Spruch:
Der Verbraucher, der sich auf einer Messe nicht nur allgemein informieren läßt, sondern zum Ausdruck bringt, daß er in Vorverhandlungen zwecks Abschlusses eines bestimmten Rechtsgeschäftes treten will, bahnt die geschäftliche Verbindung zu dem Unternehmer selbst an, ihm steht daher kein Rücktrittsrecht nach § 3 Abs. 1 KSchG zu
OGH 9. 10. 1984, 4 Ob 521/84 (KG St. Pölten R 145/84; BG Ybbs C 1/83 )
Text
Der Beklagte besuchte am 4. 7. 1982 auf der Wieselburger Messe den Stand der klagenden Partei, weil er sich für Rolläden interessierte. Er sah sich die Ware an und ließ sich von der Geschäftsführerin der klagenden Partei die Kosten ausrechnen. Ein genauer Betrag konnte nicht ermittelt werden, weil die Größe der Fenster nicht genau feststand und auch nicht geklärt werden konnte, ob Kurbeln anzubringen wären. Die Geschäftsführerin der klagenden Partei erklärte, Naturmaße nehmen zu müssen, um den genauen Preis ermitteln zu können. Sie fragte deshalb den Beklagten nach seiner Adresse. Der Beklagte erlaubte der Geschäftsführerin der klagenden Partei, ihn zu diesem Zweck aufzusuchen, machte aber den Vorbehalt, daß alles unverbindlich sein müsse. Am 6. 7. 1982 erschien die Geschäftsführerin der klagenden Partei im Haus des Beklagten und nahm an den Fenstern Maß. Anschließend verhandelte sie mit dem Beklagten über den Preis. Sie erklärte hiebei, noch einen Messerabatt geben zu können. Anschließend bestellte der Beklagte die Rolläden. Mit Schreiben vom 8. 7. 1982 erklärte der Beklagte den Rücktritt vom Vertrag, den die klagende Partei zurückwies.
Die klagende Partei begehrt Zahlung des Kaufpreises von 25 300 S sA Zug um Zug gegen Lieferung und Montage der bestellten Rolläden.
Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens, da er nach dem Konsumentenschutzgesetz (KSchG) zum Rücktritt berechtigt gewesen sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da die Bestellung im Haus des Beklagten erfolgt sei, stehe ihm gemäß § 3 Abs. 1 KSchG ein Rücktrittsrecht binnen einer Woche zu, das er fristgerecht ausgeübt habe. Der Beklagte habe die geschäftliche Verbindung mit dem Unternehmen zwecks Schließung dieses Vertrages auch nicht selbst angebahnt, weil die entscheidenden Aktivitäten zum Geschäftsabschluß von der klagenden Partei ausgegangen seien. Die Geschäftsführerin der klagenden Partei habe seine Adresse erfragt und sei bereits zwei Tage nach dem Gespräch auf der Messe im Haus des Beklagten erschienen. Eine gewisse Überrumpelung des Beklagten könne daher nicht von der Hand gewiesen werden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes iS der Stattgebung des Klagebegehrens ab; es sprach aus, daß die Revision nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß der Beklagte selbst die geschäftliche Verbindung mit der klagenden Partei zwecks Schließung dieses Vertrages angebahnt habe. Er habe den Messestand der beklagten Partei aufgesucht, weil er sich für Rolläden interessiert habe. Hätte er anläßlich dieses ersten Informationsgespräches mit der klagenden Partei einen Vertrag über die Rolläden abgeschlossen, würde niemand daran zweifeln, daß ihm wegen der Anordnung des § 3 Abs. 1 KSchG ein Rücktrittsrecht nicht zukomme. Der Gesetzgeber gehe von der Vorstellung aus, daß eine Überrumpelung des Verbrauchers in diesen Fällen nicht in Frage komme, da bei einem Geschäftsabschluß in den in § 3 Abs. 1 genannten Räumen die Anbahnung regelmäßig vom Verbraucher ausgehe. Da der Beklagte den Messestand der klagenden Partei besucht habe, um sich über Rolläden zu informieren, einen oberflächlichen Kostenvoranschlag verlangt habe, der Geschäftsführerin der klagenden Partei seine Adresse bekanntgegeben habe, damit diese in seinem Haus Naturmaße an den Fenstern nehmen könne, und zwei Tage darauf über den Preis verhandelt habe, liege keine Überrumpelung des Beklagten vor. Das Erscheinen des Beklagten auf dem Messestand der klagenden Partei, sein Interesse für Rolläden und deren Preise habe nur so verstanden werden können, daß er in Vorverhandlungen zwecks Abschluß eines bestimmten Geschäftes treten wolle. Die geschäftliche Verbindung sei daher von ihm angebahnt worden. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß die Geschäftsführerin der klagenden Partei den Beklagten nach seiner Adresse gefragt habe, um Naturmaße nehmen zu können. Der Beklagte habe zwischen dem ersten Gespräch und dem Besuch der Geschäftsführerin der klagenden Partei in seinem Haus die Möglichkeit zur Überlegung gehabt. Der Vorbehalt des Beklagten, es müsse alles unverbindlich sein, könne nur dahin verstanden werden, daß ihm durch den Hausbesuch der Geschäftsführerin der klagenden Partei allein keine Verbindlichkeit entstehe. Der Vorbehalt könne aber nicht so weit verstanden werden, daß dem Beklagten für den Fall des Vertragsabschlusses aus diesem keine Verbindlichkeiten erwachsen sollten und er deshalb das Rücktrittsrecht nach § 3 KSchG nicht verliere, obwohl dessen Voraussetzungen im gegenständlichen Fall nicht vorlägen.
Der Oberste Gerichtshof gab der ao. Revision der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision ist zulässig. Die Entscheidung hängt von der Lösung der Frage ab, ob ein Fall vorliegt, bei dem der Verbraucher selbst die geschäftliche Verbindung mit dem Unternehmer zwecks Schließung eines Vertrages angebahnt hat (§ 3 Abs. 3 Z 1 KSchG). Es handelt sich hiebei um eine Rechtsfrage des materiellen Rechts, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt (§ 502 Abs. 4 Z 1 ZPO). Es besteht zwar eine Rechtsprechung zur Frage, was unter "Anbahnen" iS des § 3 Abs. 3 Z 1 KSchG zu verstehen ist (SZ 55/96; JBl. 1984, 44), doch ergibt sich aus dieser Begriffsbestimmung noch nicht ohne weiteres die Lösung des zu entscheidenden Falles, weil die Aufnahme von Vorverhandlungen in den verschiedensten immer wiederkehrenden und damit nicht nur für den Einzelfall bedeutsamen Formen möglich ist. Es ist daher erforderlich, die richtige Konkretisierung des allgemein gefaßten Gesetzesbegriffes des "Anbahnens" zu prüfen.
Es ist nicht strittig, daß das vorliegende Geschäft unter die Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes fällt (§ 1 Abs. 1 KSchG). Hat der Verbraucher seine zum Vertragsabschluß führende rechtsgeschäftliche Erklärung nach einer Besprechung mit einem Vertreter des Unternehmens in seiner eigenen Wohnung abgegeben, so steht ihm gemäß § 3 Abs. 1 KSchG grundsätzlich ein Rücktrittsrecht zu. Die rechtspolitische Begründung für die Gewährung eines Rücktrittsrechtes bei "Haustürgeschäften" liegt darin, einen Ausgleich dafür zu schaffen, daß der Käufer (Verbraucher) dem Verhandlungsgeschick des Verkäufers (Unternehmers) und seinen allenfalls unseriösen Verkaufsmethoden nicht gewachsen ist (von Hippel, Widerrufsrecht des Abzahlungskäufers bei Haustürgeschäften, RabelsZ 1970, 506; Schilcher, Das Rücktrittsrecht des Verbrauchers nach § 3 KSchG, in Krejci, HdB zum KSchG 274; ähnlich schon Schönfeld, Neuerungen im neuen Ratengesetz, JBl. 1962, 589; SZ 55/96). Der Verbraucher soll vor Überrumpelung durch fragwürdig agierende Unternehmer und ihre Vertreter geschützt werden (Schilcher aaO 277, 291, 294; SZ 55/96). Vorbild der derzeitigen Regelung war die Bestimmung des § 4 RatG, die für alle Verbrauchergeschäfte Geltung erlangen sollte, weil eine Überrumpelung durch einen ungebetenen, unangesagten Vertreter nicht nur durch die Vorstellung ermöglicht wird, den angebotenen Gegenstand gleich zu bekommen und erst später bezahlen zu müssen, sondern auch Bargeschäfte unter derartigen Umständen oft so geschlossen werden, daß dem Verbraucher keine hinreichende Überlegung möglich ist, ob das Geschäft für ihn sinnvoll ist (RV 744 BlgNR 14. GP 17 f.; JBl. 1984, 44).
Auch bei der Festlegung der Ausnahmen vom Rücktrittsrecht folgte der Gesetzgeber des Konsumentenschutzgesetzes weitgehend dem Ratengesetz. Es handelt sich um Fallgruppen, bei denen typischerweise eine Überrumpelung ausgeschlossen ist (744 BlgNR 14. GP 19; JBl. 1984, 44). So steht dem Verbraucher ein Rücktrittsrecht dann nicht zu, wenn er selbst die geschäftliche Verbindung mit dem Unternehmer oder dessen Beauftragten zwecks Schließung dieses Vertrages angebahnt hatte (§ 3 Abs. 3 Z 1 KSchG). Das ist der Fall, wenn der Verbraucher zur Anbahnung des konkreten Verbrauchergeschäftes auf eigenen Antrieb selbst aktiv tätig geworden ist (Kosesnik-Wehrle, KSchG 40), die Absicht, eine Sache zu kaufen, also ohne unmittelbare Beeinflussung von seiten des Unternehmers entstanden ist (Martinek-Schwarz, Ratengesetz 53). Ist diese (erste) Willensbildung ohne Einflußnahme des Verkäufers erfolgt, dann fehlt es an einem Schutzbedürfnis für den Käufer (Brunner, JBl. 1962, 250). Geht die Initiative zu einem bestimmten Geschäftsabschluß von ihm selbst aus, dann hat er sich eine etwaige (nachträgliche) Beeinflussung bei seiner Kaufentscheidung selbst zuzuschreiben (Mayerhofer, Das Abzahlungsgeschäft nach dem Ratengesetz 154).
Unter "Anbahnen" wurde schon nach § 4 Abs. 2 RatG, dem der § 3 Abs. 3 Z 1 KSchG sehr eng nachgeformt ist (JBl. 1984, 44), nicht eine rechtsgeschäftliche Erklärung, sondern ein Verhalten verstanden, durch das dem Unternehmer gegenüber zum Ausdruck gebracht wird, man wolle in Vorverhandlungen zwecks Abschlusses eines bestimmten Geschäftes treten (Edlbacher, Komm z RatG 56; SZ 55/96; JBl. 1984, 44). Das Verhalten des Verbrauchers muß einen eindeutigen Schluß auf seine Initiative und die Bereitschaft zum Abschluß eines bestimmten Verbrauchergeschäftes zulassen. Die Anbahnung muß sich daher auf den Abschluß eines konkret bestimmten Verbrauchergeschäftes beziehen (Martinek-Schwarz, Ratengesetz 53; SZ 55/96; JBl. 1984, 44).
Der Beklagte betrat den Messestand der klagenden Partei nicht nur zur Befriedigung eines allgemeinen, noch nicht konkretisierten Informationsinteresses; er interessierte sich vielmehr für eine bestimmte Ware, nämlich Rolläden für sein Haus. Er sah sich diese Ware nicht nur an, sondern ließ sich von der Geschäftsführerin der klagenden Partei die (ungefähren) Kosten ausrechnen. Da eine genaue Ermittlung der Kosten (ohne Kenntnis der Dimensionen der Fenster) nicht möglich war und auch nicht geklärt werden konnte, ob Kurbeln anzubringen wären, gestattete der Beklagte der Geschäftsführerin der klagenden Partei, ihn in seinem Haus aufzusuchen und dort Naturmaße an den Fenstern zu nehmen. Der Beklagte wurde damit aus eigenem Antrieb aktiv tätig. Er tat durch sein Verhalten eindeutig seine Absicht kund, mit der klagenden Partei in Vorve handlungen über den Abschluß eines bestimmten Rechtsgeschäftes zu treten. Daran ändert auch der von ihm erklärte Vorbehalt, "daß alles unverbindlich sein müsse", nichts, weil es selbstverständlich ist, daß durch Eintreten in Vertragsverhandlungen noch keine vertragliche Bindung entsteht. Der Beklagte hat damit die geschäftliche Verbindung zur klagenden Partei selbst angebahnt. Bei dem zwei Tage später in seiner Wohnung erfolgten Vertragsabschluß fehlte nicht nur das für "Haustürgeschäfte" typische Überraschungsmoment. Wegen des bereits bestehenden Interesses des Beklagten, sich Rolläden für sein Haus anzuschaffen, konnte es auch nicht mehr zu der bei "Haustürgeschäften" häufigen nachteiligen Folge kommen, daß der Verbraucher einen Gegenstand erwirbt, für den er sich bisher überhaupt nicht interessiert hat und zu dessen Erwerb er nur durch das überlegene Verhandlungsgeschick des Unternehmers veranlaßt wurde. Der Beklagte konnte unbeeinflußt durch irgendwelche Verhandlungspraktiken eines unerwartet bei ihm erschienenen Vertreters überlegen, ob er mit der klagenden Partei in Verbindung treten und über den Abschluß eines bestimmten Geschäftes verhandeln wolle. Da der Gesetzgeber den Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 3 Z 1 KSchG auf das "Anbahnen" durch den Verbraucher selbst abstellt und von der Erwartung ausgeht, daß es sich hiebei um einen Fall handelt, bei dem typischerweise eine Überrumpelungsgefahr ausgeschlossen ist, ist es unerheblich, ob der Verbraucher, sofern er die geschäftliche Verbindung selbst angebahnt hat, bei den nachfolgenden, zum Geschäftsabschluß führenden Verhandlungen einer Beeinflussung durch den Unternehmer ausgesetzt ist (ähnlich JBl. 1984, 44). Die klare Anordnung des Gesetzes verbietet es, entgegen der von ihm vorgenommenen Typisierung auf eine allfällige Ungleichgewichtslage im Einzelfall abstellen zu können (ähnlich 7 Ob 515/82; 7 Ob 785/82). Ein Schutz vor "Überrumpelung", den der Revisionswerber auch für diese Phase der weiteren Verhandlungen mit der Begründung in Anspruch nehmen will, er habe auf der Messe ausdrücklich nur sein unverbindliches Informationsinteresse bekundet, kommt schon begrifflich nicht in Frage, weil er infolge seiner eigenen Initiative auf den von ihm gestatteten Besuch der Geschäftsführerin der klagenden Partei vorbereitet war. Wie weit Messen nach ihrer volkswirtschaftlichen Zielsetzung nur der Befriedigung eines Informationsbedürfnisses (für spätere Geschäftsabschlüsse) oder aber dem sofortigen Abschluß von Geschäften dienen, kann auf sich beruhen. Das Gesetz geht, wie sich aus § 3 Abs. 1 KSchG und § 59 Abs. 1 GewO ergibt, jedenfalls davon aus, daß auf Messen auch rechtsgeschäftliche Erklärungen abgegeben und insbesondere Warenbestellungen entgegengenommen werden. Entscheidend ist, daß sich der Beklagte auf der Messe nicht nur allgemein informieren ließ, sondern zum Ausdruck brachte, daß er in Vorverhandlungen zwecks Abschlusses eines bestimmten Rechtsgeschäftes treten wollte. Gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 KSchG steht ihm daher kein Rücktrittsrecht zu.
Auf ein Rücktrittsrecht nach §§ 57 Abs. 3, 60 GewO 1973 hat sich der Beklagte in erster Instanz nicht berufen und die für ein solches Rücktrittsrecht erforderlichen Tatsachenbehauptungen nicht aufgestellt.
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