OGH 4Ob555/75

OGH4Ob555/758.7.1975

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piegler, Dr. Wurzinger, Dr. Friedl und Dr. Kuderna als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P* G*, Tapezierermeister, *, vertreten durch Dr. Erhard Doczekal, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) F*, OHG., *, 2.) K* P*, Gesellschafter, *, beide vertreten durch Dr. Ferdinand Graf, Rechtsanwalt in Wien, die zweitbeklagte Partei überdies vertreten durch DDr. Carl Stötzle, Rechtsanwalt in Wien wegen S 15.800,– samt Anhang, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 3. April 1975, GZ. 1 R 70/75‑32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 19. Dezember 1974, GZ. 31 Cg 518/73‑27, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0040OB00555.75.0708.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit S 2.054,64 (einschließlich S 480,– Barauslagen und S 116,64 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Außer Streit steht, daß der Kläger im Auftrag der Beklagten in den Geschäftsräumlichkeiten der Erstbeklagten in *, im Frühjahr 1972 Tapeziererarbeiten geleistet und für die geleistete Arbeit mit Rechnung vom 19. 4. 1972 S 15.840,– verrechnet hat. Die Beklagten haben einen Teilbetrag von S 40,– bezahlt, hingegen nicht den Restbetrag von S 15.800,–. Der Kläger begehrte die Zahlung dieses Betrages. Die beklagten Parteien anerkannten diesen Betrag, machten aber eine Gegenforderung in derselben Höhe geltend, weil der Kläger die Durchführung der Arbeiten bis zum fix vereinbarten Termin zugesagt, diesen Termin nicht eingehalten und dann die Arbeiten ohne Angabe von Gründen eingestellt habe, sodaß die Arbeiten von anderen Tapezierern, welche die Beklagten aus der eigenen Werkstätte von Klagenfurt nach Wien hätten kommen lassen müssen, beendet worden seien, wodurch den Beklagten Mehrkosten unter anderem für Übernachtung, Überstunden und Sonntagsarbeiten in der angeführten Höhe entstanden seien.

Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung und die Gegenforderung als zu Recht bestehend und wies demnach das Klagebegehren ab. Es stellte fest:

Die Gesellschafter der Erstbeklagten beschlossen im Frühjahr 1972, eine Renovierung des Geschäftslokals der Erstbeklagten durchzuführen, wobei die Renovierung nach den Osterfeiertagen des Jahres 1972 abgeschlossen sein sollte. Zur Übernahme der im Zuge der Renovierungsarbeiten erforderlichen Tapeziererarbeiten waren nur der Kläger und J* E* bereit. Da E* einen höheren Preis als der Kläger verlangte, fiel die Wahl auf den Kläger. Der Kläger besichtigte am 20. und 23. 3. 1972 die Geschäftsräumlichkeiten der Erstbeklagten. Am 23. 3. 1972 nahm er den Auftrag entgegen, die Tapeziererarbeiten in den betreffenden Räumlichkeiten bis zum 1. 4. 1972 auszuführen. Er erklärte, dies sei möglich, da er selbst und vier weitere Leute arbeiten würden. Es sollten zuerst das Büro und dann sämtliche Räume im Erdgeschoß, sowie im 1. und 2. Stock tapeziert werden. Es handelte sich um 9 oder 10 Räume, den Stiegenaufgang und einen Gang. Die Beklagten stellten dem Kläger die Tapeten zur Verfügung. Architekt W* P*, der Sohn des Gesellschafters F* P*, der im Auftrag seines Vaters den Kläger mit der Durchführung der Arbeiten betraut hatte, hielt die Einhaltung des vom Kläger zugesagten Termines für möglich, dachte sich aber, der Kläger werde vielleicht drei Wochen benötigen, um die Arbeiten beenden zu können. Der Kläger versprach, nötigenfalls auch an den Feiertagen zu arbeiten. Der Kläger hatte insgesamt rund 220 Rollen zu verlegen. Eine solche Arbeit erfordert rund 330 Arbeitsstunden. Unter Berücksichtigung, daß die Wände zwischen den Arbeitsvorgängen austrocknen müssen, muß beim Einsatz von vier Arbeitern mit einer Arbeitszeit von zwei bis drei Wochen gerechnet werden, wenn die Räume leer sind.

Der Kläger begann am 24. 3. 1972 mit der Arbeit. An den ersten drei Tagen arbeitete der Kläger selbst mit und setzte drei Leute ein. Die Arbeiten waren am 1. 4. 1972 noch nicht beendet. Nach den Osterfeiertagen entsandte der Kläger nur mehr einen oder manchmal zwei Arbeiter in die Geschäftsräumlichkeiten der Beklagten. Auf diese Weise arbeitete er bis zum 12. 4. 1972. In dieser Zeit erschienen die Arbeiter des Klägers öfter unpünktlich und nur für wenige Stunden. Immer wieder fuhr Architekt W* P*, wenn die Arbeiter des Klägers am Morgen nicht erschienen waren, mit dem Taxi zum Kläger. Einmal holte er auch Arbeiter des Klägers von einer anderen Arbeitsstelle in die Geschäftsräumlichkeiten der Beklagten. Während der Arbeit wurde seitens der Beklagten dem Kläger der zusätzliche Auftrag erteilt, in einem weiteren Raum eine Zwischenwand zu verputzen. Diese Arbeit nahm einen halben Tag in Anspruch. Die Beklagten setzten wegen des unerwartet langsamen Fortschrittes der Tapeziererarbeiten während der Zeit, als der Kläger noch tätig war, mit dessen Wissen einen pensionierten Tapezierer ein, der einmal bei den Beklagten beschäftigt war. Dieser tapezierte selbständig einen Raum, Dies entsprach ungefähr dem Umfang der Arbeiten, die der Kläger nachträglich übernommen hatte. Der Gesellschafter F* P* mahnte einmal vor Ostern 1972 den Kläger, den Termin einzuhalten. Der Kläger versicherte ihm, daß der Termin eingehalten werde. Als die Arbeiten schleppend voranschritten, machte Architekt W* P* den Kläger darauf aufmerksam, daß dies Konsequenzen haben könnte. Er sagte zum Kläger aber nicht, daß er Arbeiter aus Klagenfurt heranzuziehen beabsichtigte.

Die Beklagten erteilten dem Fußbodenverleger H* den Auftrag, in den Räumen jeweils nach der Fertigstellung der Tapezierung Teppichböden zu verlegen. H* sollte jeweils am Nachmittag arbeiten und täglich zwei Räume fertigstellen. Wegen der Verzögerung der Tapeziererarbeiten gerieten auch die Bodenverlegungsarbeiten ins Stocken. Diese hätten bis Ostern 1972 fertiggestellt sein sollen.

Am 13. und 14. 4. 1972, einem Donnerstag und Freitag, entsandte der Kläger keine Arbeiter in die Geschäftsräumlichkeiten der Beklagten. Zu diesem Zeitpunkt waren noch vier oder fünf Räume zu tapezieren. Den Beklagten gelang es nicht, den Kläger telefonisch zu erreichen. Architekt W* P* konnte keinen Tapezierer in Wien finden, der zur sofortigen Beendigung der Tapeziererarbeiten bereit gewesen wäre. Daraufhin bestellte er zwei Tapezierer aus der Klagenfurter Werkstätte der Beklagten nach Wien. Diese führten die Tapeziererarbeiten zu Ende, die der Kläger übernommen hatte.

Am Montag, dem 17. 4. 1972, erschien der Arbeiter des Klägers B* in den Geschäftsräumlichkeiten der Beklagten. Der Geschäftsführer der Erstbeklagten, C*, schickte ihn mit der Begründung fort, die Arbeit sei zum größten Teil fertig, die Beklagten würden sie selbst beenden.

Am 19. 4. 1972 legte der Kläger dem Zweitbeklagten eine Rechnung über die Verlegung von 132 Tapetenrollen zu je S 120,– daher über S 15.800,– (richtig: S 15.840,–). Am 26. 5. 1972 forderten die Beklagten den Kläger auf, die ihnen durch seine Arbeitseinstellung entstandenen Mehrkosten zu ersetzen. Bei Durchführung der gesamten Arbeit durch den Kläger hätte dieser für die Verlegung von 22 Tapetenrollen à S 120,– vereinbarungsgemäß S 26.400,– erhalten. Die Beklagten hatten ihren eigenen Arbeitern S 26.360, — zu bezahlen. Die Beklagten überwiesen dem Kläger daher lediglich den Differenzbertrag von S 40,–.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, der zwischen den Parteien abgeschlossene Werkvertrag sei nicht als Fixgeschäft zu beurteilen, weil die Ausführung des Werkes nicht bei sonstigem Rücktritt bedungen worden sei. Es kämen daher die Bestimmungen des § 918 ABGB. zur Anwendung. Dadurch, daß die Beklagten den Kläger nach dem als Endtermin vereinbarten 1. 4. 1972 zwei Wochen hätten weiter arbeiten lassen, hätten sie ihm tatsächlich eine angemessene Nachfrist gewährt. Der nach Ablauf dieser Nachfrist erklärte Rücktritt sei wirksam. Gemäß § 921 ABGB. seien die Beklagten berechtigt, vom Kläger den ihnen durch die Nichterfüllung des Vertrages durch den Kläger erwachsenen Schaden geltend zu machen.

Über Berufung des Klägers änderte das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß die geltend gemachte Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend erkannt und dem Klagebegehren daher stattgegeben wurde. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und teilte auch die Auffassung, daß es sich bei dem zwischen den Parteien vereinbarten Werkvertrag um kein Fixgeschäft im Sinne des § 919 ABGB. gehandelt habe. Wegen des Hinweises des Klägers, daß er erforderlichenfalls auch an den Feiertagen arbeiten werde; und des Umstandes, daß W* P* selbst dachte, der Kläger werde vielleicht drei Wochen für die Arbeiten brauchen, sei erkennbar gewesen, daß eine Überschreitung des vereinbarten Beendigungstermines in Kauf genommen werde. Nach diesem Termin seien die Beklagten berechtigt gewesen, unter Festsetzung einer angemessenen Nachfrist den Rücktritt vom Vertrag zu erklären. Die Nachfrist hätte aber bei der Rücktrittserklärung gesetzt oder ab dieser wenigstens tatsächlich gewährt werden müssen; eine „Nachfrist“ zwischen vereinbartem Fertigstellungstermin und Rücktrittserklärung genüge nicht für deren Wirksamkeit. Dies ergebe der Wortlaut und der Zweck der Bestimmung des § 918 ABGB., wonach dem säumigen Schuldner durch die Rücktrittserklärung der Ernst der Lage eindringlich vor Augen geführt, ihm aber noch Gelegenheit gegeben werden soll, die ausstehende Leistung nachzuholen und damit die Folgen des Verzuges abzuwenden. Dem Kläger sei nach der Rücktrittserklärung, die darin gesehen werden müsse, daß der Arbeiter des Klägers am 17. 4. 1972 mit dem Hinweis weggeschickt worden sei, daß die Beklagten die Arbeiten selbst beenden werden, keine Nachfrist mehr gewährt worden. Der frühere Hinweis des W* P*, daß die schleppende Durchführung der Arbeiten Konsequenzen haben könne, sei nicht erheblich, weil nicht näher gesagt worden sei, worin diese Konsequenzen bestehen sollten. Da somit ein wirksamer Rücktritt vom Vertrag durch die Beklagten nicht erfolgt sei, seien sie nicht berechtigt, die Mehrkosten wegen Beiziehung von Arbeitern aus ihrem Betrieb in Klagenfurt vom Kläger zu verlangen, sodaß die darauf gestützte Gegenforderung nicht zu Recht bestehe.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der beklagten Parteien wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil des Berufungsgerichtes im Sinne einer Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern oder es aufzuheben.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Beklagten machen geltend, daß der mit dem Kläger abgeschlossene Vertrag ein Fixgeschäft im Sinne des § 919 ABGB. gewesen sei, da ein fest bestimmter Termin für die Fertigstellung der Arbeiten vereinbart wurde und dem Kläger bekannt gewesen sei, daß das Geschäft der Beklagten nach Ostern 1972 wieder geöffnet werden sollte. Die Arbeiten seien dem Kläger nur unter der erkennbaren Bedingung übertragen worden, daß sie vor den Feiertagen fertiggestellt würden. Die Androhung von Konsequenzen für den Fall einer verspäteten Fertigstellung durch W* P* hätte nur als Rücktrittsdrohung verstanden werden können. Überdies genüge für einen Rücktritt gemäß § 918 ABGB. die Gewährung einer Nachfrist in der Zeit zwischen dem Eintritt des Verzuges und der Abgabe der Rücktrittserklärung. Der von den Beklagten am 17. 4. 1972 erklärte Rücktritt sei daher wirksam gewesen. Auch sei diese Frage in der Berufung des Klägers nicht aufgeworfen worden, sodaß sie vom Berufungsgericht nicht hätte behandelt werden dürfen.

Diese Ausführungen sind nicht stichhältig.

Zur Rüge, die Untergerichte hätten zu Unrecht das Vorliegen eines Fixgeschäftes im Sinne des § 919 ABGB. verneint, ist darauf zu verweisen, daß ein solches dann anzunehmen ist, wenn die Erfüllung zu einer fest bestimmten Zeit oder binnen einer fest bestimmten Frist bei sonstigem Rücktritt bedungen ist. Ein Fixgeschäft liegt somit nicht schon dann vor, wenn die Zeit der Leistung genau bestimmt ist, vielmehr muß die Leistung „bei sonstigem Rücktritt“ bedungen werden. Die Worte „bei sonstigem Rücktritt“ sind zwar nicht buchstäblich zu nehmen; die Vereinbarung des Rücktrittes kann auch stillschweigend getroffen werden. Es muß aber zur Vereinbarung einer fest bestimmten Zeit oder Frist für die Erfüllung der ausdrücklich erklärte oder aus den Umständen erkennbare Parteiwille hinzutreten, daß nur eine zeitgerechte Leistung als Erfüllung gelten soll (Gschnitzer-Klang 2 IV/1 475 ff., Ehrenzweig, System2 II/1 208, Koziol-Welser, Grundriß3 I 181 EvBl 1953/161, JBl 1968 368, HS 7307, 7306, 7305 u.a.).

Im vorliegenden Fall war wohl eine bestimmte Frist für die Erfüllung, nämlich bis zum 1. 4. 1972, vereinbart, doch fehlte die weitere Voraussetzung für die Annahme eines Fixgeschäftes, daß diese Frist „bei sonstigem Rücktritt“ bedungen sei. Eine ausdrückliche Erklärung eines darauf gerichteten Parteiwillens wird nicht einmal behauptet. Die Untergerichte haben aber mit Recht auch die Annahne einer stillschweigenden Erklärung eines solchen Parteiwillens verneint. Es war wohl erkennbar, daß die beklagten Parteien Wert auf eine Beendigung der Arbeiten bis zum genannten Zeitpunkt legten, aber nicht, daß eine spätere Leistung nicht mehr als Erfüllung gelten soll und nicht mehr angenommen werde. Mit Recht verwies schon das Berufungsgericht auf den Umstand, daß W* P*, der den Auftrag am 23. 3. 1972 dem Kläger erteilte, zwar die Einhaltung des Termines für möglich hielt, sich aber dachte, daß der Kläger vielleicht drei Wochen, also etwa bis zum 10. 4. 1972, zur Ausführung der Arbeiten brauchen werde. Der Kläger wieder versprach, nötigenfalls „auch an den Feiertagen“ zu arbeiten. Auch das zeigt eine Unsicherheit hinsichtlich der Möglichkeit, den vereinbarten Termin auch einhalten zu können, veranlaßte aber den Auftraggeber weder zu einer eindeutigeren Erklärung, daß der vereinbarte Termin als Fixtermin zu verstehen sei, noch auch etwa dazu, die Auftragserteilung unter diesen Umständen zu unterlassen. Daß sich bei der Erteilung eines Auftrages etwa 10 Tagen vor den Osterfeiertagen, bei dem eine Durchführung bis zum Karsamstag vereinbart wird, die Erklärung „nötigenfalls auch an den Feiertagen“ zu arbeiten, nur auf die Osterfeiertage und nicht – wie die Revision meint – auf den vorangehenden Palmsonntag bezog, ergibt ihr Wortlaut und der Zusammenhang eindeutig. Das Wort „Feiertag“ wurde nämlich in der Mehrzahl gebraucht und bezog sich daher nicht bloß auf einen Sonn- oder Feiertag, sondern auf mehrere; überdies entspricht die Verwendung dieser Ausdrucksweise zur Bezeichnung der Osterfeiertage mit Rücksicht auf den Zeitpunkt des Geschäftes durchaus der Verkehrsübung. Schließlich wurden auch noch nach dem vereinbarten Fertigstellungstermin weitere Leistungen des Klägers entgegengenommen, wodurch die Auffassung bestätigt wird, daß von vornherein nicht davon ausgegangen wurde, daß eine Leistung nach dem vereinbarten Termin nicht mehr als Erfüllung gelten soll. Der Hinweis darauf, daß W* P* den Kläger darauf aufmerksam gemacht habe, der schleppende Fortschritt der Arbeiten könne Konsequenzen haben, mußte keinesfalls als „Rücktrittsdrohung“ aufgefaßt werden, weil nicht näher erklärt wurde, welcher Art „die Konsequenzen“ sein könnten, und darunter auch etwa Schadenersatzansprüche oder ähnliches verstanden werden konnte. Für die Frage, ob die Vereinbarung als Fixgeschäft zu beurteilen sei, kommt diesen Hinweis auch deswegen keine Bedeutung zu, weil er erst nach Auftragserteilung erfolgte. Als Rücktrittserklärung kann er nicht gewertet werden, weil er vor den vereinbarten Fertigstellungstermin gemacht wurde.

Als Rücktrittserklärung wurde vielmehr richtig die Ablehnung einer weiteren Arbeitsleistung des Arbeiters des Klägers am 17. 4. 1972 mit dem Hinweis, daß die Beklagten die Arbeiten selbst beenden würden, angenommen.

Das Recht, den Rücktritt vom Vertrag zu erklären, steht dem vertragstreuen Teil unter anderem zu, wenn der Vertrag durch den anderen Teil nicht „zur gehörigen Zeit“ erfüllt wird (§ 918 ABGB.). Da der Kläger den vereinbarten Fertigstellungstermin nicht einhielt, war diese Voraussetzung für das Recht zum Rücktritt vom Vertrag für die Beklagten gegeben. Der Rücktritt muß auch nicht in formeller Weise erklärt werden, es ist insbesondere der Gebrauch des Wortes „Rücktritt“ nicht erforderlich. Es muß nur der klare Wille des Gläubigers zum Ausdruck kommen, daß er den Austausch der Leistungen oder der restlichen Leistungen nicht mehr will (Koziol-Welser, Grundriß3 I 178, HS. 7293, 5 Ob 111/73 u.a.).

Das Gesetz (§ 918 ABGB.) verlangt aber für die Wirksamkeit der Rücktrittserklärung, daß sie unter Festsetzung einer angemessenen Frist zur Nachholung der Leistung abgegeben werde. Allerdings wird auch hier nicht verlangt, daß die Nachfrist in formeller Weise und unter Verwendung dieses Ausdruckes gesetzt werde; es wird vielmehr als ausreichend erachtet, wenn die Nachfrist tatsächlich gewährt wird. Hiebei vertritt die herrschende Lehre und Rechtsprechung die Auffassung, daß die Nachfrist immer nur eine von der Rücktrittserklärung an laufende angemessene Frist zur Nachholung der Leistung sein kann, der Rücktritt erst nach Ablauf dieser Frist wirksam wird und eine vor der Rücktrittserklärung ausdrücklich oder tatsächlich zugestandenen Nachfrist den vertragstreuen Teil nicht von der Verbindlichkeit enthebt, mit der Rücktrittserklärung eine Nachfrist einzuräumen (Gschnitzer-Klang 2 IV/1 457 Ehrenzweig, System2 II/1 205 Koziol-Welser Grundriß3 I 179, SZ 27/334, JBl 1973 616, RZ 1967 103, EvBl 1955/409, HS 6334/34 u.a.).

Allerdings hat Wilhelm in einer Besprechung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 24. 1. 1974 7 Ob 243/73 (JBl 1974 423), auf welche Besprechung sich die Revisionsausführungen im wesentlichen stützen, den Standpunkt vertreten, es gebühre der Auffassung der Vorzug, daß der Gläubiger nach Eintritt des Verzuges des Schuldners eine angemessene Nachfrist gewähren und dann sogleich den Rücktritt wirksam erklären könne. Wilhelm beruft sich für diese Meinung auf vereinzelt gebliebene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, in denen sie – allerdings ohne nähere Begründung – vertreten wurde (SZ 24/248, 7/394). Die Auffassung, daß diese Auslegung dem Zweck des § 918 ABGB., dem Schuldner eine letzte Chance zur Erfüllung zu geben, besser entspreche, als die herrschende Ansicht, kann aber nicht geteilt werden.

Mit Recht hat schon das Berufungsgericht darauf verwiesen, daß der Wortlaut der Bestimmung des § 918 ABGB. für die herrschende Auffassung spricht, weil nach dieser gesetzlichen Bestimmung eine Rücktrittserklärung „unter Festsetzung“ einer angemessenen Frist zur Nachholung vorgesehen ist. Die Ausdrucksweise „unter Festsetzung“ bedeutet schon nach allgemeinen Sprachgebrauch, daß die „Festsetzung“ nicht der Rücktrittserklärung vorangehen darf, sondern bei der Rücktrittserklärung erfolgen muß. Es ist daher folgerichtig, nur einen nach der Rücktrittserklärung liegenden Zeitraum als Nachfrist im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmungen anzuerkennen.

Der Einwand, daß für den Schuldner der Anschein entsteht, der Gläubiger werde die Leistung überhaupt nicht mehr annehmen, ist gewiß nicht richtig, wenn eine Frist für die Nachholung der Leistung bei der Rücktrittserklärung ausdrücklich gesetzt wird; die Festsetzung einer ausdrücklichen Frist kann ja nur den Sinn haben, daß die innerhalb der angegebenen Zeit erbrachte oder ordnungsgemäß angebotene Leistung auch angenommen, jedenfalls als Erfüllung anerkannt werde und damit die Vertragsaufhebung vom Schuldner trotz des eingetretenen Verzuges noch abgewendet werden kann. Zweifelhaft könnte es sein, wenn die Nachfrist nicht ausdrücklich „gesetz“, sondern nur tatsächlich gewährt wird. Nur auf dieses Problem – und nicht auf die Frage, ob die Nachfrist vor oder nach der Rücktrittserklärung gewährt werden muß – bezieht sich auch die von Wilhelm (a.a.O.) bezogene Stelle bei Koziol-Welser (Grundriß3 I 179). Demgegenüber ist aber darauf zu verweisen, daß der Oberste Gerichtshof wiederholt (3 Ob 15/58, 6 Ob 297/59, 6 Ob 64/68) ausgesprochen hat, der Grundsatz, daß eine Nachfrist nicht jedenfalls gesetzt, sondern nur gewährt werden müsse, gelte dann nicht, wenn es für den zur Leistung Verpflichteten keineswegs mit Sicherheit feststehe, ob der andere Vertragsteil überhaupt noch auf dem Boden des Vertrages stehe und daher zur Annahme der Leistung bereit sei. In diesem Falle müsse eine deutliche Erklärung des Berechtigten gefordert werden, daß er weiterhin auf der Leistung bestehe und zur Annahme bereit sei. Die von Wilhelm behauptete angebliche Unsicherheit des Schuldners darüber, ob er trotz der Rücktrittserklärung noch leisten könne, besteht daher auch bei bloß tatsächlicher Gewährung der Nachfrist nach der Rücktrittserklärung nicht.

Dagegen ist der auch vom Berufungsgericht schon hervorgehobene Gesichtspunkt wesentlich, daß die Bestimmung des § 918 ABGB. den Zweck verfolgt, dem säumigen Schuldner durch die Rücktrittserklärung den Ernst der Lage eindringlich vor Augen zu führen, ihm aber noch die Möglichkeit gegeben sein soll, durch die Nachholung der Leistung innerhalb einer angemessenen Frist die Auflösung des Vertrages abzuwenden.

Dem weiteren Einwand Wilhelms, es sei nicht folgerichtig und nicht „willensgemäß“ einem Gläubiger, der durch die Rücktrittserklärung zum Ausdruck gebracht habe, die Leistung nicht mehr annehmen zu wollen, dennoch die weitere Leistungsannahme zuzumuten, ist entgegenzuhalten, daß es mit Rücksicht auf die angeführte gesetzliche Regelung, die dem Schuldner eine Möglichkeit zur Nachholung der Leistung ausdrücklich einräumt, nicht bloß auf den Willen des Gläubigers allein ankommt. Der Gläubiger muß vielmehr die im Gesetz vorgesehene Vorgangsweise und die damit verbundenen Folgen beachten. Daß der Wille des Schuldners zur Erfüllung durch die Rücktrittserklärung gedämpft werde, ist nicht überzeugend; das Gesetz geht vielmehr offenbar davon aus, daß der Erfüllungswille durch die Erkenntnis des Ernstes der Lage und der drohenden Folgen der Rücktrittserklärung bestärkt und mobilisiert werde. Der Oberste Gerichtshof hält daher an der herrschenden Auffassung fest, wonach als Nachfrist, deren Gewährung für die Wirksamkeit einer Rücktrittserklärung gemäß § 918 ABGB. erforderlich ist, nur ein Zeitraum, der nach der Rücktrittserklärung liegt, zu verstehen ist.

Da im vorliegenden Fall die Rücktrittserklärung wohl nach Eintritt des Verzuges des Klägers erfolgte, ihm aber mit dieser keine angemessene Frist zur Nachholung der (restlichen) Leistung gesetzt oder nach diesem Zeitpunkt noch tatsächlich gewährt wurde, entspricht sie nicht dem Gesetz, sodaß die Beklagten keine Ansprüche wegen des Rücktrittes vom Vertrag geltend machen können.

Dem Einwand der Revision, diese Frage hätte vom Berufungsgericht nicht geprüft werden dürfen, weil sie in der Berufung nicht geltend gemacht worden sei, muß entgegengehalten werden, daß dies nicht der Aktenlage entspricht. Der Kläger hat nämlich in der Berufung auch die Rechtsrüge erhoben und darin unter anderem ausgeführt, aus den getroffenen Feststellungen lasse sich die Gewährung der Nachfrist durch die beklagte Partei nicht ableiten (AS. 116). Im übrigen ist das Rechtsmittelgericht berechtigt, dann wenn eine Rechtsrüge erhoben wurde, die den Mindestanforderungen entspricht, die Rechtssache nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu überprüfen (Fasching ZP. IV 41 f., RZ 1969 52, ÖBl 1968 9 ArbSlg 7533, JBl 1950 140 u.a.).

Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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