OGH 4Ob71/93(4Ob72/93)

OGH4Ob71/93(4Ob72/93)21.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Kodek, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Parteien 1. Ingo D*****, 2. Konrad S*****, und 3. N***** Gesellschaft mbH & Co KG, ***** sämtliche vertreten durch Dr.Hubert Fitz, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Parteien C***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Reinhard Pitschmann, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Unterlassung und Schadenersatz (Streitwert im Provisorialverfahren S 240.000) infolge Revisionsrekurses des Erst- und des Zweitklägers gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 30. März 1993, GZ 2 R 78, 80/93-17, womit die Beschlüsse des Landesgerichtes Feldkirch vom 23.Februar 1993, GZ 8 Cg 328/92y-10, bestätigt wurden, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

I. Der Revisionsrekurs gegen den Beschluß, mit dem die Zurückweisung der Klageänderung bestätigt wurde, wird zurückgewiesen.

II. Dem Revisionsrekurs gegen den Beschluß, mit dem die Abweisung des Sicherungsantrages bestätigt wurde, wird teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird teilweise, und zwar dahin abgeändert, daß er insgesamt - einschließlich des bestätigten Teiles - wie folgt zu lauten hat:

"Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des Anspruches der Kläger gegen die Beklagte auf Unterlassung wettbewerbsgefährdender Handlungen wird der Beklagten bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteiles verboten, im geschäftlichen Verkehr sogenannte Punktekarten zu verteilen, das sind Karten, welche einen Anspruch auf Unentgeltlichkeit der jeweils achten in die Punktekarte eingetragenen Fahrt bei der Beklagten begründen.

Das Mehrbegehren, der Beklagten zu untersagen, Gutscheine im Wert von S 50 unentgeltlich zu verteilen oder um den Betrag von S 50 zu verkaufen; in den von ihr eingesetzten Mietwagen Streckenmesser zu verwenden, wird abgewiesen."

Die Kläger haben ein Drittel der Rekurskosten und der Kosten des Revisionsrekurses vorläufig, zwei Drittel der Kosten endgültig selbst zu tragen.

Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Beklagten die mit S 6.517,74 bestimmten anteiligen Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 1.086,30 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revisionsrekursbeantwortung wird als verspätet zurückgewiesen.

Text

Begründung

Kläger und Beklagte betreiben Taxiunternehmen. Die Beklagte hat zumindest seit Mai 1992 an verschiedene Unternehmen im Raum Feldkirch Gutscheine im Wert von S 50 um S 50 verkauft; diese Gutscheine waren dazu bestimmt, an Kunden oder Angestellte der betroffenen Unternehmen weitergegeben zu werden. Die Beklagte löst die Gutscheine ein. Daß sie Gutscheine unentgeltlich verteilt hätte, ist nicht bescheinigt.

Die bei der Beklagten beschäftigten Taxifahrer verteilen an Kunden "Punktekarten", die zu einer Gratisfahrt in Feldkirch berechtigen, wenn sieben Fahrten bei der Beklagten in Anspruch genommen wurden.

Die Kläger begehren zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr

a) Gutscheine im Wert von S 50 unentgeltlich zu verteilen oder um den Betrag von S 50 zu verkaufen,

b) sogenannte "Punktekarten" - das sind Karten, welche einen Anspruch auf Unentgeltlichkeit der jeweils achten in die Punktekarte eingetragenen Fahrt bei der Beklagten begründen - zu verteilen,

c) in den von ihr eingesetzten Mietwagen Streckenmesser zu verwenden.

Das Punkt c) des Sicherungsantrages zugrunde liegende Klagebegehren erhob die Beklagte erst mit Schriftsatz vom 29.1.1993, ON 11.

Die Kläger brachten vor, aus der Aussage des Geschäftsführers der Beklagten in der Verhandlung vom 27.1.1993 gehe hervor, daß die Beklagte Mietwagen-Wegstreckenmesser und "Punktekarten" verwende und "Gutscheine" zumindest "verkauft". Einerseits mache sich die Beklagte mit dem Käufer des "Gutscheins" eines Verstoßes gegen § 9 a UWG schuldig, andererseits verstoße sie durch die Form der "Gutscheine" gegen § 2 UWG. Die "Gutscheine" erweckten den unrichtigen Eindruck, daß die Beklagte auf einen Teil des Fuhrlohns verzichte. Kunden könnten auch annehmen, als Stammkunden solche Gutscheine zu erhalten, und daher veranlaßt sein, mit den Taxis der Beklagten zu fahren.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen und die Klageänderung nicht zuzulassen.

Die Klagsausdehnung sei unzulässig und diene nur der Prozeßverzögerung. Für die einstweilige Verfügung sei nicht begründet, warum sie jetzt begehrt wird. Der Verkauf von Gutscheinen sei nicht wettbewerbswidrig; auch die "Punktekarten" seien zulässig. In den Mietwagen seien keine Taxameter eingesetzt; die Verwendung von Mietwagen-Wegstreckenmessern sei nicht gesetzwidrig.

Das Erstgericht ließ die Klaegänderung nicht zu und wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab. Die Klageausdehnung würde zu einer erheblichen Erschwerung und Verzögerung der Verhandlung führen, hätte doch das Gericht zu prüfen, ob die Wegstreckenmesser in Mietwagen verwendet werden dürfen und ob sie ihrer Bauart nach Meßeinrichtungen in Taxifahrzeugen gleich oder ähnlichen sind. Nach dem bescheinigten Sachverhalt habe die Beklagte Gutscheine nicht unentgeltlich verteilt; das Verkaufen von Gutscheinen verstoße aber weder gegen § 9 a noch gegen § 1 UWG. Das gleiche gelte für das Verteilen der Punkekarten. Für Punkt c) des Sicherungsantrages sei das angerufene Gericht unzuständig, weil die Klageänderung nicht zugelassen wurde.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß der Revisionsrekurs gegen den Beschluß, mit dem der Beschluß über die Zurückweisung der Klageänderung bestätigt wurde, jedenfalls unzulässig sei, soweit der Beschluß über die Abweisung des Sicherungsantrages bestätigt wurde, übersteige der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000; der Revisionsrekurs sei insoweit zulässig.

Die Klagsänderung bewirke eine erhebliche Verzögerung des Verfahrens. Ob der behauptete Verstoß vorliegt, sei auch in tatsächlicher Hinsicht nicht eindeutig geklärt. Nach der Vorarlberger Taxi- und Mietwagen-Tarifverordnung sei das Entgelt auch bei Mietwagen nach den gefahrenen Straßenkilometern zu berechnen; dies könne nur mit Wegstreckenmessern geschehen. Die Verwendung von Fahrpreisanzeigern sei für Mietwagen verboten, damit sich diese deutlich von Taxis unterschieden. Allein die Prüfung, wie die Wegstreckenmesser der Beklagten gestaltet sind und ob sie mit Taxi-Fahrpreisanzeigern verwechselt werden können, werde einen nicht unbeträchtlichen Aufwand erfordern.

Das Erstgericht habe auch den Sicherungsantrag zu Recht abgewiesen:

Das Verbot der unentgeltlichen Verteilung von Gutscheinen sei schon deshalb nicht zu erlassen, weil die Beklagte keinen derartigen Verstoß bescheinigt habe. Die 50 S-Gutscheine würden von anderen Unternehmen als Zugaben verwendet; dies sei gemäß § 9 a UWG idF WettbDerG zulässig. Ein Verstoß gegen § 1 UWG könnte nur vorliegen, wenn der unrichtige Anschein erweckt würde, es liege keine Zugabe eines Dritten vor, sondern die Beklagte räume die Möglichkeit ein, besonders preisgünstig mit dem Taxi zu fahren; das sei jedoch nicht der Fall. Die Gutschein-Aktion der Beklagten sei daher nicht wettbewerbswidrig.

§ 1 Abs 1, letzter Satz, der Vorarlberger Taxi- und Mietwagentarifverordnung verbiete, andere als in der Verordnung ausgewiesene Tarife einzuheben. Preisunterbietungen, die gegen preisrechtliche Vorschriften verstoßen, seien gesetzwidrig und meist zugleich wettbewerbswidrig, weil sich der Unterbietende dadurch einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor seinen gesetzestreuen Mitbewerbern verschaffe. Die Beklagte gewähre mit der Punktekarte eine Art Naturalrabatt. Die Gewährung von Rabatten sei durch das WettbDerG allgemein für zulässig erklärt worden. Dem Gesetz lasse sich nicht eindeutig entnehmen, wie weit dies auch für Rabatte auf behördlich gebundene Preise und insbesondere für Rabatte gilt, wie sie die Beklagte gewähre. Die Tendenz des WettbDerG gehe aber dahin, Einschränkungen wie Rabattverbote generell fallen zu lassen; das lasse die Punktekarten-Aktion der Beklagten zulässig erscheinen.

Für Punkt c) des Sicherungsantrages sei das angerufene Gericht zwar zuständig, weil es genüge, wenn das Begehren anhängig ist; der Antrag sei aber auch insoweit nicht berechtigt, weil die Kläger ihren Anspruch nicht bescheinigt hätten. Bescheinigungsmittel dafür, daß die Wegstreckenmesser der Beklagten Fahrpreisanzeiger sind, wie sie nach § 53 Abs 2 der Betriebsordnung für den nicht linienmäßigen Personenverkehr 1986 (BO 1986) bei Mietwagen nicht verwendet werden dürfen, hätten die Kläger weder angeboten noch erbracht. Das Fehlen jeder Bescheinigung könne auch nicht durch Sicherheitsleistung ersetzt werden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Erst- und des Zweitklägers. Die Rechtsmittelwerber beantragen, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß die Klageänderung zugelassen und dem Antrag des Erst- und des Zweitklägers auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung stattgegeben werde.

Die Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

I. Zum Revisionsrekurs gegen den Beschluß, mit dem die Zurückweisung der Klageänderung bestätigt wurde:

Die Rechtsmittelwerber weisen zutreffend darauf hin, daß die Zurückweisung einer Klageänderung als unzulässig einer Klagezurückweisung aus formellen Gründen gleichzuhalten ist. Revisionsrekurse gegen Beschlüsse, mit denen ein Beschluß über die Zurückweisung einer Klagsänderung bestätigt wird, sind daher nicht gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig; ihre Zulässigkeit hängt vielmehr davon ab, ob eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO vorliegt (s. Fasching, ZPR2 Rz 2017/1).

Die Rechtsmittelwerberin nennt als erhebliche Rechtsfrage die Frage, "ob ein Fahrpreisanzeiger im Sinne des § 53 Abs 2 BO 1986 vorliegt"; darauf kommt es aber bei der Entscheidung über das Rechtsmittel der Kläger nicht an: entscheidend ist, ob, wie die Vorinstanzen meinen, die Klageänderung geeignet ist, das Verfahren erheblich zu erschweren oder zu verzögern. Diese Frage hat aber keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung, so daß es an einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO fehlt.

Der Revisionsrekurs war daher insoweit zurückzuweisen.

II. Zum Revisionsrekurs gegen den Beschluß, mit dem die Abweisung des Sicherungsantrages bestätigt wurde:

Das Rekursgericht hat die Wettbewerbswidrigkeit der von der Beklagten verwendeten "Punktekarte" im wesentlichen mit der Begründung verneint, daß das WettbDerG das Rabattgesetz aufgehoben und damit das Gewähren von Rabatten ganz allgemein für zulässig erklärt habe. Dem halten die Rechtsmittelwerber entgegen, daß die Vorarlberger Taxi- und Mietwagentarifverordnung nach wie vor aufrecht ist.

Durch das WettbDerG wurde (ua) das Rabattgesetz aufgehoben (Art II Abs 2 Z 2 WettbDerG BGBl 1992/147); es wurde als eine jener Bestimmungen erachtet, die im Hinblick auf die beabsichtigte Deregulierung des Rechtes gegen die unlauteren Wettbewerb entbehrlich erscheinen (338 BlgNR 17. GP 11) Weder dem WettbDerG noch den Gesetzesmaterialien dazu ist zu entnehmen, daß der Gesetzgeber auch Vorschriften aufheben wollte, durch die Preise festgesetzt werden. Das Bestehen solcher Vorschriften läßt sich auch durchaus damit vereinbaren, daß nunmehr (bei nicht geregelten Preisen) individuelle Preisnachlässe zulässig sind. Preise werden aus den verschiedensten (volkswirtschaftlichen) Gründen amtlich geregelt; Zweck des Rabattgesetzes war es vor allem zu verhindern, daß durch das Ankündigen oder Gewähren überhöhter Rabatte der Anschein eines besonders günstigen Angebotes erweckt und der Käufer durch eine solche Preisverschleierung irregeführt wird (s. Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 139). Dieser Schutz des Käufers schien dem Gesetzgeber des WettbDerG entbehrlich; damit ist aber nichts darüber ausgesagt, ob die Gründe nach wie vor gültig sind, aus denen Preise amtlich festgesetzt wurden. Das WettbDerG hat daher Preisregelungsvorschriften auch nicht materiell derogiert (zur materiellen Derogation siehe Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts7 Rz 495).

Preisunterbietungen, die gegen preisrechtliche Vorschriften verstoßen, sind gesetzwidrig und meist zugleich wettbewerbswidrig, weil sich der Unterbieter durch den Verstoß einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor den gesetzestreuen Mitbewerbern verschafft. Wer gewohnheitsmäßig billiger arbeitet, als (zB) der Tarif vorsieht, handelt im Wettbewerb anstößig, weil er gerade das treibt, was der Tarif verhindern will: einen Unterbietungs-Wettbewerb (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17 § 1 dUWG Rz 273; s. SZ 58/53).

§ 1 Abs 1, letzter Satz, der Vorarlberger Taxi- und Mietwagentarifverordnung (Amtsblatt für das Land Vorarlberg 1993/16) untersagt es, andere als die in dieser Verordnung ausgewiesenen Tarife einzuheben. Das Gewähren einer Freifahrt nach sieben bezahlten Fahrten führt dazu, daß der Tarif unterschritten wird; die Punktekarten-Aktion der Beklagten verstößt daher gegen die Vorarlberger Taxi- und Mietwagentarifverordnung und gleichzeitig gegen § 1 UWG, weil sich die Beklagte dadurch einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor ihren gesetzestreuen mitbewerbern verschafft. Der Sicherungsantrag der Kläger ist daher insoweit berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber behaupten, sie hätten bescheinigt, daß die von der Beklagten in ihren Mietwagen verwendeten Wegstreckenmesser Geräte sind, die als Fahrpreisanzeiger im Sinne des § 53 Abs 2 BO 1986 unzulässig sind. Sie verweisen dazu auf die Aussage des Geschäftsführers der Beklagten; dieser hat jedoch die Auffassung vertreten, mit den Wegstreckenmessern Geräte zu verwenden, die nicht unter das Verbot fallen. Daß dies nicht zutrifft, hätten die Kläger bescheinigen müssen; sie haben eine solche Bescheinigung weder angeboten noch erbracht; Punkt c) des Sicherungsantrages wurde daher schon aus diesem Grund zu Recht abgewiesen.

Zu Punkt a) des Sicherungsantrages (Verteilung und Verkauf von Gutscheinen) enthält der Revisionsrekurs keine Ausführungen; darauf ist somit nicht weiter einzugehen (s. SZ 55/113).

Dem Revisionsrekurs gegen den Beschluß, mit dem die Abweisung des Sicherungsantrages bestätigt wurde, war daher teilweise Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten der Kläger beruht auf § 393 Abs 1 EO, jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 41, 50 ZPO. Für den gesondert gestellten Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und für die Äußerung wurden keine Kosten verzeichnet.

Die Revisionsrekursbeantwortung war als verspätet zurückzuweisen, weil im Provisorialverfahren die Frist für den Rekurs und seine Beantwortung 14 Tage beträgt (§ 402 Abs 1 EO).

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