Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:
"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 1.200.- samt 4 % Zinsen seit 1. 1. 1997 zu zahlen und die mit S 19.559, 28 (darin S 2.774,88 USt und S 2.910.- Barauslagen) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen, beides binnen 14 Tagen."
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 26.430,88 (darin S 2.418,48 USt und S 11.920.- Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte, die einen Versandhandel betreibt, veranstaltete im Herbst 1996 ein Gewinnspiel. Sie schickte auch Regina D***** (die in der Folge den behaupteten Schadenersatzanspruch an die Klägerin gemäß § 55 Abs 4 JN abgetreten hat) einen Warenkatalog samt Gewinnspielunterlagen zu. Darunter befand sich ein Blatt mit der Abbildung von sechs Hauptpreisen; der erste Hauptpreis war ein BMW 320i Cabrio oder S 420.000.- in bar. Auf demselben Blatt fanden sich sechs Namen mit dem Hinweis: "Hiermit geben wir folgende, offiziell feststehende Gewinner bekannt: 1. (hier folgte der Name der Zedentin)". Auf Grund dieser Zusendung ging die Zedentin davon aus, den ersten Hauptpreis gewonnen zu haben und schickte der Beklagten das dem Katalog beiliegende Gewinn‑Anforderungs‑Zertifikat mit folgendem Begleitschreiben: "Hiemit fordere ich meinen 1. Hauptpreis von S 420.000.- an. Anbei das Gewinn‑Anforderungszertifikat und Losnummer 269137. Natürlich werde ich dann wieder bei "Schiejok täglich" von meinem erhaltenen Gewinn berichten. Ich bitte um umgehende Antwort." Am 3. 10. 1996 schrieb die Beklagte zurück: "Ihr Schreiben zu unserem oben genannten Gewinnspiel haben wir erhalten. Zum besseren Verständnis möchten wir Ihnen nachstehend noch einige zusätzliche Informationen geben. Mit Ihren Gewinnspielunterlagen haben Sie ein Gewinn‑Anforderungs‑Zertifikat erhalten. Die Ihnen zugeteilte Losnummer 269137 haben Sie der offiziellen Lostüte entnommen und festgestellt, dass diese mit der aufgeführten Garantie‑Gewinn‑Nummer des 1. Hauptpreises übereinstimmt. Somit können wir Ihnen schon gratulieren; Sie haben garantiert einen der vielen Sachpreise gewonnen. Vielleicht sind Sie aber auch der glückliche Gewinner des zu dieser Gewinn‑Nummer einmal ausgespielten BMW. Beachten Sie die Information der Gewinn‑Vergabe als BEISPIEL für den Ablauf einer Gewinnverleihung in unserem Haus. Über Ihren Gewinn werden Sie so schnell wie möglich von uns informiert, spätestens jedoch mit unserem nächsten Katalog." Daraufhin wandte sich die Zedentin an einen Rechtsanwalt, der in ihrem Auftrag und Namen brieflich die Übergabe eines BMW 320i Cabrio oder eines Betrages von S 420.000.- in bar forderte.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung von S 1.200.- samt 4 % Zinsen seit 1.1.1997 mit dem Vorbringen, die Zedentin habe diesen Betrag für anwaltlichen Rat im Zusammenhang mit dem ablehnenden Schreiben der Beklagten vom 3. 10. 1996 aufwenden müssen. Diesen Aufwand habe die Beklagte durch rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten, nämlich die Irreführung dahin, die Zedentin habe den Hauptpreis eines Gewinnspieles gewonnen, verursacht, sodass sie zum Ersatz verpflichtet sei. Der Zedentin und damit auch der Klägerin stünde ein auf die Verletzung der Bestimmungen der §§ 1, 2 UWG gestützter Schadenersatzanspruch deshalb zu, weil das von der Beklagten veranstaltete Gewinnspiel als zur Irreführung geeignet gegen § 2 UWG verstoße und darüber hinaus die Teilnehmer unter psychischen Kaufzwang setze; dies begründe die Rechtswidrigkeit des Handelns der Beklagten. Die Bestimmungen des UWG seien auch Schutzgesetze im Sinne des § 1311 ABGB zugunsten der Verbraucher. Darüber hinaus ergäbe sich ein Klageanspruch auch aus § 874 ABGB, habe doch die Beklagte im Vorfeld der Aufnahme vertraglicher Beziehungen Schutzpflichten gegenüber potentiellen Vertragspartnern verletzt.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung. Sie wendet ein, nicht wettbewerbswidrig gehandelt zu haben; selbst wenn ein Verstoß gegen das UWG vorläge, könnte die Zedentin, die keine Mitbewerberin sei, daraus keine Schadenersatzansprüche ableiten. Die Zedentin habe nicht anwaltlichen Rat in Anspruch genommen, sondern einen Rechtsanwalt mit der Einbringung einer ungerechtfertigten Forderung beauftragt, stünde doch Teilnehmern an Gewinnspielen kein klagbarer Anspruch auf Ausfolgung eines Gewinnes zu. Diese Auskunft wäre auch im Rahmen einer kostenlosen Rechtsberatung zu erlangen gewesen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. § 14 UWG räume Konsumenten keinen Klageanspruch ein. § 874 ABGB gewähre im Falle einer schuldhaften Verletzung vorvertraglicher Pflichten nur den Ersatz des Vertrauensschadens; die geltend gemachten Anwaltskosten seien der Zedentin aber erst zu einem Zeitpunkt entstanden, als sie auf Grund eines Schreibens der Beklagten am Gewinn des Hauptpreises zumindest hätte zweifeln müssen, weshalb sie nicht mehr dem negativen Vertragsinteresse zuzurechnen seien.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Dass das UWG keine ausdrückliche Bestimmung über die Aktivlegitimation für Schadenersatzansprüche enthalte, könne nur dahin verstanden werden, dass der Gesetzgeber die Funktion des Wettbewerbsrechts nur in der Regelung der Beziehungen zwischen Unternehmern gesehen habe. Ein allfälliger Anspruch der Zedentin lasse sich daher nur aus dem (neben dem UWG anzuwendenden) allgemeinen Schadenersatzrecht ableiten. Er scheitere aber daran, dass spätestens die Mitteilung der Beklagten, die Zedentin sei (jedenfalls noch nicht) Gewinnerin des Hauptpreises, jenen Zustand hergestellt habe, der auch im Falle der wahrheitsgemäßen Durchführung des Gewinnspieles eingetreten wäre. Alle danach von der Zedentin vorgenommenen Handlungen seien nicht mehr von ihrem Vertrauen auf eine Gewinnzusage des Hauptpreises umfaßt, sondern als Versuche zu werten, einen unsicheren Anspruch durchzusetzen, dessen tatsächlichen Bestand nicht einmal die Klägerin behaupte.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur aktiven Klagelegitimation eines Verbrauchers, der infolge einer wettbewerbswidrigen Handlung einen Vermögensschaden erlitten hat, zulässig; sie ist auch berechtigt.
Vertrauensschäden entstehen dadurch, dass jemand auf die Gültigkeit eines Rechtsgeschäfts oder auf die Richtigkeit einer Auskunft vertraut und dementsprechend seine Dispositionen trifft, das Rechtsgeschäft in Wahrheit aber nicht gültig zustande gekommen oder die Mitteilung falsch ist (Koziol, Haftpflichtrecht3 Rz 2/87). Bei Schadenersatzverpflichtungen aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis (culpa in contrahendo) ist nach stRsp der Vertrauensschaden (negatives Vertragsinteresse) zu ersetzen, der Geschädigte demnach so zu stellen, wie er stünde, wenn die Pflichtverletzung nicht begangen worden wäre (SZ 48/102; SZ 60/36; SZ 61/90; SZ 68/76 uva). Gleiches gilt für die "volle Genugtuung", die der Schädiger im Falle des § 874 ABGB zu leisten hat (5 Ob 384/63; 6 Ob 868/82), und gleiches hätte auch zu gelten, falls man bejahte, dass eine Verletzung des § 2 UWG durch die Beklagte vorläge und diese Verletzung eine taugliche Anspruchsgrundlage eines Schadenersatzanspruches der Zedentin gegenüber der Beklagten bildete. In allen diesen Fällen wird das Vertrauen des Geschädigten auf das Bestehen eines von der Wirklichkeit abweichenden Sachverhaltes solange geschützt, als der Irrende über die wahren Verhältnisse noch nicht aufgeklärt worden ist; wer hingegen bewusst die Augen vor der Realität verschließt, handelt auf eigenes Risiko.
Nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt hat die Beklagte der Zedentin Gewinnspielunterlagen zugesandt, auf Grund deren Gestaltung die Empfängerin annehmen durfte, Gewinnerin des ersten Hauptpreises zu sein. Insbesondere die suggestive Gegenüberstellung von sechs durchnumerierten Hauptpreisen mit sechs durchnumerierten Namen vermittelt für den durchschnittlich flüchtigen Empfänger den Eindruck, die hier aufgezählten Personen hätten jeweils den ihrer Zahl zugeordneten Preis gewonnen. Dieser Eindruck wird in der Folge noch durch die in Form einer Fotogeschichte dargestellte Gewinnübergabe des Hauptpreises unter neuerlicher Verwendung des Namens der Zedentin verstärkt. Der Hinweis, dass es sich bei dieser Darstellung nur um ein Beispiel handle, tritt gegenüber dem durch die Zusendung insgesamt vermittelten Eindruck als vernachlässigbar völlig in den Hintergrund und vermag die Irreführungseignung dieser Ankündigung ebensowenig zu beseitigen wie der auf die Gewinnanforderung folgende "Aufklärungsbrief" der Beklagten vom 3. 10. 1996. Auch nach Erhalt dieses Briefes durfte die Zedentin durchaus noch der Meinung sein, die Beklagte versuche nunmehr, die ihr gegenüber zuvor abgegebene Gewinnzusage wieder rückgängig zu machen. Von einer ausreichenden Aufklärung des Irrtums noch vor Inanspruchnahme anwaltlichen Rates durch die Zedentin kann damit keine Rede sein.
Auch ein Verstoß der Beklagten gegen das UWG ist zu bejahen: Die Beklagte hat durch die Vorspiegelung, die Zedentin sei Gewinnerin des Hauptpreises des veranstalteten Gewinnspieles, eine Situation geschaffen, in der die Adressaten der Gewinnspielunterlagen unter psychologischen Kaufzwang geraten, weil sie den Gewinn mittels einer Anforderungskarte abfordern müssen, die gleichzeitig als Bestellschein für Waren der Beklagten verwendet werden kann. Die Adressaten können sich damit einem Geschäftsabschluss nach der Lebenserfahrung nur schwer entziehen und werden es vielfach als unanständig empfinden, angesichts des erzielten Gewinnes nichts zu kaufen (zum psychologischen Kaufzwang vgl. ÖBl 1981, 12 - Yamaha‑Chopper‑Spiel; ÖBl 1985, 138 - Kronen‑Bingo II; ÖBl 1990, 11 - Supermarkt‑Gratisgabe; MR 1989, 180 - Zeitung zum Kennenlernen; zuletzt ÖBl 1998, 11 - Zuweisungs‑Bescheinigung).
Mit der Frage, ob die Verletzung von Normen des UWG auch Konsumenten einen direkten Schadenersatzanspruch gegenüber dem Unternehmer gewährt, hatte sich der Oberste Gerichtshof bisher noch nicht zu befassen. Eine eingehende Untersuchung dieser Frage von Sack (in Kramer/Mayrhofer ua, Konsumentschutz im Privat- und Wirtschaftsrecht 99ff) setzt dabei an, dass der Gesetzgeber durch die Novellierung des UWG von 1971 (mit der das Verbot täuschender Werbung durch § 2 UWG erweitert wurde) klargestellt habe, dass das UWG auch einen wettbewerbsbezogenen Schutz des Verbrauchers bezwecke; in den Erläuternden Bemerkungen werde auf die Leitgedanken verwiesen, den Schutz der Mitbewerber vor unlauterem Wettbewerb zu verstärken, eine bessere Transparenz des Marktes zu bewirken und damit auch dem Konsumentenschutz zu dienen. Durch die Zuerkennung der Klagelegitimation an die in § 14 UWG genannten Verbände solle erkennbar gewährleistet werden, dass neben den Interessen der Mitbewerber auch Konsumenteninteressen Berücksichtigung fänden. Allein nach dem Wortlaut des UWG kämen Verbraucher‑Individualklagen durchaus in Betracht, sei doch darin die Aktivlegitimation (mit Ausnahme des Unterlassungsansprüche betreffenden § 14 UWG) nicht geregelt. Es sei zu bejahen, dass das UWG auch den Schutz des einzelnen Verbrauchers vor rechtswidrigem Wettbewerb bezwecke; damit sei es nur konsequent, ihm als Opfer unlauteren Wettbewerbs auch Individualansprüche nach diesem Gesetz einzuräumen. Koppensteiner (Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht3 § 34 Rz 56) schließt sich diesem von Sack gewonnenen Ergebnis an.
Der erkennende Senat hält die dargestellten Argumente der Lehre für überzeugend, dass auch ein Verbraucher, der das Opfer unlauteren Wettbewerbs geworden ist, Schadenersatzansprüche nach dem UWG gegen den unlauteren Wettbewerber besitzt. Auf die Frage, ob die Normen des UWG allenfalls Schutzgesetze im Sinne des § 1311 ABGB sind (verneinend Sack aaO 115), muss deshalb nicht eingegangen werden. Somit erweisen sich jene Auslagen, die die Zedentin im Vertrauen auf den vermeintlich gewonnenen Hauptpreis aufgewendet hat, um anwaltlichen Rat zur Aufklärung über ihre Ansprüche einzuholen, als adäquater Vertrauensschaden, den die Beklagte durch ihr wettbewerbswidriges Handeln verursacht und deshalb zu ersetzen hat. Der begründeten Revision war somit Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung für das Verfahren erster Instanz beruht auf § 41 Abs 1 ZPO, für das Rechtsmittelverfahren zusätzlich auf § 50 ZPO.
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