European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00085.15A.0922.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die Klägerin ist Medieninhaberin des periodischen Druckwerks „Heute“. Die Beklagte ist Medieninhaberin, Verlegerin und Vertreiberin des periodischen Druckwerks „Österreich“. Beide Streitteile verkaufen Anzeigen, die in ihrer Tageszeitung veröffentlicht werden, weshalb Klägerin und Beklagte zueinander in einem Wettbewerbsverhältnis stehen. Die Medieninhaber aller wesentlichen österreichischen Tageszeitungen, somit auch die Streitteile, sind Mitglieder des Vereins „Arbeitsgemeinschaft Media‑Analysen“. Dieser misst regelmäßig die Reichweite der Zeitungen seiner Mitglieder und veröffentlicht diese Statistik unter dem Titel „Media‑Analyse“ (MA).
Am 27. 3. 2014 veröffentlichte die „Arbeitsgemeinschaft Media‑Analysen“ ihre MA für den Zeitraum 1. 1. 2013 ‑ 31. 12. 2013 (MA 2013), in der die Reichweiten der teilnehmenden Medien unter anderem mittels der Werte „Leser pro Ausgabe (LpA)“ sowie „Weitester Leserkreis (WLK)“ ermittelt wurden. Der Begriff WLK bemisst im hier relevanten Fall von Tageszeitungen jene Personenzahl, die in einem definierten Zeitintervall von 7 Tagen eine Ausgabe einer Zeitung gelesen oder durchgeblättert hat. Unter LpA versteht man die Wahrscheinlichkeit, Leser einer durchschnittlichen Ausgabe einer Zeitung im WLK‑Zeitraum zu sein. In der Kategorie WLK erlangte „Österreich“ in der MA 2013 eine Reichweite von 23,1%, was in absoluten Zahlen 1.669.000 Lesern entspricht. In der Kategorie LpA erzielte „Österreich“ in der MA 2013 eine Reichweite von 10 % im Bundesgebiet und 24 % in Wien. Die Reichweite von „Heute“ bemaß sich im Bundesgebiet auf 13,8 % und in Wien auf 39,2 %. In der MA 2013 wurden die Reichweitenergebnisse des Jahres 2013 nicht isoliert betrachtet, sondern auch die Reichweitenänderungen der einzelnen Zeitungen im Vergleich zur MA 2012 eruiert und in sogenannten „Signifikanztabellen“ ausgewiesen. In der MA 2012 waren die Reichweiten von „Österreich“ und „Heute“ im Bundesgebiet bei 9,5 % bzw 13,9 % sowie in Wien bei 21,5 % bzw 42 % gelegen. Aus diesen Vergleichswerten ergab sich für die MA 2013 im Unterschied zur MA 2012 bundesweit für „Österreich“ ein nicht signifikanter Zuwachs von 0,5 % (= 39.000 Leser); im Bundesland Wien verzeichnete „Heute“ einen nicht signifikanten Verlust von 2,8 % (= 35.000 Leser).
Am 28. 3. 2014 bewarb die Beklagte in der Tageszeitung „Österreich“ dieselbe auf den Seiten 8 und 9 ganzflächig unter anderem mit folgendem Text:
‑ DANKE an bereits 1.699.000 Leser pro Woche* (WLK) & 722.000 Leser pro Ausgabe**.
Die Sternsymbole (*) und (**) verwiesen auf einen kleingedruckten Text, der sich auf Seite 8 direkt unter dem zuvor zitierten Untertitel befand und u.a. nachstehenden Inhalt auwies: *
‑Weitester Leser‑Kreist (WLK) der Leser innerhalb einer Woche laut MA 2013 für Tageszeitungen **LpA Leser pro Ausgabe*.
- Wir legen im Jahr 2013 bundesweit 39.000 Leser zu, steigern unsere Reichweite ‑ nicht signifikant ‑ von bisher 9,5 auf 10,0 %.
- Damit hat ÖSTERREICH knapp 7 Jahre nach seiner Gründung die 10 %‑Reichweiten‑Marke erreicht.
- Damit hat ÖSTERREICH ein Wachstum, das immer mehr zur Erfolgs‑Story wird.
- Unsere Reichweite steigt ‑ nicht signifikant [das heißt innerhalb der Schwankungsbreite] - von 9,5 auf 10%. Das bedeutet ein ‑ nicht signifikantes ‑ Plus von 39.000 Lesern pro Ausgabe. Damit ist der Beweis erbracht: Das ÖSTERREICH‑Konzept der modernen, jungen Zeitung kommt immer besser an. Während andere vom Zeitungs-Sterben reden, ist ÖSTERREICH mit seinem Multi‑Media‑Konzept des qualitätsvollen Boulevards der 'Winner'.
- In Wien [...] haben alle großen Tageszeitungen 2013 teils massiv verloren. [...] Auch Heute ‑ unser direkter Konkurrent am Gratis-Markt ‑ musste ordentlich Federn lassen und verlor nicht signifikant.
Die Beklagte stellte ihre in der Ausgabe der Tageszeitung „Österreich“ vom 28. 3. 2014 auf den Seiten 8 und 9 veröffentlichte Eigenwerbung am selben Tag der „A***** GmbH“ zur Verfügung, die den Artikel ‑ ebenfalls am selben Tag ‑ in Form eines PDF‑Dokuments unverändert auf der Website www.defacto.at veröffentlichte. Besagter Artikel ist dort nach wie vor für registrierte Kunden gegen Entgelt elektronisch einsehbar und downloadbar. Die Website www.defacto.at , die ein multimediales Online‑Zeitungsarchiv mit Suchfunktion bietet, wird technisch von der A***** GmbH betrieben. Für den Inhalt der auf www.defacto.at abrufbaren Artikel ist jedoch nicht die A***** GmbH verantwortlich, sondern das jeweilige Medienunternehmen, welches einen Text zur Veröffentlichung auf www.defacto.at zur Verfügung stellt. Dies war hinsichtlich des beanstandeten Artikels der Tageszeitung „Österreich“ vom 28. 3. 2014 die Beklagte.
Die Klägerin brachte mit bei Gericht am 7. 10. 2014 eingelangtem Schriftsatz Unterlassungsklage ein und beantragte zugleich zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr
1. Reichweitenänderungen zu behaupten, insbesondere Reichweitensteigerungen der Tageszeitung „Österreich“ oder Reichweitenverluste anderer Tageszeitungen, wenn diese Reichweitenänderungen gar nicht vorliegen und/oder gar nicht messbar sind, da sie innerhalb der statistischen Signifikanz (Schwankungsbreite) liegen, und
2. Reichweitenangaben unter dem wörtlichen und/oder sinngemäßen Begriff „Weitester Leserkreis“ (WLK) zu behaupten, insbesondere für die Tageszeitung „Österreich“, wenn dabei nicht gleichzeitig mit dem gleichen Auffälligkeitswert offengelegt wird, was unter dem „Weitesten Leserkreis“ (WLK) zu verstehen ist.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsantrags. Sie stellte jede Irreführungseignung der beanstandeten Eigenwerbung in Abrede. Die Eigenwerbung habe sich an ein Fachpublikum gerichtet, das den Begriff „Signifikanz“ verstehe. Der „Weiteste Leserkreis“ sei in der Eigenwerbung zutreffend mit „Leser pro Woche“ beschrieben worden. Die Beklagte sei nicht Medieninhaberin der Website www.defacto.at , für diese nicht verantwortlich und damit nicht passivlegitimiert. Da die Beklagte die Website nicht beeinflussen könne, dürfe sich die Klägerin nicht auf § 20 Abs 2 UWG berufen; ihre Unterlassungsansprüche seien daher bereits nach § 20 Abs 1 UWG verjährt.
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Die Eigenwerbung ziele auf keine Expertenleserschaft ab, und somit könne nicht davon ausgegangen werden, dass das Publikum den Begriff „Signifikanz“ verstehe. Die Eigenwerbung vermittle insgesamt beim Durchschnittsleser und beim durchschnittlichen Anzeigenkunden das Bild, die Beklagte habe eindeutig und nachweislich an Lesern gewonnen und die Klägerin verloren. Zudem erkläre die Eigenwerbung nicht, was der Begriff „Weitester Leserkreis“ in Wahrheit bedeute. Die Eigenwerbung sei daher im Sinne beider Spruchpunkte irreführend (§ 2 UWG). Die Beklagte habe die Eigenwerbung erstellt, somit den „content“; sie sei für diesen inhaltlich verantwortlich und insoweit als Medieninhaberin anzusehen, sodass sie für die Unterlassungsansprüche passivlegitimiert sei. Da die Eigenwerbung nach wie vor auf der Website www.defacto.at abrufbar sei, sei nach § 20 Abs 2 UWG noch nicht Verjährung der Unterlassungsansprüche eingetreten.
Das Rekursgericht hob den Beschluss des Erstgerichts auf und trug ihm die neuerliche Beschlussfassung nach Verfahrensergänzung auf. Zudem sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu der für die Anwendung des § 20 Abs 2 UWG relevanten Abgrenzung der Einzelhandlung mit Dauerfolgen von der Dauerhandlung zulässig sei. Das Rekursgericht bejahte die Irreführungseignung der beanstandeten Geschäftspraktik. In der Eigenwerbung werde zwar nominell angegeben, dass gewisse Veränderungen nicht signifikant seien, gleichzeitig würden aber die Veränderungen als tatsächlich geschehen hingestellt. Dies sei irreführend. Dasselbe treffe auf die Verwendung der Begriffe Weitester Leserkreis bzw Leser pro Woche zu, da nicht erklärt werde, dass es für diese Kategorie ausreiche, innerhalb einer Woche eine Ausgabe der jeweiligen Zeitung gelesen oder durchgeblättert zu haben. Die Nichtdurchführung des Bescheinigungsverfahrens zum rechtlich relevanten Themenbereich, ob die Beklagte die Möglichkeit habe, die Inhalte der Website www.defacto.at (die beanstandete Eigenwerbung) zu ändern, zu korrigieren oder offline zu nehmen, sei aber ein Verfahrensmangel, der zur Aufhebung der erlassenen einstweiligen Verfügung führen müsse. Sollte die Beklagte nämlich ‑ wie sie behauptet ‑ nicht über diese Möglichkeit verfügen, so wäre die Erstellung der Eigenwerbung samt Übergabe an die A***** GmbH eine Einzelhandlung mit Dauerwirkung und keine Dauerhandlung, sodass § 20 Abs 2 UWG nicht zur Anwendung käme und daher bereits Verjährung nach § 20 Abs 1 UWG vorläge.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, die einstweilige Verfügung des Erstgerichts wiederherzustellen.
Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
1. Die unbekämpft gebliebenen Ausführungen des Rekursgerichts über die Irreführungseignung der beanstandeten Geschäftspraktik sind zutreffend. Es wird daher auf dessen Begründung verwiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 528a ZPO).
2. Nach § 20 Abs 1 UWG beträgt die Verjährungsfrist für Unterlassungsansprüche nach dem UWG sechs Monate ab Kenntnisnahme von der Gesetzesverletzung und der Person des Verpflichteten. Nach § 20 Abs 2 UWG bleibt, solange ein gesetzwidriger Zustand fortbestehen, der Anspruch auf seine Beseitigung (§ 15) und auf Unterlassung der Gesetzesverletzung gewahrt.
3. Die Verjährung eines Unterlassungsanspruchs nach dem UWG beginnt erst, wenn der das Gesetz verletzende Zustand aufhört (RIS‑Justiz RS0079953). Zuletzt hat der Senat auch ausgesprochen, dass bei einer Einzelhandlung für die Verjährung deren Abschluss auch dann maßgebend ist, wenn der Eingriff noch Fortwirkungen zeitigt (4 Ob 15/10z), und dass ein beim Adressaten durch eine Äußerung oder die Übergabe von Unterlagen entstandener Eindruck keinen gesetzwidrigen, die Verjährung gemäß § 20 Abs 2 UWG hemmenden Dauerzustand begründet (4 Ob 54/11m). Ältere Entscheidungen hatten folgende Sachverhalte beurteilt: Das unlautere An‑ bzw Abwerben von Kunden für ein Tenniscamp ist ein dadurch geschaffener Dauerzustand (4 Ob 10/02b); das gilt auch für die „Blockierung“ (genauer: Registrierthaltung) einer Domain (4 Ob 158/00i).
4. Zur Abgrenzung zwischen Einzelhandlungen mit Fortwirkungen und einem die Verjährung hemmenden Dauerzustand fehlt Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. In der (deutschen) Literatur werden dazu folgende Meinungen vertreten:
Köhler (in Köhler/Bornkamm , UWG³³ § 11 Rz 1.23) differenziert danach, ob der Verletzer jeweils neu aktiv tätig wird oder nicht. Nach Toussaint (in Teplitzky/Peifer/Leistner , UWG Großkommentar², § 11 Rz 51) ist die Abgrenzung danach vorzunehmen, ob die andauernde Störung noch vom Verletzer (durch aktives Tun) beeinflusst wird oder (durch ein Unterlassen) beeinflusst werden kann. (so auch Büscher in Fezer , UWG II, § 11 Rz 26; Ernst in Ullmann , UWG, § 11 Rz 19). Zur Begründung berufen sich die Autoren zumeist auf eine Entscheidung des Oberlandesgericht Köln (NJOZ 2008, 2387), die diese Abgrenzung vornimmt, aber nicht näher begründet.
5. Unter den Begriff der Dauerhandlung bzw des Dauerzustands fallen nicht nur Handlungen längerer Dauer, sondern auch Sachverhalte, die sich in eine Handlung (etwa Registrierung der Homepage ‑ 4 Ob 158/00i; Registrierung einer Firma ‑ BGH I ZR 25/01 = GRUR 2003, 448) und eine daran anschließende Unterlassung (etwa Verweigerung der Löschung der Domain; Löschung der Firma) gliedern lassen. Auch die Einzelhandlung mit Fortwirkungen kann nun aber als Handlung (Übergabe der Unterlagen ‑ 4 Ob 54/11m) und anschließende Unterlassung (Nichtaufklärung über den Fehler) gesehen werden. Der Unterschied besteht darin, dass in der ersten Fallgruppe die Störungsursache willentlich aufrecht erhalten wird (vgl Neu , Die Verjährung der gesetzlichen Unterlassungs‑, Beseitigungs‑ und Schadenersatzansprüche des Wettbewerbs‑ und Warenzeichenrechts, GRUR 1985, 335 [338; 341 f]; Rogge , Zur Frage von Unterlassungsansprüchen gemäß § 21 UWG, GRUR 1963, 345 [347]; Messer in FS Helm [2002], Neue Rechtsfragen zur Verjährung des wettbewerblichen Unterlassungs‑ und Schadenersatzanspruchs, 111 [118, 120]), während dies in der zweiten Fallgruppe (nur) für deren Folgen gilt.
6. Eine Zeitungsannonce ist damit eine klassische Einzelhandlung mit Fortwirkungen ( Büscher in Fezer , UWG II, § 11 Rz 26; Ernst in Ullmann , UWG, § 11 Rz 19; Köhler in Köhler/Bornkamm , UWG³³ § 11 Rz 1.23): Dass sie noch Tage oder gar Wochen nach ihrem Erscheinen einem Leser in die Hände fällt, mag zwar vom Willen des Verletzers getragen sein; die Existenz der Störungsquelle selbst (Zeitung) kann er aber nicht willentlich aufrecht erhalten. Hingegen ist die gleiche Annonce auf der Website des Unternehmers ein typischer Dauerzustand (vgl Schulz , Die neuen Verjährungsvorschriften des UWG, WRP 2005, 274 [278]; OLG Köln, NJOZ 2008, 2387): So lange sie dort aufscheint, kann angenommen werden, dass sie vom Willen des Unternehmers getragen wird.
7. Diese Annahme ist jedenfalls in Bezug auf die eigene Website des Unternehmers oder bei Websites wie Facebook oder YouTube zutreffend, wo der Benutzer den selbst eingestellten Inhalt jederzeit wieder löschen kann. Wird die Website jedoch von einem Dritten betrieben, ohne dass der Verletzer eingesandte Inhalte wieder entfernen (lassen) kann, wird es ‑ wie schon das Rekursgericht erkannt hat ‑ darauf ankommen, ob der Verletzer auf den Dritten Einfluss nehmen kann (vgl auch RIS‑Justiz RS0079628; RS0079799; RS0079809), also darauf, ob er eine entsprechende (rechtliche) Einflussmöglichkeit hat (vgl 4 Ob 15/10z).
8. Die dagegen von der Rekurswerberin erhobenen Einwände überzeugen nicht: Richtig ist zwar, dass der Unterlassungsanspruch nach §§ 1 und 2 UWG kein Verschulden voraussetzt (RIS‑Justiz RS0078183) und dass derjenige, der durch einen Gesetzesverstoß einen Störungszustand geschaffen hat, grundsätzlich weiter stört, solange dieser Zustand nicht beseitigt ist (RIS‑Justiz RS0079560). Die Nichtbeseitigung der Störquelle muss aber mit der Fortsetzung der Verletzungshandlung gleichlautend sein, dh ihrem Wesen nach vergleichbare Unlauterkeitselemente aufweisen (vgl RIS‑Justiz RS0079549). Zudem wurde bereits ausgesprochen, dass die Beseitigung der Störquelle nur gefordert werden kann, wenn dem Verpflichteten die Verfügungsmacht darüber zusteht (4 Ob 34/91; 4 Ob 79/95).
Hingegen ist bei der Einzelhandlung mit Dauerfolgen die Nichtbeseitigung der Störquelle von der Begehung von weiteren Verletzungshandlungen wesensmäßig verschieden. Für die verjährungsrelevante Unterscheidung zwischen Dauerzustand und Einzelhandlung mit Folgewirkung ist demnach nicht das Verschulden, sondern die Gleichartigkeit der Nichtbeseitigung mit der Begehung weiterer Verletzungen ‑ was die Möglichkeit der Einflussnahme voraussetzt ‑ relevant. Kann die Beklagte nach Einstellung der Werbung ins Internet darauf in der Folge keinen Einfluss mehr nehmen, wäre der vorliegende Sachverhalt ‑ vergleichbar dem Publizieren eines Druckwerks, das in eine Bibliothek eingestellt wird ‑ als Einzelhandlung mit Fortwirkungen und nicht als Dauerzustand iSv § 20 Abs 2 UWG zu qualifizieren.
9. Daran vermag auch die von der Rekurswerberin ins Treffen geführte Entscheidung 4 Ob 26/09s nichts zu ändern: Entgegen ihrer Lesart wurde dort die Notwendigkeit eines contrarius actus für die Beendigung des lauterkeitsrechtswidrigen Zustands nicht verneint, sondern offen gelassen, weil der Beklagte sein Bonussystem ohnehin noch bis in den sechsmonatigen Zeitraum des § 20 Abs 1 UWG hinein fortbetrieben hatte.
10. Der weitere Einwand, die deutsche Rechtslage sei mit der österreichischen insoweit nicht vergleichbar, als es nach § 11 dUWG nur auf das Entstehen des Anspruchs ankomme, ist zu entgegnen, dass auch in Deutschland die Abgrenzung zwischen einer Einzelhandlung mit Fortwirkung und einer Dauerhandlung für die Frage der Verjährung relevant ist. Eine Dauerhandlung wird ‑ ebenso wie in Österreich (RIS‑Justiz RS0079953) ‑ als Grund für eine Anlaufshemmung der Verjährung gesehen („die Verjährung kann nicht beginnen, solange der Eingriff noch fortdauert“ ‑ Köhler in Köhler/Bornkamm , UWG³³ § 11 Rz 1.21; Toussaint in Teplitzky/Peifer/Leistner , UWG Großkommentar², § 11 Rz 51; BGH I ZR 25/01 = GRUR 2003, 448). Die Rechtslage ist daher durchaus vergleichbar.
11. Zuletzt versagt auch das Argument der Rekurswerberin, die Beklagte hafte jedenfalls als Medieninhaberin für das Verhalten der Betreiber von www.defacto.at . Denn entgegen der Rekursbehauptung folgte auch die Entscheidung 4 Ob 16/91 der ständigen Rechtsprechung, wonach für das Verhalten Dritter nur zu haften ist, wenn eine rechtliche Möglichkeit zur Einflussnahme besteht (RIS‑Justiz RS0079628; RS0079799; RS0079809). Konkret wurde in der genannten Entscheidung die Haftung der Medieninhaberin deswegen ausgesprochen, weil sie der Verlegerin das Einlegen des beanstandeten Prospekts in die von dieser vertriebenen Zeitschriften nicht verweigert hat.
12. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es für das Vorliegen eines Dauerzustands iSv § 20 Abs 2 UWG erforderlich ist, dass der Verletzer die Möglichkeit hat, den lauterkeitswidrigen Zustand abzustellen. Dies setzt im Anlassfall voraus, dass es der Beklagten möglich sein muss, die sie betreffenden Inhalte der Website www.defacto.at (die beanstandete Eigenwerbung) zu ändern, zu korrigieren oder offline zu nehmen.
13. Dem Rekurs der Klägerin war daher nicht Folge zu geben.
14. Der Kostenvorbehalt beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.
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