OGH 5Ob68/92

OGH5Ob68/9228.4.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Mag. Stefan P*****, Werbeagenturunternehmer, ***** vertreten durch Dr.Ernst Brunner, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1. Silvia S*****, Angestellte, ***** und 2. Rudolf S*****, Schlossermeister, ***** beide vertreten durch Dr.Heinrich Nesvadba, Rechtsanwalt in Wien, wegen Anerkennung als Hauptmieter, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28.November 1991, GZ 41 R 734/91-11, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 23.Juli 1991, GZ 9 Msch 19/91-6, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Am 2.Mai 1988 vermietete der durch eine Hausverwaltungs-GmbH vertretene Alleineigentümer der Liegenschaft ***** in 1190 Wien die in dem darauf bestehenden Haus gelegene, aus zwei Zimmern, Kabinett, Küche, Vorzimmer, Bad, Klosett, Abstellraum und Veranda bestehende Wohnung seiner durch die Mutter vertretenen, damals im 18. Lebensjahr stehenden Tochter auf unbestimmte Zeit zu dem höchstzulässigen Kategoriemietzins von S 1.049,20 zur Sicherstellung ihres Eigenbedarfes und räumte der Tochter das Recht zur Untervermietung ein.

Am 24.Mai 1988 vermietete die durch die Mutter als gesetzliche Vertreterin vertretene Tochter die Wohnung samt Inventar an den Antragsteller. In diesem Untermietvertrag ist schriftlich vereinbart worden, daß er auf drei Jahre abgeschlossen wird und durch den Ablauf der bedungenen Zeit mit dem 31.Mai 1991 ohne Kündigung endet.

Schon mit Eingabe vom 3.November 1990 stellte der Mieter bei der Gemeinde das Begehren, als Hauptmieter des Mietgegenstandes anerkannt zu werden und festzustellen, daß das nach dem Gesetz zulässige Maß an Hauptmietzins um S 3.990,10 im Monat überschritten wurde. Das Verfahren vor der Gemeinde ist binnen drei Monaten nicht zum Abschluß gelangt. Der Antragsteller rief deshalb am 8.April 1991 das Gericht an.

Das Erstgericht wies die Anträge ab. Es stellte im wesentlichen noch fest, daß zwischen der bei Abschluß des Hauptmietvertrages am 2. Mai 1988 als Handelsschülerin in Ausbildung gestandenen minderjährigen Tochter und ihren Eltern Einvernehmen bestand, daß sie die Mietwohnung erst in drei Jahren selbst beziehen und bis dahin die Wohnung befristet untervermieten solle. Sie ist jetzt alt genug, um in die vom Antragsteller trotz Ablaufs des Zeitmietverhältnisses weiter benützte Wohnung einzuziehen. Das Erstgericht meinte, der Hauptmietvertrag sei nicht ausschließlich zur Untervermietung geschlossen worden, sondern in der Absicht, daß die Tochter nach Erreichung ihrer Volljährigkeit und Abschluß ihrer Ausbildung selbst in dem Mietgegenstand wohne. Die Untervermietung sei nur zur Überbrückung dieses kurzen Zeitraumes befristet abgeschlossen worden.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Sachbeschluß und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof zu der Rechtsfrage noch nicht Stellung bezogen habe, ob bei der Beurteilung des Zweckes der Vermietung durch den Eigentümer des Hauses auf die gesamte Dauer des Hauptmietverhältnisses abzustellen oder ob eine vorübergehend zugelassene Untervermietung schon die Annahme des Tatbestandes nach § 2 Abs 3 MRG rechtfertige. Das Rekursgericht übernahme die Tatsachenfeststellung, daß bei Abschluß des Mietvertrages zwischen dem Vater und der Tochter beabsichtigt war, der 17-jährigen Tochter für die Zeit ihrer Volljährigkeit und Beendigung ihrer Berufsausbildung eine Wohnmöglichkeit zu schaffen und sie nur vorübergehend befristet unterzuvermieten.

Das Rekursgericht war gleichfalls der Ansicht, dieser Zweck der Vermietung der Wohnung durch den Eigentümer schließe die für eine Umgehungsabsicht erforderliche Annahme aus, es bestehe kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln, daß der Hauptmietvertrag nur zur Untervermietung durch die Hauptmieterin und zur Umgehung der einem Hauptmieter nach dem Mietrechtsgesetz zustehenden Rechte geschlossen worden ist (§ 2 Abs 3 MRG). Die Wohnung sei der Tochter für eigene, wenn auch erst nach der befristeten Untervermietung auf drei Jahre zu verwirklichende Wohnzwecke in Bestand gegeben. Es müsse dem Hauseigentümer zustehen, mit der Tochter zur Deckung ihres in absehbarer Zeit zu erwartenden eigenen Wohnbedarfes ein Mietverhältnis zu begründen und ihr die vorübergehende Untervermietung bis zum Bedarf nach dem eigenen Hausstand zu gestatten.

Gegen diesen Sachbeschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Antragsteller mit seinem Revisionsrekurs mit dem Antrag auf Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen in die Stattgebung seines Antrages nach § 2 Abs 3 MRG auf Anerkennung als Hauptmieter und auf Aufhebung dieser Entscheidungen und Zurückverweisung an das Erstgericht zur Entscheidung über seinen Antrag auf Feststellung, daß der Hauptmietzins das gesetzliche Maß überschreitet.

Die beiden Antragsgegner beantragen, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt. Nach der durch das Mietrechtsgesetz zur Unterbindung verschiedentlich bekannt gewordener Umgehungsgeschäfte - wie etwa die Überlassung eines frei gewordenen Mietgegenstandes durch den Hauseigentümer an einen nahen Angehörigen oder sonstigen Strohmann in Hauptmiete, der sodann den Mietgegenstand (nominell) in Untermiete vermietet (RV 425 BlgNR 15. GP, 36) - neu geschaffenen Vorschrift des § 2 Abs 3 MRG kann der Mieter, mit dem ein Untermietvertrag geschlossen worden ist, begehren, als Hauptmieter des Mietgegenstandes mit den sich aus dem MRG ergebenden Rechten und Pflichten anerkannt zu werden, wenn bei Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund, daran zu zweifeln, besteht, daß ein Hauptmietvertrag nur zur Untervermietung durch den Hauptmieter und zur Umgehung der einem Hauptmieter nach dem MRG zustehenden Rechte geschlossen worden ist. Voraussetzung eines Erfolges dieses Begehrens ist also, daß die Zwischenschaltung des "Scheinhauptmieters" nur (= ausschließlich) zur Untervermietung und zur Umgehung der sonst einem Hauptmieter zustehenden Rechte erfolgte, also etwa der Mietvertrag zwischen dem Liegenschaftseigentümer und dem "Hauptmieter" auch nicht teilweise zur Befriedigung seines eigenen Wohnbedürfnisses oder eines solchen für nahe Angehörige oder Dienstnehmer geschlossen wurde, und die Umgehungsabsicht zweifelsfrei feststeht (Würth - Zingher, Miet- und Wohnrecht Rz 8 zu § 2 MRG; EvBl 1987/187; MietSlg 40.238 ua). Die wenig glückliche Textierung des § 2 Abs 3 MRG, die entgegen dem in den Erläuterungen erwähnten Gesetzeszweck scheinbar die Stellung des in die Position des "Untermieters" gedrängten Mieters verschlechtert, ist so zu verstehen, daß der Antragsteller das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anerkennung als Hauptmieter zu beweisen hat, die Gegner aber - wenn der Antragsteller seiner Beweispflicht in dem ihm zumutbaren Ausmaß nachgekommen ist - die allein in ihrer Sphäre liegenden Umstände darzutun und offenzulegen haben, die den erbrachten Nachweis entkräften (vgl Call, Mietrecht und Wohnungseigentum 80 FN 245; Fenyves in Korinek - Krejci, HBzMRG 297; Würth - Zingher, Miet- und Wohnrecht Rz 8 zu § 2 MRG; MietSlg 38.274/38; MietSlg 39.228/3 ua).

Nach der im Tatsachenbereich liegenden Feststellung über den Willen der Vertragsteile des Hauptmietvertrages hat der Eigentümer des Hauses seiner Tochter die Wohnung zu dem Zweck vermietet, später - und zwar in einer überschaubaren Zeit nach Erreichung ihrer Volljährigkeit und Abschluß ihrer Ausbildung - dort selbst zu wohnen und einen eigenen Haushalt zu führen. Diese Feststellung ist einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen. Bei einem ähnlich gelagerten Sachverhalt hat der Oberste Gerichtshof bereits am 22.November 1983 zu 5 Ob 71/83 (MietSlg 35.291) entschieden, daß die Voraussetzungen für die Anerkennung der Rechtsstellung des antragstellenden Mieters als Hauptmieter dem gesetzlichen Gebot der Freiheit von Zweifeln an der wahren Willensrichtung der Parteien des Hauptmietvertrages entsprechend fehlen, wenn dieser Wille darauf gerichtet war, der Hauptmieterin eine Wohnung zur Deckung ihrer eigenen, wenn auch erst später entstehenden Wohnbedürfnisse zu verschaffen. Auch zu 5 Ob 9/86 hatte sich der Oberste Gerichtshof mit einem Antrag auf Anerkennung als Hauptmieter zu befassen und gelangte zu dem Ergebnis, es könne nicht gesagt werden, daß kein vernünftiger Grund zu zweifeln bestehe, daß der Hauptmietvertrag nur zur Untervermietung der Wohnung und zur Umgehung der einem Hauptmieter nach dem MRG zustehenden Rechte geschlossen worden ist, wenn der Hauseigentümer die Wohnung an einen guten Bekannten vermietete, der seit einigen Jahren im Ausland beruflich tätig war, aber beabsichtigte, nach seinem - in absehbarer Zeit zu erwartenden - Übertritt in den Ruhestand nach Österreich zurückzukehren, und dann die inzwischen unterzuvermietende Wohnung für sich selbst benötigt. Auch wenn der Zeitpunkt des tatsächlichen Eintrittes des Wohnbedürfnisses zur Zeit des Abschlusses von Hauptmietvertrag und Untermietvertrag noch nicht konkret absehbar gewesen sein mag, sei der Hauptmietvertrag auch zur Befriedigung dieses Wohnbedürfnisses geschlossen worden (MietSlg 38.272).

Nach der im Revisionsrekursverfahren zugrunde zu legenden Tatsachenfeststellung, wonach Zweck des Vertragsabschlusses die Befriedigung des in überschaubarer Zeit eintretenden eigenen Wohnbedürfnisses der Tochter war, ist den Vorinstanzen beizupflichten, daß der Hauptmietvertrag nicht nur (= ausschließlich) zu dem nach den Vorstellungen des Gesetzgebers verpönten Umgehungsziel des § 2 Abs 3 MRG geschlossen wurde, sondern der Vertragszweck, der heranwachsenden Tochter eine Wohnung zu verschaffen, wenn sie diese auch wegen ihrer Minderjährigkeit und Berufausbildung nicht sogleich beziehen wollte, sondern auf drei Jahre befristet (§ 29 Abs 1 Z 3 lit d MRG) ein Untermietverhältnis begründete, maßgebend ist, der die Anwendbarkeit des § 2 Abs 3 MRG ausschließt, weil eben nicht zweifelsfrei feststeht, daß der Hauptmietvertrag nur zur Untervermietung und zur Umgehung der für einen Hauptmieter geltenden Vorschriften (Zinsbildung, besserer Kündigungsschutz usw) geschlossen worden ist.

Die gegen die Rechtswirksamkeit des Hauptmietvertrages zwischen Vater und minderjähriger Tochter geäußerten Bedenken des Antragstellers ändern daran nichts: Selbst wenn man annehmen wollte, der Abschluß des Mietvertrages über die Wohnung zu einem Hauptmietzins von knapp über S 1.000,- im Monat habe nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört, weil die Minderjährige damals nicht über ein Einkommen verfügte, so daß die Vertretungshandlung durch die Mutter noch der Genehmigung des Gerichtes bedurft hätte (§ 154 Abs 3 ABGB), wäre ein der gerichtlichen Genehmigung bedürftiger Vertrag bis zur Entscheidung des Pflegschaftsgerichtes mit Bindung beider Vertragsteile nur schwebend unwirksam (Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 17 zu §§ 154, 154 a; SZ 51/149; SZ 58/105 ua). Nach erreichter Volljährigkeit gibt es keine nachträgliche gerichtliche Genehmigung mehr. Es ist dann allein Sache des Volljährigen selbst, den Zustand schwebender Unwirksamkeit zu beenden (Pichler aaO Rz 17c; EFSlg 51.238 ua), und zwar auch durch konkludente Genehmigung (vgl 8 Ob 580/90 vom 28.11.1991). Da die Tochter ihr neunzehntes Lebensjahr am 6. Dezember 1989 vollendet und damit die Volljährigkeit erlangt hat, seither aber an dem Hauptmietvertrag festhält, wäre der Hauptmietvertrag selbst bei Annahme seiner Genehmigungspflicht rechtswirksam.

Ebenso versagt der Einwand des Revisionsrekurswerbers, es sei gleichheitswidrig, Hauseigentümern mit minderjährigen Kindern die Umgehung zwingender Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes zu gestatten. Zum einen hat der Verwandtschaftsgrad zwischen dem Eigentümer und der Hauptmieterin nichts mit der Frage zu tun, ob ein Hauptmietvertrag mit einer 17-jährigen Minderjährigen, die erst nach drei Jahren die Wohnung selbst bewohnen will, weil sie sich bis dahin noch im elterlichen Haushalt versorgen läßt (§ 140 Abs 2 ABGB), nur zur Umgehung iSd § 2 Abs 3 MRG geschlossen wird, weil die Vermietung ebenso an eine nicht verwandte Person unter den gleichen Voraussetzungen erfolgen hätte können, zum anderen verkennt der Revisionsrekurswerber, daß der Mietrechtsgesetzgeber keineswegs die Untervermietung an sich verhindern wollte. Es sollte durch § 2 Abs 3 MRG nur Umtrieben (Umgehungsgeschäften) begegnet werden. In der Hoffnung, damit dem Markt mehr Wohnungen zuführen zu können, wurde vielmehr die Untervermietung teils sogar begünstigt, so daß etwa die strengere Beschränkung der Höhe des Untermietzinses nach § 14 Abs 1 MG durch die großzügigere Regelung des § 26 Abs 1 MRG ersetzt wurde, der die gültige Vereinbarung eines selbst weit überhöhten Untermietzinses zuläßt und erst als Folge eines empfangsbedürftigen Verlangens die Ermäßigung des Untermietzinses ab dem folgenden Zinstermin vorsieht (§ 26 Abs 2 MRG; Fenyves in Korinek - Krejci, HBzMRG 298; Würth in Korinek - Krejci, HBzMRG 385; MietSlg 39.342/1; MietSlg 39.388).

Mit der "Sanierungshauptmiete" (etwa SZ 60/8; MietSlg 40.237 ua) läßt sich der Fall nicht vergleichen, weil es dort nicht darum ging, daß der Hauptmieter die Wohnung wenn auch erst später selbst bewohnen sollte. Die Vermietung einer Wohnung zur Befriedigung des eigenen Wohnbedürfnisses des Hauptmieters stellt keine Umgehungshandlung iSd § 2 Abs 3 MRG dar, wenn die Absicht der Parteien tatsächlich darauf gerichtet ist und nur vorübergehend bis zu dem in überschaubarer Zeit beabsichtigten Bezug der Wohnung eine Untervermietung gestattet wird. Die Anmietung einer Wohnung durch einen in Berufsausbildung stehenden Heranwachsenden für eigene Wohnzwecke und eine befristete Untervermietung für die Zeit, in der die Führung eines eigenen Haushaltes noch nicht zweckmäßig ist, weil noch die Unterhaltspflicht der Eltern besteht, stellt einen geradezu typischen Fall dar, in dem von einer Umgehungsabsicht der Beteiligten nicht gesprochen werden kann, wenn nicht nachgewiesen ist, daß der Hauptmieter in Wahrheit die Wohnung nicht selbst bewohnen will, sondern diese Absicht nur vortäuscht. Gerade das Gegenteil ist im Tatsachenbereich festgestellt.

Die Abweisung der Anträge auf Anerkennung als Hauptmieter und auf Feststellung des Überschreitens des gesetzlichen Ausmaßes des Hauptmietzinses wurden von den Vorinstanzen ohne Rechtsirrtum abgewiesen.

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