OGH 4Ob71/10k

OGH4Ob71/10k8.6.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** P*****, vertreten durch Wiedenbauer Mutz Winkler Pramberger Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Dr. I***** K*****, vertreten durch Ing. Mag. Dr. Felix Jurak, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 7.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 14. Jänner 2010, GZ 4 R 434/09d-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirkgerichts Klagenfurt vom 4. Oktober 2009, GZ 15 C 1807/08d-25, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 21. 11. 2005 suchte der Gatte der Klägerin in deren Begleitung die Ordinationsräumlichkeiten des beklagten Arztes auf, da bei ihm im Rahmen der Verrichtung schwerer körperlicher Arbeiten ua Schmerzen in der Brust und herzkrampfartige Zustände in immer kürzer werdenden Abständen aufgetreten waren. In der Ordination kollabierte der Gatte der Klägerin und verstarb trotz Intervention eines vom Beklagten herbeigerufenen Notarztteams an den Folgen eines Herzinfarkts. Die Klägerin, die den Tod ihres Gatten miterlebte, erlitt einen schweren psychischen Schock, der in weiterer Folge zu einer psychischen Erkrankung (rezidivierende depressive Störung) führte. Ein gegen den Beklagten wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen (§ 81 Abs 1 Z 1 StGB) eingebrachter Strafantrag wurde nach Vorliegen eines gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachtens, wonach der Tod „mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eingetreten wäre, wenn sich [der Beklagte] sorgfaltsgemäß verhalten hätte“ (Strafakt ON 28), zurückgezogen.

Die Klägerin begehrte Schmerzengeld in Höhe von 7.000 EUR sA. Der Beklagte habe grob fahrlässig medizinisch erforderliche Erste-Hilfe-Maßnahmen, insbesondere Beatmung, Herzdruckmassage und Defibrilation, unterlassen. Die Klägerin habe nicht nur den Tod ihres Gatten, sondern auch die vorangehende Untätigkeit des zu Hilfe verpflichteten Beklagten miterleben müssen und dadurch ein Trauma erlitten.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe dem Gatten der Klägerin unverzüglich die notwendige Erste Hilfe geleistet. Ein im Strafverfahren eingeholtes Gutachten habe ergeben, dass dessen Tod auf Vorerkrankungen zurückzuführen und durch den Beklagten nicht zu verhindern gewesen sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf zusammengefasst folgende Feststellungen: Der Beklagte führte am Gatten der Klägerin zunächst eine EKG-Untersuchung durch, die auf ein Infarktgeschehen hinwies. Er verabreichte dem Patienten ein Nitrospray und ließ ihn einen Schluck Wasser trinken. Daraufhin kollabierte der Patient, und es trat ein mit Bewusstlosigkeit und krampfender Körpermuskulatur einhergehendes Kammerflimmern ein. Ab diesem Zeitpunkt konnte der Beklagte keinen Puls mehr tasten und keinen Blutdruck mehr messen. Auf das dringende Ersuchen der Klägerin, die den Kopf ihres Ehegatten hielt, ärztliche Maßnahmen zu setzen, legte der Beklagte dem Patienten einen Beatmungsschlauch und wies die Klägerin an, den Beatmungsbeutel zu betätigen. Weitere Reanimationsmaßnahmen, wie etwa Anlegen einer Gesichtsmaske, Herzdruckmassage, Defibrilation oder Verabreichung eines krampflösenden Medikamentes, führte der Beklagte, der auf das Eintreten einer Spontanatmung wartete, nicht durch, sondern wies seine Assistentin an, ein Notarztteam des Landeskrankenhauses zu verständigen. Dieses bemühte sich 50 Minuten lang ohne Erfolg um eine Reanimation des Patienten. Als Todesursache wurde ein Vorderwandherzinfarkt festgestellt. Mindestens sechs Wochen vor seinem Tod hatte der Gatte der Klägerin einen Herzinfarkt, etwa sechs bis zwölf Stunden vor dem Tod einen Re-Infarkt erlitten, die beide unbehandelt blieben. Die Auswirkungen des Krampfanfalls in der Ordination des Beklagten führten infolge der massiven kardialen Vorschädigungen zum Tod. Die Klägerin, die das Ableben ihres Gatten mitansehen musste, erlitt „dabei“ einen schweren psychischen Schock, der in weiterer Folge zu einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung im Sinne einer rezidivierenden depressiven Störung führte. Im Rahmen seiner Beweiswürdigung führte das Erstgericht aus, das psychische Erkrankungsbild der Klägerin gründe sich eindeutig „auf das Unterlassen der Einleitung von Erste-Hilfe- bzw Reanimationsmaßnahmen durch den Beklagten“.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass dem Beklagten zwar nicht mit einer im Strafverfahren erforderlichen Sicherheit ein Behandlungsfehler am Gatten der Klägerin vorgeworfen werden könne; seine Unterlassung der erforderlichen ärztlichen Hilfe sei jedoch geeignet gewesen, bei der Klägerin einen Schockschaden im Sinne eines psychischen Leidenszustands mit Krankheitswert hervorzurufen, weil sie die Untätigkeit des Beklagten im Rahmen des Ablebens ihres Ehegatten habe mitansehen müssen. Den Beklagten treffe ein grobes Verschulden, da er entgegen seiner Verpflichtung aus dem Behandlungsvertrag die gebotenen Erste-Hilfe- und Reanimationsmaßnahmen unterlassen und damit nicht lege artis gehandelt habe. Das begehrte Schmerzengeld sei der Höhe nach angemessen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Arzt für psychische Erkrankungen eines nahen Angehörigen hafte, die dieser als Folge einer unsachgemäßen Behandlung eines Patienten erleide, sofern der nachfolgende Tod des Patienten nicht auf dem unterlaufenen Behandlungsfehler beruhe. Der Beklagte sei aufgrund des mit dem Gatten der Klägerin abgeschlossenen Behandlungsvertrags verpflichtet gewesen, seiner Fachkenntnis entsprechend alle gebotenen Hilfs- und Reanimationsmaßnahmen zu unternehmen. Mit dem Abschluss eines ärztlichen Behandlungsvertrags seien darüber hinaus auch besondere Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber nahen Angehörigen des Patienten verbunden, besonders dann, wenn der betreffende Angehörige den Patienten zum Arzt begleite und der nachfolgenden Behandlung beiwohne. In letzterem Fall hafte der Arzt dem nahen Angehörigen für körperliche oder seelische (krankheitswertige) Schäden, die der Angehörige als Folge einer unsachgemäßen Vorgehensweise des Arztes anlässlich der Behandlung (hier: Unterlassen der gebotenen Hilfsmaßnahmen) erleide. Ob das Unterlassen einer sachgemäßen Behandlung zum Tod des Patienten geführt habe, sei für den Zuspruch von Schmerzengeld an den Angehörigen für einen erlittenen traumatischen, krankheitswertigen und nachbehandlungsbedürftigen Schock mit anschließenden depressiven Zuständen ohne Bedeutung, weil der Angehörige in seinem absolut geschützten Recht auf körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt und als unmittelbar Geschädigter anzusehen sei. Eine Grenzziehung zwischen dem auf den Tod des Gatten der Klägerin einerseits und dem vorangehenden „Unbehandlungsgeschehen“ andererseits entfallenden seelischen Schock- und Trauerzustand sei entbehrlich, weil die Klägerin bis zur Kenntnis des Inhalts des im Strafverfahren erstatteten Sachverständigengutachtens keine Veranlassung gehabt habe, nicht an ein vom Beklagten verschuldetes Ableben ihres Gatten zu glauben und sohin der Auffassung habe sein dürfen, dieser wäre im Falle ordnungsgemäßer medizinischer Sofortversorgung am Leben geblieben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Vorinstanzen die Kausalitätsfrage nicht ausreichend geprüft haben; das Rechtsmittel ist auch im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

Der Beklagte macht geltend, dass allein das Mitleiden mit einer verletzten Person noch keinen eigenen Schadenersatzanspruch eines nahen Angehörigen des Verletzten begründe. Auch im Zusammenhang mit einem Schockschaden müsse ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des auf Zahlung von Schmerzengeld in Anspruch genommenen Schädigers und dem eingetretenen Erfolg bestehen. Im Anlassfall sei zu unterscheiden, welcher Beitrag zum Schockschaden die Klägerin auf die [gemeint: nicht lege artis durchgeführte] Behandlung und welcher auf das Miterleben des Todes ihres Gatten zurückzuführen sei.

1.1. Nach der neueren Rechtsprechung gebührt nahen Angehörigen eines Getöteten für den ihnen verursachten „Schockschaden“ mit Krankheitswert ebenfalls Schmerzengeld, weil diese „Dritten“ durch das Erleiden eines Nervenschadens in ihrem absolut geschützten Recht auf körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt und als unmittelbar Geschädigte anzusehen sind (vergleiche RIS-Justiz RS0031111).

1.2. Die Rechtswidrigkeit einer solchen Körperverletzung wird dabei zwar nicht aus dem Schutzzweck der Verhaltensvorschrift, welche die Erstverletzung verhindern soll, aber aus der bei Verletzung absolut geschützter Rechte gebotenen Interessenabwägung abgeleitet. Die Gefahr einer unzumutbaren Ausweitung der Haftung wird dadurch eingegrenzt, dass es eines besonders starken Zurechnungsgrundes bedarf, also die Verletzungshandlung gegenüber dem Angehörigen - im Rahmen einer typisierten Betrachtung - in hohem Maß geeignet erscheint, bei diesem Gesundheitsschäden herbeizuführen. Der Schock muss im Hinblick auf seinen Anlass verständlich sein (8 Ob 127/02p = SZ 2002/110; vgl RIS-Justiz RS0116865 [T4, T11], RS0117794).

1.3. Solches ist nach der Rechtsprechung dann der Fall, wenn die psychische Beeinträchtigung mit Krankheitswert (worunter auch eine behandlungsbedürftige Depression fällt: 2 Ob 58/07d) durch den Tod eines nahen Angehörigen, die schwerste Verletzung eines solchen oder durch das Miterleben des Todes eines Dritten ausgelöst wurde. Eine Ausweitung der Haftung des Schädigers auf Fälle, in denen nicht der Tod oder eine schwerste Verletzung des unmittelbar Geschädigten verursacht wurde, würde die Ersatzpflicht des Schädigers unangemessen und unzumutbar erweitern (1 Ob 88/07h mwN).

2.1. Im Anlassfall hat die Klägerin behauptet, einen Schockschaden mit Krankheitswert dadurch erlitten zu haben, dass sie den Tod ihres Gatten habe miterleben müssen, der aufgrund der Unterlassung der gebotenen und geschuldeten ärztlichen Hilfeleistung durch den Beklagten vor den Augen der Klägerin verstorben sei.

2.2. Nach dem Ergebnis des im Zivilverfahren eingeholten Gutachtens über die bei der Klägerin „vorfallskausal eingetretene Gesundheitsstörung“ (so der Auftrag des Erstgerichts) hat die Klägerin tatsächlich einen Schockschaden mit Krankheitswert erlitten, der „vorfallskausal“ ist (Gutachten S 8).

2.3. An dieses Beweisergebnis anknüpfend sind die Vorinstanzen ohne weitere Überlegungen davon ausgegangen, dass der gesamte Schockschaden auf das dem Beklagten vorgeworfene Fehlverhalten (Untätigkeit trotz gebotener ärztlicher Behandlung) zurückzuführen und diesem zuzurechnen sei. Dieser undifferenzierte rechtliche Schluss lässt sich jedoch aus den bisher vorliegenden Beweisergebnissen nicht mit der erforderlichen Sicherheit ableiten, weil dabei unberücksichtigt bleibt, dass - unterstellt man die Richtigkeit der Behauptungen der Klägerin - der von der Klägerin erlittene „vorfallskausale“ Schock wahlweise oder kumulativ auf zwei von ihr miterlebten Geschehensabläufen beruhen kann, nämlich dem Tod ihres Gatten einerseits und dem dem Beklagten vorgeworfenen pflichtwidrigen Unterlassen gebotener ärztlichen Maßnahmen andererseits. Eine Haftung des Beklagten für den Schockschaden der Klägerin kommt allerdings - wie im Folgenden auszuführen ist - nur dann in Betracht, wenn die dem Beklagten vorgeworfene schuldhaft rechtswidrige Unterlassung auch kausal für den Tod des Gatten der Klägerin war. Ob dies der Fall ist, lässt sich nach den bisher getroffenen Feststellungen noch nicht beurteilen.

3.1. Erfolgt die (behauptete) Schädigung - wie hier - durch ein Unterlassen, so ist Kausalität dann anzunehmen, wenn die Vornahme einer bestimmten aktiven Handlung das Eintreten des Erfolgs verhindert hätte (RIS-Justiz RS0022913; zuletzt etwa 4 Ob 98/08b = ZVB 2008, 317 [Pachner] und 2 Ob 178/07a = Zak 2008, 376, beide mwN; Harrer in Schwimann³ § 1295 Rz 4; Reischauer in Rummel³ § 1295 Rz 2). Es muss daher versucht werden, den hypothetischen Ablauf bei Vermeiden der Unterlassung durch Setzen des gebotenen Verhaltens herauszufinden. Das gebotene Verhalten ist hinzuzudenken (Koziol, Wegdenken und Hinzudenken bei der Kausalitätsprüfung, RdW 2007, 12, 13; 4 Ob 28/09k = ÖBA 2010, 126). Die Beweislast, dass der Schaden bei pflichtgemäßem Verhalten nicht eingetreten wäre, trifft den Geschädigten (RIS-Justiz RS0022700, RS0022900 [T5, T11]). Lediglich die Anforderungen an den Beweis des bloß hypothetischen Kausalverlaufs sind geringer als die Anforderungen an den Nachweis der Verursachung bei einer Schadenszufügung durch positives Tun. Denn die Frage, wie sich die Geschehnisse entwickelt hätten, wenn der Schädiger pflichtgemäß gehandelt hätte, lässt sich naturgemäß nie mit letzter Sicherheit beantworten, weil dieses Geschehen eben nicht stattgefunden hat (10 Ob 103/07f mwN; RIS-Justiz RS0022900 [T14]).

3.2. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht daher - außer bei einer diesbezüglichen Außerstreitstellung - unter Beiziehung medizinischer Sachverständiger zunächst Feststellungen zu treffen haben, ob der Beklagte lege artis gebotene Hilfsmaßnahmen bei Behandlung des Gatten der Klägerin unterlassen hat, die dessen Tod in der Ordination verhindert hätten. Kann dieser Kausalzusammenhang bejaht werden, hat der Beklagte auch gegenüber der Klägerin rechtswidrig gehandelt und haftet nach den zuvor aufgezeigten Grundsätzen der Rechtsprechung zum Schockschaden naher Angehöriger für diese Körperverletzung der Klägerin.

4.1. Hat der Beklagte hingegen im Zuge der Behandlung des Gatten der Klägerin nichts unterlassen, was den Tod seines Patienten in der Ordination verhindert hätte, fehlt es unter den vorliegenden Umständen an einem Zurechnungsgrund, der den Beklagten für den Schockschaden der Klägerin haften ließe; sein Verhalten der Klägerin gegenüber könnte diesfalls nicht als rechtswidrig beurteilt werden, und die Rechtssache wäre spruchreif im Sinne einer Klagsabweisung.

4.2. Die Rechtswidrigkeit einer Körperverletzung eines nahen Angehörigen eines Getöteten (Schockschaden mit Krankheitswert) wird - wie unter Punkt 1.2. ausgeführt - nicht aus dem Schutzzweck der Verhaltensvorschrift, welche die Verletzung des Getöteten verhindern soll, sondern aus der bei Verletzung absolut geschützter Rechte gebotenen Interessenabwägung abgeleitet, wobei es eines besonders starken Zurechnungsgrundes bedarf (RIS-Justiz RS0116865).

4.3. Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt betont (2 Ob 79/00g; RIS-Justiz RS0116865 [T4]), dass die Gefahr einer unzumutbaren Ausweitung der Haftung so schwer wiegt, dass sich der Ausgleich des Fernwirkungsschadens nur bei Hinzutreten eines besonders starken Zurechnungsgrundes rechtfertigen lässt; ein solcher liegt dann vor, wenn das Verhalten gerade auch gegenüber dem betroffenen Dritten besonders gefährlich ist. Die Verletzungshandlung muss gegenüber dem Angehörigen - im Rahmen einer typisierten Betrachtung - in hohem Maß geeignet erscheinen, bei diesem Gesundheitsschäden herbeizuführen. Nach zutreffender Auffassung von Reischauer (in Rummel³ § 1294 Rz 11, 13) ist entscheidend, ob die zur Vermeidung der Verletzung eines fremden absoluten Rechts objektiv gebotene Sorgfalt eingehalten wurde.

4.4. Erleidet ein Ehepartner anlässlich des Todes des anderen einen krankheitswerten Schock, so ist die sorgfaltswidrige Herbeiführung des Todes des einen auch sorgfaltswidrig im Hinblick auf den Schock des anderen, weil die Handlung des Schädigers typisch geeignet ist, bei den nahen Angehörigen eine psychische Beeinträchtigung mit Krankheitswert auszulösen, was ein maßgerechter Mensch auch wissen muss (Reischauer aaO § 1325 Rz 5). Hätte aber der Beklagte als behandelnder Arzt gegenüber seinem später verstorbenen Patienten keine sorgfaltswidrige Unterlassung zu verantworten, fehlte es seinem Untätigbleiben am Patienten - bei objektiv-typisierender Betrachtung - an der Eignung, beim Ehegatten einen „Schockschaden" herbeizuführen, und er hätte (auch) der Klägerin gegenüber nicht rechtswidrig gehandelt. Unter diesen Voraussetzungen bestünde der Schmerzengeldanspruch der Klägerin demnach nicht zu Recht.

5. Ausgehend von einer unrichtigen Rechtsansicht haben die Tatsacheninstanzen keine ausreichenden Feststellungen zum Kausalzusammenhang zwischen dem Unterlassen des Beklagten und dem Tod seines Patienten getroffen. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verbreiterung der Tatsachengrundlagen im aufgezeigten Sinn an das Erstgericht zurückzuverweisen.

6. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte