Spruch:
Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Entscheidung über das Widerklagebegehren richtet.
Im Übrigen wird der außerordentlichen Revision nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.959,48 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 326,58 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin, eine bulgarische Gesellschaft, nimmt die Beklagte, die österreichische Tochter eines Kraftfahrzeugherstellers, wegen der angeblichen Nutzung folgender Marken in Anspruch:
- österreichische Wortmarke AT 232.749 „FEELING“, geschützt für Fahrzeuge sowie deren Teile, soweit in Klasse 12 enthalten, sowie für Räder für Fahrzeuge und Felgen für Fahrzeuge (Priorität vom 20. Dezember 2005, eingetragen am 4. Juli 2006), und
- Gemeinschaftsmarke CTM 005150032 „FEELING“, geschützt für Fahrzeuge sowie deren Teile und Zubehör, soweit in Klasse 12 enthalten, sowie für Räder für Fahrzeuge (Priorität vom 20. Dezember 2005, eingetragen am 13. April 2007).
Inhaber dieser Marken war im relevanten Zeitraum E***** A*****, die Klägerin war ausschließliche Lizenznehmerin. E***** A***** ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin und zweier weiterer Gesellschaften, deren Geschäftszweck in der Verwaltung von Marken liegt. Bis 2010 meldete er im eigenen oder im Namen seiner Gesellschaften 3.000 österreichische Marken und mehr als 450 Gemeinschaftsmarken an. Diese Marken hatten großteils beschreibenden Charakter. Tatsächlich registriert wurden nur 120 Marken. Dieses Verhältnis zwischen Anmeldungen und Registrierungen ist außergewöhnlich, da die Registrierung im Allgemeinen nur bei 12 bis 15 % der Anmeldungen unterbleibt. Die Marken bietet A***** im Namen seiner Gesellschaften potentiell interessierten Unternehmen an. Er oder seine Gesellschaften richten aber auch Abmahnschreiben an Unternehmen, die ähnliche Zeichen verwenden.
Die Beklagte vertreibt Fahrzeuge der Marke V***** in Österreich. Sie bot hier ab 2006 einen Pkw unter der Bezeichnung „V***** C70“ an. Bei der Werbung für dieses Fahrzeug verwendete sie das Wort „FEEL“ in einer grafischen Gestaltung, die aus ohne Zwischenraum aneinander gereihten Großbuchstaben bestand. Diese Darstellung fand sich in Werbeunterlagen und in Zeitungsinseraten sowie aufgeklebt auf Schaufenstern von Vertragshändlern. Werbeanzeigen enthielten zudem die Formulierungen „FEEL ist das Erlebnis der Sinne, das der neue V***** C70 eröffnet“ und „Mehr Informationen über den neuen V***** C70 erfahren Sie jetzt unter www.feel.de “. Inhaberin dieser Domain war ebenfalls die Beklagte; bei Eingabe der Adresse gelangte man auf eine Website, auf der die Beklagte das Fahrzeug ebenfalls in dieser Form bewarb.
Die Gemeinschaftsmarke FEELING wurde vom Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt am 12. Juli 2011 für nichtig erklärt. Der dagegen erhobenen Beschwerde gab die Beschwerdekammer am 29. August 2012 nicht Folge. Die Parteien gehen von der Rechtskraft dieser Entscheidung aus.
Die Klägerin begehrt Unterlassung, Rechnungslegung, Übertragung (hilfsweise Löschung) der Domain und Urteilsveröffentlichung; die Bezifferung eines Begehrens auf Zahlung angemessenen Entgelts behält sie sich vor. Die Beklagte werbe für ihre Fahrzeuge unter Verwendung des Wortes „FEEL“, das den Marken verwechselbar ähnlich sei. Durch diese kennzeichenmäßige Verwendung greife sie in die Rechte an diesen Marken ein.
Die Beklagte wendet ein,
- das Zeichen „FEEL“ sei beschreibend und daher nicht unterscheidungskräftig;
- es liege ein bösgläubiger Markenrechtserwerb vor, da E***** A***** Marken nur zu Spekulationszwecken anmelde;
- die Gemeinschaftsmarke sei am 13. April 2007 registriert worden, somit vor mehr als fünf Jahren; die „klägerische Marke“ sei nicht im geschäftlichen Verkehr verwendet worden;
- sie selbst habe das Zeichen „FEEL“ nicht kennzeichenmäßig verwendet;
- es bestehe keine Verwechslungsgefahr.
Weiters erhebt die Beklagte Widerklage auf Nichtigerklärung der Gemeinschaftsmarke, weil E***** A***** sie bösgläubig angemeldet habe und die Unterscheidungskraft fehle.
Die Klägerin tritt diesen Einwänden und der Widerklage mit der Begründung entgegen, dass Unterscheidungskraft vorliege und die Marke nicht bösgläubig angemeldet worden sei. Sie betreibe eine „Markenagentur“, die der Natur der Sache nach Marken auf Vorrat „entwickle“, um sie dann interessierten Unternehmen anzubieten. Dem in der letzten mündlichen Verhandlung am 26. Dezember 2012 erhobenen Einwand, sie habe die Marke nie benutzt, hielt sie entgegen, dass „die Marke Feeling noch immer aufrecht registriert sei und darüber hinaus eine mögliche Löschung wegen Nichtbenützung zum Ende der Benutzerschonfrist von fünf Jahren zurückwirke, also im Verfahren immer als aufrecht registriert zu wirken habe“.
Im Sicherungsverfahren erließ der Oberste Gerichtshof eine einstweilige Verfügung (17 Ob 1/08h = ÖBl 2009, 83 [ Gamerith ] ‑ Feeling/Feel). Er bejahte Kennzeichnungskraft, kennzeichenmäßige Verwendung und Verwechslungsgefahr.
Das Erstgericht verband Klage und Widerklage zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung, wies das Klagebegehren ab und gab der Widerklage statt.
Auf Antrag der Beklagten holte es ein demoskopisches Gutachten zur kennzeichenmäßigen Nutzung der Marken ein. Zu diesem Zweck wurden 1001 Personen eine Anzeige der Klägerin mit folgender Frage vorgelegt: „Hier sehen Sie eine Werbeanzeige. Welche Automarke und welches Modell wird Ihrer Meinung nach mit dieser Werbeanzeige beworben?“ 21 % der Befragten antworteten mit „V*****“, 54 % mit „C70“ oder „V***** C70“, 6 % nannten andere V*****modelle, 1 % andere Automarken und 18 % konnten die Frage nicht beantworten. Daraus leitete der Sachverständige ab, dass man wegen der Nichtnennung des Begriffs FEEL „mit Sicherheit davon ausgehen [könne], dass das in der Werbung verwendete Wort FEEL in keinster Weise als ein V***** Modell verstanden wird.“ Auf dieser Grundlage stellte das Erstgericht fest, dass das „in den Werbeinseraten der Beklagten verwendete Wort FEEL […] von den Werbeadressaten nicht mit einer Automarke oder einem Automobil der Beklagten assoziiert“ werde. Weiters nahm es als erwiesen an, dass E***** A***** bei seinen österreichischen Markenanmeldungen beantrage, „dass die Frist zur Zahlung der Markenanmeldegebühr bis zum Höchstausmaß von 18 Monaten erstreckt“ werde und dass er die Anmeldungen vor Erledigung zurückziehe, „sodass keine Gebühren anfallen“. Die Beklagte habe das Zeichen „FEEL“ erstmals auf einer Automobilmesse im Herbst 2005 ‑ also vor der Anmeldung der Marken ‑ verwendet. Rechtlich beurteilte das Erstgericht den von ihm festgestellten Sachverhalt dahin, dass die Beklagte die Bezeichnung „FEEL“ nicht kennzeichenmäßig verwendet habe. Weiters habe E***** A***** die Marken bösgläubig erworben. Er habe die Marke „FEELING“ nach der ersten Verwendung von „FEEL“ durch die Beklagte zunächst in Deutschland angemeldet und erst nach Anlaufen der Werbekampagne die Gemeinschafts- und die österreichische Marke angemeldet. Er selbst habe die Marke nie kennzeichenmäßig genutzt. Auch das OLG Frankfurt habe das Geschäftsmodell von E***** A***** - die Anmeldung auch deutscher Marken auf Vorrat, wobei ein Großteil mangels Zahlung der Gebühren nicht registriert werde ‑ als sittenwidrig qualifiziert. Es liege eine Behinderung Dritter durch Spekulationsmarken vor. Weiters sei die Marke wegen fünfjähriger Nichtbenützung erloschen. Die Widerklage sei bei Schluss der Verhandlung noch berechtigt gewesen, da die Entscheidung des Harmonisierungsamts zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig gewesen sei.
Gegen diese Entscheidung richtete sich eine Berufung der Klägerin, in der sie unter anderem die Feststellungen zum Verständnis der angesprochenen Kreise, zur erstmaligen Verwendung im Herbst 2005 und zur Anmeldepraxis des Klägers (Antrag auf Fristerstreckung für die Zahlung von Gebühren; Rücknahme der Anmeldung vor Erledigung) bekämpfte.
Das Berufungsgericht bestätigte die angefochtene Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands in beiden verbundenen Verfahren 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Das Klagebegehren sei schon deswegen abzuweisen, weil die Klägerin die Marken während der fünfjährigen Frist des § 33a MSchG bzw des Art 51 Abs 1 lit a GMV nicht ernsthaft benutzt habe. Dies habe „den Verfall der Marken und [das] Erlöschen aller darauf gestützten Ansprüche bewirkt“. Im Bezug auf das Widerklagebegehren sei die Bindungswirkung der ‑ wenngleich erst nach Schluss der Verhandlung erster Instanz rechtskräftig gewordenen ‑ Nichtigerklärung durch das Harmonisierungsamt zu berücksichtigen. Dies führe zur Bestätigung der stattgebenden Entscheidung; eine Abweisung iSv Art 100 Abs 2 GMV komme mangels Identität der Parteien nicht in Betracht. Auf die Beweisrügen komme es auf dieser Grundlage nicht an.
In ihrer gegen diese Entscheidung gerichteten außerordentlichen Revision macht die Klägerin geltend, die Beklagte habe zur österreichischen Marke keine Nichtbenutzungseinrede erhoben. Abgesehen davon könne ein Verfall wegen Nichtbenutzung nur den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch betreffen; für die ersten fünf Jahre nach der Registrierung blieben die Ansprüche aufrecht. Bösgläubiger Markenrechtserwerb liege mangels für den Zeitpunkt der Anmeldung nachgewiesener Absicht, die Beklagte konkret zu behindern, nicht vor. Der Widerklage hätte wegen der ohnehin erfolgten Nichtigerklärung nicht stattgegeben werden dürfen; eine neuerliche Nichtigerklärung - hier wegen Bösgläubigkeit - sei nicht möglich gewesen. Die Entscheidung sei aktenwidrig, weil im Zeitpunkt der Nichtigerklärung eine Gesellschaft von E***** A***** Markeninhaberin gewesen sei, nicht, wie von den Vorinstanzen angenommen, dieser selbst.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Entscheidung über das Widerklagebegehren richtet. Im Übrigen ist sie zulässig, weil die Rechtsprechung zum bösgläubigen Markenrechtserwerb einer Weiterentwicklung bedarf. Sie ist aber nicht berechtigt.
A. Zur Revision gegen die Entscheidung über das Widerklagebegehren
1. Die Klägerin ist durch die stattgebende Entscheidung über die Widerklage nicht beschwert.
1.1. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist nicht nur die formelle, sondern auch die materielle Beschwer (4 Ob 576/94 = SZ 67/230; RIS-Justiz RS0041868, RS0006497; Zechner in Fasching/Konecny 2 Vor § 514 ZPO Rz 66 mwN). Sie liegt vor, wenn der Rechtsmittelwerber in seinem Rechtsschutzbegehren durch die angefochtene Entscheidung beeinträchtigt wird, er also ein Bedürfnis auf Rechtsschutz gegenüber der angefochtenen Entscheidung hat (RIS-Justiz RS0041746, RS0043815). Ist das nicht der Fall, so ist das Rechtsmittel auch dann zurückzuweisen, wenn die Entscheidung formal vom Antrag abweicht (4 Ob 576/94; RIS-Justiz RS0041868 [insb T14, T15]). Das allfällige Interesse an einer anderen Kostenentscheidung begründet keine Beschwer (RIS-Justiz RS0002396).
1.2. Im konkreten Fall ist unstrittig, dass die Entscheidung des HABM, mit der die Gemeinschaftsmarke für nichtig erklärt wurde, rechtskräftig ist. Das hat nach Art 55 Abs 2 GMV zur Folge, dass die in der Verordnung vorgesehenen Wirkungen der Gemeinschaftsmarke im Umfang der Nichtigerklärung als von Anfang an nicht eingetreten gelten. Auf dieser Grundlage bringt die Klägerin in der Revision vor, dass „eine bereits mit Wirkung erga omnes für nichtig erklärte Gemeinschaftsmarke […] nicht mehr für einen anderen Nichtigkeitsgrund für nichtig erklärt werden“ könne; eine dem Widerklagebegehren stattgebende Entscheidung wäre nicht mehr „vollstreckbar“. Die letztgenannte Formulierung soll offenkundig ausdrücken, dass eine bereits für nichtig erklärte Gemeinschaftsmarke nicht neuerlich für nichtig erklärt werden kann. Das trifft zu; eine Entscheidung, die eine solche neuerliche Vernichtung ausspricht, ginge ins Leere.
1.3. Daraus folgt aber, dass die Klägerin durch die stattgebende Entscheidung über die Widerklage nicht beschwert ist. Denn sie wirkt sich auf ihre Rechtsposition in keiner Weise aus: Die Gemeinschaftsmarke wurde bereits durch die rechtskräftig gewordene Entscheidung des HABM aus dem Rechtsbestand entfernt; die später ergangene Entscheidung der österreichischen Gerichte konnte daher keine rechtsgestaltende Wirkung mehr entfalten. Ob das Erstgericht der Widerklage zutreffend stattgegeben hat oder nicht, ist auf dieser Grundlage nur von theoretischer Bedeutung; in die Rechtssphäre der Klägerin greift diese Entscheidung nicht mehr ein.
1.4. Dagegen kann nicht eingewendet werden, dass bei einer Nichtigerklärung wegen Bösgläubigkeit eine Umwandlung in eine nationale Marke unionsweit ausgeschlossen ist, während die Gemeinschaftsmarke bei einer Nichtigerklärung wegen eines älteren nationalen Rechts in jenen Mitgliedstaaten, die von dieser Nichtigerklärung nicht betroffen sind, in eine nationale Marke umgewandelt werden kann (Art 112 Abs 2 lit b GMV). Da im vorliegenden Fall (nur) die Nichtigerklärung durch das HABM wirksam wurde, ist die Möglichkeit einer Umwandlung ausschließlich danach zu beurteilen; auch die ‑ zudem inzwischen längst abgelaufene ‑ Frist für eine Umwandlung (Art 112 Abs 5 GMV: drei Monate ab Rechtskraft der Entscheidung) kann der Natur der Sache nach nur mit jener Nichtigerklärung beginnen, die zuerst rechtskräftig wurde. Denn ist diese Frist abgelaufen, ist die ursprüngliche Priorität jedenfalls verloren; eine neuerliche Nichtigkerklärung aus anderen Gründen könnte daran schon aus Gründen des Verkehrsschutzes nichts ändern. Die ins Leere gegangene Entscheidung im Widerklageverfahren hat daher auch insofern keine Auswirkungen auf die Klägerin.
2. Aus diesen Gründen ist die Klägerin durch das Urteil über die Widerklage materiell nicht beschwert. Ihre dagegen gerichtete Revision ist daher zurückzuweisen. § 50 Abs 2 ZPO ist nicht anwendbar, weil die Beschwer schon bei Einbringen der Revision (tatsächlich schon bei Einbringen der Berufung) gefehlt hat. Die Beklagte hat daher die Kosten der Revision im Umfang der Zurückweisung jedenfalls selbst zu tragen.
B. Zur Revision gegen die Entscheidung über das Klagebegehren
1. Die Klägerin stützt sich in ihrer Revision gegen die abweisende Entscheidung über das Klagebegehren ausschließlich auf die Verletzung der österreichischen Wortmarke FEELING. Denn in Bezug auf die Gemeinschaftsmarke führt sie aus, dass die Nichtigkeitsentscheidung des HABM „in allen dieselbe Gemeinschaftsmarke betreffenden Verfahren“ zu beachten sei. Daraus folgt, dass sie auch im vorliegenden Verfahren keine Ansprüche mehr daraus ableitet. Auch in der Ausführung der Revision zitiert sie insofern nur Regelungen des österreichischen Markenrechts.
2. Ansprüche aufgrund der österreichischen Marke bestehen nicht, weil diese bösgläubig angemeldet wurde.
2.1. Nach § 34 MSchG kann jedermann die Löschung einer Marke begehren, wenn der Anmelder bei der Anmeldung bösgläubig war. Es ist unstrittig, dass dieser Löschungsgrund auch in Verletzungsverfahren aufgrund eines Einwands des Beklagten wahrgenommen werden kann (vgl nur 4 Ob 40/95 = ÖBl 1996, 91 ‑ Detomaso; 4 Ob 128/01d = ÖBl 2002/48 ‑ Silberpfeil; 4 Ob 89/06a = ÖBl 2007, 27 [ Gamerith ] ‑ grüngeflammt [auch im Sicherungsverfahren]). Die bösgläubige Anmeldung ist in diesem Fall vorfrageweise zu prüfen.
2.2. Ob eine Anmeldung bösgläubig war, ist nach der Rechtsprechung des EuGH „umfassend“ zu beurteilen ist, wobei alle im konkreten Fall „erheblichen Faktoren“ zu berücksichtigen sind (C‑529/07, Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli AG, ÖBl 2009, 271 [ Gamerith ] ‑ Goldhase III, Rz 37; C‑320/12, Malaysia Dairy Industries Pte. Ltd, Rz 36). Dabei ist zwar richtig, dass Bösgläubigkeit bisher in erster Linie bei bei Verletzung von Loyalitätspflichten oder bei Behinderung eines bereits das Zeichen nutzenden Dritten bejaht wurde (C‑529/07, Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli AG; C‑320/12, Malaysia Dairy Industries Pte. Ltd; ebenso die österreichische Rsp, 4 Ob 89/06a ‑ grüngeflammt; 17 Ob 40/08v = RdW 2009, 584 ‑ Tramontana II). Der Rechtsprechung lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass Bösgläubigkeit auf diese Fallgruppen beschränkt wäre.
(a) Zwar hat der EuGH in den zitierten Entscheidungen zur konkreten Behinderung von Mitbewerbern Stellung genommen, die noch vor Anmeldung der strittigen Marke ähnliche Zeichen verwendet hatten. Dies war jedoch durch die Fragestellung der vorlegenden Gerichte bedingt; dass die von ihm genannten Kriterien ausschließlichen Charakter hätten, folgt aus den Entscheidungen nicht (vgl C‑529/07, Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli AG, Rz 38 [„zu den in den Vorlagefragen angeführten Faktoren“]; C‑320/12, Malaysia Dairy Industries Pte. Ltd, Rz 38 [„alle Faktoren […], u.a.“]). Das EuG hat in diesem Zusammenhang klargestellt, dass es sich bei den vom EuGH genannten Faktoren nur um Beispiele einer ganzen Reihe möglicher Gesichtspunkte handle, die bei der erforderlichen Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnten (T-327/12 , Simca Europe Ltd, Rz 38; T‑33/11, Peeters Landbouwmachines BV, Rz 20). Auch die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs betrafen konkrete Anlassfälle, die in die bisher anerkannten Fallgruppen eingeordnet werden konnten; eine Fallgestaltung, die mit der hier vorliegenden vergleichbar gewesen wäre, war nie zu beurteilen.
(b) Der deutsche Bundesgerichtshof wertet es in Verletzungsverfahren als rechtsmissbräuchlich iSv § 242 BGB, Marken als „Vorratsmarken“ in „Bereitschaft“ zu halten und darauf zu warten, dass dritte Unternehmen, wie vom Markeninhaber „erhofft und erspürt“, idente oder ähnliche Zeichen verwenden, um diese dann „mit Unterlassungs- oder Geldforderungen zu überziehen“ (I ZR 93/98 =
GRUR 2001, 242 ‑ Classe E). Diese Rechtsprechung übernahm er (obiter) in Löschungsverfahren für den Tatbestand der bösgläubigen Markenanmeldung iSv § 8 Abs 2 Nr 10 dMarkenG (I ZB 23/11 = GRUR 2012, 429 - Simca, ebenso BPatG 29 W [pat] 7/13 = BeckRS 2014, 16257 ‑ MagicPix). Auf ihrer Grundlage beurteilten deutsche Oberlandesgerichte das auch hier strittige Geschäftsmodell von E***** A***** als Rechtsmissbrauch (OLG Düsseldorf I-20 U 199/09, GRUR RR 2011, 211; OLG Frankfurt/Main 6 U 126/12, GRUR-Prax 2013, 161; OLG Frankfurt/Main 6 U 9/13, BeckRS 2014, 04648). Dabei ist unstrittig, dass die Markenanmeldung keinen Benutzungswillen für eigene Waren oder Dienstleistungen erfordert; es genügt die Absicht, die Marke ‑ etwa im Fall von Werbeagenturen oder Markendesignern ‑ durch Lizenzerteilung oder Übertragung Dritten zuzuführen (BGH I ZR 93/98 - Classe E). Anders verhält es sich aber, wenn die Anmeldung nur erfolgt, um dritte Unternehmen, die gleiche oder ähnliche Zeichen nutzen, in Anspruch zu nehmen. Das muss regelmäßig aus Indizien erschlossen werden. Ausgehend von I ZR 93/98 (- Classe E) nennt die deutsche Rsp als solche Indizien ua die Anmeldung einer Vielzahl von Marken für völlig unterschiedliche Waren und Dienstleistungen, das Fehlen einer ernsthaften Planung für die eigene oder fremde Benutzung dieser Marken und das Horten von Marken für den Zweck, Dritte bei Verwendung gleicher oder ähnlicher Zeichen mit Unterlassungs- oder Schadenersatzansprüchen zu überziehen (OLG Düsseldorf I-20 U 199/09 mwN).
2.4. Die deutsche Lehre teilt die Auffassung der Rechtsprechung, dass nicht nur die beabsichtigte Behinderung konkreter Unternehmen, die das strittige Zeichen schon verwenden, sondern auch das Anmelden und Nutzen von Marken zu Spekulations- und Abmahnzwecken rechtsmissbräuchlich ist; dabei werden die oben dargestellten Kriterien der Rechtsprechung regelmäßig zustimmend referiert ( Fezer , Markenecht 4 [2009], § 8 Rz 678; Ströbele in Ströbele / Hacker , Markengesetz 10 , § 8 Rz 694f; Ingerl / Rohnke , Markengesetz 3 [2010] vor §§ 14-19d Rz 364; vgl auch Ohly in Ohly / Sosnitza , UWG 6 [2014] § 4 UWG Rz 10/81 und Köhler in Köhler / Bornkamm , UWG 32 [2014] § 4 Rz 10.86 [Behinderungswettbewerb]; grundlegend zur „Hinterhaltsmarke“ als Anwendungsfall der bösgläubigen Markenanmeldung Helm , Die bösgläubige Markenanmeldung, GRUR 1996, 593 [599 ff]). Dass dabei auf § 242 BGB oder § 4 Nr 10 dUWG zurückgegriffen wird, hat offenkundig prozessuale Gründe: Während in Österreich die markenrechtlichen Nichtigkeits- und Verfallsgründe im Verletzungsprozess eingewendet werden können, ist das nach deutschem Recht - außer bei ausdrücklicher Anordnung (zB § 25 dMarkenG [Nichtbenutzung]) ‑ nicht möglich; diese Gründe sind vielmehr nur im Eintragungs- oder Löschungsverfahren wahrzunehmen. Daher müssen im Verletzungsprozess weiterhin andere Rechtsgrundlagen herangezogen werden, um die nun auch in § 8 Abs 2 Nr 10 dMarkenG positivierte Wertung umzusetzen, dass Rechtsmissbrauch das Geltendmachen von markenrechtlichen Ansprüchen ausschließt. Am (anzustrebenden) Gleichlauf der Ergebnisse ändert das nichts ( Ohly aaO Rz 10/78 mwN; vgl BGH I ZB 23/11 - Simca; BPatG 29 W [pat] 7/13 - MagicPix).
2.5. Dieses Problem besteht im österreichischen Recht nicht, weil Gründe für das Erlöschen oder den Nichtbestand einer Marke hier auch im Verletzungsprozess mit Einwand geltend gemacht werden können. Wohl aus diesem Grund übernimmt die österreichische Lehre die Wertungen der deutschen Rechtsprechung zur Spekulationsmarke für die Auslegung von § 34 MSchG, ohne den Unterschied in den Rechtsgrundlagen näher zu erörtern ( Koppensteiner , Markenrecht 4 [2012] E Rz 95; Hofinger in Kucsko , marken.recht 2 [2013] § 34 Rz 14 f). Eine bösgläubige Markenanmeldung ist danach anzunehmen, wenn Umstände darauf hindeuten, dass es dem Anmelder ohne eigenen Benutzungswillen hauptsächlich darum gehe, Dritte mit Unterlassungs- oder Geldforderungen zu überziehen ( Koppensteiner aaO), was nach quantitativen (Anmeldung einer Vielzahl von Marken), qualitativen (breites Waren- und Dienstleistungsverzeichnis) und gegebenenfalls auch zeitlichen Kriterien zu beurteilen sei ( Hofinger aaO).
2.6. Der Senat teilt diese Auffassung. Schon aus den Regelungen über den (wenngleich aufgeschobenen) Benutzungszwang folgt, dass Zweck des Markenrechts die tatsächliche Nutzung der Marke als Herkunftshinweis ist. Folgerichtig sieht auch der EuGH die beabsichtigte Nutzung als Herkunftshinweis bei der Beurteilung der Bösgläubigkeit als ein maßgebendes Kriterium (C‑529/07, Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli AG, Rz 45). Steht daher von Anfang an fest, dass eine Marke nicht als Herkunftshinweis, sondern hauptsächlich dazu dienen soll, aufgrund des damit verbundenen Ausschließlichkeitsrechts Ansprüche gegen dritte Unternehmen geltend zu machen, ist schon die Anmeldung rechtsmissbräuchlich und damit bösgläubig iSv § 34 MSchG. Denn eine solche Anmeldung beschränkt die Handlungsfreiheit der Wettbewerber, ohne dass dies durch die Zwecke des Markenrechts gerechtfertigt wäre. Das gilt nicht dann nur, wenn die Anmeldung gegen ein konkretes Unternehmen gerichtet ist, das das Zeichen bereits nutzt, sondern auch dann, wenn dadurch das Geltendmachen von Ansprüchen gegen vorerst noch unbestimmte Unternehmen ermöglicht werden soll, die das Zeichen in Zukunft nutzen werden. Ob das zutrifft, ist aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Indizien dafür sind unter anderem die Anmeldung einer Vielzahl unterschiedlicher Marken und das Fehlen eines realistischen Geschäftsmodells für deren über das Geltendmachen von Abwehransprüchen hinausgehende Nutzung.
2.7. Im vorliegenden Fall besteht kein Zweifel, dass (auch) die Klagsmarke zu Spekulationszwecken angemeldet wurde.
(a) E***** A***** hat eine Vielzahl von meist beschreibenden Marken angemeldet, jedoch nur zu einem sehr geringen Teil tatsächlich eine Registrierung erwirkt. Zwar hat das Berufungsgericht die Beweisrüge zur Feststellung, er beantrage bei seinen Markenanmeldungen, die Frist zur Zahlung der Markenanmeldegebühr bis zum Höchstausmaß von 18 Monaten zu erstrecken, und er ziehe die Anmeldungen vor Erledigung zurück, „sodass keine Gebühren anfallen“, nicht erledigt. Die Klägerin gesteht aber selbst zu, dass dies „gelegentlich“ vorkomme; sie bestreitet auch nicht, dass in diesem Fall die Anmeldegebühr (zumindest teilweise) zurückzuzahlen ist (§ 24 Abs 2 und 3 PAG). Schon das spricht ‑ angesichts des ganz außergewöhnlichen Verhältnisses zwischen Anmeldungen und Registrierungen ‑ für Spekulationsabsicht. Weiters fehlt jeder Anhaltspunkt, dass E***** A***** und seine Gesellschaften mit ausdifferenzierten Marketingkonzepten an Unternehmen herantreten, um ihnen bisher nicht genutzte Marken - im Sinn neuer Ideen für die künftige Geschäftstätigkeit - anzubieten; der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt vielmehr in der Berufung auf in Vorrat gehaltene Marken, um gegen die bereits laufende oder unmittelbar bevorstehende Verwendung gleicher oder ähnlicher Zeichen vorzugehen. Das (hier aufgrund eines einzigen Vorgangs festgestellte) Anbieten eines „Markenportfolios“ mit einer Vielzahl teils nicht oder nur schwach kennzeichnungskräftiger Marken, deren Anmeldung keine nennenswerte geistige Leistung zugrunde liegt und die nicht mit konkreten Marketingkonzepten verbunden sind, kann in diesem Zusammenhang nur als Versuch gedeutet werden, den wahren Zweck dieser Vorgangsweise zu verschleiern. Denn das Anmelden von Marken in der Erwartung, dritte Unternehmen würde diese gleichsam „von der Stange“ kaufen, ist angesichts des Umstands, das Marketingagenturen neue Marken regelmäßig zusammen mit ihren Kunden und in Bezug auf konkrete Waren oder Dienstleistungen entwickeln, kein auch nur ansatzweise nachvollziehbares Geschäftsmodell (OLG Frankfurt/Main 6 U 9/13, BeckRS 2014, 04648).
(b) E***** A***** ging es daher bei der Anmeldung seiner Marken nicht um deren Hauptfunktion als Herkunftshinweis, sondern sein Interesse war offenkundig darauf gerichtet, aus dem mit einer Marke verbundenen Ausschließlichkeitsrecht finanzielle Vorteile zu ziehen: dies ohne die Absicht, die Marken selbst als Herkunftshinweis zu nutzen oder deren Nutzung durch dritte Unternehmen im Rahmen eines nachvollziehbaren Geschäftsmodells in die Wege zu leiten und zu unterstützen. Dieses Vorhaben war umso erfolgversprechender, je wahrscheinlicher dritte Unternehmen die markenrechtlich geschützten Begriffe unabhängig von der Tätigkeit von E***** A***** nutzen würden. Daher lag nahe, vor allem schwache oder beschreibende Zeichen anzumelden, bei denen der Natur der Sache nach zu erwarten war, dass sie von Unternehmen in ihrer Werbung verwendet würden; dies wiederum in der durchaus realistischen Erwartung, dass (a) das Patentamt in vielen Fällen dennoch eine Registrierung vornehmen würde und (b) nicht wenige Unternehmen den Aufwand der Rechtsverteidigung (Nichtigkeit der Marke; beschreibende Verwendung in der eigenen Werbung) scheuen und statt dessen eine Ablöse zahlen würden. Auch im überwiegend beschreibenden Charakter der angemeldeten Marken liegt daher ein starkes Indiz für die Absicht des Anmelders, sie nicht als Herkunftshinweis einzusetzen, sondern das damit verbundene Ausschließungsrecht für von der Rechtsordnung nicht gebilligte Zwecke zu nutzen.
3. Damit müssen die Ansprüche der Klägerin schon wegen bösgläubigen Markenrechtserwerbs scheitern. Auf den vom Berufungsgrund herangezogenen Abweisungsgrund des Verfalls wegen Nichtbenutzung kommt es unter diesen Umständen nicht an. Es kann daher offen bleiben, ob die Beklagte diesen Einwand in Bezug auf die österreichische Marke überhaupt erhoben hat und ob der Verfall ‑ wie vom Berufungsgericht ohne nähere Begründung angenommen ‑ tatsächlich auch Zahlungsansprüche für die Zeit des aufrechten Bestands der Marke ausschließt. Dagegen spricht die nur beschränkte Rückwirkung dieses Löschungsgrundes (§ 33a Abs 6 MSchG; vgl auch Art 55 Abs 1 iVm Art 51 Abs 1 lit a GMV; zum deutschen Markenrecht Ingerl / Rohnke , Markengesetz 3 § 52 Rz 19; Fezer , Markenrecht 4 § 52 Rz 16 ff). Ebenso kann offen bleiben, ob im konkreten Fall überhaupt ein Gutachten zum Verständnis der angesprochenen Kreise einzuholen war (vgl 17 Ob 27/11m = ÖBl 2013, 67 [ Mildner ] - Red Bull/Run Cool) und ob dieses Gutachten angesichts der methodisch verfehlten Fragestellung des Sachverständigen - der offenbar den umgangssprachlichen Begriff der „Automarke“ und nicht die Funktion der konkreten Bezeichnung als Herkunftshinweis vor Augen hatte - nachvollziehbare Rückschlüsse auf das relevante Verständnis der angesprochenen Kreise erlaubte. Auch die angebliche Aktenwidrigkeit ist insofern unerheblich.
4. Die dieser Entscheidung zugrundeliegenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:
Eine Markenanmeldung ist auch dann bösgläubig, wenn sie ohne eigene Benutzungs- oder Vermarktungsabsicht erfolgt, sondern hauptsächlich dazu dient, dritte Unternehmen, die später gleiche oder ähnliche Zeichen nutzen, auf Unterlassung und Zahlung in Anspruch zu nehmen. Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Anmelder ohne konkrete Geschäftsbeziehung mit potentiellen Nutzern eine Vielzahl von Marken mit geringer oder fehlender Kennzeichnungskraft anmeldet, nur ein geringer Teil dieser Anmeldungen tatsächlich zu einer Registrierung führt und ein realistisches Geschäftsmodell für eine über das Geltendmachen von Unterlassungs- und Zahlungsansprüchen hinausgehende Nutzung dieser Marken nicht erkennbar ist.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Bei der Bestimmung der Höhe war zu berücksichtigen, dass der Senat der Beklagten die Rechtsmittelbeantwortung nur insofern freigestellt hat, als sich die Revision auf die Entscheidung über das Klagebegehren bezog. Die Bemessungsgrundlage beträgt daher nur 36.000 EUR. Die Ansätze des Kostenverzeichnisses waren entsprechend zu reduzieren.
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