OGH 4Ob513/92

OGH4Ob513/9225.2.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Franz Sch*****, Landwirt, 2. Thomas Sch*****, Radio- und Fernsehmechaniker, und 3. Peter Sch*****, Bankangestellter, ***** vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Dr. Ernst S*****, Leitender Angestellter, ***** vertreten durch Dr. Karl Friedrich Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Räumung (Streitwert S 180.000), infolge Rekurses des Beklagten gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 4. Oktober 1991, GZ 21 R 243/91-33, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 22. Jänner 1991, GZ 15 C 1601/89-25, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekurses sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Kläger begehren vom Beklagten die Räumung des Hauses S*****, D*****straße 2, im wesentlichen mit der Begründung, daß der Beklagte die Wohnung von der (inzwischen verstorbenen) "Wohn- und Nutzungsberechtigten" Rosa N***** gemietet habe. Rosa N***** sei aber nur Wohnungsberechtigte gewesen. Der Beklagte habe an dem Bestandgegenstand keine weitergehenden Rechte begründen können, als sie Rosa N***** zugestanden seien. Spätestens mit ihrem Tod sei jede Rechtsgrundlage für die Weiterbenützung des Hauses durch den Beklagten weggefallen. Die letzte Verlängerung des Mietvertrages sei in der Absicht geschehen, die Eigentümer der Liegenschaft zu schädigen; der Beklagte habe dabei in der Absicht gehandelt, das mit einem unkündbaren Mietvertrag belastete Haus billiger zu erwerben.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Rosa N***** sei als Fruchtgenußberechtigte zum Abschluß eines Mietvertrages auch auf unbestimmte Zeit berechtigt gewesen.

Mit Entscheidung vom 6. November 1990, 4 Ob 556/90, auf deren Inhalt verwiesen wird, hob der Oberste Gerichtshof die Urteile der Vorinstanzen im ersten Rechtsgang auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurück.

Im zweiten Rechtsgang wendete der Beklagte ein, daß durch die Annahme des von ihm während des Rechtsstreites erlegten Mietzinses zwischen den Streitteilen schlüssig ein Mietverhältnis begründet worden sei.

Die Kläger bestritten das Zustandekommen eines solchen Vertrages. Der Erstkläger habe von den weiteren Miteigentümern keine Vollmacht zur Begründung eines Mietverhältnisses gehabt; er habe zwischen "Miete" und "Benützungsentgelt" nicht unterscheiden können. Das anhängige Räumungsverfahren stehe einem schlüssigen Vertragsabschluß entgegen. Daß der Beklagte das Objekt titellos benütze, sei auch noch im August und Oktober 1990 durch Korrespondenz zwischen den Rechtsanwälten zum Ausdruck gebracht worden.

Das Erstgericht wies das Räumungsbegehren im zweiten Rechtsgang ab. Es legte seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde:

Die Kläger hatten während des anhängigen Rechtsstreites (zunächst) vom Beklagten keinen Mietzins angenommen, so daß er die (mit Rosa N***** vereinbarten) Mietzinse zu 20 Nc 712/89 des Bezirksgerichtes Salzburg hinterlegte. Nach der Entscheidung des Landesgerichtes Salzburg im ersten Rechtsgang wollten die Kläger möglichst rasch an die erlegten Beträge herankommen. Am 7. August 1990 beantragte der Erstkläger die Ausfolgung der erlegten Mietzinse. Der Beklagte äußerte sich zu diesem Antrag dahin, daß er mit der Ausfolgung nur einverstranden sei, wenn diese Gelder von den Klägern als "Mietzins Haus D*****straße Nr. 2" angenommen würden.

Am 3. September 1990 gab der Erstkläger im Verfahren 20 Nc 712/89 folgende Erklärung zu Protokoll:

"Ich nehme die Äußerung des Erlegers Dr. Ernst S***** ON 21 zur Kenntnis. Mir wird Rechtsbelehrung hinsichtlich einer Klageführung erteilt. Nunmehr lege ich eine Vollmacht meiner beiden Söhne 1. Peter Sch***** und 2. Thomas Sch***** zum Akt und ersuche um Kenntnis. Weiters präzisiere ich meinen Antrag auf Ausfolgung vom 7. August 1990 dahingehend, daß ich den gesamten hinterlegten Betrag ausdrücklich und mit der Widmung 'Mietzins Haus D*****straße Nr. 2' entgegennehme."

Daraufhin wurde die Auszahlung veranlaßt.

Mit Schreiben vom 1. Oktober 1990 forderten die drei Kläger den Beklagten zur Zahlung des Mietzinses auf das Konto des Erstklägers S 151.613 bei der Salzburger Sparkasse auf.

Rechtliche Beurteilung

Nach Ansicht des Erstgerichtes lasse dieses Verhalten der Kläger keinen Zweifel übrig, daß sie mit dem Beklagten einen Mietvertrag schließen wollten, hätten sie doch zunächst die Annahme der Mietzinse verweigert, nach der Entscheidung der zweiten Instanz im Räumungsprozeß aber "kapituliert" und durch ihr Ausfolgungsbegehren zum Ausdruck gebracht, daß sie einen Mietvertrag mit dem Beklagten hinnehmen müßten. Das Forderungsschreiben vom 1. Oktober 1990 sei von allen drei Miteigentümern unterfertigt worden. Zwischen den Streitteilen sei daher schlüssig ein neuer Mietvertrag begründet worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Die zweite Instanz, die bereits im ersten Rechtsgang einen S 50.000,-- übersteigenden Streitgegenstand angenommen hatte, sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Bei der Beurteilung einer Handlung auf ihre konkludente Aussage sei größte Vorsicht geboten, weil die Gefahr bestehe, daß dem Handelnden Äußerungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinne waren; es dürfe kein vernünftiger Grund vorliegen, daran zu zweifeln, daß ein Rechtsfolgewille in einer bestimmten Richtung vorliegt. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Vertrag durch schlüssige Handlungen zustande gekommen ist, müsse das gesamte Verhalten der Vertragsteile berücksichtigt werden. Durch die Annahme eines Entgeltes für die Benützung einer Wohnung komme zwar im allgemeinen ein Bestandvertrag schlüssig zustande; das sei jedoch dann nicht der Fall, wenn der angebliche Vermieter durch sein sonstiges Verhalten klar zum Ausdruck bringt, daß er nicht gewillt ist, einen Bestandvertrag abzuschließen. Dränge der Hauseigentümer einerseits auf Räumung des Objektes und nehme er andererseits für die Zeit bis zu dieser Räumung das aus dem bisherigen Vertragsverhältnis geschuldete Entgelt von Personen an, die tatsächlich in der Wohnung leben und diese beanspruchen, dann könne zumindest nicht zweifelsfrei auf das Zustandekommen eines Mietvertrages mit diesen Personen gesprochen werden, sei doch der Hauseigentümer in der Regel berechtigt, auch für die titellose Benützung einer Wohnung gegen seinen Willen ein Entgelt zu verlangen.

Dem Beklagten sei bekannt gewesen, daß die Kläger im Verfahren ihren Rechtsstandpunkt, daß er das Haus titellos benütze, weiterhin aufrechterhalten hatten. Allein daraus, daß der Erstkläger als einziger Erlagsgegner im Verfahren 20 Nc 712/89 des Erstgerichtes die hinterlegten Entgelte mit der Widmung "Mietzins Haus D*****straße Nr. 2" entgegengenommen hat, könne nicht auf den Willen der Liegenschaftseigentümer zum Abschluß eines neuen Mietvertrages bzw. zur Anerkennung des Mietvertrages mit Rosa N***** geschlossen werden. Auch aus dem Forderungsschreiben der Kläger vom 1. Oktober 1990 ergebe sich eine solche Rechtsfrage nicht, da ihnen als Liegenschaftseigentümer ja grundsätzlich ein Anspruch auf ein vom Beklagten zu entrichtendes Entgelt zustehe. Die Entrichtung eines als "Mietzins" bezeichneten Entgeltes könne für sich allein noch kein Bestandverhältnis begründen. Bei dieser Sachlage habe der Beklagte als redlicher Erklärungsempfänger nicht von einem Willen der Kläger zum Abschluß eines neuen Mietvertrages oder zum Eintritt in den zwischen ihm und Rosa N***** geschlossenen Mietvertrag ausgehen dürfen.

Der Beklagte bekämpft diese Entscheidung mit Revisionsrekurs wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung; er beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, "daß der Berufung der Kläger gegen das Ersturteil keine Folge gegeben" (also in der Sache selbst entschieden und das Ersturteil wiederhergestellt) werde.

Die Kläger haben keine Rekursbeantwortung erstattet.

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Nach Ansicht des Beklagten hätten die Kläger durch die ausdrückliche Annahme der hinterlegten Beträge als "Mietzins Haus D*****straße Nr. 2" nach Rechtsbelehrung durch den Rechtspfleger unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, daß sie den Mietvertrag mit dem Beklagten "hinnehmen müßten"; sie hätten damit zwar keinen neuen Mietvertrag geschlossen, wohl aber den bestehenden Mietvertrag durch ihr Verhalten anerkannt.

Diesen Ausführungen ist insoweit zuzustimmen, als es im vorliegenden Fall nur darum geht, ob die Kläger durch ihre Willensäußerungen einer Fortsetzung des Vertrages mit dem Beklagten zugestimmt haben. Das Berufungsgericht hat aber ohnehin das Verhalten der Kläger im Hinblick auf einen solchen Rechtsfolgewillen geprüft, die vom Beklagten behauptete Rechtsfolge jedoch zutreffend verneint.

Wie das Berufungsgericht in Einklang mit Lehre und Rechtsprechung richtig erkannt hat, ist bei der Beurteilung einer Handlung auf ihre konkludente Aussage größte Vorsicht geboten, weil die Gefahr besteht, daß dem Handelnden Äußerungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinn waren. Eine konkludente Erklärung darf daher nur dann angenommen werden, wenn eine Handlung nach der Verkehrssitte und nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist; es darf kein vernünftiger Grund vorliegen, daran zu zweifeln, daß ein Rechtsfolgewille in einer bestimmten Richtung vorliegt (Koziol-Welser8 I 83; Rummel in Rummel, ABGB2, Rz 14 zu § 863; MietSlg. 29.088; 31.081; 38.106). Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Vertrag durch schlüssige Handlungen zustande gekommnen ist, muß das gesamte Verhalten der Vertragsteile berücksichtigt werden (MietSlg. 38.106 ua). Drängt der Hauseigentümer einerseits auf Räumung des Objektes und nimmt er andererseits für die Zeit bis zur Räumung das aus dem bisherigen Vertragsverhältnis geschuldete Entgelt von Personen an, die in der Wohnung leben und diese beanspruchen, so kann zumindest nicht unzweifelhaft auf das Zustandekommen eines Mietvertrages mit diesen Personen geschlossen werden (MietSlg. 33.137, 34.185, 38.106, 38.108 ua; Rummel aaO Rz 22 mwN). Der Hauseigentümer ist nämlich in der Regel berechtigt, auch für die gegen seinen Willen erfolgende titellose Benützung einer Wohnung ein Benützungsentgelt zu verlangen. Läßt er dennoch klar erkennen, daß er der Benützung der Wohnung durch eine bestimmte Person widerspricht, dann ist der Schluß aus der Annahme eines Entgeltes für die Wohnung auf seine Absicht, ein Bestandverhältnis zu begründen, nicht gerechtfertigt (MietSlg 38.106, 38.108).

Im vorliegenden Fall haben die Kläger durch das Weiterführen des Räumungsprozesses gegen den Beklagten deutlich zum Ausdruck gebracht, daß sie nicht gewillt waren, in den zwischen Rosa N***** und dem Beklagten geschlossenen Mietvertrag einzutreten. Sie haben auch in ihrer Revision den Standpunkt aufrechterhalten, daß der Beklagte jedenfalls seit dem Tod der Rosa N***** titelloser Benützer der Wohnung sei oder wenigstens die vereinbarte Vertragsverlängerung infolge rechtsmißbräuchlichen Zusammenwirkenss der Mietvertragspartner nichtig sei. Zu diesem Prozeßstandpunkt steht ihre ausdrückliche Erklärung, die vom Beklagten erlegten Beträge als "Mietzins Haus D*****straße Nr. 2" entgegenzunehmen, in keinem unauflöslichen Widerspruch, der nach den (in der Lehre umstrittenen) Regeln für die Behandlung der protestatio facto contraria (siehe dazu Rummel aaO Rz 25 zu § 863; Koziol-Welser aaO 110) gelöst werden müßte.

Auch die Kläger gehen im Räumungsprozeß davon aus, daß zwischen Rosa N***** und dem Beklagten einmal ein Mietvertrag bestanden hat. Gemäß § 34 Abs 2 MRG bleiben während der Dauer der verlängerten Räumungsfrist, unbeschadet gegenteiliger Vereinbarung und einer nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zulässigen Erhöhung des Mietzinses, die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis so wie bisher aufrecht. Diese - hier nicht unmittelbar anwendbare - Regel wird aber durch die Rechtsprechung ganz allgemein in Fällen angewendet, in denen der Mieter nach der Auflösung des Bestandverhältnisses die Bestandsache (ohne Titel) weiterbenützt (Würth in Rummel, ABGB, II Rz 3 zu § 34 MRG). Mit dem Prozeßstandpunkt der Kläger, daß der Beklagte zur Räumung des Hauses verpflichtet sei, ist es daher durchaus vereinbar, daß sie von ihm für die Zeit bis zur Räumung "Mietzins" in jenem Umfang verlangen, in dem dies zwischen Rosa N***** und dem Beklagten vereinbart war. Daher schadet es den Klägern auch nicht, daß sie den erlegten Mietzins auf Verlangen des Beklagten ausdrücklich mit dem Verwendungszweck "Mietzins Haus D*****straße Nr. 2" angenommen haben; diese Widmung hat im Zusammenhang mit dem von den Klägern weitergeführten Räumungsverfahren nur die Bedeutung, daß es ihnen verwehrt ist, vom Beklagten etwa ein höheres Benützungsentgelt zu verlangen oder die ausgefolgten Beträge auf irgendeinen anderen Rechtstitel zu verrechnen. Die auf ausdrückliches Verlangen des Beklagten erfolgte Annahme der hinterlegten Beträge als "Mietzins" ist daher im vorliegenden Fall kein ausreichendes Indiz dafür, daß die Kläger das bestrittene Mietverhältnis "anerkannt" hätten und in den Vertrag zwischen Rosa N***** und dem Beklagten hätten eintreten wollen.

Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO.

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