European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0040OB00056.75.1007.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 933,12 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 69,12 an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist in das Unternehmen des Beklagten am 7. 1. 1975 als Maurer eingetreten. Er erkrankte am 18. 1. 1975, befand sich bis 1. 2. 1975 im Krankenstand und nahm am 3. 2. 1975 (an einem Montag) die Arbeit wieder auf.
Gestützt auf den § 2 Abs. 1 EFZG. begehrt der Kläger vom Beklagten die Fortzahlung seines Arbeitsentgeltes für die Zeit seines Krankenstandes, und zwar beginnend mit dem 15. Tag seines Arbeitsverhältnisses in dem der Höhe nach außer Streit gestellten Betrag von S 3.623,02.
Der Beklagte beantragte Klagsabweisung mit der Begründung, dem Kläger stehe ein Entgeltfortzahlungsanspruch nicht zu, weil sein Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt des Eintrittes der krankheitsbedingten Arbeitsverhinderung noch nicht 14 Tage gedauert habe.
Der Kläger vertrat demgegenüber die Auffassung, die im § 2 Abs. 1 EFZG. genannte vierzehntägige Frist sei eine Wartefrist, nach deren Ablauf der Anspruch auf Entgeltfortzahlung auch dann entstehe, wenn die Arbeitsverhinderung schon vor Fristablauf eingetreten sei.
Das Erstgericht schloß sich dieser Auffassung an und gab dem Klagebegehren, ohne Beweise aufgenommen zu haben, statt. Es ging in seiner rechtlichen Beurteilung von der Annahme aus, daß die im EFZG normierte Entgeltfortzahlung als eine ganz neue Regelung anzusprechen sei, sodaß für die Auslegung des § 2 Abs. 1 EFZG auf frühere Regelungsmodelle nicht zurückgegriffen werden könne. Das Gesetz sei daher nur aus sich selbst heraus auszulegen. Die grammatikalische Interpretation des Wortes „behält“ führe zu dem Ergebnis, daß der Erwerb eines Rechtes dem Recht auf Entgeltfortzahlung bereits vorausgegangen sein müsse. Daraus sei zu folgern, daß der Fortzahlungsanspruch nicht erst nach Ablauf der 14-tägigen tatsächlichen Arbeit erworben werde, sondern schon früher. Als Zeitpunkt für die Inanspruchnahme komme der vereinbarte Termin der Arbeitsaufnahme in Betracht, weil von diesem Zeitpunkt an den Arbeitnehmer als Vorausleistungspflichtigen die Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung und den Arbeitgeber die Lohnzahlungspflicht treffe. Der zu dem erwähnten Zeitpunkt erworbene Entgeltfortzahlungsanspruch werde allerdings durch eine Wartezeit von 14 Tagen eingeschränkt, wie dies beim Krankengeldanspruch nach dem ASVG der Fall sei. In dieser Zeit müsse nicht eine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht worden sein. Dies ergebe sich insbesondere aus dem § 2 Abs. 1 Satz 2 EFZG. Wollte man nämlich nur eine effektiv geleistete Arbeit für die Fristenberechnung gelten lassen, so müßte nach der letztzitierten Vorschrift jeder Anspruch verneint werden, wenn das Arbeitsverhältnis in den in dieser Vorschrift angeführten Zeiträumen durch Arbeitsleistungen nicht vollständig ausgefüllt werde. Der Lohnfortzahlungsanspruch bestehe somit nicht erst mit Ablauf einer vierzehntägigen tatsächlichen Arbeitsleistung, sondern schon vom ersten Tag der Erkrankung an. Die vierzehntägige Frist besitze nicht den Charakter einer Anspruchsvoraussetzung, sondern den einer Anwartschaft, um für kürzere Krankenstände, die der Gesetzgeber dem krankenversicherten Arbeitnehmer offenbar zumute, eine Sperre einzubauen.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klagsabweisenden Sinn ab. Nach dem Inhalt des über die Berufungsverhandlung aufgenommenen Protokolles fand eine neue Verhandlung im Sinne des § 25 Abs. 1 Z. 3 ArbGerG nicht statt, weil das Berufungsgericht, wie sich der angefochtenen Entscheidung entnehmen läßt, die nach der zitierten Gesetzesbestimmung in allen Fällen notwendige neue Verhandlung mit einem im Gegenstand nicht erforderlichen Beweisverfahren verwechselte. Da dieser Verfahrensmangel in der Revision jedoch nicht geltend gemacht wurde, kann er vom Obersten Gerichtshof nicht aufgegriffen werden.
In rechtlicher Hinsicht verwies das Berufungsgericht auf die dem § 2 Abs. 1 EFZG ähnliche Bestimmung des § 1154b ABGB. Streitentscheidend sei im vorliegenden Fall aber nicht die Frage, ob die vierzehntägige Frist des § 2 Abs. 1 EFZG zur Gänze durch Arbeitsleistung ausgefüllt sein oder ob das Arbeitsverhältnis vom Zeitpunkt der vereinbarten Arbeitsaufnahme an vierzehn Tage gedauert haben müsse. Entscheidend sei vielmehr die Beantwortung der Frage, wann der Anspruch auf Entgeltfortzahlung entstehe und welche Voraussetzungen hiefür erfüllt sein müssen. Aus dem Wort „behält“ ergebe sich nicht, daß der Fortzahlungsanspruch schon mit dem vereinbarten Termin der Arbeitsaufnahme erworben werde. Behalten werde nämlich nicht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung, sondern der Anspruch auf das Entgelt. Diesen habe der Arbeitnehmer mit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses erworben und solle ihn für eine bestimmte Dauer und unter bestimmten Voraussetzungen behalten, obwohl er die vereinbarte Arbeitsleistung nicht erbringen könne. Behalten könne er seinen Anspruch aber nur dann, wenn er im Zeitpunkt des Eintrittes der Arbeitsverhinderung einen solchen Anspruch überhaupt besessen habe. Wenn er diesen infolge Erkrankung während der ersten 14 Tage des Arbeitsverhältnisses verloren und vor Ablauf des 14. Tages durch Wiederantritt der Arbeit nicht wieder erworben habe, so könne er nach den Gesetzen der Logik ab dem 15. Tag des Arbeitsverhältnisses einen Entgeltanspruch nicht weiterbehalten, weil er ihn nicht besessen habe. Mangels Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung bestehe, wie in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage ausdrücklich festgehalten worden sei, kein Entgeltfortzahlungsanspruch, wenn die während der ersten 14 Tage des Arbeitsverhältnisses eingetretene Arbeitsverhinderung über die 14-tägige Wartezeit hinaus andauert und das Arbeitsverhältnis weiter aufrecht bleibe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die nur aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die erstgerichtliche Entscheidung wiederhergestellt werde.
Rechtliche Beurteilung
Der Beklagte beantragt, der Revision den Erfolg zu versagen.
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Revisionswerber räumt zwar ein, daß die Absicht des Gesetzgebers durch den Inhalt der Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage wohl geklärt sei; er meint aber, daß der Gesetzgeber seine Absicht sprachlich eindeutig nicht artikuliert habe. Es sei gleichgültig, ob während der vierzehntägigen Frist tatsächlich gearbeitet worden sei, weil nur die vierzehntägige Dauer des Arbeitsverhältnisses als Anspruchsvoraussetzung verlangt werde. Dem Worte „behält“ komme keine entscheidende Bedeutung bei, weil es unterschiedlich ausgelegt werden könne.
Dieser Auffassung kann aber nicht gefolgt werden. Entscheidend ist, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, die Beantwortung der Frage, ob die vierzehntägige Frist des § 2 Abs. 1 EFZG eine Anspruchsvoraussetzung für die Entgeltfortzahlung in dem Sinn bildet, daß das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt des Eintrittes der Arbeitsverhinderung bereits vierzehn Tage gedauert haben muß, oder ob dieser Frist nur der Charakter einer Wartezeit in dem Sinn zukommt, daß nach deren Ablauf ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen vom 15. Tage an auch dann zusteht, wenn die Arbeitsverhinderung vor diesem Tag eingetreten ist. Aus der vom Gesetzgeber für diese Frist im § 7 EFZG verwendeten Bezeichnung „Wartezeit“ ist für die Beantwortung der gestellten Frage für sich allein nichts zu gewinnen, weil in dieser Bezeichnung nur die Funktion der Frist zum Ausdruck kommt, ohne daß eine Aussage über ihre dogmatische Bedeutung im Zusammenhang mit dem Zeitpunkt des Eintrittes der Arbeitsverhinderung und dem Entstehen des Entgeltfortzahlungsanspruches zu gewinnen wäre. Um die gestellte Frage beantworten zu können, ist daher die Auslegung des § 2 Abs. 1 Satz 1 EFZG erforderlich.
Die nach den §§ 6, 7 ABGB. vorzunehmende Auslegung beginnt mit der Wortinterpretation, worunter die Erforschung des Wortsinnes, der Bedeutung eines Ausdruckes oder eines Gesetzes nach dem Sprachgebrauch zu verstehen ist (Koziol-Welser, Grundriß des Bürgerlichen Rechts3 I, 18; Wolff in Klang 2, I/1, 85 ff.). Hiebei muß der Zusammenhang der auszulegenden Worte und Sätze mit anderen Worten und Sätzen der betreffenden Gesamtregelung und ihre systematische Stellung berücksichtigt werden (logische Auslegung). Bleibt die Ausdrucksweise des Gesetzes dennoch zweifelhaft, dann ist die Absicht des Gesetzgebers zu erforschen (SZ 22/1; Arb. 7174, 6622; Koziol-Welser aaO, 19). Man versucht, den Sinn einer Bestimmung unter Bedachtnahme auf den Zweck der Regelung zu erfassen (objektiv-teleologische Interpretation). Der Auslegende hat die gesetzgeberische Regelung und die darin zum Ausdruck kommenden Wertmaßstäbe selbständig weiter und zu Ende zu denken (Koziol-Welser aaO, 17, 19; Radbruch, Rechtsphilosophie, 211). Die historische Auslegung, die Feststellung des Willens des geschichtlichen Gesetzgebers an Hand der Gesetzesmaterialien, bedarf besonderer Vorsicht, weil diese nicht Gesetz geworden sind und mit dem wahren Willen des Gesetzgebers nicht übereinstimmen müssen. Sie hat aber eine gewisse Vermutung der Richtigkeit für sich (Koziol-Welser aaO 19; vergleiche auch Larenz, Methodenlehre3, 315 ff.). Das Gesetz steht mit seinem Wortlaut, mit seiner Systematik und in seinem Zusammenhang mit anderen Gesetzen über der Meinung der Redaktoren (Arb. 6622; ZB1. 1934/110; ZBl.1923/257; JBl. 1961, 243 ua). Da eine Rechtslücke im Gegenstand nicht vorliegt, erübrigen sich Ausführungen über die Analogie.
Im vorliegenden Fall kommt zunächst den Worten „behält“ und „Entgelt“ im Zusammenhang mit den anderen Satzteilen des ersten Satzes des § 2 Abs. 1 EFZG eine entscheidende Bedeutung bei der grammatikalischen Interpretation zu. Nach dieser Gesetzesstelle behält ein durch Krankheit oder Unglücksfall an der Leistung seiner Arbeit verhinderter Arbeitnehmer (den Fall der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Herbeiführung der Verhinderung ausgenommen) seinen Anspruch auf das Entgelt, sofern das Arbeitsverhältnis bereits 14 Tage gedauert hat. Berücksichtigt man bei der Auslegung dieser Bestimmung den Sprachgebrauch, so gelangt man zu dem Ergebnis, daß der an der Arbeit verhinderte Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Entstehens des Anspruches auf Entgeltfortzahlung bereits einen Anspruch auf Zahlung des Entgelts besessen haben mußte, weil es im anderen Falle, wie das Berufungsgericht mit Recht darlegt, nach den Gesetzen der Logik ausgeschlossen wäre, daß er den letztgenannten Anspruch behalten könnte. Behalten kann man nur das, was man schon besitzt. Der Ausdruck „Entgelt“ bezieht sich auf das normale, für die Verrichtung der Arbeit gebührende Entgelt. Aus diesen Darlegungen folgt zwingend, daß der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nur dann entsteht, wenn der an der Arbeit verhinderte Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Eintrittes der Verhinderung einen „behaltefähigen“ Anspruch auf Arbeitsentgelt besitzt. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn der Eintritt der Verhinderung des Arbeitnehmers nach Ablauf der vierzehntägigen Frist erfolgt, weil er im anderen Falle, also wenn er vor diesem Zeitpunkt erkrankt, im Verhinderungszeitpunkt auch nach der (richtigen) Auffassung des Klägers mangels Verstreichens der Wartezeit weder einen Anspruch auf Entgelt noch einen solchen auf Entgeltfortzahlung besitzt. Daraus folgt aber zwingend, daß die vierzehntägige Frist eine Anspruchsvoraussetzung für die Entgeltfortzahlung ist, deren Nichterfüllung im Zeitpunkt des Eintrittes der Arbeitsverhinderung eine Entgeltfortzahlung überhaupt und nicht nur bis zum Ablauf der Frist ausschließt (Adametz in dem von der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft herausgegebenen Kommentar zum EFZG, 51; Stummvoll, Sozialpolitik und Arbeitsrecht, Folge 7/8 1974; Krejci, ZAS. 1975, 3 ff.; a.M.: Weißenberg, Entgeltfortzahlungsgesetz, 10, jedoch ohne Begründung).
Mit dieser Auslegung stimmt auch das Ergebnis der objektiv-teleologischen Interpretation überein. Der Zweck der auszulegenden Gesetzesbestimmung besteht, wie der Vorschrift unschwer entnommen werden kann, nicht darin, den Zeitpunkt des Entstehens des Entgeltanspruches für die Dauer von vierzehn Tagen hinauszuschieben. Für eine solche Zweckbestimmung läge kein zureichender, aus dem Gesetz erkennbarer Grund vor und der Gesetzgeber hätte sie, wäre er von einer derartigen Vorstellung ausgegangen, ebenso wie etwa im § 138 ASVG wohl eindeutig artikuliert. Der Zweck der auszulegenden Bestimmung besteht vielmehr darin, dem Arbeitnehmer das Lohnausfallrisiko erst nach Verstreichen einer vierzehntägigen Frist abzunehmen (Krejci aaO). Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung offenbar verhindern, daß Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis in der Absicht eingehen, sich auf diese Weise nur die sozialen Vorteile des EFZG zu verschaffen. Da in den vom Berufungsgericht bereits zutreffend zitierten Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (1105 der Beilagen zu den sten.Prot.des NR., XIII. GP., S. 10, 13) ebenfalls die vom Obersten Gerichtshof zum Ausdruck gebrachte Auffassung ausdrücklich vertreten wird, führt auch die historische Auslegung zum selben Interpretationsergebnis. Dagegen spricht auch nicht der zweite Satz des § 2 Abs. 1 EFZG, wie das Erstgericht meint. Es kommt nämlich nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer während der Wartezeit tatsächlich gearbeitet hat. Entscheidend ist allein die vierzehntägige Dauer des Arbeitsverhältnisses (Adametz aaO; Weißenberg aaO). Bei den im zweiten Satz genannten Arbeitszeiten muß eine ununterbrochene Dauer des Arbeitsverhältnisses vorliegen. Dies bedeutet jedoch nicht, daß aus diesem Zeitraum Krankenstände auszuklammern wären, weil diese auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht von Einfluß sind.
Im übrigen wurde zu der hinsichtlich der Wartezeit durchaus ähnlichen und vom Berufungsgericht daher mit Recht zum Vergleich herangezogenen Bestimmung des § 1154b ABGB gleichfalls die Auffassung vertreten, daß die vierzehntägige Frist eine Voraussetzung für den Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts bildet (Ehrenzweig II/1, 494 f.; Mayer-Maly, Österreichisches Arbeitsrecht, 90 ; Holzer, RdA. 1970, 107 ff; insbesondere 119 f.; Arb. 8442). Da das Arbeitsverhältnis des Klägers im Zeitpunkt seiner Erkrankung und damit im Zeitpunkt des Eintrittes der Arbeitsverhinderung noch nicht vierzehn Tage gedauert hatte, wurde vom Berufungsgericht der Anspruch des Klägers auf Fortzahlung seines Arbeitsentgeltes vom 15. Tage des Arbeitsverhältnisses an mit Recht verneint. Der Revision konnte daher ein Erfolg nicht beschieden sein.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens ist in den §§ 41, 50 ZPO. begründet.
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