OGH 4Ob541/89

OGH4Ob541/8927.6.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) S*** + S*** AG, Basel, Lautergartenstraße 23, 2) S*** + S***

Gesellschaft mbH, Generalplaner, Wien 3., Metternichgasse 10, beide vertreten durch Dr. Alexander Brauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Jovan C***, Landtagsabgeordneter und Gemeinderat der Stadt Wien, Wien 2., Tandelmarktgasse 5, vertreten durch Dr. Georg Hesz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Widerruf und Veröffentlichung des Widerrufs (Gesamtstreitwert 1 Million S) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 13. Dezember 1988, GZ. 15 R 233/88-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 29. August 1988, GZ. 39 Cg 81/88-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. den

B e s c h l u ß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Verwerfung der Nichtigkeitsberufung wendet und demnach als Rekurs zu behandeln ist, zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Im übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 20.534,58 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 3.422,43 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist seit dem Frühjahr 1987 Landtagsabgeordneter und Gemeinderat der Stadt Wien. Nach einer Pressekonferenz, die er am 23. Juni 1987 in Anwesenheit von Mitarbeitern der österreichischen Zeitungen abgehalten hatte, berichtete "Die Presse" vom 25. Juni 1987 unter der Überschrift "5,5 Millionen verschollen. Neue Affäre a la AKH ?" folgendes:

"'Das in Bau befindliche Sozialmedizinische Zentrum Ost könnte sich zu einer Affäre a la AKH ausweiten', erklärte gestern VP-Gemeinderat Jovan C***. Offenbar seien über eine Schweizer Firma 5,5 Millionen Schilling versickert. Der zuständige Stadtrat habe nicht angeben können, was mit dem Geld geschehen sei.

Ebensowenig, ob die betroffene Firma je ihre Konsulententätigkeit aufgenommen habe.

Bereits 1982 seien die 5,5 Millionen Schilling für technische Beratungen durch die Firma S*** und S*** aus Basel genehmigt worden. Seitdem habe nie wieder jemand von der Firma gehört. 'Die Vermutung, daß Winters Tanten wieder die Koffer packen, ist sehr stark', meinte C***. Erhard B*** erklärte, die Gemeinde sei dafür allein verantwortlich. Angesichts des Milliardenbudgets dürften die 'paar Millionen' niemandem abgegangen sein".

Unbestritten ist, daß die Äußerungen des Beklagten hier wörtlich wiedergegeben wurden.

Mit der Behauptung, daß die in der "Presse" wiedergegebenen Tatsachenbehauptungen des Beklagten grob unrichtig seien, der Beklagte das gewußt oder doch zumindest bewußt in Kauf genommen habe und die Klägerinnen dadurch eine Kredit- und Imageschädigung erlitten hätten, begehren die Klägerinnen - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung -, den Beklagten schuldig zu erkennen, die oben wiedergegebenen Behauptungen zu unterlassen, sie öffentlich im Rahmen einer Pressekonferenz zu widerrufen und die Verlautbarung des Widerrufs in der periodischen Druckschrift "Die Presse" zu veranlassen.

Der Beklagte erhebt unter Hinweis auf seine Immunität als Abgeordneter (Art. 57 Abs. 2 B-VG in Verbindung mit Art. 96 Abs. 1 B-VG) die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges und beantragt im übrigen die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe lediglich Tatsachenbehauptungen aufgestellt, die sich auf die Uninformiertheit des zuständigen Stadtrates, Univ.Prof. Dr. S***, nicht aber auf die Integrität der Klägerinnen bezogen hätten. Der "Presse"-Artikel entspreche den Tatsachen, weil weder die Landtagsabgeordneten der Oppositionsparteien noch Stadtrat Univ.Prof. Dr. S*** selbst am 23. Juni 1987 informiert gewesen seien, welche Tätigkeit die Klägerinnen im Sozialmedizinischen Zentrum Ost (SMZO) ausgeübt hätten. Als Abgeordneter sei der Beklagte berechtigt gewesen, die Öffentlichkeit durch die Vertreter der Medien darüber zu informieren. Im Zeitpunkt seiner Rede im Gemeinderat und der nachfolgenden Informationskonferenz sei ihm noch nicht bekannt gewesen, ob die von den Klägerinnen für das Land Wien erbrachten Leistungen "richtig" waren. Ohne die Abrechnung und die von den Klägerinnen erbrachten Leistungen in Frage stellen zu wollen, könnte ihm der Vorwurf einer unrichtigen Tatsachenbehauptung nur dann gemacht werden, wenn das Kontrollamt der Stadt Wien durch Beschluß des Gemeinderates oder vom Bürgermeister den Auftrag erhalte, eine Gebarungskontrolle durchzuführen; nur das Kontrollamt könne die Richtigkeit oder Unrichtigkeit seiner Tatsachenbehauptungen prüfen.

Der Erstrichter wies - mit einem in die Entscheidung über die Hauptsache aufgenommenen Beschluß - die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück und gab, ohne Beweise aufzunehmen, dem Klagebegehren statt. Es bestehe kein Zweifel, daß die in der Pressekonferenz geäußerten, im Eigenbericht der Zeitung "Die Presse" publizierten Behauptungen des Beklagten Tatsachen im Sinne des § 1330 Abs. 2 ABGB enthielten; daß diese geeignet waren, den Kredit und den Erwerb, ja auch das Fortkommen der Klägerinnen zu gefährden, bedürfe keiner besonderen Erörterung. Der Beklagte räume selbst ein, daß diese Behauptungen auch unwahr waren. Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagte die Unwahrheit seiner Behauptungen gekannt habe, lägen zwar nicht vor; das entschuldige ihn aber nicht, weil für die Haftung nach § 1330 Abs. 2 ABGB schon (leichte) Fahrlässigkeit genüge. Zur Überprüfung der Angemessenheit der Entlohnung der Klägerinnen für die von ihnen tatsächlich erbrachten Leistungen seien dem Beklagten die in der Wiener Stadtverfassung vorgesehenen Behelfe, keineswegs aber die Flucht in die Öffentlichkeit durch Behauptung von Malversationen zugestanden, zumal er keine gewichtigen Anhaltspunkte für die Wahrheit der von ihm verbreiteten Tatsachen gehabt habe. Die vom Beklagten ins Treffen geführten Umstände - daß nämlich der zuständige Stadtrat, Univ.Prof. Dr. S***, bei der Sitzung des Gemeinderates vom 23. Juni 1987 nicht informiert gewesen sei, daß der Vorbereitende Bauausschuß am 9. September 1983 die Weisung erteilt habe, derzeit keine weiteren Teilleistungen der Klägerinnen abzurufen, und daß die ausstehenden Leistungen bis Ende Oktober 1983 zu erbringen gewesen seien - könnten ihn vom Vorwurf schuldhafter Leichtfertigkeit nicht befreien. Der Beklagte sei daher zur Unterlassung und zum Widerruf der beanstandeten Behauptungen sowie zur Veröffentlichung des Widerrufs zu verurteilen. Die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges sei unberechtigt, weil sich die berufliche Immunität von Landtagsabgeordneten nur auf mündliche oder schriftliche Äußerungen bei parlamentarischen Sitzungen, nicht aber auf solche Äußerungen außerhalb dieser Sitzungen erstrecke.

Das Gericht zweiter Instanz verwarf - mit Beschluß - die "wegen Nichtigkeit" erhobene Berufung gegen den Beschluß über die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges, gab im übrigen der Berufung nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteige. Auch die berufliche (und nicht nur die außerberufliche) Immunität des Abgeordneten beziehe sich nicht auf zivilrechtliche Klagen nach § 1330 ABGB. Die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechtes seien Bestandteil des Bundesrechtes (Art. 9 Abs. 1 B-VG); dazu gehörten das Völkergewohnheitsrecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze. Zu den letzteren zähle auch die Achtung erworbener Privatrechte. Die Entziehung ausländischen Privateigentums sei grundsätzlich nur gegen Entschädigung zulässig. Der Begriff des Vermögens werde im Völkerrecht weit gefaßt. Die Erstklägerin sei eine juristische Person in der Schweiz und genieße als solche Persönlichkeitsschutz; eine sanktionslose Ehrbeschränkung käme einer entschädigungslosen Enteignung gleich. Auch Staaten seien verpflichtet, Ausländer gegen Verletzung der Ehre zu schützen. Zumindest gegenüber geschädigten Ausländern könne sich daher der Schädiger nicht darauf berufen, daß ihn seine berufliche Immunität vor zivilrechtlichen Schadenersatzklagen schütze.

Verfahrensmängel lägen nicht vor; auch die rechtliche Beurteilung des Erstrichters sei zu billigen: Die Haftung des Beklagten nach § 1330 Abs. 2 ABGB könne nicht zweifelhaft sein. Die in der Pressekonferenz abgegebene und in der "Presse" abgedruckte Äußerung des Beklagten lasse die Klägerinnen in der Öffentlichkeit in einem schlechten Licht erscheinen, werde ihnen doch Korruption im Rahmen einer Affäre nach Art des AKH-Skandals vorgeworfen. Daß diese Angriffe die Kreditwürdigkeit und das Ansehen der Klägerinnen in der Öffentlichkeit schwerstens gefährden und beeinträchtigen könnten, liege auf der Hand. Bei Anwendung der gerade bei der Verbreitung unbewiesener Tatsachen gebotenen Sorgfalt und Aufmerksamkeit hätte der Beklagte nicht allein auf Grund der mangelnden Information des zuständigen Stadtrates eine solche Fehlinformation veröffentlichen dürfen. Von einer Wahrnehmung berechtigter Interessen des Beklagten könne nicht gesprochen werden. Dabei komme es darauf an, ob der Zweck des Angriffes und dessen Durchführung in einem angemessenen Verhältnis zu der Beeinträchtigung stünden, die er dem Betroffenen verursache. Der Beklagte habe eine unbewiesene Vermutung vorsätzlich als feststehende Tatsache veröffentlicht und den Medien zur Verbreitung überlassen; die dazu nötigen Mindesterfordernisse an Sorgfalt habe er dabei außer acht gelassen. Da der Unterlassungsanspruch im übrigen verschuldensunabhängig sei, habe der Beklagte die von ihm verbreitete Behauptung unwahrer Tatsachen auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten; der Widerruf nach § 1330 Abs. 2, Sätze 1 und 2, ABGB könne bei jedem Grad des Verschuldens begehrt werden.

Dagegen richtet sich die "Revision" des Beklagten wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen als nichtig aufzuheben und die Klage zurückzuweisen, hilfsweise, diese Urteile "aufzuheben" und dahin abzuändern, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde; weiters wird hilfsweise ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerinnen beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

I. Soweit der Beklagte mit Revision wegen Nichtigkeit (§ 503 Abs. 1 Z 1 ZPO) die Entscheidung des Berufungsgerichtes bekämpft, mit der die Verwerfung der Unzulässigkeit des Rechtsweges durch den Erstrichter bestätigt wurde, ist das Rechtsmittel unzulässig:

Über jenen Teilen der Berufung, mit welcher der Beklagte den in das Ersturteil aufgenommenen Ausspruch über seine Prozeßeinrede angefochten hat, hatte das Berufungsgericht in nichtöffentlicher Sitzung (§ 471 Z 6 ZPO) mit Beschluß zu entscheiden (§ 473 Abs. 1 ZPO); daß es - der Bezeichnung des Beklagten folgend ON 60) von einer Berufung wegen "Nichtigkeit" gesprochen hat, ist ohne Bedeutung, weil dafür die gleichen Formvorschriften gelten (§§ 471 Z 5 ZPO; § 473 Abs. 1 ZPO). Gegen Beschlüsse des Berufungsgerichtes ist aber der Rekurs nur in den Fällen des § 519 ZPO zulässig; die Verwerfung einer Nichtigkeitsberufung oder die Bestätigung des Beschlusses, mit dem eine Prozeßeinrede abgewiesen wurde, gehören nicht dazu (Fasching IV 299 f; SZ 44/76; SZ 54/190 u.v.a.). Die Revision war daher, soweit sie unter dem Rechtsmittelgrund des § 503 Abs. 1 Z 1 ZPO - in Wahrheit als Rekurs - den berufungsgerichtlichen Beschluß bekämpft, als unzulässig zurückzuweisen. Die die "Nichtigkeitsberufung" verwerfende Entscheidung ist damit bindend im Sinne des § 42 Abs. 3 JN und steht auch einer amtswegigen Wahrnehmung der Nichtigkeit oder des geltend gemachten Prozeßhindernisses entgegen (SZ 28/265; SZ 54/190). II. Im übrigen ist die Revision nicht berechtigt.

Soweit zum Revisionsgrund des § 503 Abs. 1 Z 2 ZPO Feststellungsmängel geltend gemacht werden, sind diese der Rechtsrüge zuzuordnen. Die geltend gemachten (primären) Verfahrensmängel und Aktenwidrigkeiten liegen nicht vor (§ 510 Abs. 3 ZPO). Bemerkt sei bloß, daß diese Revisionsgründe schon deshalb nicht vorliegen können, weil das Erstgericht aus rechtlichen Erwägungen überhaupt keine Feststellungen getroffen, sondern allein auf Grund des Vorbringens der Parteien entschieden hat. Daß der Beklagte gesagt hätte, angesichts des Milliardenbudgets dürfen die "paar Millionen niemandem abgegangen sein", wurde der Entscheidung nicht zugrunde gelegt und ist auch nicht Gegenstand des Klagebegehrens.

Auch die Rechtsausführungen des Beklagten sind nicht stichhältig:

Nach § 1330 Abs. 2 ABGB kann derjenige, der Tatsachen verbreitet, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährden und deren Unwahrheit er kannte oder kennen mußte, zum Widerruf und dessen Veröffentlichung verurteilt werden; außerdem kann gegen ihn ein Unterlassungsanspruch geltend gemacht werden (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 23 zu § 1330 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Der Beklagte hat laut dem Bericht der Zeitung "Die Presse" vom 25. Juni 1987, der seine Äußerungen seinem eigenen Vorbringen zufolge "wortwörtlich" wiedergibt (S 46), in einer Pressekonferenz Behauptungen im Zusammenhang mit der Erstklägerin aufgestellt. Dabei hat es sich eindeutig um die Mitteilung von Tatsachen und nicht um Werturteile gehandelt: Tatsachen im Sinne des § 1330 Abs. 2 ABGB sind Umstände, die ihrer allgemeinen Natur nach objektiv überprüfbar sind (SZ 50/111; JBl. 1988, 174 u.v.a.), während sich Werturteile als rein subjektive Aussagen der objektiven Überprüfbarkeit entziehen (Reischauer aaO Rz 10 und 11 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung; JBl. 1988, 174 u.v.a.). Daß die beanstandeten Äußerungen - über eine Schweizer Firma seien 5,5 Millionen Schilling versickert; ob diese ihre Konsulententätigkeit überhaupt aufgenommen habe, wisse man nicht;

seit Genehmigung des Geldbetrages für sie habe man nichts mehr gehört - objektiv überprüfbar sind, stellt der Beklagte selbst nicht in Abrede. Es kann auch keinem Zweifel unterliegen, daß diese Behauptungen, welche die Erstklägerin in Zusammenhang mit einem Wirtschaftsskandal bringen und die Vermutung anklingen lassen, sie habe Gelder kassiert, ohne dafür Leistungen erbringen zu müssen, in höchstem Maße geeignet sind, den wirtschaftlichen Ruf der Klägerinnen (auch der Zweitklägerin, die als Tochter der Erstklägerin den gleichen Firmenkern - "S*** + S***" - aufweist und daher mit dieser in Zusammenhang gebracht wird), welchen § 1330 Abs. 2 ABGB als absolutes Recht schützen soll (JBl. 1984, 492; JBl. 1988, 174), zu gefährden; des Nachweises eines tatsächlich eingetretenen Schadens bedarf es nicht (MuR 1988, 87 mwN). Da der Beklagte dem Prozeßvorbringen der Klägerinnen, daß die beanstandete Tatsachenbehauptung unrichtig sei, nicht entgegengetreten ist, sondern erklärt hat, er wolle die Abrechnung und die Leistungen der Klägerinnen nicht in Frage stellen, ist von der Unwahrheit der vom Beklagten in der Pressekonferenz erhobenen Vorwürfe auszugehen; die Frage der Beweislast (vgl. Reischauer aaO Rz 17 und 18) bedarf daher keiner Untersuchung.

Der von den Klägerinnen geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist - wie schon das Gericht zweiter Instanz zutreffend ausgeführt - von einem Verschulden des Beklagten unabhängig (JBl. 1984, 492; Reischauer aaO Rz 23). Das Fehlen einer Wiederholungsgefahr hat der Beklagte, den dafür die Beweislast träfe, nicht einmal behauptet. Zum Widerruf und dessen Veröffentlichung kann aber der Beklagte nur dann verurteilt werden, wenn er zumindest leicht fahrlässig gehandelt hat (JBl. 1987, 724; Reischauer aaO Rz 16 mit weiteren Nachweisen). Der Beklagte meint nun, die "Feststellungen" der Vorinstanzen reichten nicht aus, um sein Verschulden zu bejahen: Es hätte der Prüfung bedurft, auf Grund welcher Informationen er habe handeln müssen. Als Abgeordneter einer Oppositionspartei des Wiener Landtages habe er nicht über jene Informationen verfügt, die den Regierenden zur Verfügung gestanden seien. Als Oppositionsabgeordnetem müsse es ihm gestattet sein, auf Grund der ihm zugegangenen Informationen Angriffe gegen die Amtsführung der regierenden Partei zu richten. Maßgeblich wäre daher, ob er seine Äußerungen bewußt wahrheitswidrig gemacht oder doch die Informationen grob fahrlässig ungeprüft weitergegeben habe. Dem ist folgendes zu erwidern:

Bei Geltendmachung eines Anspruches nach § 1330 Abs. 2 ABGB muß der Kläger nicht nur beweisen, daß die verbreiteten Tatsachen unwahr sind, sondern auch dartun, daß die Unkenntnis des Beklagten von der Unrichtigkeit seiner Mitteilung zumindest auf Fahrlässigkeit beruht, dem Beklagten also bei durchschnittlicher, jedermann zumutbarer Aufmerksamkeit die Unrichtigkeit seiner Behauptungen erkennbar gewesen wäre. Behaupte der Beklagte, daß ihn trotz der vom Kläger dargetanen Umstände bei der Verbreitung der - erwiesenermaßen unrichtigen - Tatsachenbehauptungen keine Fahrlässigkeit treffe, dann muß er von sich aus behaupten und beweisen, daß er trotzdem Anhaltspunkte für die Wahrheit der von ihm verbreiteten Tatsachen hatte (SZ 46/114; SZ 50/86 mwN). Soweit sich der Beklagte in der Revision auf ihm zugegangene Informationen beruft, muß dies - ganz abgesehen davon, daß auch diese Behauptung der Konkretisierung entbehrt - als Neuerung unbeachtet bleiben (§ 504 ZPO). In erster Instanz hat der Beklagte nicht vorgebracht, welche Anhaltspunkte er für die Wahrheit der von ihm gegen die Klägerinnen erhobenen Vorwürfe hatte. Seinen Ausführungen ist nicht zu entnehmen, welcher Zusammenhang zwischen der angeblichen Uninformiertheit des Stadtrates Univ.Prof. Dr. S*** und die Behauptung bestanden habe, 5,5 Millionen S seien "über eine Schweizer Firma versickert". Mit keinem Wort hat der Beklagte behauptet, daß er irgendwelche Hinweise auf ein unlauteres Verhalten der Klägerinnen gehabt hätte. Daraus allein, daß der zuständige Stadtrat - wie der Beklagte in der Pressekonferenz bekanntgegeben hat - nicht angeben konnte, was mit 5,5 Millionen S geschehen sei, konnte der Beklagte nicht mit gutem Grund folgern, daß gerade die Klägerinnen diesen Betrag, ohne eine Leistung erbracht zu haben, eingestrichen hätten. Nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten muß daher davon ausgegangen werden, daß er die schweren Anschuldigungen gegen die Klägerinnen nur in den Raum gestellt hat, um eine Kontrolle der Stadtregierung zu erzwingen. Bei dieser Sachlage mußte aber dem Beklagten die Unrichtigkeit der von ihm öffentlich ohne jede Tatsachengrundlage aufgestellten Behauptung bewußt sein. Als Abgeordneter einer Oppositionspartei ist er zwar gewiß zur Kontrolle der Regierung, nicht aber zu aus der Luft gegriffenen Anwürfen gegen Dritte, wie die klagenden Gesellschaften, berechtigt.

Da der Beklagte in erster Instanz kein Tatsachenvorbringen erstattet hat, bei dessen Richtigkeit sich seine Schuldlosigkeit ergäbe, liegen auch keine Feststellungsmängel vor.

Das angefochtene Urteil war demgemäß zu bestätigen. Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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