OGH 4Ob516/95

OGH4Ob516/9528.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter M*****, vertreten durch Dr.Wolfhard Zimmermann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Wilhelm P*****, vertreten durch Dr.Karl Grigkar, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 173.668 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 5.Dezember 1994, GZ 14 R 119/94-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 24. Jänner 1994, GZ 19 Cg 93/93y-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit S 9.135 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.522,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Ehegatten Rudolfine und Johann N***** waren Erben nach ihrem am 1. August 1989 verstorbenen Sohn Walter N*****, dem eine Eigentumswohnung im Hause W*****, gehört hatte. Der Beklagte, ein Neffe von Rudolfine N***** und ein Cousin von Walter N*****, hatte dieses Ehepaar seit etwa einem Jahr vor dem Tod ihres Sohnes zusammen mit seiner Ehegattin betreut. Sie halfen ihnen beim Haushalt, bei sonstigen Erledigungen und gingen ab und zu mit ihnen essen.

Im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens nach ihrem Sohn ersuchten die Eheleute N***** den Beklagten, die Eigentumswohnung des Sohnes zu veräußern. Sie übergaben ihm die Schlüssel zur Eigentumswohnung und meinten, er solle aus dem Erlös alles zahlen, was auf Grund des Todes ihres Sohnes zu begleichen sei. Den Rest könne er behalten, weil er ohnedies für sie schon genug Aufwendungen gemacht habe. Im Zusammenhang damit erteilten sie am 12.September 1989 dem Beklagten schriftlich Vollmacht zu ihrer Vertretung im Verlassenschaftsverfahren. Am 20.Oktober 1989 verkaufte der Beklagte die Eigentumswohnung namens der Verlassenschaft nach Walter N***** um S 338.000. Dieser Kaufvertrag wurde am 22.November 1989 abhandlungsbehördlich genehmigt; der Nachlaß wurden den Ehegatten N***** je zur Hälfte eingeantwortet. Am 15.Jänner 1990 starb Rudolfine N***** und am 22.März 1990 Johann N*****. Nach der Verbücherung der Eigentumsübertragung ließ sich der Beklagte den Kaufpreis samt Zinsen (S 347.336) auszahlen, deckte daraus die Kosten der Errichtung des Grabes und des Begräbnisses von Rudolfine N***** uä - die Begräbniskosten für Johann N***** wurden aus dem Sterbequartal der Gemeinde W***** berichtigt - und verwendete den Rest für sich und seine Frau. Der Nachlaß nach Johann N***** wurde dem Kläger - einem Großneffen des Verstorbenen - am 8.Jänner 1991 zur Hälfte eingeantwortet. Nach dem Tod Rudolfine N*****s fand eine Verlassenschaftsabhandlung nicht statt.

Nach dem Verkauf der Wohnung hatte der Beklagte bei der Auszahlung des Kauferlöses durch den Notar den Tod des Ehepaares N***** nicht erwähnt, so daß der Notar der Meinung war, Johann und Rudolfine N***** lebten noch. Er übergab daher den Scheck dem Beklagten als Erbenmachthaber.

Der Kläger begehrt vom Beklagten S 173.668 sA. Der Beklagte habe den Erlös aus dem Verkauf der Eigentumswohnung Walter N*****s zu Unrecht für sich behalten. Das mündliche Schenkungsversprechen der Eheleute N***** sei mangels wirklicher Übergabe nicht rechtsgültig gewesen. Dem Kläger stehe daher die Hälfte des Erlöses zu.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die Schenkung sei wirksam erfolgt, weil ihn das Ehepaar N***** zum Verkauf der Eigentumswohnung und zur Entgegennahme des Verkauferlöses schriftlich bevollmächtigt und erklärt habe, daß er den Erlös im Hinblick auf seine Betreuungsleistungen behalten könne.

Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt. Vom Schenkungswillen der Eheleute N***** sei nicht die Eigentumswohnung, sondern der erst nach ihrem Tod vom Notar ausbezahlte Geldbetrag abzüglich der im Zusammenhang mit dem Tod Walter N*****s stehenden Auslagen umfaßt gewesen. Dieser Geldbetrag sei dem Beklagten niemals wirklich übergeben worden. Wäre der Erlös rechtmäßig in den Nachlaß nach Rudolfine und Johann N***** abgeführt worden, so wäre dem Kläger die Hälfte davon eingeantwortet worden.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Da dem Beklagten nicht die Eigentumswohnung, sondern der Verkaufserlös (abzüglich der erwähnten, daraus zu deckenden Forderungen) geschenkt wurde, wäre für die Wirksamkeit der Schenkung mangels Errichtung eines Notariatsaktes grundsätzlich eine wirkliche Übergabe von Hand zu Hand notwendig gewesen. Die Schenkung des Verkaufserlöses sei aber hier nicht anders zu beurteilen, als die Schenkung eines Sparbuches. Bei einem Sparbuch genüge die Übergabe des Sparbuches samt Mitteilung des Losungswortes in Schenkungsabsicht. Auch im vorliegenden Fall habe das Ehepaar N***** mit der Erteilung der Vollmacht an den Beklagten alle jene Schritte gemacht, die ihn ohne weitere Mitwirkung der Geschenkgeber in die Lage versetzten, den geschenkten Geldbetrag von einem Dritten zu übernehmen. Demnach sei mit der Schlüsselübergabe an den Beklagten und der Ausstellung der Vollmacht zu Lebzeiten der Ehegatten N***** der Geldbetrag wirklich übergeben worden.

Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 943 ABGB erwächst dem Geschenknehmer aus einem bloß mündlichen, ohne wirkliche Übergabe geschlossenen Schenkungsvertrag kein Klagerecht; dieses Recht muß durch eine schriftliche Urkunde begründet werden. Gemäß § 1 Abs 1 lit d NZwG bedürfen Schenkungsverträge ohne wirkliche Übergabe zu ihrer Gültigkeit eines Notariatsaktes. Eine "wirkliche Übergabe", also ein neben dem Schenkungsvertrag als Übergabe erkennbarer weiterer Akt liegt - wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - dann vor, wenn jener sinnfällig nach außen erkennbar und so beschaffen ist, daß aus ihm der Wille des Geschenkgebers hervorgeht, das Objekt der Schenkung sofort aus seiner Gewahrsame in den Besitz des Beschenkten zu übertragen. Der Ausdruck "wirkliche Übergabe" bedeutet nichts anderes als das Gegenteil der bloßen Zusicherung oder des bloßen Schenkungsversprechens (Schubert in Rummel, ABGB2, Rz 1 zu § 943 mwN; JBl 1985, 672; NZ 1991, 11 uva). Es genügt die körperliche Übergabe, Übergabe durch Zeichen, Besitzauflassung (EvBl 1976/62) oder Besitzanweisung (SZ 48/81; JBl 1985, 672 ua).

Der Oberste Gerichtshof hat schon ausgesprochen, daß ein mit Losungswort versehenes Sparbuch durch die Übergabe und Mitteilung des Losungswortes wirklich übergeben wird (SZ 39/140; QuHGZ IV/1983, 857), wogegen etwa die bloße Übergabe der Berechtigungskarte eines Postsparbuches (SZ 48/81), die Übergabe des Sparbuches ohne Bekanntgabe des Losungswortes (SZ 47/24) oder die Aushändigung eines Postsparbuches ohne Berechtigungskarte (SZ 54/51) nicht hinreichen, weil in diesen Fällen noch nicht die vollständige Verfügungsgewalt eingeräumt wurde. Die schriftliche Bevollmächtigung zur Behebung von Aktien aus einem Bankdepot mit einem Ausfolgungsauftrag an die Bank bedeutet hingegen eine wirkliche Übergabe an den Geschenknehmer (SZ 40/86); das gleiche gilt für die Übergabe einer urkundlichen Anweisung zur Verfügung über den Inhalt eines Schrankfaches (HS 10.699), sowie die Übergabe eines schenkungshalber ausgestellten Wechsels oder Schecks an den Beschenkten (EvBl 1976/109; zu allem Schubert aaO Rz 5). Eine wirkliche Übergabe liegt auch dann vor, wenn etwa der Hinterlegungsschein des deponierten Sparbuches ausgefolgt, das Losungswort mitgeteilt und eine Vollmacht erteilt wird, die den Beschenkten zur Behebung des bei der Bank hinterlegten Sparbuches berechtigt (BankArch 1992, 746).

Wendet man diese Grundsätze auf den hier zu beurteilenden Fall an, dann ist der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes beizupflichten. Auch hier haben es die Geschenkgeber - die Eheleute N***** - nicht dabei bewenden lassen, dem Beklagten den (Rest-)Erlös aus dem Verkauf der Wohnung ihres verstorbenen Sohnes zu versprechen; vielmehr haben sie ihn durch die Ausstellung einer Vollmacht in die Lage versetzt, die Wohnung zu verkaufen und den Erlös in Empfang zu nehmen und somit darüber zu verfügen. Im Zusammenhang mit der festgestellten, den Schenkungswillen der Ehegatten N***** zum Ausdruck bringenden Erklärung ist die Ausstellung der Vollmacht ein nach außen hin wahrnehmbarer Akt, aus dem ihr ernstlicher Wille hervorgeht, das Objekt der Schenkung in den Besitz des Beschenkten zu übertragen.

Was der Kläger gegen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes ins Treffen führt, geht am Kern des Problems vorbei:

Bei seiner Argumentation, daß dann, wenn das Gesetz für die Gültigkeit eines Vertrages die Einhaltung einer bestimmten Form vorschreibt, sich diese Formpflicht auch auf die Vollmacht zu erstrecken hat, übersieht der Kläger, daß die Formvorschrift des § 1 Abs 1 lit d NZwG eben nur für Schenkungsverträge ohne wirkliche Übergabe gilt (SZ 57/118), für Schenkungen mit wirklicher Übergabe aber keine Formvorschrift besteht.

Der Hinweis darauf, daß dann, wenn Schenkungen gemacht werden sollen, eine besondere, auf das einzelne Geschäft ausgestellte Einzelvollmacht gemäß § 1008 Abs 2 ABGB notwendig sei, geht gleichfalls fehl, wurde doch der Beklagte nicht zum Verschenken, sondern zum Verkauf einer Eigentumswohnung bevollmächtigt.

Entscheidend ist, daß die Eheleute N***** mit der Unterfertigung der Vollmacht dem Beklagten die Verfügungsmacht über den Kaufpreiserlös eingeräumt haben. Ob ein Außenstehender - wie der Gerichtskommissär im Verlassenschaftsverfahren nach Walter N***** - vom Schenkungsversprechen der Eheleute gewußt hat oder nicht, ist in diesem Zusammenhang völlig unerheblich.

Das Erlöschen der Vollmacht durch den Tod der Geschenkgeber hat für die Frage, ob in der Ausstellung der Vollmacht seinerzeit eine Schenkung mit wirklicher Übergabe gelegen war, gleichfalls keine Bedeutung.

Die Rechtsansicht des Gerichtes zweiter Instanz ist daher voll zu billigen.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor:

Wie schon bei der Behandlung der Rechtsrüge ausgeführt wurde, rechtfertigt das Verhalten des Beklagten, nämlich, daß er sich den Kaufpreiserlös persönlich auszahlen ließ, keine andere rechtliche Beurteilung. Dem Berufungsgericht kann somit nicht das Übergehen erstgerichtlicher Feststellungen vorgeworfen werden.

Soweit der Kläger die unterbliebene Berücksichtigung seines unmittelbar vor dem Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz gestellten Antrages auf Vernehmung von vier Zeugen zum Beweis der mangelnden "Ernstlichkeit der eingewendeten Schenkung" und des Fehlens des wahren Willens des Erblassers Johann N***** zur Schenkung (S 61) erstmals in der Revision rügt, kann ihm kein Erfolg beschieden sein, wenngleich nach ständiger Rechtsprechung die in erster Instanz siegreich gebliebene Partei nicht gehalten ist, in der Berufungsbeantwortung für sie nachteilige Feststellungen zu bekämpfen oder zu ihren Lasten vorgefallene Verfahrensfehler zu rügen (Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 5 zu § 468 mwN aus der Rsp). Der Kläger übersieht nämlich, daß der Erstrichter diesen Beweisantrag ausdrücklich (auch) wegen Verspätung und offenbarer Verschleppungsabsicht abgelehnt hat (S 63). Gegen diese Beurteilung des Erstrichters führt aber der Kläger nichts ins Treffen. Er versucht nicht einmal im Rechtsmittelverfahren, Gründe dafür zu bringen, daß er diesen Beweisantrag, der jedenfalls objektiv verspätet war, weil er nicht schon in der Klage oder doch in der Beweisbeschlußtagsatzung gestellt worden war (Pimmer, Zur Befugnis des Richters zur Zurückweisung verspäteten Vorbringens und Beweisanbietens nach § 179 Abs 1 Satz 2 ZPO, JBl 1983, 129 ff [130]; Fucik in Rechberger ZPO Rz 2 zu § 179) und zweifellos geeignet war, das Verfahren erheblich zu verzögern, nicht in der Absicht, den Prozeß zu verschleppen, sondern etwa deshalb später gestellt hat, weil ihm die Zeugen erst nachher bekannt geworden seien.

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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