OGH 4Ob5/23y

OGH4Ob5/23y31.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M. und Mag. Fitz als weitere Richter in der Markenrechtssache der Antragstellerin O* GmbH & Co * KG, *, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, wegen Eintragung einer Farbmarke, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 9. November 2022, GZ 33 R 81/22g‑3, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00005.23Y.0131.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Antragstellerin beantragte die Eintragung der Farbmarke RAL 2008 Orange

 

 

aufgrund Verkehrsgeltung in das Markenregister für Dienstleistungen der Klasse 35 (Einzelhandelsdienstleistungen im Bereich von Bau‑ und Heimwerkerartikeln).

[2] Das Patentamt und das Rekursgericht lehnten die Eintragung der Marke mangels Verkehrsgeltung ab.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin, mit dem sie weiterhin die Registrierung der Farbmarke anstrebt, zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf.

[4] 1. Der Fachsenat hat bereits in der Entscheidung 4 Ob 101/20m, die dieselbe Marke betroffen hat, die Grundsätze der Rechtsprechung des EuGH und der nationalen Gerichte zur Schutzfähigkeit von konturlosen Farbmarken zusammengefasst:

[5] 1.1. Eine Farbe als solche kann für bestimmte Waren oder Dienstleistungen Unterscheidungskraft haben, sofern sie Gegenstand einer grafischen Darstellung sein kann, die klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv ist.

[6] 1.2. Die Zahl der Farben, die das allgemeine Publikum unterscheiden kann, ist niedrig, weil sich ihm selten die Gelegenheit zum unmittelbaren Vergleich von Waren mit unterschiedlichen Farbtönen bietet. Die geringe Zahl der für das Publikum unterscheidbaren Farben führt zu einer Verringerung der tatsächlich verfügbaren Farben mit der Folge, dass mit wenigen Eintragungen von Marken für bestimmte Dienstleistungen oder Waren der ganze Bestand an verfügbaren Farben erschöpft werden könnte, weshalb in diesem Bereich grundsätzlich ein hohes Freihaltebedürfnis besteht.

[7] 1.3. Selbst wenn einer Farbe als solcher – zumeist – nicht von vornherein Unterscheidungskraft zukommt, kann sie diese in Bezug auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet wird, infolge ihrer Benutzung erwerben. Die Benutzung muss dazu geführt haben, dass die beteiligten Verkehrskreise oder zumindest ein erheblicher Teil dieser Kreise die Ware oder Dienstleistung durch das Zeichen als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen.

[8] 1.4. Im Rahmen dieser Prüfung können insbesondere der Marktanteil der betreffenden Marke, die Intensität, geografische Verbreitung und Dauer ihrer Benutzung, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke, der Anteil der beteiligten Verkehrskreise, der die Ware oder Dienstleistung aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt, sowie Erklärungen von Industrie- und Handelskammern oder anderen Berufsverbänden berücksichtigt werden. Ob die Unterscheidungskraft durch Benutzung als erfüllt anzusehen ist, kann nicht nur anhand von generellen und abstrakten Angaben, wie etwa bestimmten Prozentsätzen, festgestellt werden, was aber nicht bedeutet, dass die Entscheidung nicht anhand des mit einer Umfrage ermittelten Kennzeichnungsgrades des strittigen Zeichens getroffen werden kann. Es kann nur nicht von vornherein gesagt werden, dass ab einem bestimmten Kennzeichnungsgrad immer Unterscheidungskraft anzunehmen wäre (vgl 4 Ob 101/20m mwN).

[9] 2.1. Der Kennzeichnungsgrad gibt an, wie weit das Zeichen innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen, eine bestimmte Ware oder Leistung angesehen wird. Das Unternehmen selbst muss dabei nicht bekannt sein; es genügt, wenn an die Waren oder Leistungen des Zeichenträgers, nicht aber an diesen selbst, gedacht wird. Der Zuordnungsgrad – also die Angabe, wie weit das Unternehmen, mit dem das Zeichen in Zusammenhang gebracht wird, namentlich bekannt ist – ist keine notwendige Voraussetzung für die Verkehrsgeltung; nach ihm muss nur dann gefragt werden, wenn die Frage nach dem entsprechenden Kennzeichnungsgrad zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt hat (RS0078788; RS0079181).

[10] 2.2. „Beteiligte Verkehrskreise“ sind alle Personen, die als Erwerber der Ware in Betracht kommen, damit der normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen (vgl RS0079038).

[11] 2.3. Je größer das Freihaltebedürfnis und je geringer die Kennzeichnungskraft ist, desto höher muss die Verkehrsgeltung sein, um einen Schutz zu rechtfertigen. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und wirft daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage auf (vgl RS0111880; RS0121895).

[12] 3. Ausgehend von diesen Grundsätzen zeigt der Revisionsrekurs der Antragstellerin nicht auf, dass eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen vorläge:

[13] 3.1. Der erkennende Fachsenat hat bereits in der Entscheidung zu 4 Ob 101/20m die bisherige Rechtsprechung dargestellt, wonach Zuordnungsgrade von 85 % bis 90 % als ausreichend und solche von 65 % sowie von wenig mehr als 50 % jedoch als nicht ausreichend qualifiziert worden sind (vgl 4 Ob 101/20m Pkt 4.2. mwN) und ausgehend davon die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die einen Kennzeichnungsgrad der betreffenden Farbe von 41,6 % jedenfalls als nicht ausreichend angesehen haben, gebilligt.

[14] 3.2. Wenn die Vorinstanzen nunmehr aus dem vorgelegten neuen demoskopischen Gutachten, dem die Befragung von 1.000 in Österreich lebenden Personen ab 14 Jahren zugrundeliegt – je nach konkret herangezogener Referenzmenge – einen Kennzeichnungsgrad von 50–58 % ableiten, bietet das im Lichte der oben dargestellten Vorjudiaktur keinen Anlass für eine Neubeurteilung der Verkehrsgeltung der Farbmarke der Antragstellerin. Auch unter Berücksichtigung eines Marktanteils von 35 % der Antragstellerin und dem Umstand, dass immer noch 10 % der Befragten die Farbe einem anderen konkret genannten Unternehmen zugeordnet haben, ist die Beurteilung der Vorinstanzen jedenfalls vertretbar.

[15] 3.3. Wenn die Antragstellerin im Revisionsrekurs einen Kennzeichnungsgrad von 60,9 % abzuleiten versucht, zeigt sie damit ebensowenig eine erhebliche Rechtsfrage auf, wie mit dem Umstand, dass bei Ausschluss des an Bau‑ und Heimwerkerartikeln gänzlich uninteressierten Teils der 1.000 Befragten (konkret 129) für die Antragsstellerin ein Kennzeichnungsgrad von 65 % erzielt werden würde, weil sich auch die Beurteilung dieser Werte als nicht ausreichend für eine Verkehrsgeltung im Zusammenhang mit einer Farbmarke in der Bandbreite der oben dargestellten Rechtsprechung hält.

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