Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung über den Ausfolgungsantrag nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung
In der Strafsache gegen Robert K***** und andere übergab das Landesgericht für Strafsachen Wien beim Erstgericht das Kraftfahrzeug VW Golf, ***** (5 Nc 70/93 des Erstgerichtes) und dazugehörende Urkunden, nämlich sein Typenschild und einen polnischen Zulassungsschein (5 Nc 64/93 des Erstgerichtes) in gerichtliche Verwahrung. Als Erlagsgegner wurden beim PKW der Angeklagte Robert K***** sowie die Privatbeteiligte Isabella Sonja M*****/BRD, bei den Urkunden auch noch die Zweitangeklagte Barbara K***** (5 Nc 64/93 des Erstgerichtes) bezeichnet. Das Erstgericht ordnete die Verwahrung der Urkunden bei der Verwahrstelle beim Landesgericht für Strafsachen Wien und jene des Kraftfahrzeuges bei einem privaten Verwahrer an. Der Ausfolgungsantrag des ersten Erlagsgegners Robert K***** hinsichtlich des PKWs scheiterte am Fehlen der zweiten Erlagsgegnerin im Verfahren 5 Nc 70/93 des Erstgerichtes, Isabella Sonja M*****. Über einen weiteren Ausfolgungsantrag des ersten Erlagsgegners betreffend sämtliche Erlagsgegenstände ist noch nicht entschieden worden.
In ihren beim Landesgericht für Strafsachen Wien und beim Erstgericht eingereichten Anträgen begehrt die W***** AG namens der A***** AG, Stuttgart, die Ausfolgung sämtlicher verwahrten Gegenstände. Die A***** AG, Stuttgart, habe als Kaskoversicherer der geschädigten Dritterlagsgegnerin Ersatz geleistet. Das Fahrzeug sei in ihr Eigentum übergegangen.
Das Erstgericht wies die Anträge mit der Begründung ab, daß die W***** AG am Erlagsverfahren nicht beteiligt sei.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es billigte die Auffassung des Erstgerichtes, daß die Ausfolgungswerberin nicht Partei im vorliegenden Ausfolgeverfahren sei.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen von der Ausfolgungswerberin erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von dem in SZ 27/59 und in SZ 52/49 = EvBl 1979/199 ausgesprochenen Grundsatz, wonach nicht als Erlagsgegner bezeichnete Personen im Ausfolgeverfahren Parteistellung haben, soweit sie am Erlagsgegenstand - unabhängig von einem noch aufrechten Willen des Klägers - bereits rechtlich geschützte Interessen besitzen, abgewichen ist; er ist auch berechtigt.
Zunächst ist wegen des Umstandes, daß die Vorinstanzen die W***** AG als Ausfolgungswerberin behandelt haben, die Klarstellung erforderlich, daß die W***** AG im Ausfolgungsverfahren lediglich als Vertreterin der A***** AG, Stuttgart, eingeschritten ist (S.15 im Akt 5 Nc 64/93 des Erstgerichtes). Auch im Revisionsrekurs wird darauf verwiesen, daß die A***** AG, Stuttgart, als Kaskoversicherer des verwahrten Kraftfahrzeuges Entschädigungsleistungen erbracht hat. Der Name der Ausfolgungs- und Rechtsmittelwerberin war daher im Kopf der Entscheidung entsprechend richtigzustellen.
Nach der Rechtsprechung (SZ 27/59; SZ 52/49 = EvBl 1979/199) genießen die vom Erleger namentlich bezeichneten Erlagsgegner kraft dieser verfahrensrechtlichen Erklärung des Antragstellers im Ausfolgungsverfahren Parteistellung, sonstige Personen aber nur insoweit, als sie am Erlagsgegenstand - unabhängig von einem noch aufrechten Willen des Erlegers - bereits rechtlich geschützte Interessen besitzen. Nur im Annahmeverfahren kommt diesem Personenkreis keine Parteistellung zu (SZ 40/8). Der schlichte Gläubiger eines Erlagsgegners hat Forderungsrechte gegen diesen, aber in Ermangelung von Rechten am Erlagsgegenstand im Ausfolgungsverfahren weder Parteistellung noch Rechtsmittelbefugnis (SZ 52/49).
Die Ausfolgungswerberin im vorliegenden Verfahren behauptet nicht etwa schlichte Gläubigerin eines Erlagsgegners zu sein. Sie hat als Kaskoversicherer die dritte Erlagsgegnerin aus Anlaß des Diebstahls des versicherten und nunmehr verwahrten Kraftfahrzeuges entschädigt. Wenngleich auch § 929 BGB zur Übertragung des Eigentumsrechts an einer beweglichen Sache fordert, daß der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und beide darüber einig sind, daß das Eigentum übergehen soll, bestimmt § 13 Abs 7 Satz 2 AKB, daß die versicherte Sache nach Ablauf eines Monates nach dem Eingang der Schadensanzeige Eigentum des Versicherers wird. In der BRD wird dazu die Auffassung vertreten, daß die Übereignung bereits mit Abschluß des Versicherungsvertrages wirksam vereinbart wird; das Eigentum wird durch Einigung und Abtretung des Herausgabeanspruches auf den Versicherer übertragen (Stiefel-Hofmann, Kraftfahrversicherung15, 652 Anm 80 zu § 13 AKB). Eine Prüfung der Eigentumsverhältnisse findet jedoch im außerstreitigen Verfahren nicht statt. Die Ausfolgungswerberin behauptet aber, das Eigentum an der verwahrten Sache erworben und damit eine solche rechtliche Beziehung zu den Erlagsgegenständen erlangt zu haben, daß ihre Rechte an der Sache bereits im Ausfolgeverfahren berücksichtigt werden müßten. Der Ausfolgungsantrag kann daher nicht mit der Begründung abgetan werden, daß die Ausfolgungswerberin vom Erleger nicht als Erlagsgegnerin bezeichnet worden ist. Gerade dort, wo der Erlag vom Strafgericht in Befolgung einer gesetzlichen Vorschrift angeordnet wird, daß im Strafverfahren beschlagnahmt gewesene Verwahrnisse gemäß § 1425 ABGB erlegt werden, kann die Benennung sämtlicher in Frage kommender Erlagsgegner mangels näherer Anhaltspunkte im Strafakt nicht immer vollständig sein.
Im Fall der Zustimmung sämtlicher Erlagsgegner zur Ausfolgung der verwahrten Sachen an die Ausfolgungswerberin könnte diese Ausfolgung somit nicht verweigert werden. Das Erstgericht wird daher der Ausfolgungswerberin die Gelegenheit zu geben haben, diese Zustimmungserklärungen beizubringen; andernfalls dürfen die hinterlegten Sachen nicht ohne Zustimmung der Ausfolgungswerberin einem anderen Erlagsgegner ausgefolgt werden. Im Streitfall kann eine fehlende Zustimmung zu einem Ausfolgungsantrag allerdings nur durch Gerichtsurteil ersetzt werden (Reischauer in Rummel, ABGB2, Rz 37 zu § 1425 ABGB).
Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.
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