereinbarung ableitet, liegt damit nicht vor. Auf die von ihr in diesem Zusammenhang aufgeworfenen gemeinschaftsrechtlichen Fragen muss daher nicht eingegangen werden.

8. Die Revision erweist sich damit insgesamt als nicht zulässig und ist daher zurückzuweisen, ohne dass dieser Beschluss noch einer weitergehenden Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).

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