OGH 5Ob103/93

OGH5Ob103/937.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Krystina K*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Helmut Winkler, Dr.Otto Reich-Rohrwig und Dr.Udo Elsner, Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegner 1.) Robert P*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Helmut Boller, Dr.Günter Langhammer und Dr.Wolfgang Schubert, Rechtsanwälte in Wien, und 2.) Dkfm.Stefanie H*****, Hausbesitzerin, ***** wegen § 37 Abs 1 Z 1 MRG infolge außerordentlichen Rekurses der Antragstellerin gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 24. November 1992, GZ 41 R 802/92-37, den, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 23.Juni 1992, GZ 45 Msch 17/88-33, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind gleich Kosten des Verfahrens erster Instanz zu behandeln.

Text

Begründung

Die Antragstellerin begehrt - nach vorausgegangenem Verfahren vor der Schlichtungsstelle - die Anerkennung als Hauptmieterin der von ihr mit Untermietvertrag vom 15.3.1986 vom Erstantragsgegner (= Hauptmieter) angemieteten Wohnung Nr.8 im Hause Wien *****, dessen Eigentümerin und Vertragspartnerin des Hauptmieters die Zweitantragsgegnerin ist. Der Erstantragsgegner habe die Wohnung nie zu Wohnzwecken benützt. Die Antragstellerin müsse daher annehmen, daß das Hauptmietrecht an dieser Wohnung aus rein geschäftlichen Interessen vergeben wurde, zumal der Hauptmietzins inklusive Betriebskosten S 1.180,- der Untermietzins hingegen S 3.000,-

betrage.

Der Erstantragsgegner wendete ein, er habe den Hauptmietvertrag gegen Gewährung eines Untervermietrechtes abgeschlossen, um die Wohnung zu renovieren und durch die Untervermietung das Geld für die Renovierung zu erhalten. Auch habe er erwogen, die Wohnung für seine damals 6-jährige Tochter aufzuheben.

Die Zweitantragsgegnerin wendete ein, sie sei über den Abschluß des Hauptmietvertrages mit dem Erstantragsgegner froh gewesen, weil in Anbetracht der § 7 MG - Belastung des Hauses es damals schwierig gewesen sei, einen neuen Hauptmieter zu finden und weil sich der Erstantragsgegner gegen Einräumung eines Untervermietrechtes zur Renovierung der Wohnung bereit erklärt habe.

Das Erstgericht gab dem Antrag der Antragstellerin statt. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der Hauptmietvertrag wurde am 7.6.1983 zwischen dem Erstantragsgegner und der Zweitantragsgegnerin abgeschlossen. Die Wohnung war renovierungsbedürftig, das gegenständliche Haus mit einer Hauptmietzinserhöhung nach § 7 MG belastet. Aus diesem Grund hatte die Hauseigentümerin versucht, für die Wohnung einen Hauptmieter zu finden. Der Erstantragsgegner erklärte sich bereit, die Wohnung instandzusetzen, begründete das Hauptmietverhältnis jedoch nur unter der Bedingung, daß ihm ein Untervermietrecht eingeräumt werde. Der Erstantragsgegner hatte jedoch in diesem Haus nicht nur die später von der Antragstellerin untergemietete Wohnung angemietet, sondern noch zwei weitere Wohnungen. Die verfahrensgegenständliche Wohnung hatte der Erstantragsgegner ca. ein halbes Jahr nach Abschluß des Hauptmietvertrages untervermietet. Er selbst hatte die von ihm angemieteten Wohnungen nie bewohnt. Er hatte auch erwogen, eine der von ihm gemieteten Wohnungen für seine Tochter zu behalten. Die Investitionen des Erstantragsgegners hielten sich in Grenzen, weil er nur Renovierungen durchführte, jedoch keine Einbauten. Der finanzielle Aufwand war nicht sehr hoch, zumal alte Möbel in die Wohnung geschafft wurden. Als die Antragstellerin die Wohnung bezog, fand sie ein sehr desolates Objekt vor, in dem sie selbst erst Renovierungsarbeiten durchführen mußte, um die Wohnung überhaupt beziehen zu können.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, die Umgehungsabsicht des Erstantragsgegners liege bereits in der Anmietung des Objektes lediglich zur Untervermietung. Da die Wohnung weder von ihm selbst noch von irgendeinem Familienangehörigen benutzt wurde, bleibe kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln übrig, daß der dem Untermietvertrag vorgeordnete Hauptmietvertrag nur zur Untervermietung durch den Hauptmieter und zur Umgehung der dem Hauptmieter nach dem MRG zustehenden Rechte geschlossen worden sei, vor allem deswegen, weil der Antragsteller mehrere derartige Wohnungen anmietete.

Das Rekursgericht änderte den Sachbeschluß des Erstgerichtes in den Antrag abweisendem Sinn ab und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Das Rekursgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen damit, nur eine dem vermietenden Liegenschaftseigentümer (allenfalls allein) nachweisbare Umgehungsabsicht könne die in § 2 Abs 3 MRG umschriebene Rechtsfolge nach sich ziehen. Der Antrag der Antragstellerin lasse jedoch nicht erkennen, welche Umgehungshandlung und Umgehungsabsicht der Zweitantragsgegnerin als Liegenschaftseigentümerin und Vertragspartnerin des Erstantragsgegners vorgeworfen werde.

Gegen den Sachbeschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, den Sachbeschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Erstantragsgegner begehrt, dem Revisionsrekursrekurs nicht Folge zu geben.

Die Zweitantragsgegnerin beteiligte sich nicht am Verfahren über den Revisionsrekurs.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

a) Zur Zulässigkeit:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig, weil das Rekursgericht in der tragenden Begründung seiner Entscheidung unzutreffenderweise davon ausging, daß die Antragstellerin ein Vorbringen in Richtung einer der Zweitantragsgegnerin anzulastenden Umgehungsabsicht nicht erstattet habe. Diese Auslegung des Vorbringens der Antragstellerin ist mit dem Wortlaut ihrer oben wiedergegebenen Erklärung unvereinbar, sodaß schon aus diesem Grund der Revisionsrekurs zulässig ist (vgl 3 Ob 583/91 und 3 Ob 1622/92). Die Antragstellerin hatte nämlich ausdrücklich geltend gemacht, daß die Hauptmietrechte aus rein geschäftlichen Interessen vergeben wurden (S 1 des Schli-Aktes); durch das Wort "vergeben" wird jedoch eine Handlungsweise der Vermieterin (= Zweitantragsgegnerin) bezeichnet.

b) Zur Sachentscheidung:

Gemäß § 2 Abs 3 MRG kann der Mieter, mit dem der Untermietvertrag geschlossen worden ist, seine Anerkennung als Hauptmieter des Mietgegenstandes begehren, wenn bei Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund besteht, daran zu zweifeln, daß ein Hauptmietvertrag nur zur Untervermietung durch den Hauptmieter und zur Umgehung der einem Hauptmieter nach diesem Bundesgesetz zustehenden Rechte geschlossen worden ist. In der Behauptung, die Hauptmietrechte seien aus rein geschäftlichen Interessen vergeben worden, zumal der Hauptmietzins S 1.180,-, der Untermietzins jedoch S 3.000,- betrage, ist einschlußweise die Behauptung enthalten, daß durch diese Art der Mietrechtsgestaltung der tatsächliche Benützer der Wohnung jedenfalls in zinsrechtlicher Hinsicht von vornherein beabsichtigterweise schlechter als ein Hauptmieter gestellt werden sollte. Im Zusammenhang mit der im Zuge des Verfahrens aufgekommenen und auf Grund des geltenden Untersuchungsgrundsatzes zu berücksichtigenden Tatsache, daß der Hauptmieter zum Zweck der Erzielung eines höheren Untermietzinses mehrere Wohnungen - sogar im selben Haus - anmietete, kann ein Umgehungstatbestand unter dem vom Rekursgericht als tragende Begründung geltend gemachten Gesichtspunkt mangelnder Tatsachenbehauptungen seitens der Antragstellerin jedenfalls nicht verneint werden. Es bedarf daher detaillierter Feststellungen darüber, aus welchen - möglicherweise eine Umgehungsabsicht bei ihr ausschließenden - Motiven die Hauseigentümerin einen Hauptmietvertrag nur zum Zweck der Untervermietung schloß bzw. ob auf Seiten des Hauptmieters (= Untervermieters) eine sogenannte Sanierungshauptmiete (MietSlg XXXIX/3) im Sinne der von ihm aufgestellten Tatsachenbehauptungen vorliegt.

Es genügt - entgegen der in der Entscheidung WoBl 1992, 238/160 vertretenen Ansicht - nicht, daß die in § 2 Abs 3 MRG geforderte besondere Umgehungsabsicht der Parteien des Hauptmietvertrages bloß beim Untervermieter vorliegt. Der erkennende Senat hält daran fest, daß nach dieser Gesetzesstelle die Umgehungsabsicht beider Parteien des Hauptmietvertrages gegeben sein muß und daß daher keinesfalls einem redlichen Liegenschaftseigentümer als Vermieter der nominelle Untermieter als Vertragspartner aufgezwungen werden darf (WoBl 1992, 241/161). Die schwerwiegenden, mit der Anerkennung als Hauptmieter verbundenen Folgen, die beide Vertragspartner des früheren Hauptmietvertrages treffen, erfordern ein Verständnis der Bestimmungen des § 2 Abs 3 MRG in dem Sinn, daß ein Vertrag nur dann (nur) zur Umgehung der einem Hauptmieter nach dem MRG zustehenden Rechte geschlossen wurde, wenn diese Umgehung als Vertragsbestandteil vom Geschäftswillen beider Vertragspartner umfaßt ist.

Nicht von Bedeutung ist allerdings, wer den wirtschaftlichen Vorteil aus einer solchen Vermietung genießt (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19 § 2 MRG Rz 8 unter Hinweis auf 5 Ob 48/88).

Richtig ist zwar, daß die Antragstellerin das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anerkennung als Hauptmieter zu beweisen hat; die Gegner haben jedoch - wenn die Antragstellerin ihrer Beweispflicht in dem ihr zumutbaren Ausmaß nachgekommen ist - die allein in ihrer Sphäre liegenden Umstände darzutun und offenzulegen, die den erbrachten Nachweis entkräften (5 Ob 68/92). Für die Zweitantragsgegnerin bedeutet dies vor allem, daß es ihre Sache ist, konkrete Behauptungen - und im Bestreitungsfalle Nachweise - darüber zu erbringen, daß ihr die Vermietung der Wohnung zu einem Hauptmietzins, der die Belastung nach § 7 MG decken könnte, nicht gelungen ist, obwohl doch nach den Verfahrensergebnissen ein wesentlich höherer Untermietzins erzielt werden kann. Sollte ihr dieser Nachweis nicht gelingen, wäre eine Umgehungsabsicht - auch auf Seiten des Erstantragsgegners - nach der derzeitigen Aktenlage nur dann ausgeschlossen, wenn tatsächlich eine sogenannte Sanierungshauptmiete im Sinne von MietSlg XXXIX/3 vorläge.

Zur abschließenden Beurteilung dieses Umstandes fehlen aber ebenso konkrete Feststellungen wie zur Frage, ob für die Zweitantragsgegnerin auch einem Dritten verständliche Motive für die Vermietung bloß zur Untervermietung gegeben waren, die eine Umgehungsabsicht ausschließen.

Da zu den genannten Problemkreisen ausreichend konkrete Feststellungen schon im Sachbeschluß des Erstgerichtes nicht enthalten sind, war die Aufhebung der Entscheidungen beider Vorinstanzen notwendig.

Das Erstgericht wird im Sinne der überbundenen Rechtsansicht das Verfahren zu ergänzen und sodann auf Grund konkreter Tatsachenfeststellungen neu zu entscheiden haben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG iVm § 52 Abs 1 ZPO.

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