Normen
JN §1
Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger Art15
JN §1
Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger Art15
Spruch:
Soweit nicht ein Gesetz ausdrücklich das Gegenteil bestimmt, ist das Recht zur Benützung einer Grabstätte ein privatrechtlicher Anspruch, dies vor allem dann, wenn es aus einem privatrechtlichen Vertrag oder sonst aus einem eindeutig dem Privatrecht zugehörigen Titel abgeleitet wird
Wenngleich die Einhebung von Beiträgen zur Deckung des Sach- und Personalaufwandes einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft zu deren inneren Angelegenheiten im Sinne des Art. 15 StGG gehört, kann doch die Entscheidung über derartige Beiträge den ordentlichen Gerichten zugewiesen werden
OGH 2. April 1974, 4 Ob 523/74 (KG Wels R 27/74; BG Eferding C 376/73 )
Text
Der Kläger behauptet, sein Großvater habe am 1. Dezember 1877 mit der Pfarre E einen Vertrag geschlossen, wonach er und seine Nachkommen gegen eine einmalige Zahlung das immerwährende unentgeltliche Recht erhalten hätten, auf dem Grundstück 96 der EZ X, dem konfessionellen Friedhof von E eine Familiengrabstätte zu unterhalten. Dieses Recht habe die Familie des Klägers seither ausgeübt und daher jedenfalls ersessen. Das katholische Stadtpfarramt E habe im Jahre 1949 dieses Recht ausdrücklich anerkannt. Trotzdem sei dem Kläger im Jahre 1969 eine sogenannte Nachlösegebühr vorgeschrieben und damit sein unentgeltliches Grabrecht bestritten worden. Er begehre daher dessen Feststellung.
Die beklagte Pfarrkirche E gab als richtig zu, daß dem Kläger das Grabrecht zustehe, behauptete aber, es sei keine Unentgeltlichkeit in dem Sinn vereinbart worden, daß er von der sogenannten Nachlösegebühr befreit sei. Überdies brachte die beklagte Partei unter anderem noch vor, daß es sich bei diesem Rechtsstreit um einen Streit über die Berechtigung einer kirchlichen Gebühr handle, für den der Rechtsweg unzulässig sei, weil diese Frage zu den inneren kirchlichen Angelegenheiten im Sinne des Art. 15 StGG gehöre.
Das Erstgericht folgte dieser Meinung und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück.
Infolge Rekurses des Klägers verwarf das Rekursgericht die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges. Es verwies zunächst darauf, daß die Parteifähigkeit der "Pfarrkirche E" zu bejahen sei. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges sei davon auszugehen, ob der geltend gemachte Anspruch ein solcher nach bürgerlichem Recht sei. Dies sei der Fall, weil der Kläger seinen Anspruch auf eine Vereinbarung, ein Anerkenntnis und allenfalls auf Ersitzung, somit auf Rechtsgrunde nach bürgerlichem Recht, stütze. Darauf, ob der Anspruch auch bestehe und welcher Art die von der beklagten Partei dagegen erhobenen Einwendungen seien, komme es nicht bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges, sondern erst bei der Prüfung der sachlichen Berechtigung des Klagebegehrens an. Daher sei die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges zu verwerfen gewesen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die beklagte Partei bringt vor, daß das Grabrecht des Klägers unbestritten sei. Strittig sei lediglich, ob der Kläger zur Zahlung der sogenannten Nachlösegebühr verpflichtet sei. Diese Gebühr sei eine innerkirchliche Angelegenheit, so daß darüber die Gerichte nicht entscheidungsbefugt seien. Auch darüber, ob jemand von der Zahlung dieser Gebühren befreit sei, hätten ausschließlich die innerkirchlichen Instanzen zu entscheiden.
Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges grundsätzlich von den Klagsbehauptungen auszugehen ist. Maßgebend ist die Natur des erhobenen Anspruches. Darauf, ob das Klagebegehren berechtigt ist, kommt es nicht an. Dies gilt auch dann, wenn dem erhobenen Anspruch eine Einwendung, die sich auf einen öffentlich-rechtlichen Titel stützt, entgegengehalten wird. Auch in diesem Fall ist das Klagebegehren sachlich mit Urteil abzuweisen, nicht aber wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen (Fasching I, 63; EvBl. 1974/54; EvBl. 1974/69; EvBl. 1972/204; EvBl. 1967/73; EvBl. 1953/489; JBl. 1971, 482; SZ 36/79; SZ 23/81 u. a.).
Im vorliegenden Fall ist strittig, ob die vom Kläger behauptete "Unentgeltlichkeit" der Benützung des Grabes, die auf eine ausdrückliche Vereinbarung, langjährige Ausübung des Rechtes durch den Kläger und seine Rechtsvorgänger und Anerkennung dieses Rechtes durch die beklagte Partei gestützt wird, auch die Befreiung von der sogenannten Einlösegebühr zur Folge hat. Zu prüfen ist daher Inhalt und Reichweite der angeführten Titel. Maßgeblich ist, ob die Rechtstitel, auf die der Kläger seinen Anspruch auf unentgeltliche Benützung der Grabstätte stützt, dem Privatrecht angehören. Dies ist zu bejahen. Richtig ist allerdings, daß das Friedhofsrecht zu einem wesentlichen Teil dem öffentlichen Recht angehört. Das Recht auf Benützung einer Grabstätte wird aber nach herrschender Lehre und Rechtsprechung als ein Anspruch privatrechtlicher Natur aufgefaßt;, dies selbst dann, wenn dieses Recht von der Friedhofsverwaltung "verliehen", also durch einseitigen Akt gewährt wurde (Klang[2] II, 138; SZ 32/119; SZ 17/143; SZ 14/251 u. a.). Die privatrechtliche Natur dieses Rechtes muß jedenfalls bejaht werden, wenn das Benützungsrecht aus einem privatrechtlichen Vertrag oder sonst aus einem eindeutig dem Privatrecht zugehörigen Titel abgeleitet wird. So wurde auch ausgesprochen, daß für Streitigkeiten über Nutzungsrechte an Grabstellen, die nach der Behauptung des Klägers vertraglich oder durch sonstige Privatrechtstitel erworben wurden, die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegeben ist. Das Nichtbestehen des bezogenen Privatrechtstitels könne zwar zu einer Abweisung der Klage, nicht aber dazu führen, daß die Angelegenheit der Judikatur der ordentlichen Gerichte entzogen sei (Fasching I, 79; NZ 1928, 148).Nur wenn infolge ausdrücklicher gesetzlicher Regelung das Nutzungsrecht an Grabstätten in den Bereich des öffentlichen Rechtes verlagert wurde, ist das Rechtsverhältnis zwischen der Friedhofsverwaltung und den Parteien, welche Nutzungsrechte an den Grabstellen erworben haben, nicht privatrechtlicher Natur (vgl. dazu JBl. 1955, 65 für den Geltungsbereich des nö. Friedhofsbenutzungs- und GebührenG LGBl. 10/1953). Diese Voraussetzung trifft auf den vorliegenden Fall nicht zu. Der Klageanspruch ist somit privatrechtlicher Natur, so daß die Entscheidung darüber den Gerichten zusteht.
Eine nähere Prüfung der Frage, ob die Einwendung, daß der Kläger zur Zahlung der sogenannten Einlösegebühr verpflichtet sei, eine dem öffentlichen Recht angehörige Angelegenheit betrifft und für Streitigkeiten über die Verpflichtung zur Zahlung dieser Gebühr an sich der Rechtsweg unzulässig ist, war daher im Rahmen des Streites über die erhobene Prozeßeinrede entbehrlich. Zu bemerken ist allerdings, daß die Unzulässigkeit des Rechtsweges für solche Streitigkeiten noch nicht daraus abgeleitet werden kann, daß die Erhebung von Beiträgen zur Deckung des Sach- und Personalaufwandes einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft zu den inneren Angelegenheiten im Sinn des Art. 15 StGG gehört (VfGH 15. 12. 1959, V 11/59), weil es durchaus möglich ist, daß die Entscheidung über derartige Beiträge den Gerichten zugewiesen wird (vgl. hinsichtlich der Kirchenbeiträge VerfSlg. 5007; SZ 33/76; EvBl. 1961/249). Ob hinsichtlich der sogenannten Einlösegebühr der Rechtsweg zulässig ist, könnte daher erst entschieden werden, wenn die Bestimmungen für die Einhebung dieser Gebühr ausreichend geklärt wären. Da aber das Recht zur Einhebung dieser Gebühr nicht Grundlage des erhobenen Anspruches, sondern (nur) der gegen diesen - auf einen Privatrechtstitel gestützten - Anspruch vorgebrachten Einrede ist, bedarf es für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges für den erhobenen Anspruch einer Klärung dieser Frage nicht. Die Zulässigkeit des Rechtsweges wurde daher vom Rekursgericht mit Recht bejaht.
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